Europäischer Gerichtshof Gutachten, 26. Juli 2017 - 1/15

ECLI: ECLI:EU:C:2017:592
published on 26/07/2017 00:00
Europäischer Gerichtshof Gutachten, 26. Juli 2017 - 1/15
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GUTACHTEN 1/15 DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

26. Juli 2017

Inhaltsverzeichnis

 

I. Gutachtenantrag

 

II. Rechtlicher Rahmen

 

A. Abkommen von Chicago

 

B. Protokoll (Nr. 21) über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts

 

C. Protokoll (Nr. 22) über die Position Dänemarks

 

D. Richtlinie 95/46/EG

 

E. Richtlinie 2004/82/EG

 

III. Vorgeschichte des geplanten Abkommens

 

IV. Entwurf eines Beschlusses des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens

 

V. Das geplante Abkommen

 

VI. Ausführungen des Parlaments in seinem Gutachtenantrag

 

A. Zur geeigneten Rechtsgrundlage des Beschlusses des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens

 

B. Zur Vereinbarkeit des geplanten Abkommens mit den Vorschriften des AEU-Vertrags und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

 

VII. Zusammenfassung der beim Gerichtshof eingereichten Stellungnahmen

 

A. Zur Zulässigkeit des Gutachtenantrags

 

B. Zur geeigneten Rechtsgrundlage des Beschlusses des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens

 

C. Zur Vereinbarkeit des geplanten Abkommens mit den Vorschriften des AEU-Vertrags und der Charta

 

VIII. Stellungnahme des Gerichtshofs

 

A. Zur Zulässigkeit des Gutachtenantrags

 

B. Zur geeigneten Rechtsgrundlage des Beschlusses des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens

 

1. Zu Ziel und Inhalt des geplanten Abkommens

 

2. Zur geeigneten Rechtsgrundlage nach dem AEU-Vertrag

 

3. Zur Vereinbarkeit der Verfahren gemäß Art. 16 Abs. 2 und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV

 

C. Zur Vereinbarkeit des geplanten Abkommens mit den Vorschriften des AEU-Vertrags und der Charta

 

1. Zu den betroffenen Grundrechten und den Eingriffen in sie

 

2. Zur Rechtfertigung der mit dem geplanten Abkommen verbundenen Eingriffe

 

a) Zur Grundlage der im geplanten Abkommen vorgesehenen Verarbeitungen von PNR-Daten

 

b) Zur dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung und zur Achtung des Wesensgehalts der betreffenden Grundrechte

 

c) Zur Eignung der im geplanten Abkommen vorgesehenen Verarbeitungen von PNR-Daten für die Verwirklichung des Ziels der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit

 

d) Zur Erforderlichkeit der mit dem geplanten Abkommen verbundenen Eingriffe

 

1) Zu den PNR-Daten, auf die sich das geplante Abkommen bezieht

 

i) Zur hinreichenden Bestimmtheit des geplanten Abkommens hinsichtlich der zu übermittelnden PNR-Daten

 

ii) Zu den sensiblen Daten

 

2) Zur automatisierten Verarbeitung von PNR-Daten

 

3) Zu den Zwecken der Verarbeitung von PNR-Daten

 

i) Vorbeugung, Aufdeckung und strafrechtliche Verfolgung von terroristischen Straftaten oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität

 

ii) Weitere Zwecke

 

4) Zu den kanadischen Behörden, auf die sich das geplante Abkommen bezieht

 

5) Zu den betroffenen Fluggästen

 

6) Zur Speicherung und Verwendung der PNR-Daten

 

i) Zur Speicherung und Verwendung der PNR-Daten vor der Ankunft der Fluggäste, während ihres Aufenthalts in Kanada und bei ihrer Ausreise

 

ii) Zur Speicherung und Verwendung der PNR-Daten nach der Ausreise der Fluggäste aus Kanada

 

7) Zur Weitergabe der PNR-Daten

 

i) Weitergabe der PNR-Daten an Behörden

 

ii) Weitergabe der PNR-Daten an Einzelpersonen

 

3. Zu den individuellen Rechten der Fluggäste

 

a) Zum Recht auf Information, Auskunft und Berichtigung

 

b) Zum Recht auf einen Rechtsbehelf

 

4. Zur Überwachung der Garantien im Bereich des Schutzes der PNR-Daten

 

IX. Antwort auf den Gutachtenantrag

„Gutachten nach Art. 218 Abs. 11 AEUV – Geplantes Abkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union – Übermittlung von Fluggastdatensätzen aus der Union nach Kanada – Geeignete Rechtsgrundlagen – Art. 16 Abs. 2, Art. 82 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV – Vereinbarkeit mit Art. 7, Art. 8 und Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union“

In dem Gutachtenverfahren 1/15

betreffend einen Gutachtenantrag nach Art. 218 Abs. 11 AEUV, eingereicht am 30. Januar 2015 vom Europäischen Parlament,

erstattet

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, T. von Danwitz (Berichterstatter) und J. L. da Cruz Vilaça, der Kammerpräsidentinnen M. Berger und A. Prechal, des Kammerpräsidenten M. Vilaras sowie der Richter A. Rosas, E. Levits, D. Šváby, E. Jarašiūnas und C. Lycourgos,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. April 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

des Europäischen Parlaments, vertreten durch F. Drexler, A. Caiola und D. Moore als Bevollmächtigte,

der bulgarischen Regierung, vertreten durch M. Georgieva und E. Petranova als Bevollmächtigte,

der estnischen Regierung, vertreten durch K. Kraavi-Käerdi als Bevollmächtigte,

Irlands, vertreten durch E. Creedon, G. Hodge und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von D. Fennelly, BL, und C. Doyle, BL,

der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González und M. Sampol Pucurull als Bevollmächtigte,

der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues, D. Colas und F.‑X. Bréchot als Bevollmächtigte,

der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch C. Brodie und D. Robertson als Bevollmächtigte im Beistand von D. Beard, QC, und S. Ford, Barrister,

des Rates der Europäischen Union, vertreten durch M.‑M. Joséphidès, S. Boelaert und E. Sitbon als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Van Nuffel, D. Nardi, D. Maidani und P. Costa de Oliveira als Bevollmächtigte,

des Europäischen Datenschutzbeauftragten (EDSB), vertreten durch A. Buchta, G. Zanfir und R. Robert als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. September 2016

folgendes

Gutachten

I. Gutachtenantrag

1

Der Gutachtenantrag, den das Europäische Parlament beim Gerichtshof gestellt hat, lautet:

„Ist das geplante Abkommen [zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen] mit den Bestimmungen der Verträge (Artikel 16 AEUV) und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Artikel 7, Artikel 8 und Artikel 52 Absatz 1) in Bezug auf das Recht natürlicher Personen auf den Schutz personenbezogener Daten vereinbar?

Sind Artikel 82 Absatz 1 [Unterabsatz 2] Buchstabe d und Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe a AEUV die geeignete Rechtsgrundlage für den Rechtsakt des Rates [der Europäischen Union] über den Abschluss des geplanten Abkommens, oder muss sich dieser Rechtsakt auf Artikel 16 AEUV gründen?“

2

Als Anlagen zu seinem Gutachtenantrag hat das Parlament beim Gerichtshof u. a. folgende Dokumente eingereicht:

den Entwurf eines Abkommens zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (im Folgenden: geplantes Abkommen),

den Entwurf eines Beschlusses des Rates über den Abschluss des Abkommens zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen im Namen der Union (im Folgenden: Entwurf eines Beschlusses des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens) und

das Schreiben vom 7. Juli 2014, mit dem der Rat das Parlament um Zustimmung zu dem Entwurf des Beschlusses ersucht hat.

II. Rechtlicher Rahmen

A. Abkommen von Chicago

3

Das am 7. Dezember 1944 in Chicago unterzeichnete Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt (United Nations Treaty Series, Band 15, Nr. 102, im Folgenden: Abkommen von Chicago) ist von Kanada und sämtlichen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ratifiziert worden. Die Europäische Union selbst ist allerdings nicht Vertragsstaat des Abkommens.

4

Art. 13 des Abkommens von Chicago lautet:

„Die Gesetze und Vorschriften eines Vertragsstaats über den Ein- und Ausflug von Fluggästen, Besatzungen oder Fracht eines Luftfahrzeugs nach oder aus seinem Hoheitsgebiet, wie z. B. Einreise-, Abfertigungs-, Einwanderungs-, Pass-, Zoll- und Quarantänevorschriften, sind durch oder in Bezug auf die Fluggäste, Besatzungen oder Fracht bei dem Ein- und Ausflug sowie während des Aufenthalts im Hoheitsgebiet dieses Staates zu befolgen.“

5

Durch das Abkommen von Chicago wurde die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) geschaffen. Eine ihrer Aufgaben ist nach Art. 44 des Abkommens die Entwicklung der Grundsätze und der Technik der internationalen Luftfahrt.

B. Protokoll (Nr. 21) über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts

6

Art. 1 des Protokolls (Nr. 21) über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (ABl. 2010, C 83, S. 295, im Folgenden: Protokoll Nr. 21) bestimmt:

„Vorbehaltlich des Artikels 3 beteiligen sich das Vereinigte Königreich und Irland nicht an der Annahme von Maßnahmen durch den Rat, die nach dem Dritten Teil Titel V des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgeschlagen werden. Für Beschlüsse des Rates, die einstimmig angenommen werden müssen, ist die Zustimmung der Mitglieder des Rates mit Ausnahme der Vertreter der Regierungen des Vereinigten Königreichs und Irlands erforderlich.

…“

7

Art. 3 Abs. 1 des Protokolls lautet:

„Das Vereinigte Königreich oder Irland kann dem Präsidenten des Rates innerhalb von drei Monaten nach der Vorlage eines Vorschlags oder einer Initiative nach dem Dritten Teil Titel V des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union beim Rat schriftlich mitteilen, dass es sich an der Annahme und Anwendung der betreffenden Maßnahme beteiligen möchte, was dem betreffenden Staat daraufhin gestattet ist.“

C. Protokoll (Nr. 22) über die Position Dänemarks

8

In den Abs. 3 bis 5 der Präambel des Protokolls (Nr. 22) über die Position Dänemarks (ABl. 2010, C 83, S. 299, im Folgenden: Protokoll Nr. 22) heißt es, dass die Hohen Vertragsparteien über die Bestimmungen des Protokolls übereingekommen sind

„IN DEM BEWUSSTSEIN, dass Dänemarks Beteiligung an wichtigen Bereichen der Zusammenarbeit in der Union erheblich eingeschränkt wird, wenn die auf den Beschluss von Edinburgh zurückgehende Rechtsregelung im Rahmen der Verträge fortgesetzt wird, und dass es im Interesse der Union liegt, die uneingeschränkte Anwendung des Besitzstands im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu gewährleisten,

IN DEM WUNSCH, aufgrund dessen einen Rechtsrahmen festzulegen, der Dänemark die Option bieten wird, sich am Erlass von Maßnahmen zu beteiligen, die auf der Grundlage des Dritten Teils Titel V des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgeschlagen werden, und die Absicht Dänemarks begrüßend, wenn möglich von dieser Option im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften Gebrauch zu machen,

IN ANBETRACHT DESSEN, dass Dänemark die anderen Mitgliedstaaten nicht daran hindern wird, ihre Zusammenarbeit in Bezug auf Maßnahmen, die für Dänemark nicht bindend sind, weiter auszubauen“.

9

Art. 1 des Protokolls lautet:

„Dänemark beteiligt sich nicht an der Annahme von Maßnahmen durch den Rat, die nach dem Dritten Teil Titel V des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vorgeschlagen werden. Für Beschlüsse des Rates, die einstimmig angenommen werden müssen, ist die Zustimmung der Mitglieder des Rates mit Ausnahme des Vertreters der Regierung Dänemarks erforderlich.

Für die Zwecke dieses Artikels bestimmt sich die qualifizierte Mehrheit nach Artikel 238 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.“

10

Art. 2 des Protokolls lautet:

„Vorschriften des Dritten Teils Titel V des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, nach jenem Titel beschlossene Maßnahmen, Vorschriften internationaler Übereinkünfte, die von der Union nach jenem Titel geschlossen werden, sowie Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union, in denen solche Vorschriften oder Maßnahmen oder nach jenem Titel geänderte oder änderbare Maßnahmen ausgelegt werden, sind für Dänemark nicht bindend oder anwendbar. Diese Vorschriften, Maßnahmen oder Entscheidungen berühren in keiner Weise die Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten Dänemarks; ebenso wenig berühren diese Vorschriften, Maßnahmen oder Entscheidungen in irgendeiner Weise den Besitzstand der Gemeinschaft oder der Union oder sind sie Teil des Unionsrechts, soweit sie auf Dänemark Anwendung finden. Insbesondere sind Rechtsakte der Union auf dem Gebiet der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, die vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon angenommen wurden und die geändert werden, für Dänemark ohne die Änderungen weiterhin bindend und anwendbar.“

11

Art. 2a des Protokolls lautet:

„Artikel 2 dieses Protokolls gilt auch für die auf der Grundlage des Artikels 16 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgelegten Vorschriften über die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich des Dritten Teils Titel V Kapitel 4 und 5 des genannten Vertrags fallen.“

D. Richtlinie 95/46/EG

12

Art. 25 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. 1995, L 281, S. 31) bestimmt:

„(1)   Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass die Übermittlung personenbezogener Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind oder nach der Übermittlung verarbeitet werden sollen, in ein Drittland vorbehaltlich der Beachtung der aufgrund der anderen Bestimmungen dieser Richtlinie erlassenen einzelstaatlichen Vorschriften zulässig ist, wenn dieses Drittland ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet.

(2)   Die Angemessenheit des Schutzniveaus, das ein Drittland bietet, wird unter Berücksichtigung aller Umstände beurteilt, die bei einer Datenübermittlung oder einer Kategorie von Datenübermittlungen eine Rolle spielen; insbesondere werden die Art der Daten, die Zweckbestimmung sowie die Dauer der geplanten Verarbeitung, das Herkunfts- und das Endbestimmungsland, die in dem betreffenden Drittland geltenden allgemeinen oder sektoriellen Rechtsnormen sowie die dort geltenden Standesregeln und Sicherheitsmaßnahmen berücksichtigt.

(6)   Die Kommission kann nach dem Verfahren des Artikels 31 Absatz 2 feststellen, dass ein Drittland aufgrund seiner innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder internationaler Verpflichtungen, die es insbesondere infolge der Verhandlungen gemäß Absatz 5 eingegangen ist, hinsichtlich des Schutzes der Privatsphäre sowie der Freiheiten und Grundrechte von Personen ein angemessenes Schutzniveau im Sinne des Absatzes 2 gewährleistet.

…“

E. Richtlinie 2004/82/EG

13

Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/82/EG des Rates vom 29. April 2004 über die Verpflichtung von Beförderungsunternehmen, Angaben über die beförderten Personen zu übermitteln (ABl. 2004, L 261, S. 24), lautet:

„(1)   Die Mitgliedstaaten unternehmen die erforderlichen Schritte, um die Beförderungsunternehmen zu verpflichten, auf Anfrage der mit der Durchführung der Personenkontrollen an den Außengrenzen beauftragten Behörden bei Abschluss des Check-in die Angaben über die Personen zu übermitteln, die sie zu einer zugelassenen Grenzübergangsstelle befördern werden, über die diese Personen in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen werden.

(2)   Zu diesen Angaben zählen:

die Nummer und die Art des mitgeführten Reisedokuments,

die Staatsangehörigkeit,

der vollständige Name,

das Geburtsdatum,

die Grenzübergangsstelle für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten,

die Beförderungs-Codenummer,

die Abreise- und Ankunftszeit,

die Gesamtzahl der mit der betreffenden Beförderung beförderten Personen,

der ursprüngliche Abreiseort.“

III. Vorgeschichte des geplanten Abkommens

14

Am 18. Juli 2005 erließ der Rat den Beschluss 2006/230/EG über den Abschluss eines Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Regierung Kanadas über die Verarbeitung von API/PNR-Daten (ABl. 2006, L 82, S. 14), mit dem er dieses Abkommen (im Folgenden: Abkommen von 2006) genehmigte. Nach seiner Präambel wurde das Abkommen geschlossen „gestützt auf die von der Regierung Kanadas erlassene Vorschrift, nach der die Fluggesellschaften, die Personen nach Kanada befördern, zur Übermittlung von erweiterten Fluggastdaten (Advanced Passenger Information) und Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records) (im Folgenden ‚API/PNR-Daten‘ genannt) an die zuständigen kanadischen Behörden verpflichtet sind, soweit diese Fluggesellschaften solche Daten erfassen und in computergestützten Buchungs- sowie Abfertigungssystemen speichern“.

