Landgericht Landshut Beschluss, 19. Jan. 2017 - 3 Qs 14/17

19.01.2017
vorgehend
Amtsgericht Freising, 7 OWi 406 Js 22155/16, 16.11.2016

Gericht

Landgericht Landshut

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde vom 25.11.2016 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Freising vom 16.11.2016 wird kostenfällig als unbegründet

verworfen.

Gründe

I.

Die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt erließ am 11.04.2016 gegen den Betroffenen einen Bußgeldbescheid wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 41 km/h mit einer Geldbuße in Höhe von 160,- € und einem Monat Fahrverbot. Der Bußgeldbescheid wurde dem Betroffenen am 13.04.2016 zugestellt. Mit Anwaltsschreiben vom 13.04.2016, taggleich eingegangen per Fax bei der Zentralen Bußgeldstelle, legte die Verteidigerin Rechtsanwältin E., die sich bereits mit einem annähernd inhaltsgleichen Schriftsatz vom 16.03.2016 für den Betroffenen bestellt hatte, Einspruch ein und beantragte Akteneinsicht. Das Einspruchsschreiben besteht aus einer Seite und enthält überwiegend automatisierten Text. In einer Textpassage wird standardmäßig darauf hingewiesen, was bei einer Geschwindigkeitsmessung zum vollständigen Akteninhalt gehören soll. Die beantragte Akteneinsicht wurde am 27.04.2016 verfügt. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich in der Akte das Datenblatt zum Verwarnungs- und Bußgeldverfahren, das Messprotokoll für Abstands- und Geschwindigkeitsmessungen für den 26.02.2016, eine Zeugenerklärung der/des Messverantwortlichen, ein Eichschein zum verwendeten Messgerät sowie Lichtbilder, die den gemessenen Pkw und den Pkw-Lenker sowie die Messstrecke zeigen.

Mit Verfügung vom 03.06.2016 wurde der Vorgang von der Staatsanwaltschaft Landshut dem Amtsgericht Freising vorgelegt. Mit Verfügung vom 08.06.2016 wurde Hauptverhandlungstermin auf den 30.06.2016 bestimmt.

Mit Schriftsatz vom 13.06.2016 teilte Rechtsanwältin S. mit, dass der Betroffene nicht mehr von der Kanzlei W. vertreten werde. Mit weiterem Schriftsatz vom 30.05.2016 teilte Rechtsanwältin E., die der gleichen Kanzlei angehört, mit, dass sie den Betroffenen nicht mehr vertrete. Mit Schriftsatz vom 27.06.2016 teilte ein Herr Rechtsanwalt G. unter dem Briefkopf der Kanzlei W. mit, „dass wir den Betroffenen anwaltlich vertreten werden.“ Zum Hauptverhandlungstermin am 30.06.2016 erschien Rechtsanwalt L. mit einer Terminsvollmacht, ausgestellt von Rechtsanwalt G.. Die Hauptverhandlung dauerte 6 Minuten. Der Betroffene wurde freigesprochen. Bei der Aktenzuleitung an die Staatsanwaltschaft gemäß § 41 StPO vermerkte die zuständige Richterin auf dem Terminsprotokoll handschriftlich: „ Nach Inaugenscheinnahme des Betroffenen kam dieser nicht als Betroffener in Betracht. Bereits bei der Gesichtsform und den Ohren bestanden erhebliche Abweichungen.“

Mit Schriftsatz vom 02.09.2016 beantragte Rechtsanwalt G. Kostenfestsetzung in Höhe von insgesamt 1.072,19 €. Dabei setzte er für die Grundgebühr (5100 VV RVG) 125,- €, für die Verfahrensgebühr vor der Verwaltungsbehörde (5103 VV RVG) und vor dem Amtsgericht (5109 VV RVG) jeweils 200,- € und für die Terminsgebühr vor dem Amtsgericht (5110 VV RVG) 310,- € an. Zur Begründung führte er aus, es habe sich um einen überdurchschnittlichen Fall gehandelt, insbesondere wegen des Fahrverbots. Grundsätzlich sei bei einem Durchschnittsfall von der Mittellgebühr auszugehen. Deshalb sei im vorliegenden Fall ein Gebührenansatz oberhalb der Mittelgebühr gerechtfertigt.

