Europäischer Gerichtshof Beschluss, 17. Dez. 2015 - C-580/14

ECLI: ECLI:EU:C:2015:835
published on 17/12/2015 00:00
Europäischer Gerichtshof Beschluss, 17. Dez. 2015 - C-580/14
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BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

17. Dezember 2015 ( * )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Richtlinie 2003/87/EG — System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten — Sanktion wegen Emissionsüberschreitung — Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache C‑580/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht Berlin (Deutschland) mit Entscheidung vom 21. November 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Dezember 2014, in dem Verfahren

Sandra Bitter als Insolvenzverwalterin der Ziegelwerk Höxter GmbH

gegen

Bundesrepublik Deutschland

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev sowie der Richter J.‑C. Bonichot (Berichterstatter) und E. Regan,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Rechtsanwalt G. Buchholz,

der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,

des Europäischen Parlaments, vertreten durch P. Schonard und A. Tamás als Bevollmächtigte,

des Rates der Europäischen Union, vertreten durch M. Simm und N. Rouam als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch E. White und A. C. Becker als Bevollmächtigte,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit von Art. 16 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates (ABl. L 275, S. 32) in der durch die Richtlinie 2009/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 (ABl. L 140, S. 63) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2003/87).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Rechtsanwältin Bitter als Insolvenzverwalterin der Ziegelwerk Höxter GmbH (im Folgenden: Ziegelwerk Höxter) und der Bundesrepublik Deutschland wegen einer Sanktion, die Letztere gegen die Ziegelwerk Höxter verhängt hatte, weil diese ihrer Verpflichtung zur Berichterstattung über ihre Berechtigungen für das Kohlendioxidäquivalent für das Jahr 2011 und zur Abgabe dieser Berechtigungen nicht nachgekommen war.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Der zweite Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/87 lautet:

„Im sechsten Aktionsprogramm der Gemeinschaft für die Umwelt, das mit der Entscheidung Nr. 1600/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates [vom 22. Juli 2002 über das sechste Umweltaktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft (ABl. L 242, S. 1)] eingeführt wurde, wird die Klimaänderung als vorrangiger Maßnahmenbereich definiert und die Einrichtung eines gemeinschaftsweiten Systems für den Emissionshandel bis 2005 gefordert. In dem Programm wird bekräftigt, dass die Gemeinschaft sich zu einer 8%igen Verringerung ihrer Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2008–2012 gegenüber dem Stand von 1990 verpflichtet hat und dass die globalen Treibhausgasemissionen längerfristig gegenüber dem Stand von 1990 um etwa 70 % gesenkt werden müssen.“

4

Im vierten Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt es:

„Bei Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls, das mit der Entscheidung 2002/358/EG des Rates vom 25. April 2002 über die Genehmigung des Protokolls von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen im Namen der Europäischen Gemeinschaft sowie die gemeinsame Erfüllung der daraus erwachsenden Verpflichtungen [(ABl. L 130, S. 1)] genehmigt wurde, werden die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten verpflichtet sein, ihre gemeinsamen anthropogenen Treibhausgasemissionen, die in Anhang A des Protokolls aufgeführt sind, im Zeitraum 2008–2012 gegenüber dem Stand von 1990 um 8 % zu senken.“

5

Art. 12 Abs. 3 dieser Richtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Betreiber für jede Anlage bis zum 30. April jeden Jahres eine Anzahl von nicht gemäß Kapitel II vergebenen Zertifikaten abgibt, die den nach Artikel 15 geprüften Gesamtemissionen der Anlage im vorhergehenden Kalenderjahr entspricht, und dass diese Zertifikate anschließend gelöscht werden.“