15

Nach Art. 1 Abs. 1 des Abkommens von 2006 „wird gewährleistet, dass die Weitergabe von API/PNR-Daten zu Personen auf abkommensrelevanten Flügen unter uneingeschränkter Achtung grundlegender Rechte und Freiheiten, insbesondere des Rechts auf Privatsphäre, erfolgt“. In Art. 3 Abs. 1 sind die Vertragsparteien übereingekommen, „dass die API/PNR-Daten zu Personen auf abkommensrelevanten Flügen im Einklang mit den Verpflichtungen der zuständigen Behörde verarbeitet werden, die die API/PNR-Daten erhält“. Zuständige Behörde Kanadas war nach Anhang I des Abkommens die Canada Border Services Agency (CBSA).

16

Auf der Grundlage dieser Verpflichtungen erließ die Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 6. September 2005 die Entscheidung 2006/253/EG über die Angemessenheit des Schutzes der personenbezogenen Daten, die in den Passenger Name Records enthalten sind, welche der Canada Border Services Agency übermittelt werden (ABl. 2006, L 91, S. 49). In Art. 1 dieser Entscheidung wurde „[i]m Hinblick auf Artikel 25 Absatz 2 der Richtlinie [95/46] … festgestellt, dass die [CBSA] auf der Grundlage der als Anhang [der Entscheidung] angefügten Verpflichtungserklärung [der CBSA zu ihrem PNR-Programm] einen angemessenen Schutz bietet für PNR-Daten über Flüge nach Kanada, die aus der Gemeinschaft übermittelt werden“. Art. 7 der Entscheidung sah vor, dass ihre Geltungsdauer „3 Jahre und 6 Monate nach dem Tag ihrer Bekanntmachung [endet], es sei denn, sie wird nach dem Verfahren des Artikels 31 Absatz 2 der Richtlinie [95/46] verlängert“. Eine solche Verlängerung ist nicht erfolgt.

17

Die Geltungsdauer des Abkommens von 2006 war nach dessen Art. 5 Abs. 1 und 2 an die der Entscheidung 2006/253 geknüpft, so dass sie im September 2009 endete.

18

Am 5. Mai 2010 nahm das Parlament eine Entschließung zum Start der Verhandlungen über Abkommen über Fluggastdatensätze mit den USA, Australien und Kanada (ABl. 2011, C 81 E, S. 70) an. In Rn. 7 der Entschließung forderte es „einen kohärenten Ansatz in Bezug auf die Nutzung von Fluggastdatensätzen für Strafverfolgungs- und Sicherheitszwecke, wobei Abkommen mit Drittstaaten auf einheitlichen Grundsätzen beruhen sollten“, und forderte „die Kommission auf, … einen Vorschlag für ein solches einheitliches Modell und ein[en] Entwurf für ein Mandat für die Verhandlungen mit Drittstaaten vorzulegen“. In Rn. 9 der Entschließung werden die Mindestanforderungen für die Verwendung von Fluggastdatensätzen in Drittstaaten genannt.

19

Am 2. Dezember 2010 erließ der Rat einen Beschluss mit einer Verhandlungsrichtlinie; darin wurde die Kommission ermächtigt, im Namen der Union Verhandlungen mit Kanada über ein Abkommen über die Übermittlung und Verwendung von Fluggastdatensätzen (im Folgenden: PNR-Daten) zu Zwecken der Verhütung und Bekämpfung von Terrorismus und anderer grenzübergreifender schwerer Kriminalität aufzunehmen.

20

Nach Abschluss der Verhandlungen mit Kanada wurde das geplante Abkommen am 6. Mai 2013 paraphiert. Am 18. Juli 2013 nahm die Kommission einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Abkommens zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (COM[2013] 528 final, im Folgenden: Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens) und einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung des Abkommens zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (COM[2013] 529 final) an.

21

In der Begründung des Vorschlags für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens heißt es:

„Die [CBSA] ist nach kanadischem Recht ermächtigt, bei Verkehrsflügen nach oder aus Kanada vor Ankunft der Fluggäste bzw. vor ihrem Abflug von Fluggesellschaften elektronischen Zugang zu den Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records – PNR) zu verlangen. Dabei stützen sich die kanadischen Behörden auf Section 107.1 des Customs Act, die Passenger Information (Customs) Regulations, Paragraph 148(1)(d) des Immigration and Refugee Protection Act und Regulation 269 der Immigration and Refugee Protection Regulations.

Diese Rechtsvorschriften sollen vor der Ankunft eines Flugs den elektronischen Zugriff auf PNR-Daten ermöglichen und es somit der [CBSA] erheblich erleichtern, die Fluggäste vor ihrer Ankunft einer effizienten und wirksamen Risikobewertung zu unterziehen und Bona-fide-Reisenden Erleichterungen zu gewähren, um für mehr Sicherheit in Kanada zu sorgen. Die Europäische Union arbeitet mit Kanada bei der Bekämpfung von Terrorismus und anderer grenzübergreifender schwerer Kriminalität zusammen und betrachtet die Übermittlung von PNR-Daten an Kanada als Beitrag zur Förderung der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit auf internationaler Ebene. Hierzu sollen analytische Informationen, die von Kanada erlangte PNR-Daten enthalten, mit den zuständigen Polizei- und Justizbehörden der Mitgliedstaaten sowie mit Europol und Eurojust im Rahmen ihres jeweiligen Mandats ausgetauscht werden.

Die Fluggesellschaften sind verpflichtet, der [CBSA] Zugriff auf bestimmte PNR-Daten zu gewähren, die mit den computergestützten Buchungs- und Abfertigungssystemen der Fluggesellschaften erhoben und darin gespeichert werden.

Nach den EU-Datenschutzbestimmungen ist es europäischen und anderen Fluggesellschaften, die Ziele außerhalb der [Union] anfliegen, untersagt, PNR-Daten an Drittländer zu übermitteln, die keinen angemessenen Schutz personenbezogener Daten bieten, weil sie keine geeigneten Schutzvorkehrungen treffen. Angesichts der Notwendigkeit und Bedeutung der Verwendung von PNR-Daten bei der Bekämpfung von Terrorismus und anderer grenzübergreifender schwerer Kriminalität muss eine Lösung gefunden werden, die eine Rechtsgrundlage für die Übermittlung von PNR-Daten aus der EU an Kanada bietet und gleichzeitig den Fluggesellschaften Rechtssicherheit gibt. Außerdem sollte diese Lösung in der gesamten Europäischen Union einheitlich angewandt werden, um Rechtssicherheit für Fluggesellschaften zu schaffen und das Recht des Einzelnen auf Schutz seiner Daten sowie auf physische Sicherheit zu gewährleisten.

…“

22

Am 30. September 2013 nahm der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB) zu diesen Vorschlägen für Beschlüsse Stellung. Der vollständige Text der Stellungnahme ist auf der Website des EDSB abrufbar. Eine Zusammenfassung wurde im Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2014, C 51, S. 12) veröffentlicht.

23

Am 5. Dezember 2013 erließ der Rat den Beschluss über die Unterzeichnung des Abkommens zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen. Am selben Tag entschied er, zu seinem Entwurf des Beschlusses über den Abschluss des geplanten Abkommens die Zustimmung des Parlaments einzuholen.

24

Das geplante Abkommen wurde am 25. Juni 2014 unterzeichnet.

25

Mit Schreiben vom 7. Juli 2014 ersuchte der Rat das Parlament darum, dem Entwurf seines Beschlusses über den Abschluss des geplanten Abkommens zuzustimmen.

26

Am 25. November 2014 nahm das Parlament die Entschließung zur Einholung eines Gutachtens des Gerichtshofs über die Vereinbarkeit des Abkommens zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen mit den Verträgen (ABl. 2016, C 289, S. 2) an.

IV. Entwurf eines Beschlusses des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens

27

Im Entwurf eines Beschlusses des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens sind als Rechtsgrundlagen des Beschlusses Art. 82 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a in Verbindung mit Art. 218 Abs. 6 Buchst. a AEUV angegeben.

28

In den Erwägungsgründen 5 und 6 des Entwurfs heißt es:

„(5)

Gemäß Artikel 3 des … Protokolls [(Nr. 21)] … haben [das Vereinigte Königreich und Irland] mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme dieses Beschlusses beteiligen möchten.

(6)

Gemäß den Artikeln 1 und 2 des … Protokolls [(Nr. 22)] … beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieses Beschlusses und ist weder durch diesen Beschluss gebunden noch zu seiner Anwendung verpflichtet.“

29

Art. 1 des Entwurfs lautet:

„Das Abkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen wird im Namen der Union genehmigt.

Der Wortlaut des Abkommens ist diesem Beschluss beigefügt.“

V. Das geplante Abkommen

30

Das geplante Abkommen lautet:

„KANADA

und

DIE EUROPÄISCHE UNION,

im Folgenden die ‚Parteien‘ genannt

IN DEM BEMÜHEN, zum Schutz ihrer demokratischen Gesellschaften und gemeinsamen Werte mit Blick auf die Förderung der Sicherheit und der Rechtsstaatlichkeit Terrorismus und Straftaten mit terroristischem Hintergrund sowie andere grenzübergreifende schwere Kriminalität zu verhindern, zu bekämpfen, zu unterbinden und zu beseitigen,

IN ANERKENNUNG der Bedeutung der Verhinderung, Bekämpfung, Unterbindung und Beseitigung von Terrorismus und Straftaten mit terroristischem Hintergrund sowie anderer grenzübergreifender schwerer Kriminalität bei gleichzeitiger Wahrung der Grundrechte und Grundfreiheiten, insbesondere des Rechts auf Schutz der Privatsphäre und des Rechts auf Datenschutz,

IN DEM BEMÜHEN, die Zusammenarbeit zwischen den Parteien im Geiste der Partnerschaft zwischen Kanada und der Europäischen Union auszubauen und weiter voranzubringen,

IN DEM BEWUSSTSEIN, dass der Austausch von Informationen ein wesentlicher Faktor bei der Bekämpfung von Terrorismus und damit verknüpften Straftaten sowie anderer grenzübergreifender schwerer Kriminalität ist und dass die Verwendung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Record, im Folgenden ‚PNR-Daten‘) in diesem Zusammenhang von maßgeblicher Bedeutung für die Verfolgung der genannten Ziele ist,

IN DEM BEWUSSTSEIN, dass zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und zu Strafverfolgungszwecken Regeln für die Übermittlung von PNR-Daten durch die Fluggesellschaften an Kanada festgelegt werden sollten,

IN ANERKENNUNG DESSEN, dass die Parteien durch gemeinsame Werte in Bezug auf Datenschutz und Schutz der Privatsphäre verbunden sind, die sich in ihrem jeweiligen Recht widerspiegeln,

EINGEDENK des Artikels 6 des Vertrags über die Europäische Union, in dem sich die Europäische Union zur Achtung der Grundrechte verpflichtet, des Artikels 16 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union über das Recht auf Schutz der Privatsphäre bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Notwendigkeit hinsichtlich des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Achtung der Privatsphäre und des Schutzes personenbezogener Daten gemäß Artikel 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Artikel 8 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (Übereinkommen Nr. 108 des Europarats [unterzeichnet in Straßburg am 28. Januar 1981] und Zusatzprotokoll Nr. 181 [unterzeichnet in Straßburg am 8. November 2001]),

UNTER BERÜCKSICHTIGUNG der einschlägigen Bestimmungen der Canadian Charter of Rights and Freedoms (Kanadische Charta der Rechte und Freiheiten) und der kanadischen Rechtsvorschriften zum Schutz der Privatsphäre,

IN ANBETRACHT der Zusage der Europäischen Union, dafür Sorge zu tragen, dass die Fluggesellschaften nicht daran gehindert werden, bei der Übermittlung von PNR-Daten aus der Europäischen Union an Kanada gemäß diesem Abkommen dem kanadischen Recht zu entsprechen,

IN BESTÄTIGUNG der erfolgreichen gemeinsamen Überprüfung des Abkommens zwischen den Parteien von 2006 über die Übermittlung von PNR-Daten im Jahr 2008,

IN ANERKENNUNG DESSEN, dass dieses Abkommen nicht für erweiterte Fluggastdaten (Advance Passenger Information) gelten soll, die zum Zweck der Grenzkontrolle von den Fluggesellschaften erhoben und an Kanada übermittelt werden,

IN ANERKENNUNG DESSEN, dass dieses Abkommen Kanada nicht daran hindert, in Ausnahmefällen weiterhin Informationen von Fluggesellschaften zu verarbeiten, wenn dies zur Eindämmung einer unmittelbaren und ernsten Gefahr für den Luftverkehr oder die nationale Sicherheit unter Beachtung der im kanadischen Recht festgelegten strengen Beschränkungen und in jedem Fall ohne Überschreitung der in diesem Abkommen vorgesehenen Beschränkungen notwendig ist,

ANGESICHTS des Interesses der Parteien und der Mitgliedstaaten der Europäischen Union an einem Austausch von Informationen über das Verfahren der Übermittlung von PNR-Daten sowie über die Weitergabe von PNR-Daten außerhalb Kanadas gemäß den einschlägigen Artikeln dieses Abkommens sowie angesichts des Interesses der Europäischen Union an der Einbeziehung dieses Aspekts in das in diesem Abkommen vorgesehene Konsultations- und Überprüfungsverfahren,

UNTER HINWEIS DARAUF, dass die Parteien die Möglichkeit und Notwendigkeit eines ähnlichen Abkommens für die Verarbeitung von PNR-Daten im Seeverkehr prüfen können,

UNTER HINWEIS AUF die Verpflichtung Kanadas sicherzustellen, dass die zuständige kanadische Behörde PNR-Daten zum Zweck der Verhinderung, Aufdeckung, Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung von terroristischen Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität unter strikter Einhaltung der in dem Abkommen enthaltenen Garantien für den Schutz der Privatsphäre und den Schutz personenbezogener Daten verarbeitet,

IN ANBETRACHT der Bedeutung, die dem Austausch von PNR-Daten und einschlägigen analytischen Informationen, die im Rahmen dieses Abkommens erlangte PNR-Daten enthalten, zwischen Kanada und den zuständigen Polizei- und Justizbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, Europol und Eurojust als Mittel zur Stärkung der internationalen polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit zukommt,

UNTER BEKRÄFTIGUNG, dass dieses Abkommen keinen Präzedenzfall für weitere Vereinbarungen zwischen Kanada und der Europäischen Union oder zwischen einer der Parteien und einer anderen Partei über die Verarbeitung und Übermittlung von PNR-Daten oder über den Datenschutz darstellt,

UNTER BERÜCKSICHTIGUNG der beiderseitigen Verpflichtung der Parteien zur Anwendung und Weiterentwicklung internationaler Normen für die Verarbeitung von PNR-Daten –

SIND WIE FOLGT ÜBEREINGEKOMMEN:

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

ARTIKEL 1

Gegenstand des Abkommens

In diesem Abkommen legen die Parteien fest, unter welchen Bedingungen Fluggastdatensätze (PNR-Daten) zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit zu übermitteln und zu verwenden [sind] und wie sie geschützt werden.

ARTIKEL 2

Begriffsbestimmungen

Für die Zwecke dieses Abkommens bezeichnet der Begriff:

a)

‚Fluggesellschaft‘ ein kommerzielles Transportunternehmen, das Luftfahrzeuge zur Beförderung von Fluggästen zwischen Kanada und der Europäischen Union einsetzt;

b)

‚Fluggastdatensätze‘ (‚PNR-Daten‘) die Datensätze, die für jeden von einem oder für einen Fluggast gebuchten Flug von einer Fluggesellschaft erfasst werden und für die Verarbeitung und Überprüfung der Buchungen erforderlich sind. PNR-Daten im Sinne dieses Abkommens sind die im Anhang des Abkommens aufgeführten Elemente;

c)

‚Verarbeitung‘ jeden mit oder ohne automatisierte Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede Vorgangsreihe im Zusammenhang mit PNR-Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, die Aufbewahrung, die Anpassung oder Änderung, das Aufrufen, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, den Transfer, die Verbreitung, die Weitergabe oder jede andere Form der Bereitstellung, die Verknüpfung oder Kombination sowie das Sperren, Unkenntlichmachen, Löschen oder Vernichten;

d)

‚zuständige kanadische Behörde‘ die für den Erhalt und die Verarbeitung von PNR-Daten im Rahmen dieses Abkommens verantwortliche kanadische Behörde;

e)

‚sensible Daten‘ jegliche Informationen, aus denen die rassische oder ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie Informationen über Gesundheit oder Sexualleben einer Person.

ARTIKEL 3

Verwendung von PNR-Daten

(1)   Kanada stellt sicher, dass die zuständige kanadische Behörde die auf der Grundlage dieses Abkommens erhaltenen PNR-Daten nur zum Zweck der Verhinderung, Aufdeckung, Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung von terroristischen Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität verarbeitet.

