Europäischer Gerichtshof Urteil, 24. Nov. 2016 - C-662/15

ECLI:ECLI:EU:C:2016:903
24.11.2016

Gericht

Europäischer Gerichtshof

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

24. November 2016 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Rechtsangleichung — Richtlinie 93/42/EWG — Medizinprodukte — Produkt der Klasse I (chirurgischer Wundverband), das vom Hersteller einem Konformitätsbewertungsverfahren unterzogen wurde — Parallelimport — Hinzufügung von Angaben zum Importeur auf der Etikettierung — Ergänzendes Konformitätsbewertungsverfahren“

In der Rechtssache C‑662/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 7. Dezember 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Dezember 2015, in dem Verfahren

Lohmann & Rauscher International GmbH & Co. KG

gegen

BIOS Medical Services GmbH, ehemals BIOS Naturprodukte GmbH,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Richters A. Arabadjiev in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten sowie der Richter C. G. Fernlund (Berichterstatter) und S. Rodin,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Lohmann & Rauscher International GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwalt C. Rohnke,

der BIOS Medical Services GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt C. Krüger,

der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und A. Lippstreu als Bevollmächtigte,

der litauischen Regierung, vertreten durch R. Krasuckaitė und G. Taluntytė als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und P. Mihaylova als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. f und Art. 11 der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte (ABl. 1993, L 169, S. 1) in der durch die Richtlinie 2007/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 (ABl. 2007, L 247, S. 21) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 93/42).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Lohmann & Rauscher International GmbH & Co. KG (im Folgenden: L&R) und der BIOS Medical Services GmbH, ehemals BIOS Naturprodukte GmbH (im Folgenden: Bios), wegen des Verkaufs … von L&R hergestellter chirurgischer Wundverbände durch Bios.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Die Erwägungsgründe 5 und 12 der Richtlinie 93/42 lauten:

„Medizinprodukte müssen für Patienten, Anwender und Dritte einen hochgradigen Schutz bieten und die vom Hersteller angegebenen Leistungen erreichen. Die Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung des in den Mitgliedstaaten erreichten Schutzniveaus ist eines der wesentlichen Ziele dieser Richtlinie.

Zum Nachweis der Übereinstimmung mit den grundlegenden Anforderungen und zur Ermöglichung der Kontrolle dieser Übereinstimmung sind auf europäischer Ebene harmonisierte Normen zur Verhütung von Risiken im Zusammenhang mit der Auslegung, Herstellung und Verpackung medizintechnischer Produkte wünschenswert. Diese auf europäischer Ebene harmonisierten Normen werden von privatrechtlichen Einrichtungen entwickelt und müssen ihren unverbindlichen Charakter behalten. Das Europäische Komitee für Normung (CEN) und das Europäische Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC) sind als zuständige Gremien für die Ausarbeitung harmonisierter Normen im Einklang mit den am 13. November 1984 unterzeichneten allgemeinen Leitlinien für die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und diesen beiden Einrichtungen anerkannt.

…“

4

Art. 1 Abs. 2 Buchst. f dieser Richtlinie definiert den Begriff „Hersteller“ wie folgt:

„… die natürliche oder juristische Person, die für die Auslegung, Herstellung, Verpackung und Etikettierung eines Produkts im Hinblick auf das Inverkehrbringen im eigenen Namen verantwortlich ist, unabhängig davon, ob diese Tätigkeiten von dieser Person oder stellvertretend für diese von einer dritten Person ausgeführt werden.

Die dem Hersteller nach dieser Richtlinie obliegenden Verpflichtungen gelten auch für die natürliche oder juristische Person, die ein oder mehrere vorgefertigte Produkte montiert, abpackt, behandelt, aufbereitet und/oder kennzeichnet und/oder für die Festlegung der Zweckbestimmung als Produkt im Hinblick auf das Inverkehrbringen im eigenen Namen verantwortlich ist. Dies gilt nicht für Personen, die – ohne Hersteller im Sinne des Unterabsatzes 1 zu sein – bereits in Verkehr gebrachte Produkte für einen namentlich genannten Patienten entsprechend ihrer Zweckbestimmung montieren oder anpassen“.