6

Art. 16 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Betreibern oder Luftfahrzeugbetreibern, die nicht bis zum 30. April jeden Jahres eine ausreichende Anzahl von Zertifikaten zur Abdeckung ihrer Emissionen im Vorjahr abgeben, eine Sanktion wegen Emissionsüberschreitung auferlegt wird. Die Sanktion wegen Emissionsüberschreitung beträgt für jede ausgestoßene Tonne Kohlendioxidäquivalent, für die der Betreiber oder Luftfahrzeugbetreiber keine Zertifikate abgegeben hat, 100 [Euro]. Die Zahlung der Sanktion entbindet den Betreiber nicht von der Verpflichtung, Zertifikate in Höhe dieser Emissionsüberschreitung abzugeben, wenn er die Zertifikate für das folgende Kalenderjahr abgibt.“

7

Art. 16 Abs. 4 der Richtlinie 2003/87 sah in seiner ursprünglichen Fassung vor:

„Während des am 1. Januar 2005 beginnenden Dreijahreszeitraums verhängen die Mitgliedstaaten für jede von der Anlage ausgestoßene Tonne Kohlendioxidäquivalent, für die der Betreiber keine Zertifikate abgegeben hat, eine niedrigere Sanktion wegen Emissionsüberschreitung in Höhe von 40 [Euro]. Die Zahlung der Sanktion entbindet den Betreiber nicht von der Verpflichtung, Zertifikate in Höhe dieser Emissionsüberschreitung abzugeben, wenn er die Zertifikate für das folgende Kalenderjahr abgibt.“

Deutsches Recht

8

Die Richtlinie 2003/87 wurde durch das Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen (Treibhausgas‑Emissionshandelsgesetz – TEHG) vom 8. Juli 2004 (BGBl. I S. 1578) umgesetzt.

9

§ 6 Abs. 1 TEHG bestimmt:

„Der Verantwortliche hat bis zum 30. April eines Jahres, erstmals im Jahr 2006, eine Anzahl von Berechtigungen an die zuständige Behörde abzugeben, die den durch seine Tätigkeit im vorangegangenen Kalenderjahr verursachten Emissionen entspricht.“

10

§ 18 („Durchsetzung der Abgabepflicht“) Abs. 1 bis 3 TEHG sieht vor:

„(1)   Kommt der Verantwortliche seiner Pflicht nach § 6 Abs. 1 nicht nach, so setzt die zuständige Behörde für jede emittierte Tonne Kohlendioxidäquivalent, für die der Verantwortliche keine Berechtigungen abgegeben hat, eine Zahlungspflicht von 100 Euro, in der ersten Zuteilungsperiode von 40 Euro, fest. Von der Festsetzung einer Zahlungspflicht kann abgesehen werden, wenn der Verantwortliche seiner Pflicht nach § 6 Abs. 1 aufgrund höherer Gewalt nicht nachkommen konnte.

(2)   Soweit der Verantwortliche nicht ordnungsgemäß über die durch seine Tätigkeit verursachten Emissionen berichtet hat, schätzt die zuständige Behörde die durch die Tätigkeit im vorangegangenen Kalenderjahr verursachten Emissionen. Die Schätzung ist unwiderlegliche Basis für die Verpflichtung nach § 6 Abs. 1. Die Schätzung unterbleibt, wenn der Verantwortliche im Rahmen der Anhörung zum Festsetzungsbescheid nach Absatz 1 seiner Berichtspflicht ordnungsgemäß nachkommt.

(3)   Der Verantwortliche bleibt verpflichtet, die fehlenden Berechtigungen, im Falle des Absatzes 2 nach Maßgabe der erfolgten Schätzung, bis zum 30. April des Folgejahres abzugeben …“

Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefrage

11

Ziegelwerk Höxter ist eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland, die bis September 2011 eine Treibhausgase ausstoßende Anlage betrieben hat. Mit Beschluss des Amtsgerichts Paderborn vom 1. November 2011 wurde über das Vermögen dieser Gesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet.

12

Im Rahmen dieses Verfahrens wurde Rechtsanwältin Bitter zur Insolvenzverwalterin bestellt. In dieser Eigenschaft wurde sie von den deutschen Behörden als Betreiberin der Anlage und damit als Verantwortliche für die Einhaltung der nach dem TEHG für diese Anlage geltenden Verpflichtungen angesehen.