(2)   Für die Zwecke dieses Abkommens umfasst der Begriff ‚terroristische Straftat‘:

a)

eine politischen, religiösen oder ideologischen Zwecken oder Zielen dienende oder politisch, religiös oder ideologisch begründete Handlung oder Unterlassung, mit der beabsichtigt wird, die Allgemeinheit hinsichtlich ihrer Sicherheit, einschließlich ihrer wirtschaftlichen Sicherheit, einzuschüchtern oder eine Person, eine Regierung oder eine inländische oder internationale Organisation zu einer Handlung oder Unterlassung zu zwingen, und mit der vorsätzlich

i)

der Tod oder eine schwere Körperverletzung verursacht wird,

ii)

das Leben einer Einzelperson gefährdet wird,

iii)

die Gesundheit oder Sicherheit der Allgemeinheit erheblich gefährdet wird,

iv)

beträchtliche Sachschäden verursacht werden, die wahrscheinlich zu den unter den Ziffern i bis iii genannten Schäden führen, oder

v)

eine schwerwiegende Beeinträchtigung oder Störung eines Dienstes, einer Einrichtung oder eines Systems von maßgeblicher Bedeutung verursacht wird, die nicht infolge einer legalen oder illegalen Interessenvertretung, Protestkundgebung, Arbeitsverweigerung oder ‑niederlegung wie Streik eintritt, mit der keiner der unter den Ziffern i bis iii genannten Schäden beabsichtigt wird, oder

b)

Handlungen, die in anwendbaren internationalen Übereinkünften und Protokollen zur Terrorismusbekämpfung als Straftat gelten und als solche definiert sind, oder

c)

die wissentliche Beteiligung oder Mitwirkung an einer Maßnahme zur Stärkung der Fähigkeit einer terroristischen Einheit, eine unter den Buchstaben a oder b genannte Handlung oder Unterlassung zu erleichtern oder durchzuführen, oder die Anweisung einer Person, Gruppe oder Organisation zur Durchführung einer solchen Maßnahme oder

d)

die Begehung einer strafbaren Handlung, wobei die die Straftat darstellende Handlung oder Unterlassung zugunsten, unter der Leitung oder in Verbindung mit einer terroristischen Einheit erfolgt, oder

e)

die Sammlung von Vermögenswerten oder die Aufforderung einer Person, Gruppe oder Organisation, Vermögenswerte oder finanzielle oder andere damit zusammenhängende Dienstleistungen zum Zweck der Durchführung einer Handlung oder Unterlassung gemäß den Buchstaben a oder b bereitzustellen, die Bereitstellung oder Zugänglichmachung solcher Vermögenswerte oder Dienstleistungen oder die Verwendung oder den Besitz von Vermögenswerten zum Zweck der Durchführung einer Handlung oder Unterlassung gemäß den Buchstaben a oder b oder

f)

den Versuch oder die Androhung einer Handlung oder Unterlassung gemäß den Buchstaben a oder b, die Verabredung zur Begehung oder Unterlassung einer solchen Handlung, die Beihilfe zu einer solchen Handlung oder Unterlassung, diesbezügliche Anweisungen oder eine diesbezügliche Beratung oder die nachträgliche Mittäterschaft oder die Bereitstellung von Unterschlupf oder Verstecken, um einer terroristischen Einheit die Erleichterung oder Durchführung einer Handlung oder Unterlassung gemäß den Buchstaben a oder b zu ermöglichen.

g)

Für die Zwecke dieses Absatzes bezeichnet der Begriff ‚terroristische Einheit‘:

i)

eine Person, Gruppe oder Organisation, deren Zweck oder Tätigkeit unter anderem darin besteht, eine unter den Buchstaben a oder b genannte Handlung oder Unterlassung zu erleichtern oder durchzuführen, oder

ii)

eine Person, Gruppe oder Organisation, die wissentlich im Auftrag, unter der Leitung oder in Verbindung mit einer unter Ziffer i genannten Person, Gruppe oder Organisation handelt.

(3)   Als grenzübergreifende schwere Kriminalität gilt jede Straftat, die nach kanadischem Recht in Kanada mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens vier Jahren oder mit einer schwereren Strafe geahndet wird, wenn die Straftat grenzübergreifenden Charakter hat.

Für die Zwecke dieses Abkommens gilt eine Straftat als grenzübergreifend, wenn sie

a)

in mehr als einem Land verübt wird,

b)

in einem Land verübt wird, aber ein Großteil ihrer Vorbereitung, Planung, Lenkung oder Überwachung in einem anderen Land stattfindet,

c)

in einem Land im Rahmen einer organisierten kriminellen Vereinigung verübt wird, die kriminellen Handlungen in mehr als einem Land nachgeht,

d)

in einem Land verübt wird, aber beträchtliche Auswirkungen in einem anderen Land hat oder

e)

in einem Land verübt wird und sich der Straftäter in einem anderen Land aufhält oder dorthin ausreisen will.

(4)   In Ausnahmefällen kann die zuständige kanadische Behörde PNR-Daten zum Schutz lebenswichtiger Interessen von Einzelpersonen verarbeiten, zum Beispiel wenn

a)

Gefahr für Leib und Leben besteht oder

b)

die Gesundheit der Allgemeinheit erheblich gefährdet ist, vor allem im Sinne international anerkannter Normen.

(5)   Außerdem kann Kanada im Einzelfall PNR-Daten verarbeiten, damit

a)

die Aufsicht oder Rechenschaftspflicht der öffentlichen Verwaltung gewährleistet ist oder

b)

einer Vorladung, einem erlassenen Haftbefehl oder einer gerichtlichen Verfügung Folge geleistet werden kann.

ARTIKEL 4

Gewährleistung der Bereitstellung von PNR-Daten

(1)   Die Europäische Union sorgt dafür, dass Fluggesellschaften nicht daran gehindert werden, der zuständigen kanadischen Behörde auf der Grundlage dieses Abkommens PNR-Daten zu übermitteln.

(2)   Kanada verlangt von den Fluggesellschaften keine PNR-Datenelemente, die die Fluggesellschaften nicht bereits für Buchungszwecke erhoben oder gespeichert haben.

(3)   Kanada löscht bei Erhalt alle auf der Grundlage dieses Abkommens von Fluggesellschaften übermittelten Daten, wenn die betreffenden Datenelemente nicht im Anhang aufgeführt sind.

(4)   Die Parteien sorgen dafür, dass Fluggesellschaften der zuständigen kanadischen Behörde durch bevollmächtigte Agenturen, die im Namen und unter der Verantwortung der Fluggesellschaften handeln, für die Zwecke dieses Abkommens und unter den darin festgelegten Bedingungen PNR-Daten übermitteln können.

ARTIKEL 5

Angemessenheit

Vorbehaltlich der Einhaltung dieses Abkommens wird davon ausgegangen, dass die zuständige kanadische Behörde bei der Verarbeitung und Verwendung von PNR-Daten einen angemessenen Schutz im Sinne der einschlägigen Datenschutzvorschriften der Europäischen Union gewährleistet. Es wird davon ausgegangen, dass Fluggesellschaften, die Kanada auf der Grundlage dieses Abkommens PNR-Daten übermitteln, die rechtlichen Anforderungen in der Europäischen Union bezüglich der Übermittlung von PNR-Daten aus der Europäischen Union an Kanada erfüllen.

ARTIKEL 6

Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit

(1)   Kanada tauscht zum frühestmöglichen Zeitpunkt sachdienliche analytische Informationen, die im Rahmen dieses Abkommens erlangte PNR-Daten enthalten, mit Europol oder Eurojust im Rahmen ihres jeweiligen Mandats oder mit der Polizei- oder Justizbehörde eines Mitgliedstaats der Europäischen Union aus. Kanada sorgt dafür, dass diese Informationen im Einklang mit den Abkommen und unter Vereinbarungen zwischen Kanada und Europol, Eurojust oder diesem Mitgliedstaat auf dem Gebiet der Strafverfolgung oder des Informationsaustauschs ausgetauscht werden.

(2)   Kanada tauscht auf Ersuchen von Europol oder Eurojust im Rahmen ihres jeweiligen Mandats oder auf Ersuchen der Polizei- oder Justizbehörde eines Mitgliedstaats der Europäischen Union in konkreten Fällen PNR-Daten oder analytische Informationen aus, die im Rahmen dieses Abkommens erlangte PNR-Daten enthalten, um eine terroristische Straftat oder grenzübergreifende schwere Kriminalität in der Europäischen Union zu verhindern, aufzudecken, zu untersuchen oder strafrechtlich zu verfolgen. Kanada stellt diese Informationen im Einklang mit den Abkommen und Vereinbarungen zwischen Kanada und Europol, Eurojust oder diesem Mitgliedstaat auf dem Gebiet der Strafverfolgung, der justiziellen Zusammenarbeit oder des Informationsaustauschs zur Verfügung.

GARANTIEN FÜR DIE VERARBEITUNG VON PNR-DATEN

ARTIKEL 7

Nichtdiskriminierung

Kanada sorgt dafür, dass die auf die Verarbeitung von PNR-Daten anwendbaren Garantien für alle Fluggäste gleichermaßen gelten und keinen Fluggast unrechtmäßig diskriminieren.

ARTIKEL 8

Verwendung sensibler Daten

(1)   Enthalten die PNR-Daten eines Fluggastes sensible Daten, so sorgt Kanada dafür, dass die zuständige kanadische Behörde die sensiblen Daten mit Hilfe automatisierter Systeme unkenntlich macht. Kanada sorgt dafür, dass die zuständige kanadische Behörde diese Daten nicht weiter verarbeitet, außer nach Maßgabe der Absätze 3, 4 und 5.

(2)   Kanada übermittelt der Europäischen Kommission eine Liste mit Codes und Begriffen zur Auffindung sensibler Daten, die Kanada unkenntlich machen muss. Kanada übermittelt diese Liste binnen 90 Tagen nach Inkrafttreten dieses Abkommens.

(3)   Im Einzelfall kann Kanada ausnahmsweise sensible Daten verarbeiten, wenn die Verarbeitung unerlässlich ist, da Gefahr für Leib und Leben einer Einzelperson besteht.

(4)   Kanada sorgt dafür, dass sensible Daten im Einklang mit Absatz 3 ausschließlich unter strengen verfahrensrechtlichen Vorgaben verarbeitet werden, darunter Folgende:

a)

Die Verarbeitung sensibler Daten wird vom Leiter der zuständigen kanadischen Behörde genehmigt;

b)

sensible Daten werden nur von einem eigens und persönlich hierzu befugten Bediensteten verarbeitet und

c)

nach Aufhebung der Unkenntlichmachung werden sensible Daten nicht mit Hilfe automatisierter Systeme verarbeitet.

(5)   Kanada löscht sensible Daten spätestens 15 Tage nach Erhalt, es sei denn, Kanada speichert die Daten gemäß Artikel 16 Absatz 5.

(6)   Verarbeitet die zuständige kanadische Behörde im Einklang mit den Absätzen 3, 4 und 5 sensible Daten, die eine Einzelperson betreffen, die Bürger eines Mitgliedstaats der Europäischen Union ist, sorgt Kanada dafür, dass die zuständige kanadische Behörde die Behörden dieses Mitgliedstaats zum frühestmöglichen Zeitpunkt von der Verarbeitung in Kenntnis setzt. Kanada übermittelt die entsprechende Mitteilung im Einklang mit den Abkommen und Vereinbarungen zwischen Kanada und diesem Mitgliedstaat auf dem Gebiet der Strafverfolgung oder des Informationsaustauschs.

ARTIKEL 9

Datensicherheit und ‑integrität

(1)   Kanada ergreift regulatorische, verfahrensrechtliche oder technische Maßnahmen, um zu verhindern, dass versehentlich, unrechtmäßig oder ohne Befugnis auf PNR-Daten zugegriffen wird, solche Daten versehentlich, unrechtmäßig oder ohne Befugnis verarbeitet werden oder verloren gehen.

(2)   Kanada gewährleistet, dass die Einhaltung der Vorschriften überprüft wird, und sorgt für den Schutz, die Sicherheit, die Vertraulichkeit und die Integrität der Daten. Kanada

a)

wendet Verschlüsselungs-, Genehmigungs- und Dokumentierungsverfahren auf die PNR-Daten an,

b)

beschränkt den Zugriff auf PNR-Daten auf befugte Bedienstete,

c)

bewahrt PNR-Daten in einer gesicherten physischen Umgebung auf, die durch Zugangskontrollen geschützt ist, und

d)

legt ein Verfahren fest, mit dem sichergestellt wird, dass Abfragen von PNR-Daten nach Maßgabe des Artikels 3 erfolgen.

(3)   Wird auf die PNR-Daten einer Einzelperson ohne Befugnis zugegriffen oder werden diese ohne Befugnis weitergegeben, ergreift Kanada Maßnahmen zur Benachrichtigung der betreffenden Person und zur Minderung des Schadensrisikos sowie Abhilfemaßnahmen.

(4)   Kanada sorgt dafür, dass die zuständige kanadische Behörde die Europäische Kommission unverzüglich über wesentliche Vorfälle informiert, in denen versehentlich, unrechtmäßig oder ohne Befugnis auf PNR-Daten zugegriffen wurde oder in denen solche Daten versehentlich, unrechtmäßig oder ohne Befugnis verarbeitet wurden oder verloren gegangen sind.

(5)   Kanada sorgt dafür, dass bei jedem Verstoß gegen die Datensicherheit, insbesondere solchen Verstößen, die die versehentliche oder unrechtmäßige Vernichtung, den versehentlichen Verlust, die Änderung, die unbefugte Weitergabe, den unbefugten Zugriff oder eine unrechtmäßige Form der Verarbeitung zur Folge haben, wirksame und abschreckende Korrekturmaßnahmen ergriffen werden, zu denen auch Strafen gehören können.

ARTIKEL 10

Aufsicht

(1)   Die Einhaltung der Datenschutzgarantien bei der Verarbeitung von PNR-Daten im Rahmen dieses Abkommens wird von einer unabhängigen Behörde oder einer durch administrative Mittel eingerichteten Stelle, die ihre Aufgaben unparteiisch wahrnimmt und nachweislich unabhängig Entscheidungen trifft (im Folgenden ‚Aufsichtsbehörde‘), beaufsichtigt. Kanada sorgt dafür, dass die Aufsichtsbehörde befugt ist, die Einhaltung der Vorschriften bezüglich der Erhebung, Verwendung, Weitergabe, Speicherung oder Vernichtung von PNR-Daten zu überprüfen. Die Aufsichtsbehörde kann entsprechende Überprüfungen und Untersuchungen durchführen, über die Ergebnisse Bericht erstatten und der zuständigen kanadischen Behörde Empfehlungen unterbreiten. Kanada sorgt dafür, dass die Aufsichtsbehörde befugt ist, bei Zuwiderhandlungen im Zusammenhang mit diesem Abkommen gegebenenfalls eine strafrechtliche Verfolgung einleiten oder Disziplinarmaßnahmen verhängen zu lassen.

(2)   Kanada sorgt dafür, dass die Aufsichtsbehörde dafür Sorge trägt, dass Beschwerden bezüglich Verstößen gegen das Abkommen entgegengenommen, untersucht und beantwortet und angemessene Abhilfemaßnahmen ergriffen werden.

ARTIKEL 11

Transparenz

(1)   Kanada sorgt dafür, dass die zuständige kanadische Behörde folgende Informationen auf ihrer Website bereitstellt:

a)

ein Verzeichnis der Rechtsvorschriften, die die Erhebung von PNR-Daten gestatten;

b)

aus welchem Grund PNR-Daten erhoben werden;

c)

wie die PNR-Daten geschützt werden;

d)

auf welche Weise und inwieweit die PNR-Daten weitergegeben werden dürfen;

e)

Angaben dazu, wie Daten eingesehen und berichtigt werden können, zur Möglichkeit, einen Bestreitungsvermerk anbringen zu lassen, und zu Rechtsbehelfen und

f)

Kontaktangaben für Anfragen.

(2)   Zur Förderung der Transparenz arbeiten die Parteien mit interessierten Parteien wie der Luftverkehrsbranche zusammen, vorzugsweise zum Zeitpunkt der Buchung, und stellen Fluggästen folgende Informationen zur Verfügung:

a)

Gründe für die Erhebung von PNR-Daten,

b)

Verwendung von PNR-Daten,

c)

Verfahren für die Beantragung von Auskunft über PNR-Daten und

d)

Verfahren für die Beantragung der Berichtigung von PNR-Daten.

ARTIKEL 12

Zugang von Einzelpersonen

(1)   Kanada sorgt dafür, dass jede Einzelperson Zugang zu ihren PNR-Daten hat.

