Landgericht Cottbus Urteil, 1. Aug. 2019 - 6 O 472/18
Landgericht Cottbus
Urteil vom 1. August 2019
Az.: 6 O 472/18
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
N__ ____, _______ __, _____
- Kläger -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Ulrich Henning, Fichtestraße 1, 15366 Neuenhagen
gegen
K___ ______, _____ __, ______
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte BSP Bierbach, Streifler & Partner mbB Rechtsanwälte,
Oranienburger Straße 69, 10117 Berlin
hat das Landgericht Cottbus - 6. Zivilkammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Rhein als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01.08.2019 für Recht erkannt:
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.740,00 Euro und Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.07.2018 und weitere 1.555,09 Euro zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 40 % und der Kläger zu 60 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10 %.
Tatbestand
Die Parteien streiten wegen der rechtzeitigen Übergabe eines von der Beklagten an den Kläger verkauften Grundstückes.
Mit notariellem Grundstückskaufvertrag vom 26.10.2017 des Notars M_____ in Berlin zur UR-Nr.: ____/____ verkaufte die Beklagte das in Neuenhagen _____________ gelegene Grundstück, eingetragen im Grundbuch von Neuenhagen beim Amtsgericht Strausberg auf Blatt _____ als Flur __, Flurstück ___. Gemäß § 5 des Kaufvertrages sollte die Übergabe des Grundstücks mit dem Übergang und Wechsel von Besitz, Nutzung, Lasten und Gefahren am 01.02.2018 erfolgen und der Kaufgegenstand, Grundstück und Haus, zum Übergabezeitpunkt vollständig geräumt und besenrein übergeben werden. Die tatsächliche Übergabe erfolgte am 13.05.2018.
Der Kläger wohnte im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses in einem kleinen Haus auf einem ihm gehörenden Grundstück in der ____________ in Neuenhagen.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger Schadensersatz für die verspätete Räumung und Übergabe des Grundstückes.
Der Kläger trägt vor, dass er einen monatlichen Nutzungsausfallschaden von 1.840,00 Euro begehrt. Vergleichbare Grundstücke mit Wohnhaus würden auf dem Wohnungsmarkt bei Vermietung mit durchschnittlich 10,00 €/qm gehandelt werde. Bei einer Größe der Wohnfläche der Baulichkeit sei dieser Betrag angemessen. Des Weiteren verlange er Mietausfall, weil ab der geplanten Übergabe des gekauften Grundstücks er einen Mietinteressenten für seine Wohnung gehabt habe, welcher nunmehr auch erst den entsprechenden Zeitraum später einziehen konnte und demzufolge die Miete erst ab diesem Zeitpunkt zahlen müsse. Der Mietpreis für eine solche Wohnung sei mit 650,00 Euro angemessen angesetzt worden.
Der Kläger beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.715,00 Euro zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.07.2018 und weitere 1.555,09 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, es sei ein neuer Übergabetermin für Mai 2018 vereinbart worden. Davor sei eine Übergabe nicht möglich gewesen. Sie bestreite, dass der Kläger zur Untervermietung seiner alten Wohnung befugt war und dass er einen Mietinteressenten hatte. Ohnehin müsse er den Mietausfallschaden vom Nutzungsausfallschaden abziehen. Die Wohnfläche betrage nicht 180 qm, sondern nur 120 qm und er bestreite den angesetzten Mietpreis.
Die Parteien haben sich im Rechtsstreit verständigt, dass der durchschnittliche Mietpreis in Neuenhagen 8,00 €/qm beträgt für Wohnungen dieser Ausstattung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen M_____. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das diesbezügliche Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
Dem Kläger steht aus §§ 286, 288 BGB i. V. m. § 249 BGB ein verzugsbedingter Schadensersatzanspruch zu.
Im notariellen Kaufvertrag war ein kalendermäßig bestimmter Termin zur Übergabe des Grundstückes, welches der Kläger von der Beklagten käuflich erworben hat, vereinbart. Eine Abänderung dieses Termins, insbesondere eine einvernehmliche, ist nicht zustande gekommen. Dazu bedarf es keiner Vernehmung der von der. Beklagten angebotenen Zeugen, denn diese sollten bezeugen, was im vorgelegten Whatsapp-Verlauf steht. Aus dem ergibt sich aber keine Vereinbarung eines neuen Übergabetermins bzw. keine Verschiebung des ursprünglichen Übergabetermins. Dass, nachdem der vereinbarte Termin nicht eingehalten werden konnte, die Beteiligten verhandelten, wann denn nun die bereits verschobene und damit verzögerte Übergabe stattfinden soll, dürfte üblich sein. Die Übergabe hatte sich verzögert, sie sollte aber noch stattfinden. Wenn eine Partei aber mit der anderen Partei über einen neuen Termin verhandelt, weil der alte Termin verstrichen ist, folgt daraus nicht eine freiwillige Vereinbarung der Verschiebung des ursprünglichen Termins, sondern die Verhandlungen über einen neuen Termin erfolgen notwendigerweise, denn der Vertrag soll ja immer noch erfüllt werden (wenn auch verspätet).