13

Diese Behörden forderten sie deshalb auf, die Berichte über die Treibhausgasemissionen für das Jahr 2011 vorzulegen und die Emissionsberechtigungen für dieses Jahr abzugeben.

14

Rechtsanwältin Bitter war der Ansicht, dass Ziegelwerk Höxter nicht mehr verpflichtet sei, über ihre für das Jahr 2011 ausgegebenen Berechtigungen für das Kohlendioxidäquivalent zu berichten und diese Berechtigungen abzugeben, da sie ihre Tätigkeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im September 2011 eingestellt habe; ihre etwaigen Schulden seien lediglich als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle anzumelden.

15

Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass ein ehemaliger Bevollmächtigter dieses Unternehmens den zuständigen deutschen Behörden mit E-Mail vom 20. September 2012 mitgeteilt hat, dass dieses Unternehmen im Jahr 2011 3 324 Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen habe.

16

Mit Bescheid vom 20. März 2013 schätzten diese Behörden die Zahl der nicht abgegebenen Emissionsberechtigungen dieses Unternehmens für das Jahr 2011 auf 3323 und verhängten gemäß § 18 TEHG, mit dem Art. 16 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 umgesetzt wurde, eine Sanktion in Höhe von 332300 Euro gegen dieses Unternehmen.

17

Rechtsanwältin Bitter focht diesen Bescheid beim Verwaltungsgericht Berlin an, das sich fragt, ob die Höhe der in dieser Bestimmung vorgesehenen Sanktion mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist.

18

Das Verwaltungsgericht Berlin ist insbesondere der Ansicht, dass, da der Gerichtshof bereits festgestellt habe, dass die in Art. 16 Abs. 4 der ursprünglichen Fassung der Richtlinie 2003/87 während der ersten Handelsperiode in den Jahren 2005 bis 2007 vorgesehene Sanktion in Höhe von 40 Euro pro Tonne emittiertes Kohlendioxidäquivalent, für die der Betreiber keine Zertifikate abgegeben hat, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche (Urteil Billerud Karlsborg und Billerud Skärblacka, C‑203/12, EU:C:2013:664), dies für die in Art. 16 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 ab 2008 vorgesehene Sanktion in Höhe von 100 Euro pro Tonne emittiertes Kohlendioxidäquivalent, für die der Betreiber keine Zertifikate abgegeben hat, nicht gelten könne, zumal außerdem die Preise für Treibhausgasemissionszertifikate seit Dezember 2006 drastisch eingebrochen seien.

19

Das vorlegende Gericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Handlungen der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten dürften, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich sei, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stünden, die am wenigsten belastende zu wählen sei und die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürften. Es bezieht sich auf das Urteil Agrarproduktion Staebelow (C‑504/04, EU:C:2006:30, Rn. 35 und 40).

20

Unter diesen Voraussetzungen hat das Verwaltungsgericht Berlin beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Verstößt die Regelung in Art. 16 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie 2003/87, wonach die Sanktion wegen Emissionsüberschreitung für jede ausgestoßene Tonne Kohlendioxidäquivalent, für die der Betreiber oder Luftfahrzeugbetreiber keine Zertifikate abgegeben hat, 100 Euro beträgt, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit?

Zur Vorlagefrage

21

Nach Art. 99 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof, wenn die Antwort auf eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann, auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden.

22

Diese Bestimmung ist in der vorliegenden Rechtssache anzuwenden.

23

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 16 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie 2003/87 insbesondere im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gültig ist.

24

Zunächst ist zu beachten, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, verlangt, dass die von einer unionsrechtlichen Bestimmung eingesetzten Mittel zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet sind und nicht über das dafür Erforderliche hinausgehen (vgl. Urteile Vodafone u. a., C‑58/08, EU:C:2010:321, Rn. 51, und Billerud Karlsborg und Billerud Skärblacka, C‑203/12, EU:C:2013:664, Rn. 34).