(2)   Kanada sorgt dafür, dass die zuständige kanadische Behörde innerhalb einer angemessenen Frist

a)

der Einzelperson eine Kopie ihrer PNR-Daten zur Verfügung stellt, wenn diese schriftlich Auskunft über ihre PNR-Daten beantragt hat;

b)

jeden Antrag schriftlich beantwortet;

c)

der Einzelperson Zugang zu den erfassten Informationen gewährt und bestätigt, dass die PNR-Daten der Einzelperson offengelegt wurden, wenn diese eine solche Bestätigung wünscht;

d)

die rechtlichen oder tatsächlichen Gründe für die Verweigerung des Zugangs zu den PNR-Daten der Einzelperson erläutert;

e)

die Einzelperson entsprechend informiert, wenn keine PNR-Daten existieren;

f)

die Einzelperson über die Möglichkeit der Einlegung einer Beschwerde und über das Beschwerdeverfahren informiert.

(3)   Kanada kann jede Offenlegung von Informationen angemessenen rechtlichen Anforderungen und Beschränkungen unterwerfen, darunter Beschränkungen, die zur Verhinderung, Aufdeckung, Untersuchung oder strafrechtlichen Verfolgung von Straftaten oder zum Schutz der öffentlichen oder nationalen Sicherheit unter gebührender Beachtung des berechtigten Interesses der betroffenen Person erforderlich sind.

ARTIKEL 13

Recht von Einzelpersonen auf Berichtigung oder Anbringung eines Bestreitungsvermerks

(1)   Kanada sorgt dafür, dass jede Einzelperson die Berichtigung ihrer PNR-Daten beantragen kann.

(2)   Kanada sorgt dafür, dass die zuständige kanadische Behörde alle schriftlichen Anträge auf Berichtigung prüft und innerhalb einer angemessenen Frist

a)

die PNR-Daten berichtigt und die Einzelperson von der Berichtigung in Kenntnis setzt oder

b)

die Berichtigung ganz oder teilweise ablehnt und

i)

den PNR-Daten einen Bestreitungsvermerk beifügt, dem zu entnehmen ist, welche beantragten Berichtigungen abgelehnt wurden,

ii)

die Einzelperson davon in Kenntnis setzt, dass

i.

der Berichtigungsantrag abgelehnt wurde, und die rechtlichen oder tatsächlichen Gründe für die Ablehnung erläutert,

ii.

der Bestreitungsvermerk gemäß Ziffer i den PNR-Daten beigefügt wurde und

c)

die Einzelperson über die Möglichkeit, eine Beschwerde einzulegen, und über das Beschwerdeverfahren informiert.

ARTIKEL 14

Verwaltungsrechtliche und gerichtliche Rechtsbehelfe

(1)   Kanada sorgt dafür, dass eine unabhängige Behörde oder eine durch administrative Mittel eingerichtete Stelle, die ihre Aufgaben unparteiisch wahrnimmt und nachweislich unabhängig Entscheidungen trifft, Beschwerden von Einzelpersonen betreffend ihren Antrag auf Auskunft über ihre PNR-Daten, Berichtigung dieser Daten oder Anbringung eines Bestreitungsvermerks entgegennimmt, prüft und beantwortet. Kanada sorgt dafür, dass die betreffende Behörde den Beschwerdeführer über die Möglichkeiten der Einlegung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gemäß Absatz 2 informiert.

(2)   Kanada sorgt dafür, dass jede Person, die der Auffassung ist, dass ihre Rechte durch eine Entscheidung oder Maßnahme in Bezug auf ihre PNR-Daten verletzt wurden, Anspruch hat auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf nach kanadischem Recht im Hinblick auf eine gerichtliche Überprüfung oder auf eine andere Wiedergutmachung, wozu auch Schadenersatzzahlungen gehören können.

ARTIKEL 15

Entscheidungen auf der Grundlage der automatisierten Verarbeitung

Kanada trifft Entscheidungen, die einen Fluggast erheblich beeinträchtigen, nicht allein auf der Grundlage der automatisierten Verarbeitung von PNR-Daten.

ARTIKEL 16

Speicherung von PNR-Daten

(1)   Kanada speichert PNR-Daten höchstens fünf Jahre ab dem Tag, an dem es sie erhalten hat.

(2)   Kanada beschränkt den Datenzugriff auf eine begrenzte Anzahl von durch Kanada eigens hierzu befugten Bediensteten.

(3)   30 Tage nach Erhalt der PNR-Daten nimmt Kanada eine Anonymisierung durch Unkenntlichmachung der Namen sämtlicher Fluggäste vor.

Zwei Jahre nach Erhalt der PNR-Daten nimmt Kanada eine weitere Anonymisierung durch Unkenntlichmachung folgender Informationen vor:

a)

andere Namen im PNR-Datensatz sowie Anzahl der in dem Datensatz erfassten Reisenden,

b)

sämtliche verfügbaren Kontaktangaben, einschließlich Informationen zur Identifizierung des Dateneingebers,

c)

allgemeine Eintragungen, unter anderem Other Supplementary Information (OSI), Special Service Information (SSI) und Special Service Request (SSR) Information, sofern sie Angaben enthalten, anhand deren eine natürliche Person identifiziert werden kann, und

d)

etwaige für Buchungszwecke erhobene Daten zur Advance Passenger Information (API), sofern sie Angaben enthalten, anhand deren eine natürliche Person identifiziert werden kann.

(4)   Kanada darf die Unkenntlichmachung von PNR-Daten nur aufheben, wenn aufgrund der verfügbaren Informationen Untersuchungen nach Maßgabe des Artikels 3 durchgeführt werden müssen, und zwar

a)

von 30 Tagen bis zwei Jahren nach dem erstmaligen Erhalt nur durch eine begrenzte Anzahl eigens hierzu befugter Bediensteter und

b)

von zwei bis fünf Jahren nach dem erstmaligen Erhalt nur mit vorheriger Genehmigung des Leiters der zuständigen kanadischen Behörde oder eines vom Leiter eigens hiermit beauftragten hohen Beamten.

(5)   Unbeschadet des Absatzes 1 gilt:

a)

Kanada darf PNR-Daten speichern, die bis zum Abschluss einer besonderen Maßnahme, Überprüfung, Untersuchung, Vollzugsmaßnahme, eines Gerichtsverfahrens, einer strafrechtlichen Verfolgung oder der Vollstreckung von Strafen erforderlich sind;

b)

Kanada darf die PNR-Daten, auf die Buchstabe a Bezug nimmt, während weiterer zwei Jahre nur speichern, um die Rechenschaftspflicht oder Aufsicht der öffentlichen Verwaltung zu gewährleisten, sodass sie dem [Fluggast] offengelegt werden können, sollte dieser dies beantragen.

(6)   Kanada vernichtet die PNR-Daten bei Ablauf von deren Speicherfrist.

ARTIKEL 17

Protokollierung und Dokumentierung der Verarbeitung von PNR-Daten

Kanada protokolliert und dokumentiert die gesamte Verarbeitung von PNR-Daten. Kanada verwendet Protokolle oder Dokumentierungen ausschließlich

a)

zu Zwecken der Selbstüberwachung und der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung,

b)

zur Gewährleistung einer angemessenen Datenintegrität,

c)

zur Gewährleistung der Sicherheit der Datenverarbeitung und

d)

zur Gewährleistung der Aufsicht und Rechenschaftspflicht der öffentlichen Verwaltung.

ARTIKEL 18

Weitergabe innerhalb Kanadas

(1)   Kanada sorgt dafür, dass die zuständige kanadische Behörde PNR-Daten an andere [Behörden] in Kanada nur weitergibt, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

a)

die PNR-Daten werden an [Behörden] weitergegeben, deren Aufgaben einen direkten Bezug zum Anwendungsbereich des Artikels 3 aufweisen,

b)

die PNR-Daten werden nur fallweise weitergegeben,

c)

unter den betreffenden Umständen ist die Weitergabe zu den in Artikel 3 genannten Zwecken notwendig,

d)

es werden nur die unbedingt erforderlichen PNR-Daten weitergegeben,

e)

die [Behörde], die die PNR-Daten erhält, gewährleistet einen den in diesem Abkommen beschriebenen Garantien entsprechenden Schutz und

f)

die [Behörde], die die PNR-Daten erhält, gibt diese nur dann an eine andere Stelle weiter, wenn die Weitergabe von der zuständigen kanadischen Behörde unter Einhaltung der in diesem Absatz festgelegten Bedingungen genehmigt wurde.

(2)   Werden analytische Informationen übermittelt, die im Rahmen dieses Abkommens erlangte PNR-Daten enthalten, sind die in diesem Artikel festgelegten Garantien für diese Daten einzuhalten.

ARTIKEL 19

Weitergabe außerhalb Kanadas

(1)   Kanada sorgt dafür, dass die zuständige kanadische Behörde PNR-Daten an [Behörden] in anderen Ländern als den Mitgliedstaaten der EU nur weitergibt, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

a)

die PNR-Daten werden an [Behörden] weitergegeben, deren Aufgaben einen direkten Bezug zum Anwendungsbereich des Artikels 3 aufweisen;

b)

die PNR-Daten werden nur fallweise weitergegeben;

c)

die PNR-Daten werden nur weitergegeben, wenn dies zu den in Artikel 3 genannten Zwecken notwendig ist;

d)

es werden nur die unbedingt erforderlichen PNR-Daten weitergegeben;

e)

die zuständige kanadische Behörde ist davon überzeugt, dass

i)

die ausländische Behörde, die die PNR-Daten erhält, im Einklang mit den Abkommen und Vereinbarungen, die Normen zum Schutz von PNR-Daten umfassen, solche Normen anwendet und diese den in diesem Abkommen festgelegten Normen entsprechen, oder

ii)

die ausländische Behörde die von ihr mit der Europäischen Union vereinbarten Normen zum Schutz von PNR-Daten anwendet.

(2)   Gibt die zuständige kanadische Behörde im Einklang mit Absatz 1 PNR-Daten einer Einzelperson weiter, die Bürger eines Mitgliedstaats der Europäischen Union ist, sorgt Kanada dafür, dass die zuständige kanadische Behörde die Behörden dieses Mitgliedstaats zum frühestmöglichen Zeitpunkt von der Weitergabe in Kenntnis setzt. Kanada übermittelt die entsprechende Mitteilung im Einklang mit den Abkommen und Vereinbarungen zwischen Kanada und diesem Mitgliedstaat auf dem Gebiet der Strafverfolgung oder des Informationsaustauschs.

(3)   Werden analytische Informationen übermittelt, die im Rahmen dieses Abkommens erlangte PNR-Daten enthalten, sind die in diesem Artikel festgelegten Garantien für diese Daten einzuhalten.

ARTIKEL 20

Übermittlungsverfahren

Die Parteien stellen sicher, dass die Fluggesellschaften der zuständigen kanadischen Behörde die PNR-Daten ausschließlich im ‚Push‘-Verfahren und unter Beachtung folgender Verfahrensbedingungen übermitteln:

a)

Übermittlung der PNR-Daten auf elektronischem Wege entsprechend den technischen Erfordernissen der zuständigen kanadischen Behörde oder im Falle technischer Störungen auf jede sonstige geeignete Weise, die ein angemessenes Datensicherheitsniveau gewährleistet;

b)

Übermittlung der PNR-Daten unter Verwendung eines gegenseitig anerkannten Nachrichtenformats;

c)

Übermittlung der PNR-Daten in sicherer Weise unter Verwendung der von der zuständigen kanadischen Behörde geforderten gemeinsamen Protokolle.

ARTIKEL 21

Häufigkeit der Datenübermittlung

(1)   Kanada sorgt dafür, dass die zuständige kanadische Behörde von den Fluggesellschaften verlangt,

a)

die PNR-Daten planmäßig zu übermitteln, wobei die früheste Übermittlung bis zu 72 Stunden vor dem planmäßigen Abflug erfolgen kann, und

b)

die PNR-Daten je Flug höchstens fünfmal zu übermitteln.

(2)   Kanada sorgt dafür, dass die zuständige kanadische Behörde den Fluggesellschaften die Übermittlungszeitpunkte mitteilt.

(3)   In Fällen, in denen Hinweise darauf vorliegen, dass ein zusätzlicher Zugang zu den Daten notwendig ist, um auf eine bestimmte Gefahr im Zusammenhang mit dem Anwendungsbereich des Artikels 3 zu reagieren, kann die zuständige kanadische Behörde die PNR-Daten auch vor, zwischen oder nach den planmäßigen Übermittlungen von einer Fluggesellschaft verlangen. Kanada nutzt diesen Ermessensspielraum mit aller Umsicht und unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit sowie unter Einsatz des Übermittlungsverfahrens gemäß Artikel 20.

DURCHFÜHRUNGS- UND SCHLUSSBESTIMMUNGEN

ARTIKEL 22

Vor Inkrafttreten dieses Abkommens erhaltene PNR-Daten

Kanada wendet dieses Abkommen auf alle PNR-Daten an, in dessen Besitz es zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abkommens ist.

ARTIKEL 23

Gegenseitigkeit

(1)   Falls die Europäische Union eine PNR-Daten-Verarbeitungsregelung für die Europäische Union einführt, beraten sich die Parteien darüber, ob dieses Abkommen geändert werden sollte, um die volle Gegenseitigkeit sicherzustellen.

(2)   Die jeweiligen Behörden Kanadas und der Europäischen Union arbeiten zusammen, um die Kohärenz ihrer Verarbeitungsregelungen für PNR-Daten weiter auszubauen, um die Sicherheit der Bürger in Kanada, der Europäischen Union und andernorts weiter zu verbessern.

ARTIKEL 24

Nichtabweichung

Dieses Abkommen ist nicht dahin gehend auszulegen, dass von einer aufgrund einer Amtshilfevereinbarung zwischen Kanada und Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder Drittländern bestehenden Verpflichtung zur Übermittlung oder Beantwortung von Hilfeersuchen abgewichen werden darf.

ARTIKEL 26

Konsultation, Überprüfung und Änderungen

   …

(2)   Die Parteien überprüfen gemeinsam die Durchführung des Abkommens ein Jahr nach dessen Inkrafttreten und danach in regelmäßigen Abständen sowie auf Ersuchen einer Partei und nach gemeinsamem Beschluss.

ARTIKEL 28

Laufzeit

(1)   Vorbehaltlich des Absatzes 2 gilt dieses Abkommen für einen Zeitraum von sieben Jahren ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens.

(2)   Am Ende jedes Siebenjahreszeitraums verlängert sich das Abkommen automatisch um weitere sieben Jahre, sofern nicht eine Partei der anderen mitteilt, dass sie dieses Abkommen nicht verlängern will. Die Partei muss dies der anderen Partei mindestens sechs Monate vor Ablauf des Siebenjahreszeitraums auf diplomatischem Wege schriftlich notifizieren.

(3)   Kanada wendet das Abkommen weiterhin auf alle PNR-Daten an, die es vor Kündigung des Abkommens erhalten hat.

ANHANG

Elemente von Fluggastdatensätzen nach Artikel 2 Buchstabe b

1.

PNR-Buchungscode (Locator Code)

2.

Datum der Buchung bzw. der Ausstellung des Flugscheins

3.

Datum bzw. Daten des geplanten Flugs

4.

Name(n)

5.

Verfügbare Vielflieger- und Bonus-Daten (Gratisflugscheine, Upgrades usw.)

6.

Andere Namen im PNR-Datensatz sowie Anzahl der in dem Datensatz erfassten Reisenden

7.

Sämtliche verfügbaren Kontaktangaben, einschließlich Informationen zur Identifizierung des Dateneingebers

8.

Sämtliche verfügbaren Zahlungs-/Abrechnungsinformationen (ohne weitere Transaktionsdetails für eine Kreditkarte oder ein Konto, die nicht mit der die Reise betreffenden Transaktion verknüpft sind)

9.

Von dem jeweiligen PNR-Datensatz erfasste Reiseroute

10.

Reisebüro/Sachbearbeiter

11.

Code-Sharing-Informationen

12.

Informationen über Buchungssplitting bzw. ‑teilung

13.

Reisestatus des Fluggastes (einschließlich Bestätigungen und Eincheckstatus)

14.

Flugscheininformationen (Ticketing Information), einschließlich Flugscheinnummer, Hinweis auf einen etwaigen einfachen Flug (One Way Ticket) und automatische Tarifanzeige (Automatic Ticket Fare Quote)

15.

Sämtliche Informationen zum Gepäck

16.

Sitzplatzinformationen, inklusive Sitzplatznummer

17.

Allgemeine Eintragungen einschließlich OSI- (Other Supplementary Information), SSI- (Special Service Information) und SSR-Informationen (Special Service Request)

18.

Etwaige für Buchungszwecke erhobene Daten zur Advance Passenger Information (API)

19.

