Finanzgericht München Urteil, 20. Nov. 2017 - 7 K 2023/16

bei uns veröffentlicht am20.11.2017

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Streitig ist, ob negative Einkünfte aus einem Mietverhältnis steuerlich anzuerkennen sind und ob eine Änderung der Einkommensteuerbescheide verfahrensrechtlich zulässig war.

Der Kläger wohnte in den Streitjahren in B und erzielte Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte. In der Einkommensteuererklärung 2011 erklärte er erstmals Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus einem Objekt in der L-Straße in B, 1. Obergeschoss mit einer Wohnfläche von 80 qm. Es wurden keine Einnahmen und Werbungskosten in Höhe von 7.696 € (AfA für einen Monat in Höhe von 37 € und Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 7.609 €) erklärt. In der Einkommensteuererklärung 2012 gab der Kläger für dieses Objekt eine Größe von 72 qm an. Mieteinnahmen erklärte der Kläger aus diesem Objekt in Höhe von 5.400 € und Werbungskosten in Höhe von 16.604 €, so dass negative Einkünfte in Höhe von 11.204 € geltend gemacht wurden.

Das Finanzamt setzte die erklärten Einkünfte im Einkommensteuerbescheid vom 17.09.2013 (2011) bzw. vom 11.03.2014 (2012) an. Die Bescheide wurden bestandskräftig.

Im November 2014 beabsichtigte das Finanzamt die Durchführung einer betriebsnahen Veranlagung und kündigte mit Schreiben vom 12.10.2015 an, dass zur Durchführung der Veranlagungen 2011 bis 2013 die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie die Steuerermäßigung nach § 35a Einkommensteuergesetz (EStG) zu überprüfen seien und am 19.11.2015 im Rahmen einer betriebsnahen Veranlagung eine Augenscheinnahme im Rahmen einer Ortsbesichtigung vorgesehen sei (§§ 98,99 Abgabenordnung - AO). Nachdem sich der steuerliche Vertreter des Klägers einer solchen Ortsbesichtigung mehrfach widersetzt hatte, konnte diese am 23.11.2015 im Einverständnis mit dem Kläger durchgeführt werden. Im Zuge der Ortsbesichtigung am 23.11.2015 und in einem vorausgehenden Telefonat am 19.11.2015 schilderte der Kläger dem Prüfer des Finanzamts sein persönliches Verhältnis zu der Mieterin, Frau N, und die Wohnverhältnisse im Wohnhaus in der L. Straße 23 in B.-E. Frau N sei seit 12 Jahren seine Freundin. Er habe das Dachgeschoss ausgebaut, damit Frau N mit ihren beiden Töchtern einziehen könne, nachdem sich der Gesundheitszustand seiner Mutter, mit der er das Haus bewohnt habe, so verschlechtert habe, dass sie in ein Heim habe gehen müssen. Seine Mutter sei jedoch wieder zurückgekommen, da sich ihr Gesundheitszustand wieder verbessert habe, habe sich jedoch mit Frau N nicht verstanden. Da es regelmäßig Streit gegeben habe, habe Frau N darauf bestanden, einen Mietvertrag zu bekommen, um gegenüber der Mutter rechtlich abgesichert zu sein. Frau N habe auch Wert darauf gelegt, Miete zu zahlen, auch um sich an den Lebenshaltungskosten zu beteiligen, die gemeinsam getragen worden seien. Es sei auch gemeinsam gekocht worden. Er habe die Dachgeschosswohnung in der Zeit zusammen mit seiner Lebensgefährtin bewohnt, in der seine Mutter wieder zu Hause gewesen sei. Der Kläger hatte zwei Mietverträge zwischen ihm und Frau N über ein Mietverhältnis ab 01.01.2012 vorgelegt. Ein Mietvertrag datiert vom 26.12.2011, in ihm ist eine Wohnungsgröße von ca. 80 qm angegeben und eine Miete von 500 € ohne zusätzliche Betriebskostenzahlung vereinbart worden. Unter den besonderen Vereinbarungen war angegeben, dass „Heiz-, Strom-, Telefon- und Lebenserhaltungskosten“ gemeinsam getragen werden. Im anderen Mietvertrag war eine Miete von 450 € vereinbart. Darüber hinaus waren eine Pauschale für Heiz- und Warmwasserkosten in Höhe von 150 € und eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 50 € vereinbart. In beiden Mietverträgen ist der Mieterin ein Mitbenutzungsrecht am gesamten Erdgeschoss und den Kellerräumen eingeräumt worden. Gegenüber dem Prüfer erklärte der Kläger, dass der Mietvertrag, der eine Wohnfläche von 72 qm ausweise, gültig sei. Die Miete werde überwiesen, mit der Pauschale von 50 € seien alle Nebenkosten, d.h. Strom, Heizung und Telefon abgedeckt. Eine separate Abrechnung gebe es nicht. Die im Mietvertrag vereinbarten 150 €, die direkt übergeben würden, stellten Beiträge zu den Lebenshaltungskosten dar. Alle Räume des Hauses, also auch Erdgeschoss und Keller, würden gemeinsam genutzt.