25

In Bezug auf die gerichtliche Nachprüfung dieser Voraussetzungen ist dem Unionsgesetzgeber jedoch ein weites Ermessen einzuräumen, wenn er in einem Bereich tätig wird, in dem von ihm politische, wirtschaftliche oder soziale Entscheidungen verlangt werden und in dem er komplexe Beurteilungen vornehmen muss. Daher kann der Gerichtshof bei seiner gerichtlichen Nachprüfung der Wahrnehmung einer solchen Zuständigkeit die Beurteilung des Unionsgesetzgebers nicht durch seine eigene ersetzen. Er könnte dessen gesetzgeberische Entscheidung nur dann beanstanden, wenn diese offensichtlich fehlerhaft erschiene oder wenn die Nachteile, die sich aus ihr für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer ergeben, zu den im Übrigen mit ihr verbundenen Vorteilen völlig außer Verhältnis stünden (vgl. Urteil Billerud Karlsborg und Billerud Skärblacka, C‑203/12, EU:C:2013:664, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26

Den Schlussfolgerungen des Rates der Europäischen Union vom 8. März 2001, auf die im ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/87 Bezug genommen wird, ist insoweit zu entnehmen, dass die unionsweite Einführung eines Systems für die Verbuchung und den Handel mit Emissionszertifikaten für das Kohlendioxidäquivalent eine gesetzgeberische Entscheidung ist, in der eine im Kontext eines dringenden Bedarfs, auf schwerwiegende die Umwelt betreffende Bedenken zu reagieren, stehende politische Zielorientierung zum Ausdruck kommt. Diese gesetzgeberische Entscheidung beruht überdies auf komplexen und ausführlich erörterten wirtschaftlichen und technischen Überlegungen, die im Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union (KOM[2000] 87 endg.) dargelegt wurden. Mit dem Ziel, zur Erfüllung der Verpflichtungen der Union und ihrer Mitgliedstaaten aus dem Kyoto-Protokoll beizutragen, hatte der Unionsgesetzgeber somit Veranlassung, die künftigen und ungewissen Wirkungen seines Tätigwerdens selbst zu beurteilen und abzuwägen (vgl. Urteil Billerud Karlsborg und Billerud Skärblacka, C‑203/12, EU:C:2013:664, Rn. 36)

27

Die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eines Unionsakts kann aber nicht von einer rückschauenden Würdigung seines Wirkungsgrades abhängen. Ist der Unionsgesetzgeber genötigt, die künftigen Auswirkungen einer Regelung zu beurteilen, und lassen sich diese Auswirkungen nicht genau vorhersehen, so kann seine Beurteilung nur dann beanstandet werden, wenn sie in Anbetracht der Erkenntnisse, über die er zum Zeitpunkt des Erlasses der fraglichen Regelung verfügte, offensichtlich irrig erscheint (vgl. in diesem Sinne Urteile Jippes u. a., C‑189/01, EU:C:2001:420, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Billerud Karlsborg und Billerud Skärblacka, C‑203/12, EU:C:2013:664, Rn. 37).

28

In Anwendung dieser Grundsätze hat der Gerichtshof im Urteil Billerud Karlsborg und Billerud Skärblacka (C‑203/12, EU:C:2013:664) die Verhältnismäßigkeit nicht nur der in Art. 16 Abs. 4 der ursprünglichen Fassung der Richtlinie 2003/87 vorgesehenen vorübergehenden Sanktion von 40 Euro pro Tonne, sondern auch der in Art. 16 Abs. 3 dieser Richtlinie vorgesehenen pauschalen Sanktion von 100 Euro pro Tonne in Bezug darauf anerkannt, dass es für das nationale Gericht keine Möglichkeit gibt, ihre Höhe anzupassen.

