Gemeinschaftliches Kirchliches Arbeitsgericht erster Instanz in Bayern Urteil, 12. Apr. 2016 - 2 MV 12/15

12.04.2016

Tenor

1. Die Wahl der Mitarbeitervertretung vom 05.06.2014 wird für ungültig erklärt.

2. Die Beigeladene zu 1 trägt die notwendigen Auslagen der Klägerinnen und des Beigeladenen zu 2.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die drei Klägerinnen verfolgen mit ihren Klagen das Ziel, dass die bei der Beigeladenen zu 1 durchgeführte Wahl der Mitarbeitervertretung vom 05.06.2014 für ungültig erklärt wird.

Die Beigeladene zu 1, eine Katholische Pfarrkirchenstiftung, ist Träger des Kindergartens E., in dem die drei Klägerinnen beschäftigt sind. Bei der Beigeladenen zu 1 findet die Mitarbeitervertretungsordnung für die Diözese Passau (MAVO Passau - im Folgenden kurz MAVO genannt) Anwendung.

Die Beklagte ist die am 05.06.2014 von den Mitarbeitern der Beigeladenen zu 1 (einschließlich der Mitarbeiterinnen des Kindergartens E.) gewählte Mitarbeitervertretung (MAV).

Das hiesige Kirchliche Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 29.09.2014 die Verfahren 2 MV 9/14 (Klägerin A.), 2 MV 10/14 (Klägerin B.) und 1 MV 11/14 (Klägerin C.) nach § 147 der Zivilprozessordnung in Verbindung mit § 46 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes und § 27 der Kirchlichen Arbeitsgerichtsordnung zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Es hat mit Urteil vom 03.11.2014 - 2 MV 9/14 - die Wahlanfechtungsklagen abgewiesen und die Revision zugelassen. Der Kirchliche Arbeitsgerichtshof hat mit Revisionsurteil vom 17.07.2015 - M 14/2014 - (= ZMV 2015, 339) das Urteil des Kirchlichen Arbeitsgerichts vom 03.11.2014 aufgehoben und den Rechtsstreit an das Kirchliche Arbeitsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. In dem nunmehr unter dem neuen Aktenzeichen 2 MV 12/15 geführten Rechtsstreit ist der Wahlausschuss, der die Wahl der Mitarbeitervertretung durchgeführt hat, mit Beschluss vom 12.12.2015 von Amts wegen als Beigeladener zu 2 beigeladen worden.

Der Kindergarten E. der Beigeladenen zu 1 umfasst fünf Gruppen, nämlich drei Kindergartengruppen und zwei Kinderkrippengruppen mit insgesamt 105 genehmigten Plätzen. Leiterin des Kindergartens ist seit 01.09.2011 Frau F. Ihre Vorgängerin war die Klägerin zu 1. Seit September 2013 gibt es auf der Grundlage eines am 23.07.2013 stiftungsaufsichtlich genehmigten Verwaltervertrages vom 04./16.07.2013 zwischen der Beigeladenen zu 1 und dem Caritasverband für die Diözese P. e.V. zusätzlich einen Verwalter des Kindergartens, nämlich Herrn G. vom Caritasverband für die Diözese P. e.V., der mehrere Kindergärten (etwa zehn) unter sich hat. Die Einstellungen werden nach wie vor formal von der Kirchenverwaltung vorgenommen. Diese unterschreibt auch die Arbeitszeugnisse.

Für den Kindergarten gilt die vom Bischof von Passau in Kraft gesetzte Dienstordnung für das pädagogische Personal in den katholischen Kindertageseinrichtungen.

Am 05.06.2014 wurde bei der Beigeladenen zu 1 (einschließlich des Kindergartens E.) eine MAV gewählt. Der Wahlausschuss - der Beigeladene zu 2 - bestand aus Frau H., Frau I. und Frau J. Von den 27 Wahlberechtigten waren etwa 20 dem Bereich des Kindergartens zugehörig. Bei der MAV-Wahl entfielen auf Frau F. dreizehn Stimmen, auf Herrn K., elf Stimmen, auf Frau L. elf Stimmen, auf die Klägerin zu 1 neun Stimmen, auf die Klägerin zu 2 acht Stimmen und auf die Klägerin zu 3 acht Stimmen.

Die konstituierende Sitzung der MAV fand am 10.06.2014 statt. Mitglieder der MAV sind Herr K. (Vorsitzender), Frau L. (stellvertretende Vorsitzende) und Frau F. (Schriftführerin). Aus dem Bereich des Kindergarten E. stammen Frau L. und Frau F.

Die drei Klägerinnen erklärten mit gleichlautenden Schreiben vom 05.06.2014 gegenüber dem Beigeladenen zu 2 die Anfechtung der MAV-Wahl. Vom Wahlausschuss sei Frau F. als Kandidatin zugelassen worden. Dies halte die jeweilige Klägerin für rechtswidrig, weil Frau F. die Einrichtungsleitung der Kindertagesstätte St. Josef sei und intern viele abschließende und verantwortliche Entscheidungen (in Personalangelegenheiten, Richtlinien, dienstgeberseitigen Weisungen) treffe. Somit befinde sich die jeweilige Klägerin gegenüber Frau F. in einem Abhängigkeitsverhältnis. Es liege im Sinne des § 8 MAVO ein Wahlausschlussgrund vor. Frau F. sei nach § 8 Abs. 2 MAVO zwar wahlberechtigt, aber nicht wählbar.

Der Beigeladene zu 2 teilte den Klägerinnen jeweils mit Schreiben vom 02.07.2014 mit, auf Grund der ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen des Trägers sei er zu folgender Entscheidung gekommen: Laut der ihm vorliegenden Aufgabenbeschreibung der Kindertagesstättenleitung und der dazugehörigen Stellungnahme von Herrn M. [Kirchenpfleger] sehe der Wahlausschuss Frau F. als wählbar an. Somit stimme er dem eingelegten Einspruch nicht zu.

Mit ihren Klagen vom 02.07.2014, die am 04.07.2014 beim Kirchlichen Arbeitsgericht eingegangen sind, fechten die Klägerinnen die MAV-Wahl vom 05.06.2014 an. Sie verfolgen nach Zurückverweisung des Rechtsstreits durch den Kirchlichen Arbeitsgerichtshof ihr Klagebegehren weiter.

Die Klägerinnen machen geltend, die Kindergartenleiterin F. sei nach § 8 Abs. 2 MAVO nicht in die Mitarbeitervertretung wählbar, da sie sei zur selbstständigen Entscheidung in anderen als den in § 3 Abs. 2 Nr. 3 MAVO genannten Personalangelegenheiten befugt sei. Sie nehme prägenden Einfluss auf Personalangelegenheiten und sei daher „verlängerter Arm“ des Dienstgebers.

Als die Klägerin zu 1 vor Frau F. Kindergartenleitung gewesen sei, habe sie - die Klägerin zu 1 - Entscheidungen in Personalangelegenheiten vorbereitet, etwa Bewerbungsgespräche alleine geführt oder Arbeitszeugnisse formuliert. Die Einstellungen seien formal durch die Kirchenverwaltung erfolgt. Diese habe auch die Arbeitszeugnisse unterschrieben. Sie - die Klägerin zu 1 -habe den Urlaub und Fortbildungen für die Mitarbeiterinnen im Kindergarten ohne Rückfrage mit der Kirchenverwaltung genehmigt und auch den Dienstplan ohne vorherige Rücksprache aufgestellt. Des Weiteren habe sie Urlaub und Fortbildungen ohne vorherige Rückfrage genehmigt. Im Sitzungsprotokoll vom 03.11.2014 - 2 MV 9/14 - sei festgehalten, dass die Parteien überreinstimmend erklärten, Frau F. nehme als Kindergartenleiterin im Wesentlichen dieselben Aufgaben wahr wie zuvor die Klägerin zu 1.