5

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Die Produkte müssen die grundlegenden Anforderungen gemäß Anhang I erfüllen, die auf sie unter Berücksichtigung ihrer Zweckbestimmung anwendbar sind.“

6

Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/42 lautet:

„Die Mitgliedstaaten behindern in ihrem Hoheitsgebiet nicht das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Produkten, die die CE-Kennzeichnung nach Artikel 17 tragen, aus der hervorgeht, dass sie einer Konformitätsbewertung nach Artikel 11 unterzogen worden sind.“

7

In Art. 10 dieser Richtlinie heißt es:

„(1)   Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit die Angaben, die ihnen gemäß dieser Richtlinie zu den nachstehend beschriebenen Vorkommnissen im Zusammenhang mit einem Produkt der Klassen I, IIa, IIb oder III zur Kenntnis gebracht werden, zentral erfasst und bewertet werden:

a)

jede Funktionsstörung oder jede Änderung der Merkmale und/oder der Leistung sowie jede Unsachgemäßheit der Kennzeichnung oder der Gebrauchsanweisung eines Produkts, die zum Tode oder zu einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustands eines Patienten oder eines Anwenders führen kann oder geführt hat;

b)

jeder Grund technischer oder medizinischer Art, der aufgrund der unter Buchstabe a) genannten Ursachen durch die Merkmale und Leistungen des Produkts bedingt ist und zum systematischen Rückruf von Produkten desselben Typs durch den Hersteller geführt hat.

(2)   Wenn ein Mitgliedstaat die Ärzteschaft oder medizinische Einrichtungen auffordert, den zuständigen Behörden die Vorkommnisse gemäß Absatz 1 mitzuteilen, trifft er die erforderlichen Maßnahmen, damit der Hersteller des betreffenden Produkts oder sein Bevollmächtigter ebenfalls von dem Vorkommnis unterrichtet wird.

(3)   Nachdem die Mitgliedstaaten ein Vorkommnis – nach Möglichkeit gemeinsam mit dem Hersteller oder seinem Bevollmächtigten – bewertet haben, unterrichten sie unbeschadet des Artikels 8 die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten unverzüglich über die Maßnahmen, die sie getroffen oder ins Auge gefasst haben, um ein erneutes Auftreten der in Absatz 1 genannten Vorkommnisse auf ein Minimum zu reduzieren. Dies schließt Informationen über die zugrunde liegenden Vorkommnisse ein.

…“

8

Art. 11 Abs. 5 der Richtlinie sieht vor:

„Für Produkte der Klasse I mit Ausnahme der Sonderanfertigungen und der für klinische Prüfungen bestimmten Produkte muss der Hersteller, damit die CE-Kennzeichnung angebracht werden kann, das Verfahren gemäß Anhang VII einhalten und vor dem Inverkehrbringen die erforderliche EG-Konformitätserklärung ausstellen.“

9

In Art. 14b der Richtlinie 93/42 heißt es:

„Ist ein Mitgliedstaat der Auffassung, dass ein bestimmtes Produkt oder eine Gruppe von Produkten aus Gründen des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit und/oder im Interesse der öffentlichen Gesundheit vom Markt genommen oder das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme verboten, beschränkt oder bestimmten Auflagen unterworfen werden sollte, so kann er alle erforderlichen und begründeten vorläufigen Maßnahmen treffen.

Der Mitgliedstaat unterrichtet hiervon die Kommission und die übrigen Mitgliedstaaten unter Angabe der Gründe für seine Entscheidung.

Die Kommission konsultiert, soweit dies möglich ist, die betroffenen Parteien und die Mitgliedstaaten.

Die Kommission gibt eine Stellungnahme ab, in der sie darlegt, ob die einzelstaatlichen Maßnahmen gerechtfertigt sind oder nicht. Die Kommission informiert hierüber sämtliche Mitgliedstaaten und die konsultierten betroffenen Parteien.

…“

10

Art. 17 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

„Mit Ausnahme von Sonderanfertigungen und Produkten, die für klinische Prüfungen bestimmt sind, müssen alle Produkte, von deren Übereinstimmung mit den grundlegenden Anforderungen gemäß Artikel 3 auszugehen ist, bei ihrem Inverkehrbringen mit einer CE-Kennzeichnung versehen sein.“

11

Abschnitt 13 des Anhangs I der Richtlinie 93/42 ist wie folgt gefasst:

„13. Bereitstellung von Informationen durch den Hersteller

13.1.

Jedem Produkt sind Informationen beizufügen, die – unter Berücksichtigung des Ausbildungs- und Kenntnisstandes des vorgesehenen Anwenderkreises – die sichere und ordnungsgemäße Anwendung des Produkts und die Ermittlung des Herstellers möglich machen.

Diese Informationen bestehen aus Angaben auf der Kennzeichnung und solchen in der Gebrauchsanweisung.

Die für die sichere Anwendung erforderlichen Informationen müssen, soweit dies praktikabel und angemessen ist, auf dem Produkt selbst und/oder auf der Stückpackung oder gegebenenfalls auf der Handelspackung angegeben sein. Falls eine Einzelverpackung nicht möglich ist, müssen die Angaben auf einer Begleitinformation für ein oder mehrere Produkte erscheinen.