29

Der Gerichtshof hat weiter festgestellt, dass die Richtlinie 2003/87 den Betreibern eine angemessene Frist einräumt, um ihrer Abgabepflicht nachzukommen, und dass es den Mitgliedstaaten freisteht, Mechanismen zur Mahnung, Aufforderung und vorzeitigen Abgabe einzuführen, durch die gutgläubige Betreiber umfassend über diese Pflicht informiert werden und so der Gefahr, dass eine Sanktion gegen sie verhängt wird, entgehen können (Urteil Billerud Karlsborg und Billerud Skärblacka, C‑203/12, EU:C:2013:664, Rn. 40 und 41).

30

Der Gerichtshof hat u. a. hervorgehoben, dass die Abgabepflicht nach Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 2003/87 und die pauschale Sanktion, mit der sie nach Art. 16 dieser Richtlinie bewehrt ist und die keine andere Flexibilität als die vorübergehende Herabsetzung ihrer Höhe in den Jahren 2005 bis 2007 bietet, dem Unionsgesetzgeber bei der Verfolgung des legitimen Ziels der Einführung eines leistungsfähigen Systems für den Handel mit Zertifikaten für das Kohlendioxidäquivalent erforderlich erschienen, um zu verhindern, dass einige Betreiber oder Mittelspersonen auf dem Markt dazu verleitet werden, das System durch missbräuchliche Spekulation in Bezug auf die Preise, Mengen, Fristen oder komplexen Finanzprodukte, die eine Begleiterscheinung jedes Marktes sind, zu umgehen oder zu manipulieren (Urteil Billerud Karlsborg und Billerud Skärblacka, C‑203/12, EU:C:2013:664, Rn. 39).

31

Er hat insbesondere festgestellt, dass die relative Strenge der Sanktion dadurch gerechtfertigt ist, dass Verstöße gegen die Verpflichtung, eine ausreichende Anzahl an Zertifikaten abzugeben, in der gesamten Union schlüssig und konsequent geahndet werden müssen (Urteil Billerud Karlsborg und Billerud Skärblacka, C‑203/12, EU:C:2013:664, Rn. 39).

32

Der Umstand, dass der fragliche Betrag höher ist als derjenige, über den der Gerichtshof im Urteil Billerud Karlsborg und Billerud Skärblacka (C‑203/12, EU:C:2013:664) entschieden hat, kann diese Einschätzung nicht in Frage stellen, da die Verhängung einer geringeren Sanktion während der ersten Handelsperiode – wie der Gerichtshof in Rn. 25 diese Urteils festgestellt hat – dadurch gerechtfertigt war, dass es sich um eine Probephase des Systems handelte, in der die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer weniger belastenden Verpflichtungen unterlagen.

33

Im Übrigen hat der Unionsgesetzgeber die anzuwendende Sanktion nach dieser ersten Handelsperiode nicht erhöht, sondern während dieser ersten Periode die Höhe der nach Art. 16 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie 2003/87 standardmäßig festgesetzten Sanktion von 100 Euro vorübergehend „herabgesetzt“ (vgl. Urteil Billerud Karlsborg und Billerud Skärblacka, C‑203/12, EU:C:2013:664, Rn. 25 und 39).

34

Was das Argument betrifft, die Preise für die Emissionshandelszertifikate seien seit dieser ersten Handelsperiode drastisch eingebrochen, hat der Gerichtshof in Rn. 27 des Urteils Billerud Karlsborg und Billerud Skärblacka (C‑203/12, EU:C:2013:664) bereits festgestellt, dass der Unionsgesetzgeber durch die Einführung einer von vornherein feststehenden Sanktion das System für den Handel mit Zertifikaten vor Wettbewerbsverzerrungen aufgrund von Marktmanipulationen schützen wollte. Wie aus Rn. 25 des vorliegenden Urteils hervorgeht, kann der Gerichtshof die Beurteilung des Unionsgesetzgebers nicht durch seine eigene ersetzen.

35

Folglich hat die Prüfung der Vorlagefrage nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 16 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie Nr. 2003/87, soweit er eine Sanktion von 100 Euro pro ausgestoßener Tonne Kohlendioxidäquivalent, für die der Betreiber keine Zertifikate abgegeben hat, vorsieht, im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beeinträchtigen könnte.