In den neun Jahren der Leitungstätigkeit der Klägerin zu 1 sei ihre Personalauswahl nie durch die Beigeladene zu 1 angezweifelt oder abgeändert worden. Nach dem Ausscheiden der Klägerin zu 1 aus der Kindergartenleitung habe sich an der Durchführung der Vorstellungsgespräche nichts geändert. Diese würden von Frau F. in der Regel alleine geführt. Die Kindergartenleiterin teile meistens noch am selben Tag nach Rücksprache mit dem Verantwortlichen der Beigeladenen zu 1 der betreffenden Bewerberin mit, dass sie genommen werde. Die faktische Entscheidungsgewalt, wer neu in die Kindertagesstätte eingestellt werde, liege somit bei der Kindergartenleitung, nunmehr bei Frau F.

Wenn Arbeitszeugnisse von dem Kirchenpfleger M. oder von dem Kindergartenverwalter des DiCV Passau, Herrn G., unterzeichnet würden, sei man auf den Zeugnisentwurf oder auf die Einschätzungen der Kindergartenleiterin angewiesen. Herr G. kenne die Mitarbeiterinnen in der Regel überhaupt nicht. Eine Verhaltens- und Leistungsbeurteilung sei weder Herrn M. noch Herrn G. möglich, da sie die konkreten Tätigkeiten der Mitarbeiterinnen mangels persönlicher Inaugenscheinnahme und mangels fachlicher Qualifikation nicht einschätzen könnten.

Frau F. gebe der Kirchenverwaltung auch die entscheidenden Empfehlungen, ob die zunächst auf ein Jahr befristeten Arbeitsverträge von Mitarbeiterinnen verlängert würden oder nicht. Ihr stehe auch ein unbeschränkter Entscheidungsspielraum bei der Gewährung von Urlaub oder Arbeitszeitausgleich zu. Diesbezüglich finde - so die Klägerinnen - eine Ungleichbehandlung der Mitarbeiterinnen statt, welche durch den Frau F. eröffneten Entscheidungsspielraum ermöglicht werde. Wer Fortbildungsveranstaltungen besuchen dürfe und in welchem Zeitraum, werde faktisch von der Kindergartenleiterin festgelegt. Sie gebe die Empfehlungen, ob die Fortbildung notwendig und sachgerecht für die betreffende Mitarbeiterin sei. Falls Frau F. die Teilnahme an einer Fortbildung nicht befürworte, z.B. auch auf Grund angeblichen Personalmangels, werde sie seitens des Caritasverbands für die Diözese P. nicht genehmigt. Die Kindergartenleiterin sei auch die Initiatorin beim Ausspruch arbeitsrechtlicher Sanktionen. Der Dienstplan werde ausschließlich von der Kindergartenleiterin erstellt. Dies sei bei ihrer Vorgängerin - der Klägerin zu 1 - ebenso gewesen.

Die Klägerinnen verweisen zur Stützung ihrer Argumentation auf die Grundaussagen des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs in seinem Revisionsurteil vom 17.07.2015 - M 14/2014 - (= ZMV 2015, 339). Die Leitung eines kirchlichen Kindergartens präge typischerweise die Arbeit in der Einrichtung. Diese verantwortungsvolle und exponierte Stellung erstrecke sich in der Regel auch auf die personellen Angelegenheiten in der Einrichtung.

Schließlich wäre die mit der Ausübung der Kindergartenleitung einher gehende Vergütung nicht sachgerecht, wenn die Leiterin nicht die Kriterien des § 8 Abs. 2 MAVO erfüllen würde.

Die Klägerinnen beantragen mit ihrer Wahlanfechtungsklage jeweils,

die Wahl der Mitarbeitervertretung vom 05.06.2014 für ungültig zu erklären. Sie regen vorsorglich an, die Revision zuzulassen.

Die beklagte Mitarbeitervertretung beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Die beigeladene Pfarrkirchenstiftung beantragt ebenfalls,

die Klagen abzuweisen.

Der beigeladene Wahlausschuss beantragt ebenfalls,

die Klagen abzuweisen.

Die beklagte MAV ist der Ansicht, Frau F. nehme als Leiterin der Kindertagesstätte keine Leitungsfunktion im Sinne der MAVO wahr. Entscheidungen über Einstellungen, Anstellungen oder Kündigungen treffe ausschließlich die Kirchenverwaltung. Zudem sei die MAV von allen Beschäftigten der Pfarrkirchenstiftung gewählt worden. Es handele sich also nicht um eine ausschließlich für den Kindergarten installierte Einrichtung.

Die beigeladene Pfarrkirchenstiftung vertritt den Standpunkt, Frau F. habe als Leiterin der unselbständigen Einrichtung „Kindertagesstätte“ sowohl das aktive wie das passive Wahlrecht zur MAV, da sie in Personalangelegenheiten nicht zur selbständigen Entscheidung befugt sei. Frau F. sei für die Leitung der Kindertagesstätte verantwortlich und führe die Dienstaufsicht über die dort beschäftigten Personen, mit Ausnahme der Verwaltungskraft. Gemäß Beschluss der Kirchenverwaltung vom 11.10.2011 sei Frau F. Vollmacht b.a.w. zur rechtsverbindlichen Unterzeichnung von Bildungs- und Betreuungsverträgen zwischen Träger und Eltern, von Elternbeitragsvereinbarungen, von Buchungsvereinbarungen mit den Eltern und von Anträgen auf Übernahme des Elternbeitrags für die Kindertagesstätte beim Landratsamt gegeben worden. Die Befugnis zur Entscheidung über Einstellungen, Anstellungen oder Kündigungen liege nach wie vor bei der Kirchenverwaltung bzw. beim Kirchenpfleger als Kita-Bevollmächtigtem. Die Kirchenverwaltung habe auch keine Entscheidung nach § 1a Abs. 2 MAVO darüber getroffen, dass die Kindertagesstätte als selbständige Einrichtung innerhalb der Pfarrkirchenstiftung geführt werde. Seit 01.09.2013 bestehe im Rahmen des Trägerentlastungsmodells ein Verwaltervertrag für die Kindertagesstätte zwischen der Pfarrkirchenstiftung und dem Caritasverband für die Diözese P. Danach führe der Verwalter die Dienstaufsicht über die Leiterin und habe u.a. die Verantwortung für das Finanzwesen, die Haushaltsplanung und deren Vollzug. Die beigeladene Pfarrkirchenstiftung verweist auch auf die Stellungnahme der Kindergartenleiterin F. vom 17.03.2016 (vgl. Anlage zum Schriftsatz der Beigeladenen zu 1 vom 17.03.2016).