Im angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16.11.2016 setzte das Amtsgericht Freising die Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG auf 80,-- €, die Gebührennummern 5103 und 5109 VV RVG auf jeweils 125,- € und die Terminsgebühr gem. 5110 VV RVG auf 200,- €. Die übrigen Kostenansätze des Verteidigers wurden übernommen. Daraus ergibt sich der festgesetzte Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 709,24 €. Der Beschluss wurde dem Verteidiger zugestellt am 22.11.2016. Mit Schriftsatz vom 16.11.2016, eingegangen beim Amtsgericht Freising am 28.11.2016, legte dieser sofortige Beschwerde ein und wiederholte die bisherige Begründung.

Das Amtsgericht Freising hat den Vorgang der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gem. §§ 46 Abs. 1 OWiG, 474 b, 304 Abs. 2 StPO, 103, 104 Abs. 3, 567 Abs. 2 ZPO, 11 Abs. 2 RVG zulässige sofortige Beschwerde erweist sich als unbegründet. Das Amtsgericht Freising hat die im Sachverhalt dargestellten Gebührenkürzungen zurecht vorgenommen.

Das Amtsgericht Freising war an der Gebührenherabsetzung nicht durch die Bindungswirkung des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG gehindert. Diese entfällt nur dann, wenn die beantragte Festsetzung eine Ermessensüberschreitung beinhaltet. Eine Ermessensüberschreitung liegt dann vor, wenn die beantragte Einzelgebühr die Billigkeitsfestsetzung des Gerichts um zumindest 20% überschreitet. Dies trifft vorliegend bei allen vier Einzelgebühren zu.

Bei der gebührenmäßigen Bewertung des jeweiligen Verfahrens ist nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer zu unterscheiden zwischen einem allgemeinen Durchschnittsfall, gemessen an den Verfahren aus allen Ordnungswidrigkeitsbereichen, und einem Durchschnittsfall aus dem Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten. Nach den Bewertungsmaßstäben der Kammer ist eine durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeit keineswegs gleichzusetzen mit einem allgemeinen Durchschnittsfall in der Gesamtbetrachtung aller Ordnungswidrigkeitenbereiche. Auf diesen Durchschnittsfall ist die Mittelgebühr zugeschnitten und nicht auf einen Durchschnittsfall aus dem Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten.

Die weit überwiegende Anzahl der Verkehrsordnungswidrigkeiten beinhaltet alltägliche Verkehrsübertretungen, die in großer Zahl auftreten und zu deren Verfolgung und Ahndung in allen Verfahrensabschnitten überwiegend automatisiert bzw. standardisiert gearbeitet wird, auch auf Seiten der Verteidiger. Diese Massenverfahren weisen weder einen komplizierten Sachverhalt auf noch ist zu ihrer Bearbeitung ein umfangreicher Zeit- oder Begründungsaufwand erforderlich. Deshalb scheint es insbesondere mit dem Blick auf die Höhe der Verteidigergebühren in Strafsachen für die Kammer nicht gerechtfertigt, für ein durchschnittliches Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren die allgemeine Mittelgelbühr anzusetzen. Auch die große Anzahl dieser Verfahren rechtfertigt dies nicht. Die Mittelgebühr ist auf den allgemeinen Durchschnittsfall in der Gesamtbetrachtung aller Ordnungswidrigkeitenbereiche zugeschnitten.

Im gegenständlichen Verfahren dauerte die Hauptverhandlung 6 Minuten. Die weitere nach Außen hin sichtbar gewordene Tätigkeit des Verteidigers beschränkte sich auf die Anfertigung eines weitgehend standardisierten Einspruchsschreibens. Inhaltlich ging es im Verfahren im Wesentlichen um die Identitätsfeststellung des Fahrers. Dazu enthält die Akte keinerlei Aktivitäten des Verteidigers. Die Abweichung des äußeren Erscheinungsbildes des Betroffenen vom Bild des Fahrers im gemessenen Fahrzeug war offensichtlich so augenscheinlich und offenkundig, dass auf eine weitere Beweisaufnahme verzichtet und bereits nach 6 Minuten ein freisprechendes Urteil verkündet wurde. Aus dem Protokoll ist nicht ersichtlich, dass dazu ein besonderer Begründungsaufwand des Verteidigers notwendig gewesen wäre.