Kosten

36

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Prüfung der Vorlagefrage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 16 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates in der durch die Richtlinie 2009/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 geänderten Fassung, soweit er eine Sanktion von 100 Euro pro ausgestoßener Tonne Kohlendioxidäquivalent, für die der Betreiber keine Zertifikate abgegeben hat, vorsieht, im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beeinträchtigen könnte.

 

Unterschriften


( * )   Verfahrenssprache: Deutsch.

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(1) Der Betreiber ist verpflichtet, bei der zuständigen Behörde für jede Handelsperiode einen Überwachungsplan für die Emissionsermittlung und Berichterstattung nach § 5 Absatz 1 einzureichen. Dabei hat er die in Anhang 2 Teil 1 Nummer 1 genannten Fr

(1) Die Verpflichtungen für Luftfahrzeugbetreiber zur Überwachung, Berichterstattung und Prüfung der von ihnen bei internationalen Flügen freigesetzten Treibhausgase nach dem globalen marktbasierten Mechanismus der Internationalen Zivilluftfahrt-Orga

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(1) Der Betreiber ist verpflichtet, bei der zuständigen Behörde für jede Handelsperiode einen Überwachungsplan für die Emissionsermittlung und Berichterstattung nach § 5 Absatz 1 einzureichen. Dabei hat er die in Anhang 2 Teil 1 Nummer 1 genannten Fristen einzuhalten.

(2) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn der Überwachungsplan den Vorgaben der Monitoring-Verordnung, der Rechtsverordnung nach § 28 Absatz 2 Nummer 1 und, soweit diese keine Regelungen treffen, des Anhangs 2 Teil 2 Satz 3 entspricht. Entspricht ein vorgelegter Überwachungsplan nicht diesen Vorgaben, ist der Betreiber verpflichtet, die festgestellten Mängel innerhalb einer von der zuständigen Behörde festzusetzenden Frist zu beseitigen und den geänderten Überwachungsplan vorzulegen. Im Verfahren zur Genehmigung des Überwachungsplans ist in den Fällen des § 19 Absatz 1 Nummer 1 der danach zuständigen Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die zuständige Behörde kann die Genehmigung mit Auflagen für die Überwachung von und Berichterstattung über Emissionen verbinden.

(3) Der Betreiber ist verpflichtet, den Überwachungsplan innerhalb einer Handelsperiode unverzüglich anzupassen und bei der zuständigen Behörde einzureichen, soweit sich folgende Änderungen bezüglich der Anforderungen an die Emissionsermittlung oder an ihre Berichterstattung ergeben:

1.
Änderung der Vorgaben nach Absatz 2 Satz 2,
2.
Änderung seiner Emissionsgenehmigung oder
3.
eine erhebliche Änderung der Überwachung nach Artikel 15 Absatz 3 und 4 der Monitoring-Verordnung.
Für den angepassten Überwachungsplan gilt Absatz 2 entsprechend.

(1) Die Verpflichtungen für Luftfahrzeugbetreiber zur Überwachung, Berichterstattung und Prüfung der von ihnen bei internationalen Flügen freigesetzten Treibhausgase nach dem globalen marktbasierten Mechanismus der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation bestimmen sich nach einer nach Artikel 28c der Richtlinie 2003/87/EG erlassenen Verordnung und der Rechtsverordnung nach Absatz 4.

(2) Das Umweltbundesamt ist die zuständige Behörde für den Vollzug des globalen marktbasierten Mechanismus. § 19 Absatz 2 gilt entsprechend.

(3) Die §§ 3, 20 und 22 Absatz 3 sowie § 23 gelten entsprechend.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, Einzelheiten zur Ermittlung von und Berichterstattung über Emissionen nach dem globalen marktbasierten Mechanismus sowie zur Verifizierung der berichteten Angaben zu regeln, soweit diese Sachverhalte in einer nach Artikel 28c der Richtlinie 2003/87/EG erlassenen Verordnung nicht abschließend geregelt sind.