Der Prüfer kam zu der Feststellung (Prüfungsbericht vom 26.01.2016), dass zwei abgeschlossene Wohnungen vorlägen, das Mietverhältnis jedoch steuerlich unbeachtlich sei, weil die persönlichen Beziehungen statt des Mietvertrages die Grundlage des gemeinsamen Wohnens seien. Mit Bescheiden vom 10.02.2016 änderte das beklagte Finanzamt (das Finanzamt) die Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO dahingehend, dass die negativen Einkünfte aus der Vermietung der Dachgeschosswohnung nicht mehr anerkannt wurden.

Mit den hiergegen erhobenen Einsprüchen wandte sich der Kläger zum einen gegen die steuerliche Nichtanerkennung des Mietverhältnisses mit seiner Mieterin, zum anderen gegen die Änderung der Bescheide nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Die Einsprüche blieben im Wesentlichen ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 20.06.2016). Das Finanzamt führte dabei zum einen aus, dass das zwischen dem Kläger und seiner Lebensgefährtin geschlossene Mietverhältnis nicht der Einkünfteerzielung gedient habe, sondern durch die persönlichen Beziehung der beiden zueinander geprägt gewesen sei. Aus dem Mietvertrag vom 26.12.2011, in dem die Zahlung von Lebenshaltungskosten vereinbart worden sei, und aus den Schilderungen des Klägers ergebe sich, dass die beiden trotz getrennter Wohnungen einen gemeinsamen Haushalt geführt hätten und daher deren persönliche Beziehung statt des Mietvertrags die Grundlage des gemeinsamen Wohnens gebildet habe, so dass die Verluste aus der Vermietung der Wohnung nicht berücksichtigt werden könnten. Zum anderen sei eine Änderung der Bescheide gemäß § 173 Abs. 1 Satz Nr. 1 AO zulässig, da es sich bei dem Bestehen einer persönlichen Beziehung zwischen dem Kläger und dessen Lebensgefährtin um eine Tatsache handle, die dem Finanzamt erst am 19.11.2015, also nach Eintritt der Bestandskraft der Steuerbescheide, bekannt geworden sei. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Steuerbescheide hätten sich aus den Akten keine Anzeichen für eine persönliche Beziehung zwischen dem Kläger und der Mieterin ergeben. Die Erhaltungsaufwendungen wurden im Streitjahr 2012 jedoch bis zum Höchstbetrag nach § 35a EStG im Rahmen der Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen berücksichtigt.

Mit der dagegen eingelegten Klage wendet sich der Kläger im Wesentlichen gegen die vom Finanzamt angenommene Befugnis zur Änderung der bestandskräftigen und nicht vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheide vom 17.09.2013 und vom 11.03.2014 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Er ist der Auffassung, dass dem Finanzamt die persönliche Beziehung zwischen dem Kläger und seiner Lebensgefährtin bereits aufgrund des im Laufe des Veranlagungsverfahrens vorgelegten Mietvertrags und damit bei Erlass der Ursprungsbescheide bekannt gewesen und nicht erst durch das Telefonat mit dem Prüfer am 19.11.2015 bekannt geworden sei. Dies ergebe sich aus dem darin - zusätzlich zur Überlassung der vermieteten Räume - vereinbarten Mitbenutzungsrecht des Erdgeschosses und der dazugehörenden Kellerräume und der Vereinbarung, dass „Heiz-, Strom-, Telefon- und Lebenserhaltungskosten“ gemeinsam zu tragen seien. Hieraus sei für den Beklagten erkennbar gewesen, dass zwischen dem Kläger und der Mieterin eine Lebensgemeinschaft bestanden habe, denn selbst wenn eine persönliche Nähebeziehung bestehe, erlaube kein Vermieter seinem Mieter, die von ihm selbst bewohnten Bereiche seines Hauses vollumfänglich mitzubenutzen. Noch mehr gelte dies für die Vereinbarung, die Heiz-, Strom-, Telefon- und „Lebenserhaltungskosten“ gemeinsam zu tragen. Im Übrigen hätte das Finanzamt das Bestehen einer Lebensgemeinschaft bei ordnungsgemäßer Ausübung der Amtsermittlungspflicht erkennen müssen. Eine Änderung der Steuerbescheide scheitere daher jedenfalls am Grundsatz von Treu und Glauben. Aufgrund der bei Erlass der Ursprungsbescheide vorliegenden Mietverträge hätten sich Zweifelsfragen im Hinblick auf das persönliche Verhältnis des Klägers zur Mieterin geradezu aufgedrängt, wie auch das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung mit der Aussage, die betreffende Abrede im Mietvertrag könne nur dahingehend ausgelegt werden, dass seit dem Einzug von Frau N zwischen ihr und dem Kläger eine Lebensgemeinschaft bestanden habe, festgestellt habe.