Dem Kläger steht deshalb ein Schadensersatzanspruch auf Nutzungsausfallentschädigung und auf Mietausfall zu.
1.
Nach der Grundsatzentscheidung des Großen Senats für Zivilsachen des BGH vom 07.09.1986 (NJW 1987, 50) kann der deliktisch bedingte Entzug von Sachen, auf deren Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist, einen Vermögensschaden bewirken. Die sich für eine deliktische Haftung entwickelnden Grundsätze sind aber auch für die Beurteilung von verzugsbedingt entgangenen Gebrauchsmöglichkeiten heranzuziehen (BGH Urteil vom 20.02.2014, VII ZR 172/13). In diesem Fall würde der längere Entzug der Gebrauchsmöglichkeit einer zum Eigengebrauch vom Bauträger erworbenen Eigentumswohnung einen Vermögensschaden darstellen. Zwar wurde dem Geschädigten der Gebrauch des Grundstückes nicht entzogen (weil er ihn noch nicht hatte), aber vorenthalten. Geschützt wird aber im Rahmen des Schadensersatzes nicht nur das Interesse am Bestand, sondern auch das Interesse, eine geschuldete Sache zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt zu erhalten, um sie ab diesem Zeitpunkt auch nutzen zu können.
Die Nutzungsausfallentschädigung ist zwar beschränkt auf den Entzug von Sachen, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenserhaltung typischerweise angewiesen ist. Dies ist bei einer erworbenen Wohnung oder sogar einem Haus mit Grundstück zweifellos der Fall, die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung wird maßgeblich von den Wohnverhältnissen geprägt.
Dem Kläger steht daher ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung zu. Allerdings ist er nicht für 3 Monate zuzuerkennen, sondern nur für 2 Monate. So wie die (hierzu später) Mietwohnung an den Zeugen M_____ noch nicht zum 01.02.2018 hätte übergeben werden können, weil auch nach der Einschätzung des Zeugen noch bestimmte Arbeiten in der Wohnung zu verrichten waren, ist davon auszugehen, dass auch das erworbene Grundstück mit Gebäude noch für die speziellen Bedürfnisse des Klägers hätte hergerichtet werden müssen.
Zwar hat dem Kläger als Erwerber während dieses Zeitraums Wohnraum zur Verfügung gestanden, er hatte eine Wohnung in einem in seinem Eigentum stehenden Gebäude. Nutzungsausfallentschädigung kann aber nicht gänzlich versagt werden, wenn dem Erwerber eines ähnlichen Wohnraums zur Verfügung stand, der mit dem erworbenen Wohnraum nicht vergleichbar ist, sondern eine deutliche geringere Qualität besitzt (BGH a. a. 0.).
Der Kläger bewohnte eine 65 qm große Wohnung. Er erwarb ein Grundstück mit Haus mit einer Wohnfläche von 180 qm. Das ist von der Wohnqualität her schon ein erheblicher Unterschied, so dass der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung besteht, allerdings nicht in voller Höhe.
Der Anspruch des Klägers berechnet sich daher wie folgt:
2 Monate a 8,00 €/qm x 180 qm = 2.880,00 €; hiervon 50 % = 1.440,00 €.
2.
Darüber hinaus kann der Kläger Schadensersatz für die nicht wie geplant erfolgte Vermietung seiner eigenen im Eigentum stehenden Wohnung. Es geht nicht um eine Untervermietung, denn der Kläger war Eigentümer der Wohnung, in der er bislang gewohnt hat. Durch die Beweisaufnahme ist nachgewiesen, dass der Zeuge zum 01.02.2018 bzw. zu dem Zeitpunkt, zu dem die Wohnung übergabefähig gewesen wäre, die Wohnung auch zum Mietpreis von 650,00 Euro im Monat angemietet hätte. Diese Einnahme ist dem Kläger durch den Verzug der Beklagten entgangen, so dass er für 2 Monate (2 Monate wegen der unter 1. erfolgten Ausführungen) 1.300,00 Euro verlangen kann.
3.
Die Anwaltskosten sind als Kosten der Rechtsverfolgung gemäß § 249 BGB zu erstatten. Es handelt sich um eine Hauptforderung, denn der Anwalt war zunächst mit der Räumung beauftragt, was ein anderer Gegenstand als der Verzugsschaden ist.
4.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf dn §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO.' Streitwert: 8.715,00 €