13.3.

Die Kennzeichnung muss folgende Angaben enthalten

a)

Name oder Firma und Anschrift des Herstellers; bei Produkten, die in die [Europäische Union] eingeführt werden, um dort vermarktet zu werden, muss die Kennzeichnung oder die äußere Verpackung oder die Gebrauchsanweisung ferner den Namen und die Anschrift des Bevollmächtigten enthalten, wenn der Hersteller keinen Firmensitz in der [Union] hat;

b)

alle unbedingt erforderlichen Angaben, aus denen, insbesondere für die Anwender, ersichtlich ist, worum es sich bei dem Produkt und dem Packungsinhalt handelt;

c)

gegebenenfalls den Hinweis ‚STERIL‘;

d)

gegebenenfalls den Loscode – nach dem Wort ‚LOS‘ – oder die Seriennummer;

e)

gegebenenfalls das Datum, angegeben nach Jahr und Monat, bis zu dem eine gefahrlose Anwendung des Produkts möglich ist;

13.4.

Wenn die Zweckbestimmung eines Produkts für den Anwender nicht offensichtlich ist, muss der Hersteller diese deutlich auf der Kennzeichnung und in der Gebrauchsanweisung angeben.

13.5.

Die Produkte und ihre abnehmbaren Bauteile müssen – gegebenenfalls auf der Ebene der Produktlose und soweit vernünftigerweise praktikabel – identifizierbar sein, damit jede geeignete Maßnahme getroffen werden kann, um mögliche Risiken im Zusammenhang mit den Produkten und ihren abnehmbaren Bauteilen festzustellen.

…“

12

In Anhang IX der Richtlinie 93/42 heißt es unter Titel III Abschnitt 1.4.:

„Alle nicht invasiven Produkte, die mit verletzter Haut in Berührung kommen,

werden der Klasse I zugeordnet, wenn sie als mechanische Barriere oder zur Kompression oder zur Absorption von Exsudaten eingesetzt werden;

…“

Nationales Recht

13

In § 6 Abs. 1 des Gesetzes über Medizinprodukte (MPG) (BGBl. 2002 I S. 3146) heißt es:

„Medizinprodukte, mit Ausnahme von Sonderanfertigungen, Medizinprodukten aus Eigenherstellung, Medizinprodukten gemäß § 11 Abs. 1 sowie Medizinprodukten, die zur klinischen Prüfung oder In-vitro-Diagnostika, die für Leistungsbewertungszwecke bestimmt sind, dürfen in Deutschland nur in den Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden, wenn sie mit einer CE-Kennzeichnung nach Maßgabe des Absatzes 2 Satz 1 und des Absatzes 3 Satz 1 versehen sind. …“

14

§ 6 Abs. 2 MPG bestimmt:

„Mit der CE-Kennzeichnung dürfen Medizinprodukte nur versehen werden, wenn die Grundlegenden Anforderungen nach § 7, die auf sie unter Berücksichtigung ihrer Zweckbestimmung anwendbar sind, erfüllt sind und ein für das jeweilige Medizinprodukt vorgeschriebenes Konformitätsbewertungsverfahren nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 37 Abs. 1 durchgeführt worden ist.“

15

§ 7 Abs. 1 MPG lautet:

„Die Grundlegenden Anforderungen sind für aktive implantierbare Medizinprodukte die Anforderungen des Anhangs 1 der Richtlinie 90/385/EWG des Rates vom 20. Juni 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über aktive implantierbare medizinische Geräte (ABl. [1990, L 189, S. 17]), die zuletzt durch Artikel 1 der Richtlinie [2007/47] geändert worden ist, für In-vitro-Diagnostika die Anforderungen des Anhangs I der Richtlinie 98/79/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 1998 über In-vitro-Diagnostika (ABl. 1998, L 331, S. 1)] und für die sonstigen Medizinprodukte die Anforderungen des Anhangs I der Richtlinie [93/42], in den jeweils geltenden Fassungen.“

16

§ 7 Abs. 4 der Verordnung über Medizinprodukte (BGBl. 2001 I S. 3854) sieht vor:

„Für Medizinprodukte der Klasse I, mit Ausnahme der Produkte nach Absatz 5 und 9, hat der Hersteller das Verfahren nach Anhang VII der Richtlinie [93/42] durchzuführen.“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

17

L&R stellt sterilen chirurgischen Wundverband her. Auf den Verpackungen ist sie als Herstellerin dieser Produkte ausgewiesen. L&R hat eine Konformitätserklärung zu diesen Medizinprodukten der Klasse I, die eine CE-Kennzeichnung tragen, abgegeben.