Der Kläger beantragt,

die Einkommensteueränderungsbescheide 2011 und 2012 vom 10.02.2016 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.06.2016 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen. Das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft sei eine steuererhebliche Tatsache, die dem Finanzamt erst im Rahmen der betriebsnahen Veranlagung bekannt geworden und damit neu im Sinne von § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO sei. Dem Finanzamt hätten zum Zeitpunkt der Veranlagung zwei Mietverträge zum selben Mietverhältnis vorgelegen, nämlich der Mietvertrag vom 26.12.2011 und ein Mietvertrag ohne Datum, in dem die Aussage, dass die „Lebenserhaltungskosten“ geteilt würden, fehle. Außerdem sei darin eine andere Kaltmiete vereinbart (450 € statt 500 €) und eine andere Größe der vermieteten Wohnung (72 qm statt 80 qm) angegeben worden. Als Mietbeginn sei in beiden Verträgen der 01.01.2012 angegeben. Aufgrund der Bezeichnung „unbefristeter Wohnungsmietvertrag nach neuem Mietrecht“ habe der Mietvertrag ohne Datum den Anschein erweckt, ein berichtigter Mietvertrag zu sein, der an neue rechtliche Gegebenheiten angepasst worden sei“. Daher habe das Finanzamt bei der Erstveranlagung davon ausgehen können, dass der Mietvertrag vom 26.12.2011 wegen schwerwiegender Fehler berichtigt worden sei und der zweite Mietvertrag ohne Datum maßgeblich sei. Dem Kläger eine Lebensgemeinschaft zu unterstellen, habe sich aufgrund des zweiten Mietvertrages verboten. Die in beiden Mietverträgen getroffene Vereinbarung zur Nutzung des Erdgeschosses habe sich jeweils auf die Nutzung gemeinschaftlicher Einrichtungen, Räume und Flächen außerhalb der gemieteten Wohnung bezogen. Ohne die Kenntnis, dass die Mieterin die Lebenspartnerin des Klägers gewesen sei, hätten sich beide Mietverträge nicht dahingehend auslegen lassen, dass der Kläger seine Wohnung im Erdgeschoss zusammen mit der Mieterin in einer Lebensgemeinschaft bewohnt habe. Der Prüfer habe den Kläger im Rahmen der Ortsbesichtigung befragt, welcher der beiden Mietverträge gültig sei. Der Kläger habe hierzu angegeben, dass dies der Mietvertrag mit einer angegebenen Wohnfläche von 72 qm sei. Dies habe die Auffassung des Finanzamts bestätigt. Selbst wenn eine Ermittlungspflichtverletzung des Finanzamts vorläge, sei das Finanzamt nicht nach Treu und Glauben an einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gehindert, da der Kläger seinerseits die ihm obliegende Mitwirkungspflicht verletzt habe und die Ermittlungspflichtverletzung des Finanzamts nicht überwiege. Er habe seine Steuererklärungspflicht nicht in der gehörenden Weise erfüllt, weil er dem Finanzamt den Sachverhalt, dass er mit der Mieterin eine Lebensgemeinschaft führe, nicht bereits im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2011 dargelegt habe. Dies greife umso mehr, weil er steuerlich beraten gewesen sei. Er habe den Sachverhalt sogar durch die Vorlage eines zweiten Mietvertrages ohne Datum verschleiert, weil darin die Aussage zu den „Lebenserhaltungskosten“ nicht mehr aufgeführt gewesen sei. Selbst wenn er seine Erklärung für richtig gehalten habe, habe er die mangelnde Aufklärung seitens des Finanzamts zu verantworten, wenn er die für die rechtliche Beurteilung durch das Finanzamt möglicherweise bedeutsamen Tatsachen diesem nicht unterbreitet habe.

Auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 20. November 2017 wird Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat zu Recht die streitigen Verluste aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht anerkannt und war verfahrensrechtlich befugt, die Einkommensteuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern.