Der beigeladene Wahlausschuss hält an seiner Auffassung fest, die Kindergartenleiterin Frau F. sei wählbar gewesen. Sie habe keinen maßgeblichen Einfluss auf Personalentscheidungen des Dienstgebers gehabt. Für die Stelle der Kindergartenleiterin gebe es keine eigene Stellenbeschreibung. Maßgeblich sei die Dienstordnung für das pädagogische Personal in den katholischen Kindertageseinrichtungen sowie der seit 01.09.2013 bestehende Verwaltervertrag, der im Anhang die Aufgabenverteilung zwischen Träger, Verwalter und Leitung verbindlich regele. Im Falle von Initiativbewerbungen leite Frau F. diese an den Verwalter, Herrn G., nach Passau weiter. Wenn Personal benötigt werde, erfolge die Stellenausschreibung durch Herrn G. Er übermittle dann Frau F. Unterlagen und Kontaktdaten, um Termine für Vorstellungsgespräche zu vereinbaren und diese Gespräche in seinem Auftrag durchzuführen. Anschließend erfolge eine Rückmeldung zu den Gesprächen. Die Personalentscheidung werde nicht von der Kindergartenleiterin, sondern von dem Verwalter Herrn G. oder dem Kirchenpfleger Herrn M. getroffen. Sämtliche Dienstzeugnisse von 01.09.2011 bis 31.08.2013 seien von Frau F. vorbereitet worden. Doch auch bei Firmen, in denen die Personalabteilung keinen unmittelbaren und ständigen Kontakt zu den Mitarbeitern habe, würden Zeugnisse durch einen Abteilungsleiter formuliert und entweder von diesem oder von einem Personalleiter unterzeichnet. Daraus resultiere aber keinesfalls eine Personalentscheidungsbefugnis. Seit Frau F. die Kindergartenleitung innehabe, seien alle Jahresverträge ohne Sachgrund verlängert worden. Dabei könne Frau F. eine Empfehlung abgeben; die Entscheidung treffe aber Herr M. Auf Grund des Verwaltervertrages sei die Kindergartenleiterin für die Entgegennahme und die Genehmigung der Urlaubsanträge verantwortlich. Müsse allerdings ein bereits genehmigter Urlaubstag zurückgenommen werden (bei zu geringer Personaldecke an einzelnen Tagen drohe eine Förderkürzung), geschehe dies immer in vorheriger Absprache mit Herrn G. Seit Frau F. Kindergartenleiterin sei, sei nur eine Ermahnung einer Mitarbeiterin durch Herrn M. in Anwesenheit von Frau F. ausgesprochen worden. Der Träger habe seither keine Abmahnung und keine Kündigung ausgesprochen. Es habe aber auch keinen Ausspruch arbeitsrechtlicher Sanktionen durch Frau F. gegeben. Dies würde zweifelsfrei nicht in deren Kompetenzbereich fallen. Mitarbeitergespräche würden von der Kindergartenleiterin geführt. Dies sei auf Grund des Verwaltervertrages so geregelt. Diese Gespräche würden lediglich im Auftrag des Trägers geführt. Für eine Reihe von Mitarbeitern (z.B. Hausmeister, Pfarrbüro, Reinigungskräfte, Mesner) sei Frau F. diesbezüglich ohnehin nicht zuständig. Die Dienstpläne würden von der Kindergartenleitung in Abstimmung mit den Wünschen der Mitarbeiterinnen erstellt. Auch dies habe aber mit einer Personalhoheit oder maßgeblichen Einflussmöglichkeit bei der Entscheidungsfindung in Personalangelegenheiten nichts zu tun. Die Dienstplanerstellung regele lediglich die zeitliche Einteilung der Mitarbeiterinnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Klägerinnen vom 02.07.2014, vom 15.07.2014, vom 26.01.2016 und vom 04.04.2016, auf die Schriftsätze der Beklagten vom 07.08.2014, vom 21.03.2016 und vom 23.03.2016, auf die Schriftsätze der Beigeladenen zu 1 vom 11.08.2014 und vom 17.03.2016, auf die Schriftsätze des Beigeladenen zu 2 vom 13.11.2015, vom 22.12.2015 und vom 07.03.2016, auf die Sitzungsniederschriften vom 03.11.2014 und vom 12.04.2016 sowie auf sämtliche eingereichten Unterlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässigen Klagen haben nach Zurückverweisung des Rechtsstreits durch den Kirchlichen Arbeitsgerichtshof und nach erneuter Verhandlung vor dem Kirchlichen Arbeitsgericht Erfolg.

I.

Die Klagen sind zulässig.

1. Die sachliche Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte für Arbeitssachen ergibt sich aus § 2 Abs. 2 der Kirchlichen Arbeitsgerichtsordnung (KAGO) in Verbindung mit § 12 Abs. 3 der Mitarbeitervertretungsordnung für die Diözese Passau (MAVO Passau - im Folgenden kurz MAVO genannt). Es handelt sich um Rechtsstreitigkeit aus dem Wahlverfahrensrecht, nämlich um eine Wahlanfechtung im Sinne von § 12 MAVO und um eine Wahlprüfungsklage im Sinne von § 44b KAGO. Die Klägerinnen begehren, die Wahl einer Mitarbeitervertretung (MAV) für ungültig zu erklären.

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 MAVO haben jede wahlberechtigte Mitarbeiterin und jeder wahlberechtigte Mitarbeiter oder der Dienstgeber das Recht, die Wahl wegen eines Verstoßes gegen die §§ 6 bis 11c MAVO innerhalb einer Frist von einer Woche nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses schriftlich anzufechten. Die Anfechtungserklärung ist dem Wahlausschuss zuzuleiten (§ 12 Abs. 1 Satz 2 MAVO). Unzulässige oder unbegründete Anfechtungen weist der Wahlausschuss zurück (§ 12 Abs. 2 Satz 1 MAVO). Stellt er fest, dass die Anfechtung begründet ist und dadurch das Wahlergebnis beeinflusst sein kann, so erklärt er die Wahl für ungültig; in diesem Falle ist die Wahl unverzüglich zu wiederholen (§ 12 Abs. 2 Satz 2 MAVO). Im Falle einer sonstigen begründeten Wahlanfechtung berichtigt er den durch den Verstoß verursachten Fehler (§ 12 Abs. 2 Satz 3 MAVO).

Gegen die Entscheidung des Wahlausschusses ist nach § 12 Abs. 3 MAVO die Klage beim Kirchlichen Arbeitsgericht innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung zulässig. In § 44b KAGO (Wahlprüfungsklage) ist ebenfalls bestimmt, dass eine Klage auf Feststellung der Ungültigkeit einer Wahl einer Mitarbeitervertretung oder eines Mitglieds einer Mitarbeitervertretung nur innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung zulässig ist.

Hier rügen die Klägerinnen einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 8 Abs. 2 MAVO über das passive Wahlrecht. Sie haben nach der MAV-Wahl vom 05.06.2014 ihre Anfechtungserklärungen mit Schreiben vom 05.06.2014 fristgerecht dem Wahlausschuss zugeleitet. Dieser hat die Anfechtung jeweils mit Schreiben vom 02.07.2014 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung haben die Klägerinnen fristgerecht das Kirchliche Arbeitsgericht angerufen, nämlich mit ihren Klagen vom 02.07.2014, beim Kirchlichen Arbeitsgericht eingegangen am 04.07.2014 (damaliges Az. 2 MV 9/14, jetziges Az. 2 MV 12/15).

Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen ihre Wahlanfechtungsklagen vom 02.07.2014 gegen die gewählte Mitarbeitervertretung gerichtet. Nach der Rechtsprechung des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs (vgl. KAGH, Urteil vom 28.11.2014 - M 10/2013 = ZMV 2015, 31) hätten sie gegen den Wahlausschuss gerichtet werden müssen. Der Kirchliche Arbeitsgerichtshof hat allerdings auch entschieden, dass bei einer Wahlanfechtung die Klageerhebung nicht schon deswegen unzulässig ist, weil statt des Wahlausschusses die Mitarbeitervertretung als Beklagte bezeichnet wird; es genügt, dass ein „mitarbeitervertretungsrechtlicher Tatbestand“ vorgetragen wird, der möglicherweise die Anfechtung der Wahl rechtfertigt. Bei einer Fehlbezeichnung des Beklagten ist von Amts wegen die prozessuale Rechtslage klarzustellen (vgl. KAGH, Urt. v. 17.07.2015 -M 14/2014 = ZMV 2015, 339).

2. Das Kirchliche Arbeitsgericht für die Bayerischen (Erz-)Diözesen ist nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KAGO örtlich zuständig, weil die Beklagte ihren Sitz in dessen Dienstbezirk hat.

II.

Die zulässigen Klagen sind auch begründet.

1. Allerdings ist im Wahlanfechtungsverfahren vor dem Kirchlichen Arbeitsgericht nicht die Mitarbeitervertretung, sondern der Wahlausschuss passivlegitimiert, also der „richtige Beklagte“.