Historie aller Änderungen in Bezug auf die unter den Nummern 1 bis 18 aufgeführten PNR-Daten.“

VI. Ausführungen des Parlaments in seinem Gutachtenantrag

A. Zur geeigneten Rechtsgrundlage des Beschlusses des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens

31

Das Parlament trägt vor, mit dem geplanten Abkommen würden nach dessen Art. 1 zwei Ziele verfolgt: die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und die Festlegung der Bedingungen, unter denen die PNR-Daten zu schützen seien. Hauptziel sei aber der Schutz personenbezogener Daten. Das Unionsrecht im Bereich des Schutzes personenbezogener Daten stehe nämlich der Übermittlung von PNR-Daten an Drittländer, die keinen angemessenen Schutz solcher Daten gewährleisteten, entgegen. Mit dem geplanten Abkommen solle somit eine Art „Angemessenheitsbeschluss“ im Sinne von Art. 25 Abs. 6 der Richtlinie 95/46 geschaffen werden, um eine Rechtsgrundlage für die rechtmäßige Übermittlung der PNR-Daten von der Union nach Kanada zu haben. Dieser Ansatz entspreche dem, der zuvor im Abkommen von 2006 und der auf der Grundlage von Art. 25 Abs. 6 der Richtlinie 95/46 erlassenen Entscheidung 2006/253 verfolgt worden sei.

32

Art. 82 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV eigneten sich nicht als Rechtsgrundlagen für den Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens. Der Beschluss sei vielmehr auf Art. 16 AEUV zu stützen, der in sämtlichen Bereichen des Unionsrechts anwendbar sei, auch in denen des Titels V des Dritten Teils des AEU-Vertrags über den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, was durch die Erklärung zum Schutz personenbezogener Daten im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen und der polizeilichen Zusammenarbeit im Anhang der Schlussakte der Regierungskonferenz, die den Vertrag von Lissabon angenommen habe (ABl. 2010, C 83, S. 345), bestätigt werde.

33

Dass der Hauptbestandteil des geplanten Abkommens den Schutz personenbezogener Daten betreffe, werde durch dessen Inhalt bestätigt. Die meisten Bestimmungen des Abkommens, insbesondere seine Kernbestimmungen, nämlich Art. 4 Abs. 1 und Art. 5, die die Rechtsgrundlage der rechtmäßigen Übermittlung von PNR-Daten aus der Union nach Kanada darstellten, beträfen den Schutz personenbezogener Daten. Zudem gehe es in dem Abkommen um die Übermittlung von PNR-Daten an die kanadischen Behörden nicht durch die europäischen Behörden, sondern durch Unternehmen, und zwar die Fluggesellschaften. Es könne deshalb schwerlich angenommen werden, dass die Bestimmungen unter die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit im engeren Sinne fielen. Außerdem sei Art. 6 („Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit“) des geplanten Abkommens gegenüber dessen Art. 4 und 5 von untergeordneter Bedeutung, weil er nur bei deren Anwendung zum Zuge komme. Kanada könne die betreffenden Informationen nämlich nur übermitteln, wenn es von den Fluggesellschaften zuvor die PNR-Daten erhalten habe. Und die Fluggesellschaften dürften Kanada die PNR-Daten nur auf der Grundlage eines „Angemessenheitsbeschlusses“ übermitteln. Außerdem regele Art. 6 nicht den Austausch von Informationen zwischen den betreffenden Behörden. Er verweise lediglich auf andere internationale Übereinkünfte in diesem Bereich.

34

Sollte der Gerichtshof dennoch zu der Ansicht gelangen, dass mit dem geplanten Abkommen Ziele verfolgt würden, die untrennbar miteinander verbunden seien, könnte der Beschluss des Rates über den Abschluss des Abkommens zugleich auf Art. 16, Art. 82 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV gestützt werden. Hinsichtlich der Anwendbarkeit der Protokolle Nrn. 21 und 22 sei auf die durch das Urteil vom 27. Februar 2014, Vereinigtes Königreich/Rat (C‑656/11, EU:C:2014:97, Rn. 49), begründete Rechtsprechung des Gerichtshofs hinzuweisen, nach der sich auf die Rechtmäßigkeit der Wahl der Rechtsgrundlage einer Handlung der Union nicht auswirke, welche Folge sie im Hinblick auf die Anwendung oder die fehlende Anwendung eines den Verträgen beigefügten Protokolls haben könne.

B. Zur Vereinbarkeit des geplanten Abkommens mit den Vorschriften des AEU-Vertrags und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

35

Das Parlament vertritt die Auffassung, in Anbetracht der ernsthaften Zweifel, die der EDSB insbesondere in seiner Stellungnahme vom 30. September 2013 geäußert habe, und der durch das Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238), begründeten Rechtsprechung bestehe Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Frage, ob das geplante Abkommen mit Art. 16 AEUV sowie mit Art. 7, Art. 8 und Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) vereinbar sei.

36

Die im geplanten Abkommen vorgesehene Übermittlung von PNR-Daten aus der Union nach Kanada, auf die die kanadischen Behörden dann gegebenenfalls zugreifen könnten, falle unter die Art. 7 und 8 der Charta. Aus den PNR-Daten ließen sich insgesamt sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben der betreffenden Personen ziehen, z. B. ihr ständiger oder vorübergehender Aufenthaltsort, ihre Reisen und ihre Tätigkeiten. Mit dem Abkommen werde daher in großem Umfang und besonders schwer in die durch die Art. 7 und 8 der Charta garantierten Grundrechte eingegriffen.

37

Angesichts der Anforderungen von Art. 52 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 2 der Charta sei zu prüfen, ob das geplante Abkommen ein „Gesetz“ im Sinne dieser Vorschriften darstelle und ob es als Rechtsgrundlage für Einschränkungen der Ausübung der durch die Art. 7 und 8 der Charta garantierten Rechte herhalten könne. Der Begriff des Gesetzes decke sich mit dem des Gesetzgebungsakts im Sinne des AEU-Vertrags. Eine internationale Übereinkunft stelle aber keinen Gesetzgebungsakt dar, so dass sich die Frage stelle, ob es nicht zweckmäßiger wäre, auf der Grundlage von Art. 16 AEUV einen internen Rechtsakt zu erlassen als gemäß Art. 218 AEUV eine internationale Übereinkunft wie das geplante Abkommen zu schließen.

38

Hinsichtlich des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sei auf die durch das Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 47 und 48), begründete Rechtsprechung des Gerichtshofs zu verweisen. Im vorliegenden Fall sei der Gestaltungsspielraum des Unionsgesetzgebers eingeschränkt. Es müsse gerichtlich streng überprüft werden, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet worden sei, u. a., weil Grundrechtseingriffe in Rede stünden.

39

Außerdem ergebe sich aus der durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 1. Juli 2008, Liberty u. a./Vereinigtes Königreich (CE:ECHR:2008:0701JUD005824300, §§ 62 und 63), begründeten Rechtsprechung und der durch das Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung), begründeten Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass das geplante Abkommen klare und präzise Regeln für die Tragweite und die Anwendung der fraglichen Maßnahmen vorsehen und Mindestanforderungen aufstellen müsse, so dass die Personen, deren personenbezogene Daten verarbeitet worden seien, über ausreichende Garantien verfügten, die einen wirksamen Schutz der Daten vor Missbrauchsrisiken sowie vor jedem unberechtigten Zugang und jeder unberechtigten Nutzung ermöglichten.

40

Erstens sei fraglich, ob die Schaffung eines „PNR-Systems“ im Sinne von Art. 52 Abs. 1 Satz 2 der Charta erforderlich sei. Der Rat und die Kommission hätten bislang nicht dargetan, dass der Abschluss des geplanten Abkommens tatsächlich erforderlich sei.

41

Zweitens betreffe das geplante Abkommen pauschal sämtliche Fluggäste. Diese müssten sich nicht in einer Situation befinden, die Strafverfolgungsmaßnahmen nach sich ziehen könne. Es sei auch nicht erforderlich, dass ein Zusammenhang zwischen ihren PNR-Daten und einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestehe. Es gebe also überhaupt keine Grenzen. Außerdem seien die im Abkommen genannten Kriterien und Voraussetzungen unbestimmt. Mit ihnen lasse sich die Verarbeitung der PNR-Daten durch die kanadischen Behörden nicht auf das absolut Notwendige beschränken. Das Abkommen mache den Zugang zu den PNR-Daten durch die kanadischen Behörden nicht von einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Behörde abhängig, die dazu diene, den Zugang zu den Daten und ihre Verwendung auf das zu beschränken, was zur Erreichung des verfolgten Ziels absolut notwendig sei, und die auf einen begründeten Antrag an das Gericht oder die Behörde im Rahmen von Verfahren der Verhütung, Aufklärung oder Verfolgung von Straftaten hin durchgeführt werde.

42

Drittens gelte die Dauer der Speicherung von PNR-Daten, die in Art. 16 des geplanten Abkommens auf fünf Jahre festgesetzt sei, unterschiedslos für sämtliche Fluggäste. Der Rat habe die Entscheidung für eine solche Dauer der Speicherung in keiner Weise objektiv gerechtfertigt. Selbst wenn die im Abkommen von 2006 vorgesehene Dauer von dreieinhalb Jahren zulässig wäre, stelle sich die Frage, warum sie auf fünf Jahre habe angehoben werden müssen.

43

Viertens schließlich gewährleiste das geplante Abkommen nicht, dass die von den kanadischen Behörden zu treffenden Maßnahmen angemessen seien und den wesentlichen Anforderungen von Art. 8 der Charta und Art. 16 AEUV entsprächen.

VII. Zusammenfassung der beim Gerichtshof eingereichten Stellungnahmen

44

Die bulgarische und die estnische Regierung, Irland, die spanische und die französische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Rat und die Kommission haben beim Gerichtshof schriftliche Stellungnahmen zum vorliegenden Gutachtenantrag eingereicht.

45

Ferner hat der Gerichtshof den Mitgliedstaaten und den in Art. 196 Abs. 3 seiner Verfahrensordnung genannten Organen Fragen zur schriftlichen Beantwortung gestellt. Er hat gemäß Art. 24 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union auch den EDSB aufgefordert, die Fragen zu beantworten. Dieser hat seine Stellungnahme beim Gerichtshof eingereicht.

A. Zur Zulässigkeit des Gutachtenantrags

46

Die französische Regierung und der Rat haben Zweifel an der Zulässigkeit der zweiten Frage des vorliegenden Gutachtenantrags. Mit dieser Frage stelle das Parlament nämlich weder die Zuständigkeit der Union für den Abschluss des geplanten Abkommens noch die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten in diesem Bereich in Frage. Außerdem hätte die Heranziehung der Art. 82 und 87 AEUV, auch wenn sie unzutreffend wäre, keinen Einfluss auf das beim Erlass des Beschlusses des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens einzuhaltende Verfahren, da sowohl bei der Anwendung von Art. 16 AEUV als auch bei der Anwendung der Art. 82 und 87 AEUV eine Entscheidung im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erforderlich wäre. In beiden Fällen wäre daher Art. 218 Abs. 6 Buchst. a Ziff. v AEUV anwendbar, so dass die Zustimmung des Parlaments erforderlich wäre.

B. Zur geeigneten Rechtsgrundlage des Beschlusses des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens

47

Die bulgarische und die estnische Regierung, Irland, die französische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Rat und die Kommission vertreten die Auffassung, Hauptziel des geplanten Abkommens sei die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, wie sich u. a. aus den Abs. 1, 2, 3 und 5 der Präambel des Abkommens und aus dessen Art. 1 und 3 ergebe. Zwar werde mit dem Abkommen auch der Schutz personenbezogener Daten bezweckt. Dieses Ziel sei gegenüber dem Hauptziel jedoch von untergeordneter Bedeutung.

48

Der Rat und die Kommission fügen hinzu, bei der Übermittlung von PNR-Daten in Drittländer müsse zwar die Charta beachtet werden. Die den Schutz dieser Daten betreffenden Bestimmungen des geplanten Abkommens stellten aber lediglich das Mittel dar, mit dem das Abkommen das Ziel der Bekämpfung von Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität verfolge. Auch wenn das Abkommen mit zahlreichen Bestimmungen die Modalitäten und Voraussetzungen der Übermittlung von PNR-Daten unter Beachtung der Grundrechte festlege und eine Art von „Angemessenheitsbeschluss“ schaffe, bleibe sein Hauptziel die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit. Art. 16 AEUV komme nur dann als Rechtsgrundlage für einen Rechtsakt in Betracht, wenn der Schutz personenbezogener Daten dessen Hauptziel sei. Rechtsakte zur Verwirklichung von Politiken in bestimmten Bereichen, die gewisse Verarbeitungen personenbezogener Daten erforderten, müssten hingegen auf die bereichsspezifische Rechtsgrundlage gestützt werden und sowohl mit Art. 8 der Charta als auch mit den auf der Grundlage von Art. 16 AEUV erlassenen Unionsrechtsakten im Einklang stehen.

49

Die französische Regierung macht hilfsweise geltend, es sei durchaus möglich, den Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens gleichzeitig auf mehrere materielle Rechtsgrundlagen, nämlich Art. 16, Art. 82 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV, zu stützen. Alle diese Rechtsgrundlagen sähen das ordentliche Gesetzgebungsverfahren vor und seien deshalb miteinander kompatibel. Da sich Irland und das Vereinigte Königreich sowie das Königreich Dänemark nach den Protokollen Nrn. 21 und 22 nicht an der Annahme von Maßnahmen beteiligten, die zum Dritten Teil Titel V des AEU-Vertrags gehörten, könne ein Rechtsakt im Prinzip zwar nicht gleichzeitig auf unter diesen Titel und nicht unter diesen Titel fallende Vorschriften gestützt werden. Würden aber auf der Grundlage von Art. 16 AEUV Vorschriften über die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten erlassen, die in den Anwendungsbereich des Dritten Teils Titel V Kapitel 4 oder 5 des AEU-Vertrags fielen, würden sich Irland und das Vereinigte Königreich sowie das Königreich Dänemark nicht an ihrer Annahme beteiligen, weil die Vorschriften sie gemäß Art. 6a des Protokolls Nr. 21 bzw. Art. 2a des Protokolls Nr. 22 nicht bänden.

50

Der Rat vertritt hingegen die Auffassung, dass eine Kombination von Art. 16 AEUV und der Art. 82 und 87 AEUV wegen der speziellen Regeln über die Abstimmungsmodalitäten des Rates, wie sie sich aus den Protokollen Nrn. 21 und 22 für die Beteiligung Irlands und des Vereinigten Königreichs bzw. des Königreichs Dänemark ergäben, rechtlich nicht zulässig sei.

C. Zur Vereinbarkeit des geplanten Abkommens mit den Vorschriften des AEU-Vertrags und der Charta

51

Alle Mitgliedstaaten, die beim Gerichtshof Erklärungen eingereicht haben, sowie der Rat und die Kommission sind im Kern der Auffassung, dass das geplante Abkommen mit den Vorschriften des AEU-Vertrags und der Charta vereinbar sei.

52

In Bezug auf das Vorliegen eines Eingriffs in die in den Art. 7 und 8 der Charta verankerten Grundrechte teilen die estnische und die französische Regierung die Auffassung des Parlaments, dass das geplante Abkommen einen solchen Eingriff darstelle, weil es die Union verpflichte, die Übermittlung von PNR-Daten an die zuständige kanadische Behörde nicht zu verhindern (Art. 4 Abs. 1), und die Verarbeitung der Daten durch diese Behörde vorsehe (Art. 3). Die französische Regierung vertritt jedoch die Auffassung, dass der Eingriff nicht als besonders schwer zu qualifizieren sei. Er sei weniger einschneidend als der Eingriff durch die Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG (ABl. 2006, L 105, S. 54), die Gegenstand der Rechtssache gewesen sei, in der das Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238), ergangen sei. Im Übrigen ließen sich aus PNR-Daten keine besonders genauen Schlüsse auf das Privatleben der Fluggäste ziehen.

53

Alle Mitgliedstaaten, die Erklärungen eingereicht haben, sowie der Rat und die Kommission vertreten die Auffassung, dass das geplante Abkommen eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung habe, nämlich die Bekämpfung von Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität.

54

In Bezug auf die Anforderungen, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, teilen der Rat und die Kommission die Auffassung des Parlaments. Unter Berufung auf die durch das Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 54), begründete Rechtsprechung des Gerichtshofs und auf Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 95/46 machen sie geltend, dass das geplante Abkommen klare und präzise Regeln für die Tragweite und die Anwendung des fraglichen Eingriffs und ausreichende Garantien vorsehen müsse, die einen wirksamen Schutz der personenbezogenen Daten vor Missbrauchsrisiken sowie vor jedem unberechtigten Zugang zu diesen Daten und jeder unberechtigten Nutzung ermöglichten.