1. Das Mietverhältnis zwischen dem Kläger und Frau N ist steuerlich nicht anzuerkennen, denn zwischen beiden bestand im Streitzeitraum eine nichteheliche Lebensgemeinschaft, wobei der Kläger die Erdgeschosswohnung zumindest zeitweilig gemeinsam mit Frau N bewohnte und die vermietete Dachgeschosswohnung jedenfalls in dem Klagezeitraum vom Kläger mitbenutzt und im Rahmen einer Haushaltsgemeinschaft von beiden gemeinsam bewohnt wurden. Eine Trennung der Sphären des Vermieters und der Mieterin lag ungeachtet der baulichen Abgeschlossenheit der Wohnungen nicht vor. Dies kommt in den beiden vorgelegten Mietverträgen etwas verklausuliert dadurch zum Ausdruck, dass im Mietvertrag vom 26.12.2011 die besondere Vereinbarung getroffen wurde, dass „Heiz-, Strom, Telefon- und Lebenserhaltungskosten“ gemeinsam getragen werden. Beide Verträge enthalten auch die Regelung in Ziff. 1.2. hinsichtlich eines Mitbenutzungsrechts u.a. bezüglich „gesamtes EG u. Kellerräume“. Zwar bezieht sich diese Klausel dem Wortlaut nach nur auf die gemeinschaftlichen Einrichtungen außerhalb der vermieteten Wohnung. Da jedoch das gesamte Erdgeschoss genannt wurde und dieses vom Kläger zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde und keine typische gemeinschaftliche Einrichtung wie etwa Fahrradabstellraum oder Wäschetrockenraum darstellte, wurde der Mieterin ein Mitbenutzungsrecht nicht nur an gemeinschaftlichen Einrichtungen außerhalb der Wohnung des Klägers eingeräumt, sondern an dessen gesamten Wohnung. Wegen des Zusammenlebens in einer Lebensgemeinschaft ist nicht ein zivilrechtlicher Mietvertrag, sondern sind die persönlichen Beziehungen der Partner die Grundlage des gemeinsamen Wohnens. Die als Miete bezeichneten Zahlungen von Frau N sind somit als Beiträge zur gemeinsamen Haushaltsführung zu werten und führen nicht zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (vgl. Bundesfinanzhof – BFH – Urteil vom 30. Januar 1996 IX R 100/93, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1996, 359).

Auch der Umstand, dass vom Kläger zwei unterschiedliche Mietverträge über dasselbe angebliche Mietverhältnis u.a. mit unterschiedlichen Größenangaben der Wohnung und unterschiedlicher Miethöhe vorgelegt worden sind und im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben dazu gemacht worden sind, welcher der gültige Vertrag ist, zeigt, dass es an einer ernsthaften und tatsächlich durchgeführten Mietvereinbarung fehlt und das Mietverhältnis einem Fremdvergleich nicht standhält. Zu Recht hat daher das Finanzamt den Abzug der geltend gemachten Verluste versagt.

2. Die Änderung der Steuerbescheide war auch verfahrensrechtlich zulässig.

Gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.

a) Dem Finanzamt wurde die zwischen dem Kläger und Frau N bestehende Lebensgemeinschaft und damit eine Tatsache bekannt, die geeignet war, die ursprüngliche Steuerfestsetzung im Hinblick auf die geltend gemachten Vermietungseinkünfte zum Nachteil des Klägers zu ändern.

Bei einer Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO handelt es sich um alle Umstände, die Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestandes sein können, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (vgl. BFH-Urteil vom 27.10.1992 VIII R 41/89, BStBl II 1993, 569). Hierzu gehören auch sog. innere Tatsachen, wie die Absicht der Einkunftserzielung, die nur anhand äußerer Merkmale (Hilfstatsachen) festgestellt werden können (vgl. BFH-Urteil vom 06.12.1994 IX R 11/91, BStBl II 1995, 192). Keine Tatsachen im Sinne des § 173 AO sind hingegen Schlussfolgerungen aller Art, insbesondere juristische Subsumtionen (vgl. BFH-Urteil vom 09.04.2014, X R 1/11, juris).

Eine derartige Tatsache ist hier darin zu sehen, dass der Kläger und die vorgebliche Mieterin der Dachgeschosswohnung in einer Lebensgemeinschaft lebten, dabei beide Wohnungen im Haus des Klägers gemeinsam nutzten und die Kosten gemeinsam getragen haben. Diese Tatsache war auch geeignet, die ursprüngliche Steuerfestsetzung im Hinblick auf die Vermietung der Dachgeschosswohnung zu ändern, da sie - wie oben dargelegt – die Anerkennung eines steuerlich wirksamen Mietverhältnisses ausschließt.

b) Diese Tatsache wurde auch nachträglich im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO bekannt. Dabei ist für den Zeitpunkt maßgeblich auf die Kenntnis der für die Steuerfestsetzung organisatorisch berufenen Stelle abzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 23.03.1983 I R 182/82, BStBl II 1983, 548). Grundsätzlich ist nicht auf die individuelle Kenntnis des Bearbeiters abzustellen, sondern darauf, was sich aus dem Inhalt der Akten der zuständigen Stelle ergibt (vgl. BFH-Urteil vom 28.04.1998 IX R 49/96, BStBl II 1998, 458). Nur falls sich die Tatsache oder das Beweismittel nicht aus den Akten ergibt, kommt es auf die persönliche Kenntnis der Person an, die für die Bearbeitung des Steuerfalles organisatorisch berufen war bzw. die den zu ändernden Steuerbescheid erlassen hat, d.h. in der Regel auf die Kenntnis des Amtsleiters des Finanzamts, des Sachgebietsleiters und des (zeichnungsberechtigten) Sachbearbeiters (vgl. BFH-Urteil vom 28.04.1998 IX R 49/96, BStBl 1998, 458). Bei derartigen Tatsachen, die sich nicht aus den Akten ergeben, ist die positive Kenntnis des zuständigen Bearbeiters erforderlich; ein Kennenmüssen reicht hingegen nicht aus (vgl. BFH-Urteil vom 14.05.2013, X B 33/13, BStBl II 2013, 997).