18

Bios kauft in anderen Mitgliedstaaten die von L&R hergestellten Produkte, um sie nach Deutschland einzuführen und weiterzuverkaufen. Dafür bringt Bios auf der Originalverpackung einen Aufkleber an, der sie als Verantwortliche für das Inverkehrbringen in Deutschland ausweist und ihre Postanschrift, ihre E‑Mail-Adresse sowie ihre Telefon- und Faxnummern nennt. Der Aufkleber enthält darüber hinaus die „Pharmazentralnummer“ von Bios als Strichcode. Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts soll diese in Deutschland nicht gesetzlich vorgesehene Nummer die Buchungsvorgänge der Apotheken, der Krankenkassen und des Großhandels erleichtern. Alle anderen Angaben auf der Originalverpackung des Produkts bleiben sichtbar, mit Ausnahme der Pharmazentralnummer von L&R bzw. einer Konzernvertriebsgesellschaft.

19

Nach Ansicht von L&R handelte Bios mit der Veränderung der Verpackung eines Produkts mit CE-Kennzeichnung ohne vorherige Durchführung einer ergänzenden Konformitätsbewertung rechtswidrig. Sie erhob gegen Bios Unterlassungsklage, die im ersten Rechtszug abgewiesen wurde.

20

Das vorlegende Gericht, bei dem die dagegen eingelegte Berufung anhängig ist, stellt fest, dass der Ausgang des Rechtsstreits von der Auslegung der Richtlinie 93/42 abhänge. Aus seinen Ausführungen geht hervor, dass L&R einen Verstoß von Bios gegen § 6 MPG geltend macht, mit dem Art. 17 der Richtlinie 93/42 umgesetzt wird.

21

Das vorlegende Gericht sieht sich der Frage gegenüber, ob der Parallelimporteur allein aufgrund der Anbringung des oben beschriebenen Aufklebers eine Konformitätsbewertung im Sinne des Art. 11 der Richtlinie 93/42 durchführen muss.

22

Im Verfahren vor dem vorlegenden Gericht berief sich L&R auf den in Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Richtlinie 93/42 definierten Herstellerbegriff, um geltend zu machen, dass Bios, wenn sie einen Aufkleber mit einer neuen Pharmazentralnummer anbringe, als Herstellerin anzusehen sei.

23

Das vorlegende Gericht sieht in einem solchen Ansatz jedoch die Gefahr einer Beeinträchtigung des Grundsatzes des freien Verkehrs nach Art. 4 der Richtlinie 93/42, wenn die Veränderung der Etikettierung nicht im Zusammenhang mit den Sicherheits- und Leistungsaspekten des betreffenden Produkts stehe. Dass sich mit dem von Bios angebrachten Aufkleber ein Sicherheitsproblem stellt, hält es für zweifelhaft, da die nach Anhang I Abschnitt 13 der Richtlinie 93/42 erforderlichen Angaben, insbesondere zu Hersteller und Losnummer, lesbar blieben, ohne dass der Verkehr zu der Annahme verleitet werden könne, dass Bios Hersteller des fraglichen Produkts sei.

24

Unter diesen Umständen hat das Oberlandesgericht Düsseldorf (Deutschland) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind Art. 1 Abs. 2 Buchst. f, Art. 11, Anhang I Abschnitt 13 und Anhang VII Abschnitt 3 letzter Gedankenstrich der Richtlinie 93/42 so auszulegen, dass der Vertrieb eines Medizinprodukts der Klasse I, welches vom Hersteller einem Konformitätsbewertungsverfahren unterworfen und rechtmäßig mit dem CE-Kennzeichen versehen wurde, ein weiteres Konformitätsbewertungsverfahren notwendig macht, wenn die Angaben zur Pharmazentralnummer auf der Außenverpackung des Medizinprodukts überklebt wurden, der Aufkleber Angaben zum Einführer und eine ihm zugeordnete Pharmazentralnummer enthält und die übrigen Angaben sichtbar bleiben?

Zur Vorlagefrage

25

Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob Art. 1 Abs. 2 Buchst. f und Art. 11 der Richtlinie 93/42 dahin auszulegen sind, dass sie einen Parallelimporteur eines Medizinprodukts wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, das mit einer CE-Kennzeichnung versehen ist und Gegenstand einer Konformitätsbewertung im Sinne des besagten Art. 11 war, zur Durchführung einer neuen Bewertung verpflichten, um die Konformität der seine Ermittlung ermöglichenden Informationen, die er der Produktetikettierung im Hinblick auf das Inverkehrbringen im Einfuhrmitgliedstaat hinzufügt, zu bescheinigen.