Angesichts dieser Umstände erschließt es sich für die Kammer nicht, warum das gegenständliche Verfahren einen Schwierigkeitsgrad haben sollte, der oberhalb der Mittelgebühr anzusetzen wäre. Bei einer derartigen Handhabung bliebe für die Anwendung des Gebührenrahmens unterhalb der Mittelgebühr faktisch kein Raum mehr, weil kaum ein einfacheres Verfahren vorstellbar ist als das gegenständliche. Einzig das ausgesprochene Fahrverbot von einem Monat hebt das gegenständliche Verfahren aus der Masse der alltäglichen Verkehrsübertretungen, zu denen auch die Geschwindigkeitsmessungen gehören, etwas heraus, so dass der gewählte Gebührenansatz etwas unterhalb der Mittelgebühr gerechtfertigt ist. Insbesondere die Terminsgebühr mit 200,- € ist angesichts einer Terminsdauer von 6 Minuten mehr als angemessen. Bei der Gebührenfestsetzung durch das Amtsgericht Freising hat es deshalb sein Bewenden. Die sofortige Beschwerde erweist sich damit als unbegründet.

Kosten: §§ 46 OWiG, 473 StPO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Landshut Beschluss, 19. Jan. 2017 - 3 Qs 14/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landgericht Landshut Beschluss, 19. Jan. 2017 - 3 Qs 14/17

Referenzen - Gesetze

Landgericht Landshut Beschluss, 19. Jan. 2017 - 3 Qs 14/17 zitiert 6 §§.

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 14 Rahmengebühren


(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermöge

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 46 Anwendung der Vorschriften über das Strafverfahren


(1) Für das Bußgeldverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sinngemäß die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Jugendgerichtsge

Strafprozeßordnung - StPO | § 41 Zustellungen an die Staatsanwaltschaft


Zustellungen an die Staatsanwaltschaft erfolgen durch elektronische Übermittlung (§ 32b Absatz 3) oder durch Vorlegung der Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks. Wenn mit der Zustellung der Lauf einer Frist beginnt und die Zustellung durch Vorle

Referenzen

Zustellungen an die Staatsanwaltschaft erfolgen durch elektronische Übermittlung (§ 32b Absatz 3) oder durch Vorlegung der Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks. Wenn mit der Zustellung der Lauf einer Frist beginnt und die Zustellung durch Vorlegung der Urschrift erfolgt, so ist der Tag der Vorlegung von der Staatsanwaltschaft auf der Urschrift zu vermerken. Bei elektronischer Übermittlung muss der Zeitpunkt des Eingangs (§ 32a Absatz 5 Satz 1) aktenkundig sein.

(1) Für das Bußgeldverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sinngemäß die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Jugendgerichtsgesetzes.

(2) Die Verfolgungsbehörde hat, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, im Bußgeldverfahren dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten.

(3) Anstaltsunterbringung, Verhaftung und vorläufige Festnahme, Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen sowie Auskunftsersuchen über Umstände, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, sind unzulässig. § 160 Abs. 3 Satz 2 der Strafprozeßordnung über die Gerichtshilfe ist nicht anzuwenden. Ein Klageerzwingungsverfahren findet nicht statt. Die Vorschriften über die Beteiligung des Verletzten am Verfahren und über das länderübergreifende staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister sind nicht anzuwenden; dies gilt nicht für § 406e der Strafprozeßordnung.

(4) § 81a Abs. 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung ist mit der Einschränkung anzuwenden, daß nur die Entnahme von Blutproben und andere geringfügige Eingriffe zulässig sind. Die Entnahme einer Blutprobe bedarf abweichend von § 81a Absatz 2 Satz 1 der Strafprozessordnung keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen worden ist

1.
nach den §§ 24a und 24c des Straßenverkehrsgesetzes oder
2.
nach § 7 Absatz 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes in Verbindung mit einer Vorschrift einer auf Grund des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes erlassenen Rechtsverordnung, sofern diese Vorschrift das Verhalten im Verkehr im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes regelt.
In einem Strafverfahren entnommene Blutproben und sonstige Körperzellen, deren Entnahme im Bußgeldverfahren nach Satz 1 zulässig gewesen wäre, dürfen verwendet werden. Die Verwendung von Blutproben und sonstigen Körperzellen zur Durchführung einer Untersuchung im Sinne des § 81e der Strafprozeßordnung ist unzulässig.

(4a) § 100j Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Strafprozessordnung, auch in Verbindung mit § 100j Absatz 2 der Strafprozessordnung, ist mit der Einschränkung anzuwenden, dass die Erhebung von Bestandsdaten nur zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zulässig ist, die gegenüber natürlichen Personen mit Geldbußen im Höchstmaß von mehr als fünfzehntausend Euro bedroht sind.