Vorliegend ergab sich zum Zeitpunkt des Erlasses der Steuerbescheide für die Jahre 2011 und 2012 am 17.09.2013 bzw. am 11.03.2014 die Tatsache einer Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Mieterin weder aus den Akten noch war sie dem zuständigen Bearbeiter positiv bekannt. Die eingereichten Mietverträge sowie die abgegebenen Steuererklärungen enthielten weder einen ausdrücklichen Hinweis auf die persönlichen Beziehung des Klägers zur Mieterin noch auf die tatsächliche Lebenssituation im Haus in der L. Straße 23, in dem sich sowohl die klägerische Wohnung im Erdgeschoss befand als auch die an die Lebensgefährtin des Klägers vermietete Wohnung im Obergeschoss. Diese Tatsachen wurden dem zuständigen Prüfer vielmehr erst in einem Telefonat mit dem Kläger am 19.11.2015 bekannt sowie bei Durchführung der Prüfung am 23.11.2015.

Entgegen der klägerischen Ansicht beinhalten die in einem der dem Finanzamt vorliegenden Mietverträge verwendeten Klauseln zu gemeinsam zu tragenden „Telefon, Heiz- und Lebenserhaltungskosten“ sowie zu einem Mitbenutzungsrecht der Mieterin hinsichtlich von Räumen im Erdgeschoss sowie im Kellergeschoß keinen konkreten Hinweis auf die bestehende Lebensgemeinschaft. Sie begründen daher auch keine Kenntnis des Finanzamts von der persönlichen Beziehung und der Lebenssituation, in der sich der Kläger und seine Mieterin befanden. Um beim Beklagten aufgrund der Mietverträge eine positive Kenntnis hervorzurufen, wäre es vielmehr erforderlich gewesen, konkret auf das persönliche Verhältnis zwischen dem Kläger und der Mieterin der Wohnung im Dachgeschoss hinzuweisen und dieses offenzulegen. Auch überzeugt der klägerische Hinweis auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung des Finanzamts nicht, wonach aufgrund der gemeinsamen Übernahme der Lebenshaltungskosten von einer Lebensgemeinschaft auszugehen sei. Dieser Hinweis bezog sich auf den ursprünglichen klägerischen Einwand, dass eine Lebensgemeinschaft bis zum Tod der Mutter des Klägers nicht bestanden habe. Dem trat das Finanzamt mit dem Argument entgegen, dass aufgrund der vereinbarten gemeinsamen Tragung der Lebenshaltungskosten im Mietvertrag vom 26.12.2011 davon auszugehen sei, dass die Lebensgemeinschaft zwischen Kläger und seiner Mieterin auch schon vor dem Tod der Mutter des Klägers bestand. Diese lediglich in zeitlicher Hinsicht gezogene Schlussfolgerung des Finanzamts setzte jedoch zuallererst die Kenntnis voraus, dass überhaupt eine Lebensgemeinschaft bestanden hatte. Diese Kenntnis bestand aber – wie dargestellt – zum maßgeblichen Zeitpunkt der Veranlagung nicht.

Der Umstand, dass der Bearbeiter im Finanzamt bei einer sorgfältigen Analyse der konkreten Regelungen in dem Mietvertrag das Bestehen einer Lebens- und Haushaltsgemeinschaft möglicherweise hätte vermuten können bzw. im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht ermitteln hätte können, ändert nichts daran, dass ihm die maßgebende Tatsache objektiv nachträglich bekannt geworden ist. Dieser Umstand ist allerdings im Rahmen der Prüfung, ob eine Änderung der Steuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Satz Nr. 1 AO nach Treu und Glauben ausgeschlossen ist, zu berücksichtigen.

c) Die Änderung der Steuerbescheide gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO war auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen.

Die Änderung eines Steuerbescheids gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO kann nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen sein, wenn die spätere Kenntnis der Tatsache oder des Beweismittels auf einer Verletzung der der Finanzbehörde obliegenden Ermittlungspflicht beruht, sofern der Steuerpflichtige seiner Mitwirkungspflicht in vollem Umfang genügt hat, er also z.B. bei Abgabe der Steuererklärung den steuerlich relevanten Sachverhalt richtig, vollständig und deutlich dem Finanzamt zur Prüfung unterbreitet hat (vgl. Urteil des BFH vom 13.11.1985, II R 208/82, BStBl. II 1986, 241). Denn es bestünde darüber hinaus die Möglichkeit der Finanzbehörde, aufgrund einer Ermessensentscheidung die materielle Bestandskraft einer Steuerfestsetzung dadurch offen zu halten, dass sie die Festsetzung der Steuer – solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist – unter den Vorbehalt der Nachprüfung stellt (vgl. BFH-Urteil vom 13.11.1985, II R 208/82, BStBl II 1986, 241).