26

Zur Beantwortung der vorgelegten Frage ist es dienlich, die Verpflichtungen in Erinnerung zu rufen, die die Richtlinie 93/42 den Herstellern und den anderen in ihrem Art. 1 Abs. 2 Buchst. f genannten Personen für die Zwecke der Konformitätsbewertung auferlegt, die in Art. 11 dieser Richtlinie für ein Medizinprodukt wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende vorgesehen ist.

27

Insoweit ist festzustellen, dass die Richtlinie 93/42, eine Harmonisierungsmaßnahme gemäß Art. 100a EG-Vertrag (später Art. 95 EG), den freien Verkehr von ihren Anforderungen entsprechenden Medizinprodukten begünstigen soll, um die in den Mitgliedstaaten geltenden verschiedenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu ersetzen, die Hemmnisse für den freien Handel darstellen (Urteile vom 14. Juni 2007, Medipac-Kazantzidis,C‑6/05, EU:C:2007:337, Rn. 51, und vom 19. November 2009, Nordiska Dental,C‑288/08, EU:C:2009:718, Rn. 20).

28

Die Richtlinie 93/42 harmonisiert die grundlegenden Anforderungen, denen die in ihren Anwendungsbereich fallenden Medizinprodukte genügen müssen. Entsprechen die Produkte den harmonisierten Normen und sind sie gemäß den Verfahren der Richtlinie zertifiziert worden, ist zu vermuten, dass sie diese grundlegenden Anforderungen erfüllen, und deshalb anzunehmen, dass sie sich für ihren Verwendungszweck eignen (Urteil vom 14. Juni 2007, Medipac-Kazantzidis,C‑6/05, EU:C:2007:337, Rn. 42).

29

Nach Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 93/42 müssen insoweit mit Ausnahme von Sonderanfertigungen und Produkten, die für klinische Prüfungen bestimmt sind, alle Produkte, von deren Übereinstimmung mit den grundlegenden Anforderungen gemäß Art. 3 der Richtlinie auszugehen ist, bei ihrem Inverkehrbringen mit einer CE‑Kennzeichnung versehen sein. Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie untersagt den Mitgliedstaaten, das Inverkehrbringen von Produkten zu behindern, die die CE-Kennzeichnung tragen, aus der hervorgeht, dass sie einer Konformitätsbewertung nach Art. 11 der Richtlinie unterzogen worden sind.

30

Aus diesen Bestimmungen geht somit hervor, dass die Medizinprodukte, deren Konformität mit den grundlegenden Anforderungen der Richtlinie 93/42 nach einem der in Art. 11 dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahren bewertet worden ist und die mit einer CE-Kennzeichnung versehen sind, in der gesamten Union frei verkehrsfähig sein müssen, ohne dass ein Mitgliedstaat verlangen kann, dass ein solches Produkt einem neuen Konformitätsbewertungsverfahren unterzogen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juni 2007, Medipac-Kazantzidis,C‑6/05, EU:C:2007:337, Rn. 42). Aus diesem Grund ist in der Richtlinie 93/42 kein Mechanismus zur Konformitätskontrolle vorgesehen, der zu den in ihrem Art. 11 vorgesehenen Mechanismen hinzuträte oder diese ergänzte.

31

Das vorlegende Gericht stellt sich dennoch die Frage, ob, wie von L&R geltend gemacht, der Parallelimporteur, der durch die Hinzufügung von seine Ermittlung ermöglichenden Informationen die Etikettierung eines Medizinprodukts verändert, aus Gründen der Patientensicherheit nicht mit einem Hersteller gleichgestellt werden sollte und folglich eine ergänzende Konformitätsbewertung durchführen müsste.

32

Dazu ist darauf hinzuweisen, dass die Pflicht zur Durchführung der Konformitätsbewertung gemäß Art. 11 der Richtlinie 93/42 nur für die Hersteller gilt. Art. 1 Abs. 2 Buchst. f dieser Richtlinie stellt in seinen beiden Unterabsätzen auf Kategorien von Personen ab, deren gemeinsames Merkmal es ist, dass sie ein Produkt im eigenen Namen in den Verkehr bringen. Kauft in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden eine Person in einem Mitgliedstaat Medizinprodukte, nachdem sie von ihrem Hersteller in der Union in den Verkehr gebracht worden sind, um sie danach in einem anderen Mitgliedstaat unter dem Herstellernamen wieder zu verkaufen, ohne ihre Verpackung oder ursprüngliche Aufmachung anders zu verändern als durch die Anbringung eines Aufklebers, der sie unter Angabe ihrer Koordinaten sowie eines Produktidentifizierungscodes als Verantwortliche für das Inverkehrbringen ausweist, kann diese Person nicht als jemand angesehen werden, der die Produkte umverpackt oder „im eigenen Namen“ in den Verkehr gebracht hätte.