(5) Die Anordnung der Vorführung des Betroffenen und der Zeugen, die einer Ladung nicht nachkommen, bleibt dem Richter vorbehalten. Die Haft zur Erzwingung des Zeugnisses (§ 70 Abs. 2 der Strafprozessordnung) darf sechs Wochen nicht überschreiten.

(6) Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende kann von der Heranziehung der Jugendgerichtshilfe (§ 38 des Jugendgerichtsgesetzes) abgesehen werden, wenn ihre Mitwirkung für die sachgemäße Durchführung des Verfahrens entbehrlich ist.

(7) Im gerichtlichen Verfahren entscheiden beim Amtsgericht Abteilungen für Bußgeldsachen, beim Landgericht Kammern für Bußgeldsachen und beim Oberlandesgericht sowie beim Bundesgerichtshof Senate für Bußgeldsachen.

(8) Die Vorschriften zur Durchführung des § 191a Absatz 1 Satz 1 bis 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes im Bußgeldverfahren sind in der Rechtsverordnung nach § 191a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu bestimmen.

(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.

(1) Für das Bußgeldverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sinngemäß die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Jugendgerichtsgesetzes.

(2) Die Verfolgungsbehörde hat, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, im Bußgeldverfahren dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten.

(3) Anstaltsunterbringung, Verhaftung und vorläufige Festnahme, Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen sowie Auskunftsersuchen über Umstände, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, sind unzulässig. § 160 Abs. 3 Satz 2 der Strafprozeßordnung über die Gerichtshilfe ist nicht anzuwenden. Ein Klageerzwingungsverfahren findet nicht statt. Die Vorschriften über die Beteiligung des Verletzten am Verfahren und über das länderübergreifende staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister sind nicht anzuwenden; dies gilt nicht für § 406e der Strafprozeßordnung.

(4) § 81a Abs. 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung ist mit der Einschränkung anzuwenden, daß nur die Entnahme von Blutproben und andere geringfügige Eingriffe zulässig sind. Die Entnahme einer Blutprobe bedarf abweichend von § 81a Absatz 2 Satz 1 der Strafprozessordnung keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen worden ist

1.
nach den §§ 24a und 24c des Straßenverkehrsgesetzes oder
2.
nach § 7 Absatz 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes in Verbindung mit einer Vorschrift einer auf Grund des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes erlassenen Rechtsverordnung, sofern diese Vorschrift das Verhalten im Verkehr im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes regelt.
In einem Strafverfahren entnommene Blutproben und sonstige Körperzellen, deren Entnahme im Bußgeldverfahren nach Satz 1 zulässig gewesen wäre, dürfen verwendet werden. Die Verwendung von Blutproben und sonstigen Körperzellen zur Durchführung einer Untersuchung im Sinne des § 81e der Strafprozeßordnung ist unzulässig.

(4a) § 100j Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Strafprozessordnung, auch in Verbindung mit § 100j Absatz 2 der Strafprozessordnung, ist mit der Einschränkung anzuwenden, dass die Erhebung von Bestandsdaten nur zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zulässig ist, die gegenüber natürlichen Personen mit Geldbußen im Höchstmaß von mehr als fünfzehntausend Euro bedroht sind.

(5) Die Anordnung der Vorführung des Betroffenen und der Zeugen, die einer Ladung nicht nachkommen, bleibt dem Richter vorbehalten. Die Haft zur Erzwingung des Zeugnisses (§ 70 Abs. 2 der Strafprozessordnung) darf sechs Wochen nicht überschreiten.

(6) Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende kann von der Heranziehung der Jugendgerichtshilfe (§ 38 des Jugendgerichtsgesetzes) abgesehen werden, wenn ihre Mitwirkung für die sachgemäße Durchführung des Verfahrens entbehrlich ist.

(7) Im gerichtlichen Verfahren entscheiden beim Amtsgericht Abteilungen für Bußgeldsachen, beim Landgericht Kammern für Bußgeldsachen und beim Oberlandesgericht sowie beim Bundesgerichtshof Senate für Bußgeldsachen.

(8) Die Vorschriften zur Durchführung des § 191a Absatz 1 Satz 1 bis 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes im Bußgeldverfahren sind in der Rechtsverordnung nach § 191a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu bestimmen.