Es kann offen bleiben, ob eine Amtsermittlungspflichtverletzung des Finanzamts vorgelegen hat, indem es die Regelung des Mitbenutzungsrechts und die Regelung der Verteilung der Kosten im Mietvertrag nicht zum Anlass für weitere Ermittlungen genommen hat.

Gemäß § 88 Abs. 1 AO ermittelt die Finanzbehörde den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei hat diese alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen. Gemäß § 88 Abs. 2 AO bestimmt die Finanzbehörde Art und Umfang der Ermittlungen nach den Umständen des Einzelfalls sowie nach den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit. An das Vorbringen der Beteiligten ist sie dabei nicht gebunden.

Das Finanzamt verletzt seine Ermittlungspflicht, wenn es ersichtlichen Unklarheiten oder Zweifelsfragen, die sich bei einer Prüfung der Steuererklärung sowie der eingereichten Unterlagen ohne weiteres aufdrängen mussten, nicht nachgeht (vgl. BFH-Urteil vom 13.11.1985, II R 208/82, BStBl II 1986, 241). Die Vereinbarung von Mitbenutzungsrechten bzw. eine gemeinsame Übernahme gewisser Kosten, die beim Bewohnen eines Hauses anfallen, begründen alleine jedoch noch nicht ersichtliche Unklarheiten bzw. Zweifelsfragen dahingehend, ob Vermieter und Mieter in einem derartigen Verhältnis stehen, dass eine steuerliche Anerkennung des Mietverhältnisses versagt wäre. Die Vereinbarung eines Mitbenutzungsrechts an der Wohnung des Klägers war missverständlich formuliert, da dies im Absatz über die Mitbenutzung gemeinschaftlicher Einrichtungen geregelt wurde obwohl es sich nicht um gemeinschaftliche Einrichtungen im mietvertraglichen Sinn gehandelt hat. Ohne die Kenntnis einer Lebensgemeinschaft zwischen Vermieter und Mieterin musste es sich dem Finanzamt nicht ohne weiteres aufdrängen, nachzuforschen, ob der Kläger die Wohnung gemeinsam mit der Mieterin nutzte und beide ihre wohnlichen Sphären getrennt haben. Gerade wegen des Fehlens eines ausdrücklichen Hinweises auf die zwischen dem Kläger und der Mieterin bestehende Lebensgemeinschaft in der Steuererklärung musste das Finanzamt nicht davon ausgehen bzw. nachforschen, ob eine Lebensgemeinschaft bestand. Denn das Finanzamt braucht den Steuererklärungen nicht mit Misstrauen zu begegnen, sondern darf regelmäßig von deren Richtigkeit und Vollständigkeit ausgehen (vgl. BFH-Urteil vom 27.10.1992, VIII R 41/89, BStBl II 1993, 569).

Auch die gemeinsame Übernahme sogenannter „Lebenserhaltungskosten“ war kein hinreichend konkreter Hinweis darauf, dass zwischen dem Kläger und seiner Mieterin eine Lebensgemeinschaft bestand. Weder die in diesem Zusammenhang aufgeführten „Lebenserhaltungskosten“, noch die genannten Heiz-, Strom- und Telefonkosten lassen den Schluss zu, dass es sich dabei um Kosten handelt, die innerhalb der Lebensgemeinschaft zwischen Kläger und Mieterin anfallen.

Selbst bei Annahme einer Verletzung der Ermittlungspflichten des Finanzamts wäre die Aufhebung der ursprünglichen Steuerbescheide nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen, da der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nicht in vollem Umfang genügt hat und diese Pflichtverletzung schwerer wiegt, als eine mögliche Ermittlungspflichtverletzung durch das Finanzamt.

Die Aufhebung eines Steuerbescheids ist nur dann ausgeschlossen, wenn das Finanzamt einen Ermittlungsfehler begangen hat, der Steuerpflichtige hingegen seiner Mitwirkungspflicht in vollem Umfang genügt hat. Denn nur dann kann sich der Steuerpflichtige bei einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung darauf verlassen, dass eine abschließende Prüfung durch die Finanzbehörde erfolgt ist (vgl. BFH-Urteil vom 13.11.1985, II R 208/82, BStBl II 1986, 241). Liegt sowohl eine Verletzung der Ermittlungspflicht durch das Finanzamt als auch eine Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Steuerpflichtigen vor, so sind die beiderseitigen Pflichtverletzungen grundsätzlich gegeneinander abzuwägen (BFH-Urteil vom 11.11.1987, I R 108/85, BStBl II 1988, 115).