Nach den Ausführungen des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs in seinem Urteil vom 28.11.2014 -M 10/2013 - (= ZMV 2015, 31) führt ein Verstoß gegen die Voraussetzungen für die Bildung der Mitarbeitervertretungsordnung und deren Zusammensetzung, gegen das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren (§§ 6-11c MAVO) im Regelfall nicht zur Nichtigkeit der Wahl, sondern kann nur im Wege der Anfechtung geltend gemacht werden. Materiellrechtlich ist Anfechtungsgegner die Mitarbeitervertretung, weil es um ihren Bestand oder ihre Zusammensetzung geht. Über die Anfechtung entscheidet nach § 12 Abs. 2 MAVO der Wahlausschuss. Darin liegt ein Unterschied zum staatlichen Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht, das diese Kompetenz dem Arbeitsgericht bzw. dem Verwaltungsgericht zuweist (vgl. § 19 BetrVG, § 25 BPersVG). Die Regelung hat den Vorteil, dass kurzfristig eine Klärung über die Gültigkeit der Wahl herbeigeführt werden kann. Vermieden wird dadurch, dass selbst bei Kenntnis von Wahlverstößen eine Mitarbeitervertretung über einen langen Zeitraum im Amt verbleibt. Andererseits soll dadurch aber keine Verkürzung des gerichtlichen Rechtsschutzes eintreten. Nach § 12 Abs. 3 MAVO ist deshalb gegen die Entscheidung des Wahlausschusses die Klage beim Kirchlichen Arbeitsgericht innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung zulässig. Die Klage richtet sich gegen die Entscheidung des Wahlausschusses. Er ist daher der Beklagte. Der Wahlausschuss kann gemäß § 8 Abs. 2 Buchst. b) KAGO als Wahlorgan in Angelegenheiten des Wahlverfahrensrechts in Rechtsstreitigkeiten gemäß § 2 Abs. 2 KAGO beteiligt sein. Er ist hier Beklagter, weil es um seine Entscheidung geht, gegen die sich die Klage richtet. Diese prozessuale Rechtsstellung ist nicht damit zu verwechseln, dass die Mitarbeitervertretung - wie im Verfahren vor dem Wahlausschuss - Anfechtungsgegner ist. Die Besonderheit ergibt sich daraus, dass das Anfechtungsrecht ein materiellrechtliches Gestaltungsrecht ist. Möglich ist daher, dass die Mitarbeitervertretung Klage erheben kann, wenn der Wahlausschuss ihre Wahl für ungültig erklärt. Das Anfechtungsrecht als Gestaltungsrecht steht ihr nicht zu; sie kann aber durch Klageerhebung vor dem Kirchlichen Arbeitsgericht gerichtlich überprüfen lassen, ob die Voraussetzungen für ein ihr gegenüber bestehendes Anfechtungsrecht gegeben sind. Wegen der vom staatlichen Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht abweichenden Gestaltung des § 12 MAVO endet das Amt des Wahlausschusses nicht mit der Feststellung des Wahlergebnisses, sondern ihm ist die Befugnis zugewiesen, im Rahmen einer Wahlanfechtung die Ungültigkeit der Wahl festzustellen. Daraus folgt, dass für die Klage beim Kirchlichen Arbeitsgericht (§ 12 Abs. 3 MAVO) der Wahlausschuss im Wahlanfechtungsverfahren der „richtige Antragsgegner“ ist (vgl. KAGH, Urt. v. 02.02.2007 - M 03/06 = ZMV 2007, 136; KAGH, Urt. v. 28.11.2014 - M 10/2013 = ZMV 2015, 31).

Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen ihre Wahlanfechtungsklagen nicht gegen den Wahlausschuss, sondern gegen die gewählte Mitarbeitervertretung gerichtet. Das Kirchliche Arbeitsgericht hat im seinerzeit unter dem Az. 2 MV 9/14 geführten Wahlanfechtungsverfahren davon abgesehen, die mündliche Verhandlung vom 03.11.2014 zu vertagen, um den Beteiligten Gelegenheit zu geben, zu dieser Frage Stellung zu nehmen, und gegebenenfalls den Wahlausschuss als Wahlorgan am Rechtsstreit zu beteiligen (vgl. dazu § 8 Abs. 2 Buchst. b) KAGO: „… und die Wahlorgane“). Zur Begründung hat es im Urteil vom 03.11.2014 - 2 MV 9/14 - auf der Grundlage seiner damals gewonnenen Überzeugung ausgeführt, selbst wenn die Klagen gegen den Wahlausschuss gerichtet würden, seien sie als unbegründet abzuweisen, weil der von den Klägerinnen gerügte Verstoß gegen § 8 Abs. 2 MAVO nicht vorliege. Der am Verfahren nicht beteiligte Wahlausschuss sei dadurch, dass das Kirchliche Arbeitsgericht seine Entscheidung bestätige, weder in seinen Rechten als Wahlorgan noch in seinem Recht auf rechtliches Gehör verletzt.

In dem nunmehr unter dem neuen Aktenzeichen 2 MV 12/15 geführten Rechtsstreit ist der Wahlausschuss, der die Wahl der Mitarbeitervertretung durchgeführt hat, mit Beschluss vom 12.12.2015 von Amts wegen als Beigeladener zu 2 beigeladen worden. Durch diese Beteiligung des nach § 8 Abs. 2 Buchst. b) KAGO beteiligtenfähigen Wahlausschusses am Rechtsstreit ist der Mangel, dass die Klägerinnen ihre Wahlanfechtungsklagen nicht gegen den Wahlausschuss, sondern gegen die gewählte Mitarbeitervertretung gerichtet haben, behoben worden. Einer förmlichen Parteiänderung dahingehend, dass der Wahlausschuss als Beklagter an die Stelle der beklagten Mitarbeitervertretung tritt, bedarf es nicht.

2. Nach der Aufhebung des zunächst ergangenen Urteils des Kirchlichen Arbeitsgerichts vom 03.11.2014 - 2 MV 9/14 - und der Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und Entscheidung hat das Kirchliche Arbeitsgericht in dem jetzt unter dem Aktenzeichen 2 MV 12/15 geführten Rechtsstreit bei seiner erneuten Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs zugrunde zu legen (vgl. § 51 Abs. 4 Buchst. b), Abs. 6 KAGO).

Unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung und der Hinweise des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs im Revisionsurteil vom 17.07.2015 - M 14/2014 - (= ZMV 2015, 339) ist das Gericht nunmehr zu der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung gelangt (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 KAGO), dass die Wahl von Frau F. in die MAV einen Verstoß gegen § 8 Abs. 2 MAVO darstellt und dass dadurch das Wahlergebnis beeinflusst sein kann (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 2 MAVO).

a) Die MAVO trifft hinsichtlich des aktiven und des passiven Wahlrechts der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter differenzierte Regelungen.

Als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gelten nach § 3 Abs. 2 MAVO unter anderem nicht:

1. ...

2. Leiterinnen und Leiter von Einrichtungen im Sinne des § 1 MAVO,

3. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zur selbständigen Entscheidung über Einstellungen, Anstellungen oder Kündigungen befugt sind,

4. sonstige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in leitender Stellung,

5. ...

6. ...

Diese Personen haben bei der Wahl der MAV weder das aktive noch das passive Wahlrecht.

Das - hier nicht problematische - aktive Wahlrecht ist in § 7 MAVO geregelt, das passive Wahlrecht in § 8 MAVO.

Nicht wählbar sind nach § 8 Abs. 2 MAVO Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zur selbständigen Entscheidung in anderen als den in § 3 Abs. 2 Nr. 3 MAVO genannten Personalentscheidungen befugt sind. Gemäß § 9 Abs. 7 MAVO prüft der Wahlausschuss (bzw. im vereinfachten Wahlverfahren gemäß § 11c Abs. 4 in Verbindung mit § 9 Abs. 7 MAVO die Wahlleiterin oder Wahlleiter) die Wählbarkeit und lässt sich von der Wahlbewerberin oder dem Wahlbewerber bestätigen, dass kein Ausschlussgrund im Sinne des § 8 MAVO vorliegt.

Das Gegenstück zur Vorschrift des § 8 Abs. 2 MAVO stellt im weltlichen Recht § 14 Abs. 3 des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) dar. Danach sind nicht wählbar für die Personalvertretung ihrer Dienststelle die in § 7 BPersVG genannten Personen - also der Dienststellenleiter, seine Vertreter und Beauftragten - sowie Beschäftigte, die zu selbständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten der Dienststelle befugt sind. Eine ähnliche Bestimmung enthält Art. 14 Abs. 3 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes (BayPVG). Die Rechtsprechung der staatlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu § 14 Abs. 3 BPersVG und den entsprechenden Vorschriften der Personalvertretungsgesetze der Länder kann daher bei der Auslegung des § 8 Abs. 2 MAVO berücksichtigt werden.

b) Das passive Wahlrecht von Frau F. ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MAVO nicht als Mitarbeiterin gelten würde. Sie ist als Leiterin des Kindergartens E. nicht Leiterin einer Einrichtung im Sinne des § 1 MAVO. Träger des Kindergartens ist die beigeladene Pfarrkirchenstiftung. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kindergarten als eigene Einrichtung im Sinne des § 1 Abs. 1 MAVO geführt wird. Vielmehr wird er von der Beigeladenen verwaltet, die von einem sog. Verwalter des Kindergartens, nämlich Herrn G. vom Caritasverband für die Diözese P., unterstützt wird. Die Beigeladene zu 1 hat als Rechtsträger nicht nach § 1a Abs. 2 Satz 1 MAVO bestimmt, dass der Kindergarten E. als Einrichtung gilt. Die beklagte MAV ist nicht nur für den Kindergarten E., sondern für die gesamte Pfarrkirchenstiftung gewählt worden.