55

Was insbesondere die Erforderlichkeit der Übermittlung der PNR-Daten an Kanada angeht, räumt die Kommission, unterstützt durch den Rat, ein, dass es keine genauen Statistiken gebe, aus denen ersichtlich wäre, inwieweit die Daten zur Vorbeugung, Aufklärung, Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung von Kriminalität und Terrorismus beitrügen. Dass die Verwendung der PNR-Daten unerlässlich sei, werde aber durch Informationen aus Drittländern und Mitgliedstaaten bestätigt, die die Daten bereits zur strafrechtlichen Verfolgung heranzögen. Wie in der Begründung des Vorschlags vom 2. Februar 2011 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verwendung von Fluggastdatensätzen zu Zwecken der Verhütung, Aufdeckung, Aufklärung und strafrechtlichen Verfolgung von terroristischen Straftaten und schwerer Kriminalität (KOM[2011] 32 endgültig) ausgeführt werde, habe die Verwendung von PNR-Daten, wie die Erfahrung bestimmter Länder zeige, insbesondere zu entscheidenden Fortschritten im Kampf gegen Drogenhandel, Menschenhandel und Terrorismus sowie zu besseren Erkenntnissen über die Zusammensetzung und Operationen von Terrornetzen und sonstigen kriminellen Netzen geführt.

56

Außerdem hätten die kanadischen Behörden Informationen vorgelegt, aus denen hervorgehe, dass die PNR-Daten entscheidend zur Identifizierung von Personen beigetragen hätten, die terroristischer oder schwerer Straftaten verdächtig gewesen seien. Von April 2014 bis März 2015 seien 28 Mio. Fluggäste aus der Union nach Kanada geflogen. Die PNR-Daten hätten in 178 Fällen die Feststellung der Identität, in 71 Fällen die Beschlagnahme von Betäubungsmitteln und in 2 Fällen die Beschlagnahme kinderpornografischen Materials ermöglicht. Aufgrund der PNR-Daten sei es ferner möglich gewesen, in 169 Fällen Ermittlungen im Zusammenhang mit terroristischen Straftaten einzuleiten oder fortzusetzen. Schließlich müsse nach der Mitteilung der Kommission vom 21. September 2010 über das sektorübergreifende Konzept für die Übermittlung von Fluggastdatensätzen (PNR) an Drittländer (KOM[2010] 492 endgültig, im Folgenden: Mitteilung KOM[2010] 492) die Union „nicht nur in ihrem eigenen Interesse, sondern auch im Interesse von Drittländern mit diesen gemeinsam gegen [Terrorismus und grenzübergreifende schwere Kriminalität] vorgehen“.

57

Die estnische Regierung, Irland, die spanische und die französische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Rat und die Kommission stimmen im Wesentlichen darin überein, dass das geplante Abkommen den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit genüge und dass sich der vorliegende Fall von dem unterscheide, um den es im Urteil vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a. (C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238), gegangen sei. Der durch das geplante Abkommen vorgesehene Mechanismus komme eher systematischen Kontrollen an den Außengrenzen und Sicherheitskontrollen in Flughäfen gleich als einer Vorratsspeicherung von Daten im Sinne der Richtlinie 2006/24. Außerdem sei das geplante Abkommen in seiner Rechtsnatur und seinen Wirkungen deutlich begrenzter als die Richtlinie. Anders als die Richtlinie enthalte es strenge Regeln über die Voraussetzungen und Grenzen des Zugangs zu den Daten und deren Verwendung sowie Regeln über die Sicherheit der Daten. Und es sehe eine Überwachung der Beachtung der Regeln durch eine unabhängige Behörde, die Information der betroffenen Personen über die Übermittlung und Verarbeitung ihrer Daten, ein Recht auf Auskunft und Berichtigung sowie Verwaltungs- und gerichtliche Rechtsbehelfe vor, um die Rechte dieser Personen zu gewährleisten.

58

Zu dem Vorbringen des Parlaments, das geplante Abkommen mache die Übermittlung von PNR-Daten nicht vom Vorliegen einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit abhängig, machen die estnische und die französische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die Kommission im Wesentlichen geltend, mit der Verwendung solcher Daten solle die Identifizierung von Personen ermöglicht werden, von denen eine potenzielle Gefahr für die Sicherheit ausgehe und die den zuständigen Behörden bislang nicht bekannt gewesen seien. Personen, die den Behörden bereits bekannt seien, könnten auf der Grundlage zuvor zusammengetragener Informationen über die Fluggäste identifiziert werden. Wäre nur die Übermittlung von PNR-Daten über Personen, bei denen bereits mitgeteilt worden sei, dass von ihnen eine Gefahr für die Sicherheit ausgehe, zulässig, könnte das Ziel der Vorbeugung nicht erreicht werden.

59

Zu den Grenzen der Verwendung von PNR-Daten machen der Rat und die Kommission geltend, das geplante Abkommen sei nicht deshalb zu unbestimmt, weil in seinem Art. 3 Abs. 3 auf das kanadische Recht verwiesen werde. In eine internationale Übereinkunft könnten schwerlich ausschließlich unionsrechtliche Begriffe aufgenommen werden. Hintergrund von Art. 3 Abs. 5 Buchst. b des Abkommens sei die allen kanadischen Behörden durch die kanadische Verfassung auferlegte Verpflichtung, einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung Folge zu leisten. Außerdem setze diese Vorschrift voraus, dass der Zugang zu den PNR-Daten vom Gericht anhand der Kriterien der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit geprüft und in seiner Entscheidung begründet worden sei. Im Übrigen hätten die kanadischen Behörden die Vorschrift seit dem Inkrafttreten der Vereinbarung von 2006 in der Praxis noch nie angewandt.

60

Zur Begrenzung der Behörden und Personen, die Zugang zu den PNR-Daten haben, vertreten der Rat und die Kommission die Auffassung, die fehlende Benennung der zuständigen kanadischen Behörde im geplanten Abkommen sei eine verfahrensrechtliche Frage, die dafür, ob das Abkommen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einhalte, unerheblich sei. Jedenfalls habe Kanada der Union im Juni 2014 mitgeteilt, dass die zuständige kanadische Behörde im Sinne von Art. 2 Buchst. d des Abkommens die CBSA sei. Nach Art. 16 Abs. 2 des geplanten Abkommens habe Kanada den Datenzugriff auf eine „begrenzte Anzahl von durch Kanada eigens hierzu befugten Bediensteten“ zu beschränken. Folglich seien nur die Bediensteten der CBSA befugt, Daten zu erhalten und zu verarbeiten. Zusätzliche Garantien fänden sich in Art. 9 Abs. 2 Buchst. a und b sowie in Art. 9 Abs. 4 und 5 des Abkommens.

61

Was die Tatsache angeht, dass das geplante Abkommen den Zugang zu den PNR-Daten nicht von einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Behörde abhängig macht, vertritt Irland die Auffassung, dass eine solche Kontrolle in Anbetracht der in den Art. 11 bis 14, 16, 18 und 20 des Abkommens enthaltenen Garantien nicht unerlässlich sei. Die estnische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs vertreten die Auffassung, die Kriterien der PNR-Daten, die verarbeitet werden müssten, ließen sich nicht im Voraus bestimmen, so dass nicht generell die Einholung einer vorherigen Genehmigung verlangt werden könne. Eine vorherige Genehmigung könnte daher lediglich allgemein sein und brächte keinen Mehrwert.

62

Zu der Frage der Weitergabe von PNR-Daten an andere Behörden macht die Kommission geltend, in den Art. 1, 3, 18 und 19 des geplanten Abkommens sei streng geregelt, für welche Zwecke PNR-Daten verarbeitet und unter welchen Voraussetzungen sie weitergegeben werden dürften. Jedenfalls müsse jede Weitergabe von PNR-Daten nach Art. 17 des geplanten Abkommens protokolliert und dokumentiert und nachträglich durch eine unabhängige Behörde überprüft werden.

63

Die Dauer der Speicherung von PNR-Daten geht nach Auffassung der estnischen und der französischen Regierung, Irlands und der Regierung des Vereinigten Königreichs nicht über das hinaus, was im allgemeinen Kontext des geplanten Abkommens absolut notwendig sei. Ermittlungen im Bereich des Terrorismus und der grenzübergreifenden schweren Kriminalität seien komplex und schwierig. Zwischen der Reise eines Fluggasts, der an entsprechenden Straftaten beteiligt sei, und dem Zeitpunkt, zu dem die Strafverfolgungsbehörden Zugang zu den Fluggastdaten erhalten müssten, um solche Taten aufzudecken, zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen, könne eine gewisse Zeit vergehen. Das Strafverfahren könne mitunter erst mehr als fünf Jahre nach der Weitergabe der PNR-Daten abgeschlossen werden. Zu berücksichtigen seien ferner die Vorschriften von Art. 16 des geplanten Abkommens, die für die Unkenntlichmachung der PNR-Daten und die Aufhebung ihrer Unkenntlichmachung zum besseren Schutz personenbezogener Daten strenge Modalitäten vorschrieben, und die Vorschriften von Art. 8 Abs. 5 des Abkommens, die eine Sonderregelung für sensible Daten enthielten.

64

Der Rat und die Kommission machen geltend, die Dauer der Speicherung von PNR-Daten müsse sich gemäß Art. 6 der Richtlinie 95/46 nach ihrer Erforderlichkeit für die Realisierung der Zwecke, für die sie erhoben würden, richten. Deshalb lasse sich die Verhältnismäßigkeit einer bestimmten Speicherdauer nicht abstrakt beurteilen. Die Parteien des geplanten Abkommens seien davon ausgegangen, dass die darin vorgesehene Speicherdauer von fünf Jahren absolut notwendig sei, um die mit ihm verfolgten Ziele zu erreichen. Bei einer Dauer von dreieinhalb Jahren, wie sie im Abkommen von 2006 vorgesehen sei, hätten die PNR-Daten nach Auffassung Kanadas nicht wirksam genutzt werden können, um Sachverhalte aufzudecken, bei denen eine erhöhte Gefahr von Terrorismus oder organisiertem Verbrechen bestehe. Die Ermittlungen brauchten Zeit. Außerdem sei in Art. 16 Abs. 3 des geplanten Abkommens eine erste Unkenntlichmachung der PNR-Daten 30 Tage nach Erhalt und eine weitere zwei Jahre nach Erhalt vorgesehen.

65

Zur Überwachung der Einhaltung der Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten durch eine unabhängige Stelle, wie sie von Art. 8 Abs. 3 der Charta und Art. 16 Abs. 2 AEUV gefordert wird, machen der Rat und die Kommission geltend, die fehlende Nennung der zuständigen kanadischen Behörde im geplanten Abkommen ändere nichts daran, dass die von Kanada zu treffenden Maßnahmen angemessen seien. Im Übrigen sei der Kommission mitgeteilt worden, wer die zuständigen Behörden gemäß den Art. 10 und 14 des geplanten Abkommens seien.

66

Was die Beachtung der u. a. durch das Urteil vom 9. März 2010, Kommission/Deutschland (C‑518/07, EU:C:2010:125, Rn. 30), begründeten Rechtsprechung des Gerichtshofs angeht, wonach die für die Überwachung zuständige Stelle mit einer Unabhängigkeit ausgestattet sein muss, die es ihr ermöglicht, ihre Aufgaben ohne äußere Einflussnahme wahrzunehmen, weist die Kommission darauf hin, dass der Privacy Commissioner of Canada eine sowohl institutionell als auch funktional unabhängige Stelle sei. In den Art. 10 und 14 des geplanten Abkommens habe die Einrichtung einer „durch administrative Mittel eingerichteten Stelle“ vorgesehen werden müssen, um zu garantieren, dass sämtliche möglicherweise betroffenen Personen ihre Rechte ausüben könnten, einschließlich des Rechts auf Auskunft, denn die kanadischen Rechtsvorschriften sähen für Ausländer, die sich nicht in Kanada aufhielten, kein solches Recht vor.

VIII. Stellungnahme des Gerichtshofs

67

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs Bestimmungen einer internationalen Übereinkunft, die die Union gemäß den Art. 217 und 218 AEUV geschlossen hat, ab dem Inkrafttreten der Übereinkunft Bestandteil der Unionsrechtsordnung sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. April 1974, Haegeman, 181/73, EU:C:1974:41, Rn. 5, und vom 11. März 2015, Oberto und O’Leary, C‑464/13 und C‑465/13, EU:C:2015:163, Rn. 29; Gutachten 2/13 [Beitritt der Union zur EMRK] vom 18. Dezember 2014, EU:C:2014:2454, Rn. 180). Sie müssen darum mit den Verträgen und den Verfassungsgrundsätzen, die sich aus ihnen ableiten lassen, im Einklang stehen.

A. Zur Zulässigkeit des Gutachtenantrags

68

Nach Art. 218 Abs. 11 AEUV können ein Mitgliedstaat, das Europäische Parlament, der Rat oder die Kommission ein Gutachten des Gerichtshofs über die Vereinbarkeit einer geplanten Übereinkunft mit den Verträgen einholen.

69

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs dient diese Bestimmung dazu, Komplikationen zu vermeiden, die entstehen könnten, wenn die Vereinbarkeit internationaler Übereinkünfte, die die Union verpflichten, mit den Verträgen vor Gericht bestritten würde. Eine gerichtliche Entscheidung, mit der eine die Union verpflichtende internationale Übereinkunft nach ihrem Abschluss wegen ihres Inhalts oder des Verfahrens ihres Zustandekommens für mit den Verträgen unvereinbar erklärt würde, würde nämlich nicht nur unionsintern, sondern auch auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen zu ernsten Schwierigkeiten führen und könnte für alle Beteiligten einschließlich der Drittstaaten Nachteile mit sich bringen (Gutachten 2/13 [Beitritt der Union zur EMRK] vom 18. Dezember 2014, EU:C:2014:2454, Rn. 145 und 146 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

70

Demnach müssen im Rahmen des Verfahrens gemäß Art. 218 Abs. 11 AEUV alle Fragen zulässig sein, die Zweifel an der materiellen oder formellen Vereinbarkeit des Abkommens mit den Verträgen hervorrufen können. Die Beurteilung der Vereinbarkeit eines Abkommens mit den Verträgen kann insoweit nicht nur von den Vorschriften über die Zuständigkeit, das Verfahren oder das institutionelle Gefüge der Union, sondern auch von den Bestimmungen des materiellen Rechts abhängen (vgl. in diesem Sinne, in Bezug auf Art. 300 Abs. 6 EG, Gutachten 1/08 [Abkommen zur Änderung der Listen spezifischer Verpflichtungen nach dem GATS] vom 30. November 2009, EU:C:2009:739, Rn. 108 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dasselbe gilt für eine Frage nach der Vereinbarkeit einer internationalen Übereinkunft mit Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV und folglich mit den Garantien der Charta, die den Verträgen rechtlich gleichrangig ist.

71

Zu der Frage der geeigneten Rechtsgrundlage für den Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens ist festzustellen, dass die Wahl der geeigneten Rechtsgrundlage verfassungsrechtliche Bedeutung hat, da die Union, die nur über begrenzte Ermächtigungen verfügt, die Rechtsakte, die sie erlässt, mit einer Bestimmung des AEU-Vertrags verknüpfen muss, die sie tatsächlich hierzu ermächtigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Oktober 2009, Kommission/Rat, C‑370/07, EU:C:2009:590, Rn. 47).

72

Die Wahl einer ungeeigneten Rechtsgrundlage kann somit den Abschlussakt selbst ungültig machen – ein Mangel, unter dem dann auch die Zustimmung der Union zu ihrer Bindung an die von ihr unterzeichnete Übereinkunft leidet.

73

Das Vorbringen der französischen Regierung und des Rates, dass sich die etwaige Wahl einer ungeeigneten Rechtsgrundlage im vorliegenden Fall weder auf die Zuständigkeit der Union für den Abschluss des geplanten Abkommens noch auf die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten in diesem Bereich oder auf das anzuwendende Verfahren auswirken würde, kann nicht dazu führen, dass die zweite Frage des Gutachtenantrags für unzulässig erklärt wird.

74

Das Verfahren gemäß Art. 218 Abs. 11 AEUV dient nämlich dazu, durch die vorherige Anrufung des Gerichtshofs Komplikationen zu vermeiden, die auf Unionsebene und auf internationaler Ebene entstehen könnten, wenn ein Rechtsakt, mit dem eine internationale Übereinkunft geschlossen wird, für ungültig erklärt würde (siehe oben, Rn. 69). Deshalb ist die Anrufung des Gerichtshofs schon dann zulässig, wenn die Gefahr einer solchen Ungültigerklärung besteht. Außerdem ist die Frage, welche tatsächlichen Auswirkungen die Wahl einer oder mehrerer ungeeigneter Rechtsgrundlagen in einem konkreten Fall auf die Gültigkeit eines Rechtsakts wie des Beschlusses des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens hat, mit dem eine internationale Übereinkunft geschlossen wird, untrennbar mit der Prüfung der materiellen Frage verbunden, welche Rechtsgrundlage geeignet ist. Sie kann daher nicht im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit eines Gutachtenantrags beurteilt werden.

75

Somit ist festzustellen, dass der vorliegende Gutachtenantrag insgesamt zulässig ist.