33

Unter solchen Umständen kann der Parallelimporteur von Medizinprodukten in Ermangelung eines Vertriebs im eigenen Namen nicht unter Art. 1 Abs. 2 Buchst. f der Richtlinie 93/42 subsumiert werden. Er kann folglich nicht verpflichtet sein, die betreffenden Produkte einem neuen Konformitätsbewertungsverfahren nach Art. 11 dieser Richtlinie zu unterziehen.

34

Für den Fall jedoch, dass festgestellt werden könnte, dass bestimmte mit einer CE-Kennzeichnung versehene Medizinprodukte möglicherweise Gefahren für die Gesundheit oder die Sicherheit mit sich bringen, ist darauf hinzuweisen, dass die aus der CE-Kennzeichnung folgende Vermutung der Konformität mit den grundlegenden Anforderungen der Richtlinie 93/42 widerlegbar ist.

35

Insbesondere müssen gemäß Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 93/42 Mitgliedstaaten, die festgestellt haben, dass Medizinprodukte, deren Übereinstimmung mit der Richtlinie bestätigt wurde, die Gesundheit und/oder die Sicherheit der Patienten, der Anwender oder gegebenenfalls Dritter gefährden, alle geeigneten vorläufigen Maßnahmen treffen, um diese Produkte vom Markt zurückzuziehen und ihr Inverkehrbringen oder ihre Inbetriebnahme zu verbieten oder einzuschränken. Der betreffende Mitgliedstaat ist unter diesen Umständen nach der genannten Vorschrift verpflichtet, der Kommission unverzüglich die getroffenen Maßnahmen und die Gründe für ihren Erlass mitzuteilen. Die Kommission wiederum muss nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 93/42 prüfen, ob die vorläufigen Maßnahmen gerechtfertigt sind, und, wenn dies der Fall ist, davon unverzüglich den Mitgliedstaat, der die Maßnahmen getroffen hat, sowie die anderen Mitgliedstaaten unterrichten (vgl. Urteile vom 14. Juni 2007, Medipac-Kazantzidis,C‑6/05, EU:C:2007:337, Rn. 46, und vom 19. November 2009, Nordiska Dental,C‑288/08, EU:C:2009:718, Rn. 24).

36

Dieser Schutzmechanismus wird durch das Beobachtungs- und Meldeverfahren gemäß Art. 10 der Richtlinie 93/42 ergänzt. Dieses Verfahren verpflichtet die Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen für eine zentrale Erfassung und Bewertung der Angaben zu treffen, die ihnen zu Vorkommnissen im Zusammenhang mit einem Produkt der Klassen I, IIa, IIb oder III zur Kenntnis gebracht werden. Solche Vorkommnisse sind u. a. „jede Funktionsstörung oder jede Änderung der Merkmale und/oder der Leistung sowie jede Unsachgemäßheit der Kennzeichnung oder der Gebrauchsanweisung eines Produkts, die zum Tode oder zu einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustands eines Patienten oder eines Anwenders führen kann oder geführt hat“. Es verpflichtet die Mitgliedstaaten ferner, die Kommission unverzüglich über die Maßnahmen zu unterrichten, die sie getroffen oder ins Auge gefasst haben, um ein erneutes Auftreten dieser Vorkommnisse auf ein Minimum zu reduzieren.

37

Außerdem kann gemäß Art. 14b der Richtlinie 93/42, der besondere Gesundheitsüberwachungsmaßnahmen betrifft, ein Mitgliedstaat alle erforderlichen und begründeten vorläufigen Maßnahmen treffen, wenn er der Auffassung ist, dass ein bestimmtes Produkt oder eine Gruppe von Produkten aus Gründen des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit der Patienten und/oder im Interesse der öffentlichen Gesundheit vom Markt genommen oder das Inverkehrbringen verboten, beschränkt oder bestimmten Auflagen unterworfen werden sollte. Der betroffene Mitgliedstaat ist dann verpflichtet, die Kommission und die übrigen Mitgliedstaaten davon unter Angabe der Gründe für seine Entscheidung zu unterrichten.

38

Die Kombination aus diesen Schutz-, Beobachtungs- und Melde- sowie Gesundheitsüberwachungsverfahren ermöglicht es somit, die Gesundheit und die Sicherheit der Betroffenen zu schützen und gleichzeitig die Beeinträchtigungen des freien Warenverkehrs zu begrenzen, die die Anwendung nationaler Maßnahmen mit sich brächte, welche den Importeur zur Durchführung einer Konformitätsbewertung in Bezug auf die Änderungen verpflichteten, die er an der Etikettierung eines bereits mit einer CE-Kennzeichnung versehenen Medizinprodukts vornimmt.