Der Kläger hat hier seiner Mitwirkungspflicht, insbesondere seiner Steuererklärungspflicht gemäß §§ 90, 149 ff. AO nicht vollständig entsprochen. Bei Abgabe einer Steuererklärung ist es maßgebend, ob darin die steuerlich relevanten Sachverhalte richtig, vollständig und deutlich dem Finanzamt zur Prüfung unterbreitet wurden. Insbesondere wenn ein Steuerpflichtiger steuerlich beraten ist, ist es ihm zumutbar, alle für die Besteuerung möglicherweise bedeutsamen Tatsachen dem Finanzamt zur Kenntnis zu bringen (vgl. BFH-Urteil vom 19.10.1971, VIII R 27/66, BStBl II 1972, 106). Durch die missverständliche Regelung des Mitbenutzungsrechts der Mieterin an den Wohnräumen des Klägers unter dem Punkt „gemeinschaftliche Einrichtungen“ hat der Kläger versucht, den tatsächlichen Sachverhalt zu verschleiern, ebenso durch die Vorlage eines zweiten und nicht unterzeichneten Mietvertrages, in dem der im ursprünglich vorgelegten Mietvertrag enthaltenen Hinweis auf die gemeinsame Tragung der „Lebenserhaltungskosten“ fehlte.

Auch überwiegt diese Verletzung der Mitwirkungspflicht einen möglichen Ermittlungsfehler des Finanzamts, weshalb die Verantwortlichkeit den Kläger trifft und daher die Steuerbescheide geändert werden konnten. Denn das beklagte Finanzamt durfte davon ausgehen, dass die Angaben in der Steuererklärung richtig und vollständig waren und musste diesen nicht mit Argwohn und Misstrauen begegnen (vgl. BFH-Urteil vom 16.06.2004, X R 56/01, juris). Der Kläger hat somit wegen unvollständiger Angaben die Ursache dafür gesetzt, dass das beklagte Finanzamt bei der Veranlagung die Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und dessen Mieterin unberücksichtigt gelassen hat und die Verluste aus der Vermietung der Wohnung uneingeschränkt berücksichtigt hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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Referenzen - Gesetze

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Abgabenordnung - AO 1977 | § 173 Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel


(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,1.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,2.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer

Einkommensteuergesetz - EStG | § 21


(1) 1Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind 1. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen, insbesondere von Grundstücken, Gebäuden, Gebäudeteilen, Schiffen, die in ein Schiffsregister eingetragen sind, und Rechten, die

Einkommensteuergesetz - EStG | § 35a Steuerermäßigung bei Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen


(1) Für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, bei denen es sich um eine geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch handelt, ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermä

Abgabenordnung - AO 1977 | § 88 Untersuchungsgrundsatz


(1) Die Finanzbehörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei hat sie alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen. (2) Die Finanzbehörde bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen

Referenzen

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, bei denen es sich um eine geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch handelt, ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, auf Antrag um 20 Prozent, höchstens 510 Euro, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen.

(2)1Für andere als in Absatz 1 aufgeführte haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse oder für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen, die nicht Dienstleistungen nach Absatz 3 sind, ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, auf Antrag um 20 Prozent, höchstens 4 000 Euro, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen.2Die Steuerermäßigung kann auch in Anspruch genommen werden für die Inanspruchnahme von Pflege- und Betreuungsleistungen sowie für Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen wegen der Unterbringung in einem Heim oder zur dauernden Pflege erwachsen, soweit darin Kosten für Dienstleistungen enthalten sind, die mit denen einer Hilfe im Haushalt vergleichbar sind.

(3)1Für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, auf Antrag um 20 Prozent der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, höchstens jedoch um 1 200 Euro.2Dies gilt nicht für öffentlich geförderte Maßnahmen, für die zinsverbilligte Darlehen oder steuerfreie Zuschüsse in Anspruch genommen werden.

(4)1Die Steuerermäßigung nach den Absätzen 1 bis 3 kann nur in Anspruch genommen werden, wenn das Beschäftigungsverhältnis, die Dienstleistung oder die Handwerkerleistung in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen oder – bei Pflege- und Betreuungsleistungen – der gepflegten oder betreuten Person ausgeübt oder erbracht wird.2In den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 zweiter Halbsatz ist Voraussetzung, dass das Heim oder der Ort der dauernden Pflege in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegt.