B. Zur geeigneten Rechtsgrundlage des Beschlusses des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens

76

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs muss sich die Wahl der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts der Union – einschließlich eines Rechtsakts, der im Hinblick auf den Abschluss einer internationalen Übereinkunft erlassen wird – auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen, wozu das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts gehören (Urteile vom 6. Mai 2014, Kommission/Parlament und Rat, C‑43/12, EU:C:2014:298, Rn. 29, und vom 14. Juni 2016, Parlament/Rat, C‑263/14, EU:C:2016:435, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

77

Ergibt die Prüfung eines Unionsrechtsakts, dass er zwei Zielsetzungen hat oder aus zwei Komponenten besteht, und lässt sich eine von ihnen als die hauptsächliche oder überwiegende ausmachen, während die andere nur nebensächliche Bedeutung hat, so ist der Rechtsakt nur auf eine Rechtsgrundlage zu stützen, und zwar auf die, die die hauptsächliche oder überwiegende Zielsetzung oder Komponente erfordert. Verfolgt eine Maßnahme dagegen mehrere Zielsetzungen zugleich oder besteht sie aus mehreren Komponenten, die untrennbar miteinander verbunden sind, ohne dass die eine gegenüber der anderen nebensächlich ist, so dass verschiedene Vertragsbestimmungen anwendbar sind, ist sie ausnahmsweise auf die entsprechenden verschiedenen Rechtsgrundlagen zu stützen (Urteil vom 14. Juni 2016, Parlament/Rat, C‑263/14, EU:C:2016:435, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

78

Der Rückgriff auf eine doppelte Rechtsgrundlage ist jedoch ausgeschlossen, wenn sich die für die beiden Rechtsgrundlagen jeweils vorgesehenen Verfahren nicht miteinander vereinbaren lassen (Urteil vom 6. November 2008, Parlament/Rat, C‑155/07, EU:C:2008:605, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79

Die geeignete Rechtsgrundlage für den Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens ist im Licht dieser Erwägungen zu bestimmen.

1. Zu Ziel und Inhalt des geplanten Abkommens

80

Mit dem geplanten Abkommen möchten die Vertragsparteien nach Abs. 3 seiner Präambel ihre Zusammenarbeit ausbauen und weiter voranbringen. Wie es hierzu in Art. 1 („Gegenstand des Abkommens“) des Abkommens heißt, „legen die Parteien fest, unter welchen Bedingungen [PNR-Daten] zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit zu übermitteln und zu verwenden [sind] und wie sie geschützt werden“.

81

Zu dem in Art. 1 des geplanten Abkommens genannten Ziel des Schutzes der öffentlichen Sicherheit heißt es in Abs. 1 seiner Präambel u. a., dass die Parteien in dem Bemühen handeln, Terrorismus und Straftaten mit terroristischem Hintergrund sowie andere grenzübergreifende schwere Kriminalität zu verhindern, zu bekämpfen, zu unterbinden und zu beseitigen. Vor diesem Hintergrund wird in den Abs. 2 und 4 der Präambel die Bedeutung der Bekämpfung von Terrorismus und Straftaten mit terroristischem Hintergrund sowie anderer grenzübergreifender schwerer Kriminalität und der Verwendung der PNR-Daten und des Austauschs von Informationen hierzu hervorgehoben. Auf der Grundlage dieser Feststellungen heißt es dann in Abs. 5 der Präambel, dass zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und zu Strafverfolgungszwecken Regeln für die Übermittlung von PNR-Daten durch die Fluggesellschaften an Kanada festgelegt werden sollten. Schließlich wird in Abs. 16 der Präambel die Bedeutung unterstrichen, die dem Austausch von PNR-Daten und einschlägigen analytischen Informationen, die solche Daten enthalten, die Kanada von den zuständigen Polizei- und Justizbehörden der Mitgliedstaaten der Union, von Europol und von Eurojust erhalten hat, als Mittel zur Stärkung der internationalen polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit zukommt.

82

Mit dem geplanten Abkommen wird demnach das Ziel verfolgt, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, indem PNR-Daten an Kanada übermittelt und im Rahmen der Bekämpfung terroristischer Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität verwendet werden, auch indem sie mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten der Union sowie mit Europol und Eurojust ausgetauscht werden.

83

Zum zweiten in Art. 1 des geplanten Abkommens genannten Ziel, nämlich der Festlegung, wie die PNR-Daten geschützt werden, wird in den Abs. 2, 6 und 7 der Präambel des geplanten Abkommens hervorgehoben, dass es erforderlich ist, im Einklang mit den Verpflichtungen der Union aus Art. 6 EUV die Grundrechte zu schützen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privatlebens und das Recht auf Schutz personenbezogener Daten, die durch die Art. 7 und 8 der Charta garantiert sind, und dass die Parteien durch gemeinsame Werte in Bezug auf Datenschutz und Achtung der Privatsphäre verbunden sind.

84

Ferner geht aus Art. 5 des geplanten Abkommens hervor, dass die Rechtsvorschriften, die die zuständige kanadische Behörde bei der Verarbeitung der PNR-Daten zu beachten hat, das nach dem Unionsrecht gebotene angemessene Schutzniveau im Bereich des Schutzes personenbezogener Daten aufweisen sollen. Mit dem Abkommen wird demnach auch das Ziel verfolgt, ein solches Schutzniveau der Daten zu gewährleisten.

85

In Anbetracht dieser Erwägungen werden in Art. 1 des geplanten Abkommens ausdrücklich die beiden mit ihm verfolgten Ziele genannt.

86

Zum Inhalt des geplanten Abkommens ist festzustellen, dass sein erster Teil mit der Überschrift „Allgemeine Bestimmungen“ (Art. 1 bis 6) einen Art. 5 enthält, der vorsieht, dass vorbehaltlich der Einhaltung des Abkommens davon ausgegangen wird, dass die zuständige kanadische Behörde bei der Verarbeitung und Verwendung von PNR-Daten einen angemessenen Schutz im Sinne der einschlägigen Datenschutzvorschriften der Europäischen Union gewährleistet. Ferner wird davon ausgegangen, dass alle Fluggesellschaften, die Kanada auf der Grundlage des Abkommens PNR-Daten übermitteln, die unionsrechtlichen Anforderungen bezüglich der Übermittlung dieser Daten aus der Union an Kanada erfüllen. Der erste Teil des geplanten Abkommens enthält ferner einen Art. 4, dessen Abs. 1 vorsieht, dass die Union dafür sorgt, dass die Fluggesellschaften nicht daran gehindert werden, der zuständigen kanadischen Behörde PNR-Daten zu übermitteln, wobei diese Behörde nach Art. 2 Buchst. d des Abkommens für den Erhalt und die Verarbeitung der Daten verantwortlich ist. Art. 3 des Abkommens, in dem geregelt ist, zu welchen Zwecken die Verarbeitung der PNR-Daten durch die zuständige kanadische Behörde zulässig ist, sieht in Abs. 1 vor, dass die Verarbeitung nur zum Zweck der Verhinderung, Aufdeckung, Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung von terroristischen Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität zulässig ist, wobei in den Abs. 4 und 5 begrenzte Ausnahmen von diesem Grundsatz vorgesehen sind. Art. 6 des Abkommens sieht schließlich vor, dass PNR-Daten und sachdienliche analytische Informationen, die solche Daten enthalten, mit den zuständigen Polizei- oder Justizbehörden der Mitgliedstaaten, Europol und Eurojust im Einklang mit den Abkommen und unter Vereinbarungen auf dem Gebiet der Strafverfolgung oder des Informationsaustauschs ausgetauscht werden.

87

Der zweite Teil des geplanten Abkommens mit der Überschrift „Garantien für die Verarbeitung von PNR-Daten“ (Art. 7 bis 21) enthält die Vorschriften und Grundsätze, die die Verwendung der PNR-Daten in Kanada durch die zuständige kanadische Behörde und die Weitergabe der Daten an andere Behörden dieses Drittlands und an Behörden in anderen Drittländern regeln und begrenzen. Dabei enthält Art. 7 eine Nichtdiskriminierungsklausel und Art. 8 eine besondere Vorschrift für sensible Daten, in der u. a. die Voraussetzungen, unter denen die Verwendung solcher Daten zulässig ist, abschließend geregelt sind. Der zweite Teil des Abkommens enthält in den Art. 9 und 10 zudem Vorschriften über die Sicherheit und Integrität der PNR-Daten sowie die Beaufsichtigung der Einhaltung der Garantien des Abkommens. Die Art. 11 bis 14 des Abkommens enthalten eine Vorschrift über die Transparenz und legen die Rechte von Personen fest, deren PNR-Daten betroffen sind, etwa das Recht auf Zugang zu den Daten, das Recht auf Berichtigung oder das Recht auf einen Rechtsbehelf.

88

Der zweite Teil des geplanten Abkommens enthält außerdem einen Art. 15, wonach Kanada Entscheidungen, die einen Fluggast erheblich beeinträchtigen, nicht allein auf der Grundlage der automatisierten Verarbeitung von PNR-Daten treffen darf, und einen Art. 16, in dem u. a. die Dauer der Speicherung von PNR-Daten, ihre Unkenntlichmachung und die Aufhebung der Unkenntlichmachung geregelt sind. Ferner sind in den Art. 18 und 19 die Weitergabe der PNR-Daten durch die zuständige kanadische Behörde und in den Art. 20 und 21 das Verfahren und die Häufigkeit der Übermittlung von PNR-Daten geregelt.

89

Aus den verschiedenen Feststellungen zum Inhalt des geplanten Abkommens geht somit hervor, dass sein Gegenstand insbesondere die Schaffung eines Systems ist, das aus einer Gesamtheit von Regeln zum Schutz personenbezogener Daten besteht. Zu dessen Einhaltung bei der Verarbeitung der PNR-Daten hat sich Kanada verpflichtet, wie Abs. 15 der Präambel des Abkommens zu entnehmen ist.

90

Nach seinen Zielen und seinem Inhalt hat das geplante Abkommen demnach zwei Komponenten. Die eine betrifft die Erforderlichkeit der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, die andere den Schutz personenbezogener Daten.

91

Zu der Frage, welche dieser beiden Komponenten überwiegt, ist festzustellen, dass die Übermittlung von PNR-Daten durch die Fluggesellschaften an Kanada und die Verwendung dieser Daten durch die zuständige kanadische Behörde als solche zwar nur durch das Ziel gerechtfertigt werden können, die öffentliche Sicherheit in diesem Drittland und in der Union zu gewährleisten.

92

Inhaltlich besteht das geplante Abkommen aber zu einem großen Teil aus detaillierten Regeln, mit denen gewährleistet wird, dass die Bedingungen, unter denen die Übermittlung von PNR-Daten an Kanada für die Verwendung zu Zwecken des Schutzes der öffentlichen Sicherheit erfolgt, mit dem Schutz personenbezogener Daten im Einklang stehen.

93

Die Übermittlung personenbezogener Daten wie der PNR-Daten aus der Union in ein Drittland ist nämlich nur zulässig, wenn es dort Regeln gibt, die ein Schutzniveau der Grundfreiheiten und Grundrechte gewährleisten, das dem in der Union garantierten der Sache nach gleichwertig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2015, Schrems, C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 68 und 74).

94

Die beiden Komponenten des geplanten Abkommens sind also untrennbar miteinander verbunden, so dass beide als wesentlich anzusehen sind.

2. Zur geeigneten Rechtsgrundlage nach dem AEU-Vertrag

95

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist der Beschluss über den Abschluss des geplanten Abkommens als Erstes unmittelbar dem mit Art. 16 Abs. 2 AEUV verfolgten Ziel zuzuordnen.

96

Unbeschadet des Art. 39 EUV stellt diese Vorschrift nämlich eine geeignete Rechtsgrundlage dar, wenn der Schutz personenbezogener Daten eines der wesentlichen Ziele oder Komponenten der vom Unionsgesetzgeber erlassenen Regeln ist. Das gilt auch für Regeln im Rahmen des Erlasses von Maßnahmen, die unter die Bestimmungen des AEU-Vertrags über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen und die polizeiliche Zusammenarbeit fallen, wie Art. 6a des Protokolls Nr. 21 und Art. 2a des Protokolls Nr. 22 sowie die in Rn. 32 angeführte Erklärung bestätigen.

97

Der Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens ist mithin auf Art. 16 AEUV zu stützen.

98

Als Zweites ist der Beschluss auch auf Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV zu stützen. Diese Vorschrift sieht nämlich vor, dass das Europäische Parlament und der Rat für die Zwecke von Art. 87 Abs. 1 AEUV – wonach die Union „eine polizeiliche Zusammenarbeit zwischen allen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten [entwickelt]“ – Maßnahmen erlassen können, die das „Einholen, Speichern, Verarbeiten, Analysieren und Austauschen sachdienlicher Informationen“ betreffen.

99

Unter den Begriff der sachdienlichen Informationen im Sinne von Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV können in den Bereichen der Verhütung oder Aufdeckung von Straftaten sowie entsprechender Ermittlungen personenbezogene Daten fallen, unter die Begriffe „Verarbeiten“ und „Austauschen“ solcher Daten sowohl ihre Weitergabe an die Behörden der zuständigen Mitgliedstaaten als auch die Verwendung der Daten durch diese Behörden. Maßnahmen, die die Übermittlung personenbezogener Daten an die zuständigen Behörden in den Bereichen der Verhütung oder Aufdeckung von Straftaten sowie entsprechender Ermittlungen und die Verarbeitung der Daten durch diese Behörden betreffen, gehören mithin zur polizeilichen Zusammenarbeit im Sinne von Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV und können auf diese Vorschrift gestützt werden.

100

Im vorliegenden Fall werden durch das geplante Abkommen u. a. die Übermittlung der PNR-Daten an die zuständige kanadische Behörde und die Verwendung der Daten durch diese Behörde geregelt. Nach Art. 2 Buchst. d des geplanten Abkommens in Verbindung mit dessen Art. 3 Abs. 1 ist diese Behörde für die Verarbeitung der PNR-Daten zum Zweck der Verhinderung, Aufdeckung, Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung von terroristischen Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität zuständig. Art. 6 des Abkommens sieht zudem vor, dass Kanada sachdienliche analytische Informationen, die PNR-Daten enthalten, zum frühestmöglichen Zeitpunkt mit Europol und Eurojust sowie mit den Polizei- oder Justizbehörden eines Mitgliedstaats austauscht und in konkreten Fällen auf Ersuchen dieser Behörden PNR-Daten oder analytische Informationen, die PNR-Daten enthalten, austauscht, um eine terroristische Straftat oder grenzübergreifende schwere Kriminalität in der Union zu verhindern, aufzudecken, zu untersuchen oder strafrechtlich zu verfolgen. Wie der Generalanwalt in den Nrn. 105 und 106 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist Gegenstand des geplanten Abkommens demnach das Verarbeiten und Austauschen sachdienlicher Informationen im Sinne von Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV, so dass es auch dem Zweck von Art. 87 Abs. 1 AEUV zuzuordnen ist (siehe insbesondere oben, Rn. 80).

101

Der Umstand, dass die PNR-Daten ursprünglich von Fluggesellschaften für gewerbliche Zwecke erhoben wurden und nicht durch eine zuständige Behörde zur Verhütung oder Aufdeckung von Straftaten sowie zu entsprechenden Ermittlungen, steht daher, anders als das Parlament geltend macht, der Heranziehung von Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV als geeignete Rechtsgrundlage für den Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens nicht entgegen.

102

Hingegen kann der Beschluss nicht auf Art. 82 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d AEUV gestützt werden, wonach das Parlament und der Rat Maßnahmen erlassen dürfen, um „die Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden oder entsprechenden Behörden der Mitgliedstaaten im Rahmen der Strafverfolgung sowie des Vollzugs und der Vollstreckung von Entscheidungen zu erleichtern“.

103

Wie der Generalanwalt in Nr. 108 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, dient nämlich keine Bestimmung des geplanten Abkommens dazu, eine solche Zusammenarbeit zu erleichtern. Außerdem stellt die zuständige kanadische Behörde weder eine Justizbehörde noch eine entsprechende Behörde dar.

104

Somit ist in Anbetracht der in Rn. 77 angeführten Rechtsprechung festzustellen, dass der Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens sowohl auf Art. 16 Abs. 2 als auch auf Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV gestützt werden müsste, sofern eine solche Kombination von Rechtsgrundlagen nicht nach der in Rn. 78 angeführten Rechtsprechung ausgeschlossen ist.

3. Zur Vereinbarkeit der Verfahren gemäß Art. 16 Abs. 2 und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV

105

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen des Verfahrens zum Abschluss einer internationalen Übereinkunft nach Art. 218 AEUV die materiellen Rechtsgrundlagen des Beschlusses über den Abschluss der Übereinkunft die Art des Verfahrens bestimmen, das nach Art. 218 Abs. 6 AEUV Anwendung findet (Urteil vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat, C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 58).