39

Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 2 Buchst. f und Art. 11 der Richtlinie 93/42 dahin auszulegen sind, dass sie einen Parallelimporteur eines Medizinprodukts wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, das mit einer CE-Kennzeichnung versehen ist und Gegenstand einer Konformitätsbewertung im Sinne des besagten Art. 11 war, nicht zur Durchführung einer neuen Bewertung verpflichten, um die Konformität der seine Ermittlung ermöglichenden Informationen, die er der Produktetikettierung im Hinblick auf das Inverkehrbringen im Einfuhrmitgliedstaat hinzufügt, zu bescheinigen.

Kosten

40

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 1 Abs. 2 Buchst. f und Art. 11 der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte in der durch die Richtlinie 2007/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie einen Parallelimporteur eines Medizinprodukts wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, das mit einer CE-Kennzeichnung versehen ist und Gegenstand einer Konformitätsbewertung im Sinne des besagten Art. 11 war, nicht zur Durchführung einer neuen Bewertung verpflichten, um die Konformität der seine Ermittlung ermöglichenden Informationen, die er der Produktetikettierung im Hinblick auf das Inverkehrbringen im Einfuhrmitgliedstaat hinzufügt, zu bescheinigen.

 

Arabadjiev

Fernlund

Rodin

Verkündet in Luxemburg in öffentlicher Sitzung am 24. November 2016.

Der Kanzler

A. Calot Escobar

In Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer

A. Arabadjiev


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

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Referenzen - Gesetze

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Gesetz über Medizinprodukte


Medizinproduktegesetz - MPG

Verordnung über Medizinprodukte


Medizinprodukte-Verordnung - MPV

Medizinprodukte-Verordnung - MPV 2002 | § 7 Konformitätsbewertungsverfahren für die sonstigen Medizinprodukte


(1) Für Medizinprodukte der Klasse III, mit Ausnahme der Produkte nach Absatz 5 und 9, hat der Hersteller 1.das Verfahren der EG-Konformitätserklärung (vollständiges Qualitätssicherungssystem) nach Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG oder2.das Verfahr

Referenzen

(1) Für Medizinprodukte der Klasse III, mit Ausnahme der Produkte nach Absatz 5 und 9, hat der Hersteller

1.
das Verfahren der EG-Konformitätserklärung (vollständiges Qualitätssicherungssystem) nach Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG oder
2.
das Verfahren der EG-Baumusterprüfung nach Anhang III der Richtlinie 93/42/EWG in Verbindung mit dem Verfahren der EG-Prüfung nach Anhang IV der Richtlinie 93/42/EWG oder dem Verfahren der EG-Konformitätserklärung (Qualitätssicherung Produktion) nach Anhang V der Richtlinie 93/42/EWG
durchzuführen.

(2) Für Medizinprodukte der Klasse IIb, mit Ausnahme der Produkte nach Absatz 5 und 9, hat der Hersteller

1.
das Verfahren der EG-Konformitätserklärung (vollständiges Qualitätssicherungssystem) nach Anhang II der Richtlinie 93/42/EWG mit Ausnahme der Nummer 4 oder
2.
das Verfahren der EG-Baumusterprüfung nach Anhang III der Richtlinie 93/42/EWG in Verbindung mit dem Verfahren der EG-Prüfung nach Anhang IV oder dem Verfahren der EG-Konformitätserklärung (Qualitätssicherung Produktion) nach Anhang V oder dem Verfahren der EG-Konformitätserklärung (Qualitätssicherung Produkt) nach Anhang VI der Richtlinie 93/42/EWG
durchzuführen.

(3) Für Medizinprodukte der Klasse IIa, mit Ausnahme der Produkte nach Absatz 5 und 9, hat der Hersteller

1.
das Verfahren der EG-Konformitätserklärung nach Anhang VII der Richtlinie 93/42/EWG in Verbindung mit dem Verfahren der EG-Prüfung nach Anhang IV oder dem Verfahren der EG-Konformitätserklärung (Qualitätssicherung Produktion) nach Anhang V oder dem Verfahren der EG-Konformitätserklärung (Qualitätssicherung Produkt) nach Anhang VI der Richtlinie 93/42/EWG oder
2.
das Verfahren nach Absatz 2 Nr. 1
durchzuführen.

(4) Für Medizinprodukte der Klasse I, mit Ausnahme der Produkte nach Absatz 5 und 9, hat der Hersteller das Verfahren nach Anhang VII der Richtlinie 93/42/EWG durchzuführen.

