Landesarbeitsgericht Hamm Beschluss, 02. Nov. 2015 - 13 TaBV 70/15
Gericht
Tenor
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 21.09.2015 – 4 BV 20/15 – abgeändert.
Die Anträge werden abgewiesen.
1
Gründe
2A.
3Von der eigenen Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (vgl. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO).
4B.
5Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist begründet.
6Das auf § 109 Satz 1 BetrVG gestützte Begehren des Gesamtbetriebsrates auf Errichtung einer Einigungsstelle zum Thema der Erteilung von Auskünften über bestimmte wirtschaftliche Angelegenheiten im Sinne des § 106 BetrVG scheitert bereits daran, dass bis zum Schluss der letzten mündlichen Anhörung am 02.11.2015 kein darauf gerichtetes wirksames Verlangen des Wirtschaftsausschusses vorlag. Es fehlt nämlich an einer entsprechenden Beschlussfassung dieses nach § 107 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG im Unternehmen der Arbeitgeberin gebildeten Gremiums.
7Nach allgemeiner Meinung (Fitting, 27. Aufl., § 109 Rn. 6; GK/Oetker, 10. Aufl., § 109 Rn. 17; Richardi/Annuß, 13. Aufl., § 109 Rn. 11; WPK/Preis, 4. Aufl., § 109 Rn. 3) muss ein Wirtschaftsausschuss in formeller Hinsicht zu den von ihm begehrten konkreten Auskünften über bestimmte wirtschaftliche Angelegenheiten einen Beschluss gefasst haben, wobei die einschlägigen Vorschriften für den Betriebsrat – wie bei sonstigen Ausschüssen auch – entsprechende Anwendung finden. Denn bei dem Wirtschaftsausschuss handelt es sich um ein Organ der Betriebsverfassung, das aus mindestens drei Mitgliedern besteht (§ 107 Abs. 1 Satz 1 BetrVG), die ihren einheitlichen oder zumindest mehrheitlichen Willen in der Abstimmung über einen Antrag in Gestalt eines wirksamen Beschlusses zum Ausdruck bringen müssen. Es reicht also nicht, wenn – wie hier – der als Sprecher des Wirtschaftsausschusses aufgetretene C sich mit Schreiben vom 30.07.2015 an die Arbeitgeberin gewandt hat mit der Bitte um umfassende Informationen zu bestimmten wirtschaftlichen Angelegenheiten, ohne dabei durch einen entsprechenden Beschluss des vierköpfigen Wirtschaftsausschusses legitimiert gewesen zu sein.
Annotations
Wird eine Auskunft über wirtschaftliche Angelegenheiten des Unternehmens im Sinn des § 106 entgegen dem Verlangen des Wirtschaftsausschusses nicht, nicht rechtzeitig oder nur ungenügend erteilt und kommt hierüber zwischen Unternehmer und Betriebsrat eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Die Einigungsstelle kann, wenn dies für ihre Entscheidung erforderlich ist, Sachverständige anhören; § 80 Abs. 4 gilt entsprechend. Hat der Betriebsrat oder der Gesamtbetriebsrat eine anderweitige Wahrnehmung der Aufgaben des Wirtschaftsausschusses beschlossen, so gilt Satz 1 entsprechend.
(1) In allen Unternehmen mit in der Regel mehr als einhundert ständig beschäftigten Arbeitnehmern ist ein Wirtschaftsausschuss zu bilden. Der Wirtschaftsausschuss hat die Aufgabe, wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmer zu beraten und den Betriebsrat zu unterrichten.
(2) Der Unternehmer hat den Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten, soweit dadurch nicht die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens gefährdet werden, sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Personalplanung darzustellen. Zu den erforderlichen Unterlagen gehört in den Fällen des Absatzes 3 Nr. 9a insbesondere die Angabe über den potentiellen Erwerber und dessen Absichten im Hinblick auf die künftige Geschäftstätigkeit des Unternehmens sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Arbeitnehmer; Gleiches gilt, wenn im Vorfeld der Übernahme des Unternehmens ein Bieterverfahren durchgeführt wird.
(3) Zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten im Sinne dieser Vorschrift gehören insbesondere
- 1.
die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens; - 2.
die Produktions- und Absatzlage; - 3.
das Produktions- und Investitionsprogramm; - 4.
Rationalisierungsvorhaben; - 5.
Fabrikations- und Arbeitsmethoden, insbesondere die Einführung neuer Arbeitsmethoden; - 5a.
Fragen des betrieblichen Umweltschutzes; - 5b.
Fragen der unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz; - 6.
die Einschränkung oder Stillegung von Betrieben oder von Betriebsteilen; - 7.
die Verlegung von Betrieben oder Betriebsteilen; - 8.
der Zusammenschluss oder die Spaltung von Unternehmen oder Betrieben; - 9.
die Änderung der Betriebsorganisation oder des Betriebszwecks; - 9a.
die Übernahme des Unternehmens, wenn hiermit der Erwerb der Kontrolle verbunden ist, sowie - 10.
sonstige Vorgänge und Vorhaben, welche die Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens wesentlich berühren können.
Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 107 Bestellung und Zusammensetzung des Wirtschaftsausschusses
(1) Der Wirtschaftsausschuss besteht aus mindestens drei und höchstens sieben Mitgliedern, die dem Unternehmen angehören müssen, darunter mindestens einem Betriebsratsmitglied. Zu Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses können auch die in § 5 Abs. 3 genannten Angestellten bestimmt werden. Die Mitglieder sollen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderliche fachliche und persönliche Eignung besitzen.
(2) Die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses werden vom Betriebsrat für die Dauer seiner Amtszeit bestimmt. Besteht ein Gesamtbetriebsrat, so bestimmt dieser die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses; die Amtszeit der Mitglieder endet in diesem Fall in dem Zeitpunkt, in dem die Amtszeit der Mehrheit der Mitglieder des Gesamtbetriebsrats, die an der Bestimmung mitzuwirken berechtigt waren, abgelaufen ist. Die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses können jederzeit abberufen werden; auf die Abberufung sind die Sätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden.
(3) Der Betriebsrat kann mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder beschließen, die Aufgaben des Wirtschaftsausschusses einem Ausschuss des Betriebsrats zu übertragen. Die Zahl der Mitglieder des Ausschusses darf die Zahl der Mitglieder des Betriebsausschusses nicht überschreiten. Der Betriebsrat kann jedoch weitere Arbeitnehmer einschließlich der in § 5 Abs. 3 genannten leitenden Angestellten bis zur selben Zahl, wie der Ausschuss Mitglieder hat, in den Ausschuß berufen; für die Beschlussfassung gilt Satz 1. Für die Verschwiegenheitspflicht der in Satz 3 bezeichneten weiteren Arbeitnehmer gilt § 79 entsprechend. Für die Abänderung und den Widerruf der Beschlüsse nach den Sätzen 1 bis 3 sind die gleichen Stimmenmehrheiten erforderlich wie für die Beschlüsse nach den Sätzen 1 bis 3. Ist in einem Unternehmen ein Gesamtbetriebsrat errichtet, so beschließt dieser über die anderweitige Wahrnehmung der Aufgaben des Wirtschaftsausschusses; die Sätze 1 bis 5 gelten entsprechend.