(5)1Die Steuerermäßigungen nach den Absätzen 1 bis 3 können nur in Anspruch genommen werden, soweit die Aufwendungen nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellen und soweit sie nicht als Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt worden sind; für Aufwendungen, die dem Grunde nach unter § 10 Absatz 1 Nummer 5 fallen, ist eine Inanspruchnahme ebenfalls ausgeschlossen.2Der Abzug von der tariflichen Einkommensteuer nach den Absätzen 2 und 3 gilt nur für Arbeitskosten.3Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen nach Absatz 2 oder für Handwerkerleistungen nach Absatz 3 ist, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt ist.4Leben zwei Alleinstehende in einem Haushalt zusammen, können sie die Höchstbeträge nach den Absätzen 1 bis 3 insgesamt jeweils nur einmal in Anspruch nehmen.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1)1Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind

1.
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen, insbesondere von Grundstücken, Gebäuden, Gebäudeteilen, Schiffen, die in ein Schiffsregister eingetragen sind, und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z. B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht);
2.
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von Sachinbegriffen, insbesondere von beweglichem Betriebsvermögen;
3.
Einkünfte aus zeitlich begrenzter Überlassung von Rechten, insbesondere von schriftstellerischen, künstlerischen und gewerblichen Urheberrechten, von gewerblichen Erfahrungen und von Gerechtigkeiten und Gefällen;
4.
Einkünfte aus der Veräußerung von Miet- und Pachtzinsforderungen, auch dann, wenn die Einkünfte im Veräußerungspreis von Grundstücken enthalten sind und die Miet- oder Pachtzinsen sich auf einen Zeitraum beziehen, in dem der Veräußerer noch Besitzer war.
2§§ 15a und 15b sind sinngemäß anzuwenden.

(2)1Beträgt das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken weniger als 50 Prozent der ortsüblichen Marktmiete, so ist die Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen.2Beträgt das Entgelt bei auf Dauer angelegter Wohnungsvermietung mindestens 66 Prozent der ortsüblichen Miete, gilt die Wohnungsvermietung als entgeltlich.

(3) Einkünfte der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Art sind Einkünften aus anderen Einkunftsarten zuzurechnen, soweit sie zu diesen gehören.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Die Finanzbehörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei hat sie alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(2) Die Finanzbehörde bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen nach den Umständen des Einzelfalls sowie nach den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Bei der Entscheidung über Art und Umfang der Ermittlungen können allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden.

(3) Zur Gewährleistung eines zeitnahen und gleichmäßigen Vollzugs der Steuergesetze können die obersten Finanzbehörden für bestimmte oder bestimmbare Fallgruppen Weisungen über Art und Umfang der Ermittlungen und der Verarbeitung von erhobenen oder erfassten Daten erteilen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist. Bei diesen Weisungen können allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden. Die Weisungen dürfen nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte. Weisungen der obersten Finanzbehörden der Länder nach Satz 1 bedürfen des Einvernehmens mit dem Bundesministerium der Finanzen, soweit die Landesfinanzbehörden Steuern im Auftrag des Bundes verwalten.

(4) Das Bundeszentralamt für Steuern und die zentrale Stelle im Sinne des § 81 des Einkommensteuergesetzes können auf eine Weiterleitung ihnen zugegangener und zur Weiterleitung an die Landesfinanzbehörden bestimmter Daten an die Landesfinanzbehörden verzichten, soweit sie die Daten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand einem bestimmten Steuerpflichtigen oder einem bestimmten Finanzamt zuordnen können. Nach Satz 1 einem bestimmten Steuerpflichtigen oder einem bestimmten Finanzamt zugeordnete Daten sind unter Beachtung von Weisungen gemäß Absatz 3 des Bundesministeriums der Finanzen weiterzuleiten. Nicht an die Landesfinanzbehörden weitergeleitete Daten sind vom Bundeszentralamt für Steuern für Zwecke von Verfahren im Sinne des § 30 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b bis zum Ablauf des 15. Jahres nach dem Jahr des Datenzugangs zu speichern. Nach Satz 3 gespeicherte Daten dürfen nur für Verfahren im Sinne des § 30 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b sowie zur Datenschutzkontrolle verarbeitet werden.

(5) Die Finanzbehörden können zur Beurteilung der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen und Prüfungen für eine gleichmäßige und gesetzmäßige Festsetzung von Steuern und Steuervergütungen sowie Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen automationsgestützte Systeme einsetzen (Risikomanagementsysteme). Dabei soll auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung berücksichtigt werden. Das Risikomanagementsystem muss mindestens folgende Anforderungen erfüllen:

1.
die Gewährleistung, dass durch Zufallsauswahl eine hinreichende Anzahl von Fällen zur umfassenden Prüfung durch Amtsträger ausgewählt wird,
2.
die Prüfung der als prüfungsbedürftig ausgesteuerten Sachverhalte durch Amtsträger,
3.
die Gewährleistung, dass Amtsträger Fälle für eine umfassende Prüfung auswählen können,
4.
die regelmäßige Überprüfung der Risikomanagementsysteme auf ihre Zielerfüllung.
Einzelheiten der Risikomanagementsysteme dürfen nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte. Auf dem Gebiet der von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwalteten Steuern legen die obersten Finanzbehörden der Länder die Einzelheiten der Risikomanagementsysteme zur Gewährleistung eines bundeseinheitlichen Vollzugs der Steuergesetze im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen fest.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.