Die Klägerinnen machen mit ihrer Wahlanfechtung nicht geltend, dass die Kindergartenleiterin Frau F. eine Mitarbeiterin sei, die im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 3 MAVO zur selbständigen Entscheidung über Einstellungen, Anstellungen oder Kündigungen befugt sei, oder dass sie eine sonstige Mitarbeiterin in leitender Stellung im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 4 MAVO sei.

c) Das passive Wahlrecht von Frau F. ist nach dem von den Klägerinnen herangezogenen § 8 Abs. 2 MAVO ausgeschlossen. Nach der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung und der Hinweise des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs im Revisionsurteil vom 17.07.2015 - M 14/2014 - (= ZMV 2015, 339) gewonnenen Überzeugung des Kirchlichen Arbeitsgerichts (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 KAGO) ist die Kindergartenleiterin F. im vorliegenden Fall als eine Mitarbeiterin anzusehen, die zur selbständigen Entscheidung in anderen als den in § 3 Abs. 2 Nr. 3 genannten Personalentscheidungen - also in anderen Entscheidungen als über Einstellungen, Anstellungen oder Kündigungen - befugt ist.

aa) Zunächst ist festzuhalten, dass bei der Auslegung und Anwendung der Bestimmung des § 8 Abs. 2 MAVO auch can. 18 des Codex Iuris Canonici (CIC) in Betracht zu ziehen ist. Im Allgemeinen gilt der Grundsatz, dass die Wahlberechtigung die Wählbarkeit umschließt (vgl. KAGH, Urt. v. 17.07.2015 - M 14/2014 = ZMV 2015, 339). § 8 Abs. 2 MAVO stellt eine hiervon abweichende gesetzliche Bestimmung dar, die das Wahlrecht der davon erfassten Mitarbeiter in der Weise einschränkt, dass sie ihnen zwar das aktive Wahlrecht belässt, jedoch das passive Wahlrecht vorenthält. Gesetze, die eine Strafe festsetzen oder die freie Ausübung von Rechten einschränken oder eine Ausnahme vom Gesetz enthalten, unterliegen nach can. 18 CIC enger Auslegung („Leges quae poenam statuunt aut liberum iurium exercitium coarctant aut exceptionem a lege continent, strictae subsunt interpretationi“).

bb) Der Kirchliche Arbeitsgerichtshof hat in seinem im vorliegenden Wahlanfechtungsverfahren ergangenen Revisionsurteil vom 17.07.2015 - M 14/2014 - (= ZMV 2015, 339) zur Auslegung und zum Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 MAVO unter anderem ausgeführt, die gesetzliche Regelung in § 8 Abs. 2 MAVO Passau, die im Wesentlichen § 14 Abs. 3 PersVG nachgebildet sei, diene der Vermeidung einer Pflichten- und Interessenkollision: Personen, die als „Gegenspieler“ der betrieblichen Interessenvertretung agieren, sollten grundsätzlich nicht zugleich Mitglied dieser Interessenvertretung sein. Ein Mitarbeiter, der Entscheidungen in Personalangelegenheiten treffe oder maßgeblich die Entscheidungsfindung beeinflusse, solle nicht gleichzeitig als Mitglied der Mitarbeitervertretung mit zuvor von ihm entscheidend (mit-)geprägten Personalangelegenheiten befasst sein. Ob eine Vermischung beider Funktionen möglich sei, könne nicht allgemein festgestellt werden, sondern bedürfe stets der sorgfältigen Prüfung im Einzelfall.

Die Entscheidungs- bzw. Einwirkungsbefugnis müsse sich auf Personalangelegenheiten beziehen, die nicht schon in § 3 Abs. 2 Nr. 3 MAVO erfasst seien. Dazu gehörten persönliche Angelegenheiten, die zwischen der Einrichtung und der Mitarbeitervertretung förmlich zu verhandeln seien. Dies treffe auf die mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten nach § 35 Abs. 1 MAVO Passau zu, könne aber auch andere Formen der Mitwirkung erfassen, sofern sie gewichtige persönliche Angelegenheiten eines Mitarbeiters beträfen, zum Beispiel § 26 Abs. 3a MAVO Passau. Die Personalangelegenheiten müssten mitarbeitervertretungsrechtlich eine gewisse Relevanz besitzen, Entscheidungen von untergeordneter Bedeutung würden von der Regelung des § 8 Abs. 2 MAVO Passau nicht erfasst.

Die Anwendung des § 8 Abs. 2 MAVO setze nicht voraus, dass der betreffende Mitarbeiter alleinige oder allumfassende selbständige Entscheidungsbefugnis besitze. Die Befugnis zur selbständigen Entscheidung sei auch nicht deswegen zu verneinen, weil der Mitarbeiter an Richtlinien und Weisungen der übergeordneten Stellen gebunden sei oder weil er nicht zum Ausspruch der Personalentscheidung berechtigt sei. Andernfalls gäbe es für § 8 Abs. 2 MAVO Passau praktisch keinen Anwendungsfall. Nicht ausreichend sei, dass ein Mitarbeiter Personalentscheidungen im Rahmen der Durchführung des Dienstvertrages lediglich bearbeite oder vorbereite. Für die Selbständigkeit der Entscheidung komme es darauf an, dass der Betreffende für den Dienstgeber intern weitgehend selbständig entscheiden könne. Wie auch in der Betriebsverfassung sei für das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht ausschlaggebend, welche Funktion er in der Einrichtung ausübe. Nicht die Rechtsmacht im Außenverhältnis, sondern die Rechtsstellung im Innenverhältnis präge seine Sonderstellung, die es rechtfertige, von dem Grundsatz abzusehen, dass die Wahlberechtigung die Wählbarkeit umschließe. Wer dauerhaft auf die Personalentscheidungen des Dienstgebers maßgeblich Einfluss nehme, solle bei einer Beteiligung nicht zugleich als Mitglied der Mitarbeitervertretung mitwirken (vgl. bereits KAGH, Urt. v. 28.11.2014 -M 01/2014 = ZMV 2015, 33). Jedoch genüge es nicht, dass jemand nur gelegentlich oder vertretungsweise die Aufgaben wahrnehme. Die Aufgabenwahrnehmung müsse vielmehr seine Stellung in der Arbeitsorganisation der Einrichtung prägen. Ein wichtiges Indiz für die hervorgehobene Stellung eines Mitarbeiters in Personalangelegenheiten sei der Umstand, dass er Entscheidungen in wichtigeren Personalangelegenheiten nicht nur vorbereite, sondern diese auch initiiere und dass sein Votum von den vertretungsberechtigten Organen des Rechtsträgers in aller Regel akzeptiert werde, ohne dass korrigierende Weisungen im Einzelfall ausgeschlossen seien. Dafür, dass ein Mitarbeiter prägenden Einfluss auf Personalangelegenheiten nehme und damit zumindest faktisch zur selbständigen Entscheidung im Sinne des § 8 Abs. 2 MAVO befugt sei, könne auch sprechen, dass er als „Leiter“ einer unselbständigen Teildienststelle gewissermaßen als „verlängerter Arm“ des Dienstgebers handele und von den anderen Mitarbeitern in dieser Funktion wahrgenommen werde (vgl. KAGH, Urt. v. 17.07.2015 - M 14/2014 = ZMV 2015, 339).