(5) Für Sonderanfertigungen hat der Hersteller die Erklärung nach Nummer 2.1 des Anhangs VIII der Richtlinie 93/42/EWG auszustellen und Sonderanfertigungen der Klassen IIa, IIb und III bei der Abgabe eine Kopie beizufügen, die für den durch seinen Namen, ein Akronym oder einen numerischen Code identifizierbaren Patienten verfügbar sein muss. Er hat die Dokumentation nach Nummer 3.1 des Anhangs VIII der Richtlinie 93/42/EWG zu erstellen und alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Übereinstimmung der hergestellten Medizinprodukte mit dieser Dokumentation zu gewährleisten. Erklärung und Dokumentation sind mindestens fünf Jahre und im Falle von implantierbaren Produkten mindestens 15 Jahre aufzubewahren. Der Hersteller sichert zu, unter Berücksichtigung der in Anhang X der Richtlinie 93/42/EWG enthaltenen Bestimmungen die Erfahrungen mit Produkten in der der Herstellung nachgelagerten Phase auszuwerten und zu dokumentieren und angemessene Vorkehrungen zu treffen, um erforderliche Korrekturen durchzuführen. § 4 Absatz 2 Satz 7 gilt entsprechend.

(6) Für Systeme und Behandlungseinheiten nach § 10 Abs. 1 des Medizinproduktegesetzes hat der Hersteller die Erklärung nach Artikel 12 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 93/42/EWG auszustellen. Die Erklärung ist mindestens fünf Jahre und im Falle von implantierbaren Produkten mindestens 15 Jahre aufzubewahren. Für Systeme und Behandlungseinheiten nach § 10 Abs. 2 des Medizinproduktegesetzes gelten die Vorschriften der Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(7) Wer Medizinprodukte nach § 10 Abs. 3 Satz 1 des Medizinproduktegesetzes sterilisiert, hat im Hinblick auf die Sterilisation ein Verfahren nach Anhang II oder V der Richtlinie 93/42/EWG durchzuführen und eine Erklärung auszustellen, dass die Sterilisation gemäß den Anweisungen des Herstellers erfolgt ist. Die Erklärung ist mindestens fünf Jahre aufzubewahren.

(8) Wer Medizinprodukte nach § 10 Absatz 3 Satz 2 des Medizinproduktegesetzes aufbereitet, hat im Hinblick auf die Sterilisation und die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Produkte ein Verfahren entsprechend Anhang II oder V der Richtlinie 93/42/EWG durchzuführen und eine Erklärung auszustellen, die die Aufbereitung nach einem geeigneten validierten Verfahren bestätigt. Die Erklärung ist mindestens fünf Jahre und im Falle von implantierbaren Produkten mindestens 15 Jahre aufzubewahren.

(9) Für Medizinprodukte aus Eigenherstellung hat der Eigenhersteller vor der Inbetriebnahme eine Erklärung auszustellen, die folgende Angaben enthält:

1.
Name und Anschrift des Eigenherstellers,
2.
die zur Identifizierung des jeweiligen Produktes notwendigen Daten,
3.
die Versicherung, dass das Produkt den in Anhang I der Richtlinie 93/42/EWG aufgeführten Grundlegenden Anforderungen entspricht, und gegebenenfalls die Angabe der Grundlegenden Anforderungen, die nicht vollständig eingehalten worden sind, mit Angabe der Gründe.
Er hat eine Dokumentation zu erstellen, aus der die Fertigungsstätte sowie Auslegung, Herstellung und Leistungsdaten des Produktes, einschließlich der vorgesehenen Leistung, hervorgehen, so dass sich beurteilen lässt, ob es den Grundlegenden Anforderungen der Richtlinie 93/42/EWG entspricht, und alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Übereinstimmung der hergestellten Medizinprodukte mit dieser Dokumentation zu gewährleisten. Erklärung und Dokumentation sind mindestens fünf Jahre und im Falle von implantierbaren Produkten mindestens 15 Jahre aufzubewahren. Der Eigenhersteller sichert zu, unter Berücksichtigung der in Anhang X der Richtlinie 93/42/EWG enthaltenen Bestimmungen die Erfahrungen mit Produkten in der der Herstellung nachgelagerten Phase auszuwerten und zu dokumentieren und angemessene Vorkehrungen zu treffen, um erforderliche Korrekturen durchzuführen. § 4 Absatz 2 Satz 7 gilt entsprechend.

(10) Für unter Verwendung von Gewebe tierischen Ursprungs hergestellte Medizinprodukte gelten die besonderen Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 722/2012.