Im Zusammenhang mit der Zurückverweisung des Rechtsstreits zur weiteren Sachverhaltsermittlung hat der Kirchliche Arbeitsgerichtshof darauf hingewiesen, das Kirchliche Arbeitsgericht werde insbesondere zu berücksichtigen haben, dass die Leitung eines kirchlichen Kindergartens typischerweise maßgeblich die Arbeit in der Einrichtung präge. Zu den typischen Kernaufgaben einer Kindergartenleitung zählten neben der pädagogischen Leitung auch die umfassende Führung und Förderung der pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Zusammenarbeit im Team, mit Eltern und Kooperationspartnern im Sozialraum (z.B. Schulen), die Beobachtung von Rahmenbedingungen und Trends und das Ziehen von Schlussfolgerungen für die eigene Einrichtung, die strategische Planung sowie die Organisationsentwicklung mit allen Beteiligten. Diese verantwortungsvolle und exponierte Stellung erstrecke sich in der Regel auch auf die personellen Angelegenheiten in der Einrichtung. So würden z.B. Disziplinarmaßnahmen (z.B. Beförderungen, Versetzungen, Suspendierungen vom Dienst, Abmahnungen, Kündigungen usw.) gewöhnlich auf Initiative der Kindergartenleitung und in enger Abstimmung mit ihr ergriffen, ungeachtet der Tatsache, dass die Letztverantwortung und die rechtliche Befugnis zur Außervertretung typischerweise den vertretungsberechtigten Organen des Rechtsträgers obliege (vgl. KAGH, Urt. v. 17.07.2015 - M 14/2014 = ZMV 2015, 339).

Angesichts der Rechtsauffassung des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs, wonach nicht allgemein festgestellt werden kann, ob eine „Vermischung“ der Funktionen eines Mitglieds der Mitarbeitervertretung und eines mit Personalentscheidungen befassten Mitarbeiters unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 2 MAVO möglich ist oder nicht, sondern dies stets der sorgfältigen Prüfung im Einzelfall bedarf, gibt es keine allgemein verbindliche Antwort auf die Frage, ob die Leiterin einer katholischen Kindertageseinrichtung das passive Wahlrecht zur Mitarbeitervertretung besitzt oder nicht. Die vom Kirchlichen Arbeitsgericht auf die hiesigen Wahlanfechtungsklagen der Klägerinnen zu treffende Entscheidung betrifft demgemäß nur den konkreten Einzelfall der Kindergartenleiterin Frau F. Das Kirchliche Arbeitsgericht hat seiner erneuten Entscheidung nach § 51 Abs. 6 KAGO die rechtliche Beurteilung des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs in dem zurückverweisenden Revisionsurteil vom 17.07.2015 - M 14/2014 - (= ZMV 2015, 339) zugrunde zu legen.

cc) Das Kirchliche Arbeitsgericht hat unter Berücksichtigung dieser Vorgaben nunmehr die Überzeugung erlangt, dass die Kindergartenleiterin F. die Entscheidungsfindung des Trägers in anderen als den in § 3 Abs. 2 Nr. 3 MAVO genannten Personalentscheidungen zumindest maßgeblich beeinflusst. Sie soll daher nicht gleichzeitig als Mitglied der Mitarbeitervertretung mit zuvor von ihr entscheidend (mit-) geprägten Personalangelegenheiten befasst sein und ist daher nach § 8 Abs. 2 MAVO nicht wählbar.

Die Kindergartenleiterin hat gemäß § 2 Abs. 2 der von der Bayerischen Regional-KODA als Teil C, 7. des Arbeitsvertragsrechts der Bayerischen (Erz-)Diözesen (ABD) beschlossenen und vom Bischof von Passau in Kraft gesetzten Dienstordnung für das pädagogische Personal in den katholischen Kindertageseinrichtungen insbesondere folgende Leitungsaufgaben:

1. Personalführung

In der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ist die Leitung weisungs- und delegationsberechtigt insbesondere in folgenden Bereichen:

a. Koordination der pädagogischen Arbeit und religiösen Erziehung durch alle Beschäftigten,

b. Leitung der regelmäßig durchzuführenden Teambesprechung,

c. fachliche Beratung der Beschäftigten, Einführung von neuem Personal,

d. Qualitätsmanagement im Rahmen der Teamentwicklung und Zusammenarbeit mit Eltern, Krisenmanagement,

e. Qualitätssicherung (z. B. Teamfortbildung gemäß § 7 Abs. 4, Qualifizierungsgespräch gemäß § 5 Abs. 4 Teil A, 1.),

f. Information der Beschäftigten über Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, Mitwirkung bei der Fortbildungsplanung, Absprache der Fortbildungsteilnahme,

g. Information, Weitergabe von Rundschreiben und Informationsmaterial,

h. Verantwortung für die Praktikantenanleitung,

i. Organisation der hauswirtschaftlichen Dienste.

2. Betriebsführung

a. Ausübung des Hausrechts,

b. Führung der Aufnahmegespräche mit den Eltern. Die Entscheidung über die Aufnahme eines Kindes trifft die Leitung im Einvernehmen mit dem Träger im Rahmen der festgelegten Aufnahmekriterien,

c. Aufstellung eines Dienstplanes für alle Beschäftigten der Einrichtung in Zusammenarbeit mit den Beschäftigten und in Absprache mit dem Träger,

d. Regelung der Vertretung, insbesondere bei Arbeitsunfähigkeit, Urlaub und Fortbildung, und bei Zeitausgleich für Mehrarbeit und Überstunden,

e. Erfassung von Mehrarbeit, Überstunden; Erstellung von Arbeitszeitübersichten und gegebenenfalls Arbeitszeitkonten im Rahmen der Dienstplangestaltung,

f. Beratung bei der Aufstellung des Haushaltsplanes unter Berücksichtigung der pädagogischen Konzeption,

g. zweckentsprechende Verwendung, Verwaltung und Abrechnung der vom Träger zur Verfügung gestellten Gelder,

h. Erhebung und Erfassung der Daten nach dem BayKiBiG und Kontrolle der Buchungszeiten,

i. Unterstützung des Trägers bei der Umsetzung gesetzlicher Vorschriften, insbesondere im Hinblick auf Sicherheit, Ordnung, Instandhaltung und Hygiene,

j. Abfassung von Unfallanzeigen für die Unfallversicherung, gesetzliche Unfallversicherung und die Dienststelle für Diözesanhaftpflicht- und Unfallversicherung beim Bischöflichen Ordinariat.

3. Zusammenarbeit

a. mit dem Träger aa. Absprache der Grundlagen der Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsarbeit, auch im Hinblick auf die Einbeziehung in das pfarrliche Leben (pädagogische Konzeption),

bb. Abgabe von Stellungnahmen und ggf. von Vorschlägen gegenüber dem Träger, insbesondere zu Bedarfsplanung, Baumaßnahmen, Ausstattung, Öffnungs- und Schließzeiten der Kindertageseinrichtung,

cc. gegenseitige Information bei Personalfragen und dienstrechtlich relevanten Sachverhalten, insbesondere bei Einstellungsverfahren und arbeitsrechtlichen Maßnahmen,

dd. rechtzeitige Information über Veränderungen der Buchungszeiten, ee. Information über die praktische Umsetzung der pädagogischen Konzeption und von Projekten,

ff. Meldung von Schäden und Mängeln an Inventar, Gebäude und Grundstück, besonders auch im Außenbereich sowie Information über erforderliche Instandhaltungsarbeiten; bei Gefahr im Verzug ist die Leitung verpflichtet, eine erforderliche Sofortmaßnahme zur Vermeidung von Gefährdungen einzuleiten und mit dem Träger Absprache zur umgehenden Schadensbehebung zu treffen,

gg. Meldung von Unfällen und Weitergabe der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von Beschäftigten an die zuständige Stelle,

hh. Mitarbeit bei der Erstellung und der inhaltlichen Auswertung von Elternbefragungen;

b. mit Eltern und Elternbeirat aa. Vorstellung und Erklärung der pädagogischen Konzeption, bb. Hinweise auf familienbezogene Beratungs- und Hilfsangebote, cc. Teilnahme an Elternbeiratssitzungen;

c. mit Behörden und anderen Institutionen aa. Aufsichtsbehörden, bb. Gesundheitsamt;

d. mit dem Diözesancaritasverband/Fachberatung Referat Kindertageseinrichtungen und Fortbildungsträgern;

e. mit der/dem Beauftragten des Trägers für die in der Kindertageseinrichtung anfallenden Verwaltungsarbeiten 1

1) Hinweis: Der/dem für die in der Kindertageseinrichtung anfallenden Verwaltungsarbeiten zuständigen Beauftragten sollen diejenigen Verwaltungsaufgaben übertragen werden, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang zur pädagogischen Arbeit stehen. Hierzu zählen insbesondere Einzug, Überprüfung und Mahnung von Elternbeiträgen, die Beantragung der kinderbezogenen Zuschüsse, Aufstellung des Haushaltsplanes, Erstellen der Jahresrechnung, Stellenausschreibungen, buchhalterischen Aufgaben, Erstellen von Statistiken und Materialbestellungen.

f. mit anderen Institutionen aa. Ausschüsse,

bb. Beratungsstellen (z. B. Erziehungs-, Suchtberatungs-, Jugend- und Familien beratungsstellen), cc. Grundschulen des Einzugsbereiches,

dd. andere Einrichtungen im Einzugsbereich (z. B. Frühfördereinrichtungen, heilpädagogische Tagesstätten, schulvorbereitende Einrichtungen für Behinderte, Förderschulen und sonderpädagogische Förderzentren).

Diese nicht abschließende („... insbesondere …“) abstrakte Aufzählung von Leitungsaufgaben erlaubt noch keinen hinreichend sicheren Schluss darauf, ob eine Kindergartenleiterin unter Berücksichtigung der vom Kirchlichen Arbeitsgerichtshof zu § 8 Abs. 2 MAVO herausgearbeiteten Kriterien (vgl. KAGH, Urt. v. 28.11.2014 - M 01/2014 = ZMV 2015, 33; KAGH, Urt. v. 17.07. 2015 - M 14/2014 = ZMV 2015, 339) im konkreten Einzelfall wählbar ist oder nicht.

Der am 23.07.2013 stiftungsaufsichtlich genehmigte Verwaltervertrag vom 04./16.07.2013 zwischen der Beigeladenen zu 1 und dem Caritasverband für die Diözese P. e.V. sieht vor, dass der DiCV die Verwaltungsdienstleistungen nach Maßgabe dieses Vertrages erbringt (vgl. § 2 Abs. 1 des Verwaltervertrages) und dass die Verwaltung folgende Geschäfte und Maßnahmen umfasst (vgl. § 2 Abs. 2 des Verwaltervertrages):

– Personalführung,

– Personalförderung,

– Personalgewinnung,

– allgemeine Personalverwaltung,

– Organisation und allgemeine Verwaltung,

– Finanzen,

– Haushaltsvollzug,

– Kooperation mit der Pfarrgemeinde,

– Zusammenarbeit mit den für die Pädagogik Verantwortlichen,

– Zusammenarbeit mit Eltern,

– Öffentlichkeitsarbeit.

Zur Aufgabenbeschreibung des DiCV und zur Aufgabenabgrenzung zwischen Träger und DiCV wird im Einzelnen auf Anlage 1 zu diesem Vertrag („Aufgabenbeschreibung Kita-Verwalter“) verwiesen.

Gemäß § 2 Abs. 6 Satz 1 des Verwaltervertrages ist der Träger Dienstgeber des Personals der Kindertagesstätte. Die arbeitsrechtlichen Maßnahmen sowie die Dienstaufsicht über das Personal werden gemäß § 2 Abs. 6 Satz 2 des Verwaltervertrages vom DiCV ausgeübt.

Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien nimmt Frau F. als Kindergartenleiterin im Wesentlichen dieselben Aufgaben wahr wie zuvor die Klägerin zu 1. Diese hat bei ihrer Anhörung als Partei in der mündlichen Verhandlung angegeben, als sie vor Frau F. Kindergartenleitung gewesen sei, habe sie Entscheidungen in Personalangelegenheiten vorbereitet, etwa Bewerbungsgespräche alleine geführt oder Arbeitszeugnisse formuliert. Die Einstellungen seien formal durch die Kirchenverwaltung erfolgt. Diese habe auch die Arbeitszeugnisse unterschrieben. Sie - die Klägerin zu 1 - habe den Urlaub und Fortbildungen für die Mitarbeiterinnen im Kindergarten ohne Rückfrage mit der Kirchenverwaltung genehmigt und auch den Dienstplan ohne vorherige Rücksprache aufgestellt.

Dem weitgehend unstreitigen Vorbringen der Beteiligten in deren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung am 12.04.2016 ist zu entnehmen, dass die Kindergartenleiterin F. die formal von der Beigeladenen zu 1 als Träger bzw. vom Verwalter G. zu treffenden Personalentscheidungen maßgeblich vorbereitet und beeinflusst, etwa durch das Führen von Bewerbungsgesprächen oder bei der Verhaltens- und Leistungsbeurteilung. Das Fehlen einer selbständigen Entscheidungsbefugnis von Frau F. und das Erfordernis der Abstimmung mit dem Verwalter G. vom Caritasverband für die Diözese P. e.V. spricht nach den Ausführungen des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs im Revisionsurteil vom 17.07.2015 - M 14/2014 - (= ZMV 2015, 339) nicht gegen die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 2 MAVO (anders noch das hiesige Kirchliche Arbeitsgericht in seinem angefochtenen Urteil vom 03.11.2014 - 2 MV 9/14 -). Nach der Rechtsauffassung des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs ist eben nicht Voraussetzung, dass der betreffende Mitarbeiter alleinige oder allumfassende selbständige Entscheidungsbefugnis besitzt.

Frau F. führt in ihrer Eigenschaft als Kindergartenleiterin Gespräche mit Mitarbeiterinnen im Regelungsbereich des § 26 Abs. 3a MAVO, bei denen auf Verlangen der Mitarbeiterin ein Mitglied der MAV hinzuzuziehen ist. Von ihr werden im Einzelfall Maßnahmen oder Entscheidungen jedenfalls maßgeblich vorbereitet und beeinflusst, an denen die MAV nach § 34 oder § 35 MAVO zu beteiligen wäre, etwa im Zusammenhang mit Einstellungen, Eingruppierungen und Höhergruppierungen. Die Äußerungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 12.04.2016 deuten sogar darauf hin, dass über die Personalauswahl bei Einstellungen weiterhin - wie schon vor der Wahl der MAV - im Vier-Augen-Gespräch zwischen Kirchenpfleger und Kindergartenleitung ohne förmliche Beteiligung der gewählten MAV nach § 34 MAVO entschieden wird.

Die relativ starke Stellung der Kindergartenleiterin F. zeigt sich ferner darin, dass sie die Dienstpläne eigenständig aufstellt und dass die Mitarbeitervertretung hierbei offenbar auch bei längerfristiger Änderung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage (vgl. § 36 Abs. 1 Nr. 1 MAVO Passau) nicht beteiligt wird.

dd) All diese Umstände rechtfertigen in einer Gesamtschau den Schluss, dass Frau F. im vorliegenden Fall als Leiterin einer unselbständigen Teileinrichtung (Kindergarten E.) gewissermaßen als „verlängerter Arm“ des Dienstgebers handelt und von den anderen Mitarbeiterinnen in dieser Funktion wahrgenommen wird.

Unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs in seinem Revisionsurteil vom 17.07.2015 - M 14/2014 - (= ZMV 2015, 339) kommt das Kirchliche Arbeitsgericht im konkreten Einzelfall somit zu der Auffassung, dass die Kindergartenleiterin F. bei der Wahl der Mitarbeitervertretung am 05.06.2014 nach § 8 Abs. 2 MAVO nicht wählbar war. Der Beigeladene zu 2 hätte sie also nicht als Wahlbewerberin zulassen dürfen.

ee) Durch die Zulassung der nicht wählbaren Kindergartenleiterin F. kann das Ergebnis der MAV-Wahl vom 05.06.2014 beeinflusst sein (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 2 MAVO).

Dies ergibt sich hier schon daraus, dass Frau F. die meisten Stimmen erhalten hat. Auf sie entfielen dreizehn Stimmen, auf Herrn K. elf Stimmen, auf Frau L. elf Stimmen, auf die Klägerin zu 1 neun Stimmen, auf die Klägerin zu 2 acht Stimmen und auf die Klägerin zu 3 acht Stimmen. Der durch den Verstoß gegen § 8 Abs. 2 MAVO verursachte Fehler kann nicht etwa nach § 12 Abs. 2 Satz 3 MAVO dadurch berichtigt werden, dass die für Frau F. abgegebenen Stimmen „wegfallen“ und für die aus der MAV ausscheidende Kindergartenleiterin ein Ersatzmitglied -wohl die Klägerin zu 1 - nachrückt. Denn wenn die Wähler und Wählerinnen bei der Wahl am 05.06.2014 nicht die Möglichkeit gehabt hätten, der Kindergartenleiterin eine Stimme zu geben, wären die für Frau F. abgegebenen Stimmen wohl anderweitig vergeben worden, die zur Wahl stehenden Bewerber und Bewerberinnen hätten andere Stimmenzahlen und dies hätte zu einer anderen personellen Zusammensetzung der MAV führen können.

d) Nach alledem hätte der Wahlausschuss auf die Anfechtung der Klägerinnen die MAV-Wahl für 05.06.2014 für ungültig erklären müssen (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 2 MAVO).

Da dies nicht geschehen ist, wird die MAV-Wahl vom 05.06.2014 nunmehr durch Urteil des Kirchlichen Arbeitsgerichts für ungültig erklärt.

Die erfolgreiche Wahlanfechtung lässt nach § 12 Abs. 4 MAVO die Wirksamkeit der zwischenzeitlich durch die Mitarbeitervertretung getroffenen Entscheidungen unberührt.

III.

Gerichtsgebühren werden nach § 12 Abs. 1 Satz 1 KAGO nicht erhoben.

Der Kostenausspruch, wonach die Beigeladene zu 1 die notwendigen Auslagen der Klägerinnen und des Beigeladenen zu 2 zu tragen hat, beruht auf § 12 Abs. 1 Satz 2 KAGO in Verbindung mit § 11 Abs. 8 Satz 2 und § 17 Abs. 1 Satz 1 MAVO.

Zu den vom Dienstgeber zu tragenden Kosten der MAV-Wahl zählen auch die Kosten eines in § 12 MAVO vorgesehenen Wahlanfechtungsverfahrens.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 47 Abs. 2 KAGO ist nicht ersichtlich.

Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 47 Abs. 2 Buchst. a) KAGO mehr. Der Kirchliche Arbeitsgerichtshof hat mit seinem Revisionsurteil vom 17.07.2015 - M 14/2014 - (= ZMV 2015, 339) die Rechtslage im Zusammenhang mit der Frage des passiven Wahlrechts von Kindergartenleiterinnen unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 2 MAVO bereits geklärt. Auch das Urteil des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofs vom 28.11.2014 - M 01/2014 - (= ZMV 2015, 33) enthält grundlegende Ausführungen zur Auslegung des § 8 Abs. 2 MAVO.

Angesichts der erforderlichen Einzelfallprüfung betrifft die vom Kirchlichen Arbeitsgericht auf die hiesigen Wahlanfechtungsklagen der Klägerinnen zu treffende Entscheidung nur den konkreten Einzelfall der Kindergartenleiterin Frau F.

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Gemeinschaftliches Kirchliches Arbeitsgericht erster Instanz in Bayern Urteil, 12. Apr. 2016 - 2 MV 12/15 zitiert 13 §§.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 46 Grundsatz


(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung. (2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsger

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 19 Wahlanfechtung


(1) Die Wahl kann beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß

Zivilprozessordnung - ZPO | § 147 Prozessverbindung


Das Gericht kann die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlic

Bundespersonalvertretungsgesetz - BPersVG | § 14


(1) Wählbar sind alle Wahlberechtigten, die am Wahltage 1.seit sechs Monaten dem Geschäftsbereich ihrer obersten Dienstbehörde angehören und2.seit einem Jahr in öffentlichen Verwaltungen oder von diesen geführten Betrieben beschäftigt sind.Nicht wähl

Bundespersonalvertretungsgesetz - BPersVG | § 7


Für die Dienststelle handelt ihr Leiter. Er kann sich bei Verhinderung durch seinen ständigen Vertreter vertreten lassen. Bei obersten Dienstbehörden kann er auch den Leiter der Abteilung für Personal- und Verwaltungsangelegenheiten, bei Bundesoberbe

Bundespersonalvertretungsgesetz - BPersVG | § 25


Mindestens drei Wahlberechtigte, jede in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft oder der Leiter der Dienststelle können binnen einer Frist von zwölf Arbeitstagen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, die Wahl beim Verwaltungsg

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 27 Amtsenthebung der ehrenamtlichen Richter


Ein ehrenamtlicher Richter ist auf Antrag der zuständigen Stelle (§ 20) seines Amtes zu entheben, wenn er seine Amtspflicht grob verletzt. § 21 Abs. 5 Satz 2 bis 5 ist entsprechend anzuwenden.

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Das Gericht kann die Verbindung mehrerer bei ihm anhängiger Prozesse derselben oder verschiedener Parteien zum Zwecke der gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung anordnen, wenn die Ansprüche, die den Gegenstand dieser Prozesse bilden, in rechtlichem Zusammenhang stehen oder in einer Klage hätten geltend gemacht werden können.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

Ein ehrenamtlicher Richter ist auf Antrag der zuständigen Stelle (§ 20) seines Amtes zu entheben, wenn er seine Amtspflicht grob verletzt. § 21 Abs. 5 Satz 2 bis 5 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Die Wahl kann beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.

(2) Zur Anfechtung berechtigt sind mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber. Die Wahlanfechtung ist nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, zulässig.

(3) Die Anfechtung durch die Wahlberechtigten ist ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist, wenn nicht zuvor aus demselben Grund ordnungsgemäß Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt wurde. Dies gilt nicht, wenn die anfechtenden Wahlberechtigten an der Einlegung eines Einspruchs gehindert waren. Die Anfechtung durch den Arbeitgeber ist ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist und wenn diese Unrichtigkeit auf seinen Angaben beruht.

Mindestens drei Wahlberechtigte, jede in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft oder der Leiter der Dienststelle können binnen einer Frist von zwölf Arbeitstagen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, die Wahl beim Verwaltungsgericht anfechten, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, daß durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflußt werden konnte.

(1) Wählbar sind alle Wahlberechtigten, die am Wahltage

1.
seit sechs Monaten dem Geschäftsbereich ihrer obersten Dienstbehörde angehören und
2.
seit einem Jahr in öffentlichen Verwaltungen oder von diesen geführten Betrieben beschäftigt sind.
Nicht wählbar ist, wer infolge Richterspruchs die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, nicht besitzt.

(2) Die in § 13 Abs. 3 genannten Personen sind nicht in eine Stufenvertretung wählbar.

(3) Nicht wählbar sind für die Personalvertretung ihrer Dienststelle die in § 7 genannten Personen sowie Beschäftigte, die zu selbständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten der Dienststelle befugt sind.

Für die Dienststelle handelt ihr Leiter. Er kann sich bei Verhinderung durch seinen ständigen Vertreter vertreten lassen. Bei obersten Dienstbehörden kann er auch den Leiter der Abteilung für Personal- und Verwaltungsangelegenheiten, bei Bundesoberbehörden ohne nachgeordnete Dienststellen und bei Behörden der Mittelstufe auch den jeweils entsprechenden Abteilungsleiter zu seinem Vertreter bestimmen. Das gleiche gilt für sonstige Beauftragte, sofern der Personalrat sich mit dieser Beauftragung einverstanden erklärt.

(1) Wählbar sind alle Wahlberechtigten, die am Wahltage

1.
seit sechs Monaten dem Geschäftsbereich ihrer obersten Dienstbehörde angehören und
2.
seit einem Jahr in öffentlichen Verwaltungen oder von diesen geführten Betrieben beschäftigt sind.
Nicht wählbar ist, wer infolge Richterspruchs die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, nicht besitzt.

(2) Die in § 13 Abs. 3 genannten Personen sind nicht in eine Stufenvertretung wählbar.

(3) Nicht wählbar sind für die Personalvertretung ihrer Dienststelle die in § 7 genannten Personen sowie Beschäftigte, die zu selbständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten der Dienststelle befugt sind.