106

Die beiden hier einschlägigen materiellen Rechtsgrundlagen, Art. 16 Abs. 2 und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV, sehen das ordentliche Gesetzgebungsverfahren vor, das die Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit im Rat und die volle Beteiligung des Parlaments am Verfahren verlangt. Der gemeinsame Rückgriff auf beide Vorschriften führt also grundsätzlich nicht zu verschiedenen Rechtsetzungsverfahren.

107

Der Rat macht jedoch im Wesentlichen geltend, wegen der in den Protokollen Nrn. 21 und 22 enthaltenen Vorschriften unterschieden sich die Regeln über die Abstimmung im Rat, je nachdem, ob der Beschluss über den Abschluss einer internationalen Übereinkunft auf Art. 16 Abs. 2 oder auf Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV gestützt werde.

108

Insoweit hat der Gerichtshof zwar bereits entschieden, dass die Protokolle Nrn. 21 und 22 keine wie auch immer gearteten Auswirkungen auf die Frage der geeigneten Rechtsgrundlage für den Erlass des betreffenden Beschlusses haben können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Oktober 2013, Kommission/Rat, C‑137/12, EU:C:2013:675, Rn. 73).

109

Da ein Unterschied bei den Regeln über die Abstimmung im Rat aber zur Unvereinbarkeit der fraglichen Rechtsgrundlagen führen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Januar 2006, Kommission/Parlament und Rat, C‑178/03, EU:C:2006:4, Rn. 58, und vom 19. Juli 2012, Parlament/Rat, C‑130/10, EU:C:2012:472, Rn. 47 und 48), ist zu prüfen, welche Auswirkungen die genannten Protokolle auf die Abstimmungsregeln im Rat haben, wenn der Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens auf Art. 16 Abs. 2 gemeinsam mit Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV gestützt wird.

110

Zum Protokoll Nr. 21 geht aus dem fünften Erwägungsgrund des Vorschlags für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens hervor, dass Irland und das Vereinigte Königreich mitgeteilt haben, dass sie sich an dem Beschluss beteiligen wollen. Wie der Generalanwalt in Nr. 128 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, haben die Vorschriften des Protokolls Nr. 21 daher keine Auswirkungen auf die Abstimmungsregeln im Rat, wenn der Beschluss auf Art. 16 Abs. 2 gemeinsam mit Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV gestützt wird.

111

Mit dem Protokoll Nr. 22 soll, wie sich aus den Abs. 3 bis 5 seiner Präambel ergibt und wie der Generalanwalt in Nr. 132 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ein Rechtsrahmen festgelegt werden, der es den Mitgliedstaaten ermöglicht, ihre Zusammenarbeit im Bereich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts durch den Erlass von Maßnahmen ohne Beteiligung des Königreichs Dänemark, die für diesen Mitgliedstaat nicht bindend sind, weiter auszubauen, und dem Königreich Dänemark gleichzeitig die Option bietet, sich am Erlass von Maßnahmen in diesem Bereich zu beteiligen und an sie unter den Bedingungen von Art. 8 des Protokolls gebunden zu sein.

112

Hierzu heißt es in Art. 1 Abs. 1 des Protokolls Nr. 22, dass sich das Königreich Dänemark nicht an der Annahme von Maßnahmen durch den Rat beteiligt, die nach dem Dritten Teil Titel V des AEU-Vertrags vorgeschlagen werden. Außerdem sieht Art. 2 des Protokolls vor, dass solche Maßnahmen für das Königreich Dänemark nicht bindend sind. Nach Art. 2a des Protokolls gilt dessen Art. 2 „auch für die auf der Grundlage des Artikels 16 [AEUV] festgelegten Vorschriften über die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der Ausübung von Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich des Dritten Teils Titel V Kapitel 4 und 5 des genannten Vertrags fallen“, also zur polizeilichen Zusammenarbeit und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen gehören.

113

Im vorliegenden Fall ist der Beschluss über den Abschluss des geplanten Abkommens sowohl auf Art. 16 als auch auf Art. 87 AEUV zu stützen. Soweit er auf Art. 87 AEUV zu stützen ist, fällt er also unter den Dritten Teil Titel V Kapitel 5 des AEU-Vertrags. Nach den Art. 2 und 2a des Protokolls Nr. 22 sind für das Königreich Dänemark deshalb weder die Bestimmungen des Beschlusses noch das geplante Abkommen bindend. Außerdem wird sich das Königreich Dänemark nach Art. 1 des Protokolls Nr. 22 nicht am Erlass des Beschlusses beteiligen.

114

Anders als der Rat offenbar meint, wird diese Feststellung nicht dadurch entkräftet, dass in Art. 2a des Protokolls Nr. 22 lediglich auf dessen Art. 2 verwiesen wird, ohne dass ausdrücklich ausgeschlossen wird, dass sich das Königreich Dänemark am Erlass der dort genannten, auf Art. 16 AEUV gestützten Vorschriften beteiligt.

115

Nach der Systematik des Protokolls Nr. 22 kann dessen Art. 2 nämlich nicht unabhängig von Art. 1 verstanden und angewandt werden. Die in Art. 2 enthaltene Regel, dass die dort genannten Maßnahmen, Vorschriften und Entscheidungen für das Königreich Dänemark nicht bindend sind, ist ihrem Wesen nach verbunden mit der in Art. 1 enthaltenen Regel, dass sich das Königreich Dänemark nicht an der Annahme von Maßnahmen nach dem Dritten Teil Titel V des AEU-Vertrags beteiligt. Die beiden Regeln können also nicht unabhängig voneinander verstanden werden. Der Verweis in Art. 2a des Protokolls Nr. 22 auf dessen Art. 2 ist deshalb zwingend dahin auszulegen, dass er auch Art. 1 des Protokolls umfasst.

116

Würde dem Königreich Dänemark gestattet, sich am Erlass eines Unionsrechtsakts zu beteiligen, dessen Rechtsgrundlage sowohl Art. 16 AEUV als auch eine der Bestimmungen des AEU-Vertrags über die polizeiliche Zusammenarbeit und die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen ist, ohne dass der Rechtsakt für das Königreich Dänemark bindend wäre, liefe dies im Übrigen dem Ziel des Protokolls Nr. 22 (siehe oben, Rn. 111) zuwider, wie der Generalanwalt in Nr. 132 seiner Schlussanträge ausgeführt hat.

117

Das Protokoll Nr. 22 kann somit im vorliegenden Fall bei gemeinsamem Rückgriff auf Art. 16 Abs. 2 und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV nicht zu unterschiedlichen Abstimmungsregeln im Rat führen.

118

Daher ist auf die zweite Frage des vorliegenden Gutachtenantrags zu antworten, dass der Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens auf Art. 16 Abs. 2 gemeinsam mit Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV zu stützen ist.

C. Zur Vereinbarkeit des geplanten Abkommens mit den Vorschriften des AEU-Vertrags und der Charta

119

Da bei der Frage nach der Vereinbarkeit des geplanten Abkommens mit den Vorschriften des AEU-Vertrags und der Charta auf Art. 16 AEUV und auf die Art. 7 und 8 der Charta Bezug genommen wird, ist im Licht der Ausführungen des Parlaments im Gutachtenantrag davon auszugehen, dass es ein Gutachten des Gerichtshofs über die Vereinbarkeit des geplanten Abkommens insbesondere mit dem Recht auf Achtung des Privatlebens und dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten begehrt.

120

Soweit sich die folgenden Ausführungen auf die Vereinbarkeit des geplanten Abkommens mit dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten beziehen, das sowohl in Art. 16 Abs. 1 AEUV als auch in Art. 8 der Charta niedergelegt ist, wird lediglich auf Art. 8 der Charta Bezug genommen. Zwar heißt es in beiden Bestimmungen, dass jede Person das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten hat. Die Voraussetzungen, unter denen solche Daten verarbeitet werden dürfen, sind aber allein in Art. 8 der Charta, und zwar in dessen Abs. 2, näher geregelt.

1. Zu den betroffenen Grundrechten und den Eingriffen in sie

121

Nach der Aufzählung im Anhang des geplanten Abkommens gehören zu den PNR-Daten, auf die sich das Abkommen bezieht, außer dem Namen des Fluggasts bzw. der Fluggäste u. a. Informationen, die für die Reservierung erforderlich sind, wie die Daten des geplanten Flugs und die Reiseroute, Flugscheininformationen, Gruppen von Personen, die unter derselben Reservierungsnummer registriert sind, die Kontaktangaben des Fluggasts bzw. der Fluggäste, Zahlungs- oder Abrechnungsinformationen, Informationen zum Gepäck und allgemeine Eintragungen über die Fluggäste.

122

Die PNR-Daten enthalten also Informationen über bestimmte natürliche Personen, und zwar die Fluggäste, die aus der Union nach Kanada reisen. Die verschiedenen Verarbeitungen, die mit den PNR-Daten nach dem geplanten Abkommen vorgenommen werden können, nämlich ihre Übermittlung von der Union an Kanada, der Zugang zu den Daten zu ihrer Verwendung oder ihre Speicherung, berühren das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens, das in Art. 7 der Charta garantiert ist. Denn dieses Recht erstreckt sich auf jede Information, die eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person betrifft (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert, C‑92/09 und C‑93/09, EU:C:2010:662, Rn. 52, vom 24. November 2011, Asociación Nacional de Establecimientos Financieros de Crédito, C‑468/10 und C‑469/10, EU:C:2011:777, Rn. 42, und vom 17. Oktober 2013, Schwarz, C‑291/12, EU:C:2013:670, Rn. 26).

123

Die im geplanten Abkommen vorgesehenen Verarbeitungen der PNR-Daten fallen zudem unter Art. 8 der Charta, weil sie Verarbeitungen personenbezogener Daten im Sinne dieses Artikels darstellen und deshalb zwangsläufig die dort vorgesehenen Erfordernisse des Datenschutzes erfüllen müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert, C‑92/09 und C‑93/09, EU:C:2010:662, Rn. 49, vom 5. Mai 2011, Deutsche Telekom, C‑543/09, EU:C:2011:279, Rn. 52, und vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a., C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 29).

124

Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, stellt die Weitergabe personenbezogener Daten an einen Dritten, etwa eine Behörde, unabhängig von der späteren Verwendung der übermittelten Informationen einen Eingriff in das in Art. 7 der Charta verankerte Grundrecht dar. Dasselbe gilt für die Speicherung personenbezogener Daten und den Zugang zu den Daten zu ihrer Verwendung durch die Behörden. Für die Feststellung eines solchen Eingriffs kommt es nicht darauf an, ob die übermittelten Informationen als sensibel anzusehen sind oder ob die Betroffenen durch den Vorgang irgendwelche Nachteile erlitten haben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. Mai 2003, Österreichischer Rundfunk u. a., C‑465/00, C‑138/01 und C‑139/01, EU:C:2003:294, Rn. 74 und 75, vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a., C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 33 bis 35, und vom 6. Oktober 2015, Schrems, C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 87).

125

Somit stellen sowohl die Übermittlung der PNR-Daten von der Union an die zuständige kanadische Behörde als auch die von der Union mit Kanada ausgehandelte Regelung der Bedingungen, unter denen die Daten gespeichert, verwendet und eventuell an andere kanadische Behörden, Europol, Eurojust, gerichtliche oder Polizeibehörden der Mitgliedstaaten oder Behörden weiterer Drittländer weitergegeben werden können, wie es u. a. die Art. 3, 4, 6, 8, 12, 15, 16, 18 und 19 des geplanten Abkommens gestatten, Eingriffe in das durch Art. 7 der Charta garantierte Grundrecht dar.

126

Diese Vorgänge stellen, weil es sich bei ihnen um Verarbeitungen personenbezogener Daten handelt, auch einen Eingriff in das durch Art. 8 der Charta garantierte Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten dar (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Oktober 2013, Schwarz, C‑291/12, EU:C:2013:670, Rn. 25, und vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a., C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 36).

127

Insoweit ist zum einen festzustellen, dass das geplante Abkommen die systematische und kontinuierliche Übermittlung der PNR-Daten sämtlicher Fluggäste ermöglicht, die aus der Union nach Kanada reisen.

128

Zum anderen können die PNR-Daten, auch wenn einige von ihnen für sich genommen nicht geeignet sein dürften, bedeutsame Informationen über das Privatleben der betreffenden Personen zu liefern, zusammen betrachtet u. a. einen gesamten Reiseverlauf, Reisegewohnheiten, Beziehungen zwischen zwei oder mehreren Personen sowie Informationen über die finanzielle Situation der Fluggäste, ihre Ernährungsgewohnheiten oder ihren Gesundheitszustand offenbaren und sogar sensible Daten über die Fluggäste im Sinne von Art. 2 Buchst. e des geplanten Abkommens liefern.

129

Die Merkmale, die der im geplanten Abkommen vorgesehenen Regelung der Übermittlung und Verarbeitung von PNR-Daten inhärent sind, bestätigen, dass das Abkommen Eingriffe von realer Bedeutung zulässt.

130

Nach Art. 21 Abs. 1 des geplanten Abkommens sind die Daten nämlich vor dem planmäßigen Abflug des betreffenden Fluggasts zu übermitteln. Wie sich insbesondere aus den Stellungnahmen des Rates, der Kommission und des EDSB sowie aus Abschnitt 2.1 der Mitteilung KOM(2010) 492 ergibt, werden sie vor allem zur „Erkenntnisgewinnung“ verwendet.

131

Wie aus Abschnitt 2.2 dieser Mitteilung hervorgeht und wie insbesondere das Parlament, der Rat, die Kommission und der EDSB in ihren Antworten auf Fragen des Gerichtshofs bestätigt haben, sind die übermittelten PNR-Daten nach dem geplanten Abkommen dazu bestimmt, vor der Ankunft des Flugzeugs in Kanada durch automatisierte Verfahren systematisch analysiert zu werden, die auf im Voraus festgelegten Modellen und Kriterien beruhen. Die Daten können auch automatisiert überprüft werden, indem sie mit anderen Datenbanken abgeglichen werden. Durch solche Verarbeitungen können weitere Informationen über das Privatleben der Fluggäste erlangt werden.

132

Diese Analysen können zudem bei Fluggästen, bei denen davon ausgegangen wird, dass von ihnen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehen könnte, Anlass zu weiteren Überprüfungen an der Grenze geben sowie auf deren Grundlage gegebenenfalls zu individuellen Entscheidungen mit Zwangswirkung führen. Die Analysen werden zudem durchgeführt, ohne dass konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von den betreffenden Personen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehen könnte. Schließlich ermöglicht es die Dauer der Speicherung der PNR-Daten, die nach Art. 16 Abs. 1 des geplanten Abkommens bis zu fünf Jahre betragen kann, während eines besonders langen Zeitraums über Informationen über das Privatleben der Fluggäste zu verfügen.

2. Zur Rechtfertigung der mit dem geplanten Abkommen verbundenen Eingriffe

133

Nach Art. 7 der Charta hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation. Darüber hinaus gewährt Art. 8 Abs. 1 der Charta jeder Person ausdrücklich das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten.

134

Das Recht auf Schutz personenbezogener Daten verlangt u. a., dass im Fall der Übermittlung personenbezogener Daten aus der Union in ein Drittland der Fortbestand des durch das Unionsrecht gewährten hohen Niveaus des Schutzes der Grundfreiheiten und Grundrechte gewährleistet wird. Auch wenn sich die Mittel zur Gewährleistung eines solchen Schutzniveaus von denen unterscheiden können, die in der Union herangezogen werden, um die Wahrung der Anforderungen, die sich aus dem Unionsrecht ergeben, zu gewährleisten, müssen sie sich gleichwohl in der Praxis als wirksam erweisen, um einen Schutz zu gewährleisten, der dem in der Union garantierten der Sache nach gleichwertig ist (vgl. entsprechend Urteil vom 6. Oktober 2015, Schrems, C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 72 bis 74).

135

In diesem Kontext ist ferner festzustellen, dass es nach Abs. 4 der Präambel der Charta „angesichts der Weiterentwicklung der Gesellschaft, des sozialen Fortschritts und der wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen“ notwendig ist, „den Schutz der Grundrechte zu stärken“.

136

Die in den Art. 7 und 8 der Charta niedergelegten Rechte können jedoch keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen, sondern müssen im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Funktion gesehen werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Juni 2003, Schmidberger, C‑112/00, EU:C:2003:333, Rn. 80, vom 9. November 2010, Volker und Markus Schecke und Eifert, C‑92/09 und C‑93/09, EU:C:2010:662, Rn. 48, und vom 17. Oktober 2013, Schwarz, C‑291/12, EU:C:2013:670, Rn. 33).

137

Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass nach Art. 8 Abs. 2 der Charta personenbezogene Daten nur „für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage“ verarbeitet werden dürfen.

138

Überdies muss nach Art. 52 Abs. 1 der Charta jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten (Satz 1); unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen (Satz 2).

139

Hinzuzufügen ist, dass das Erfordernis, dass jede Einschränkung der Ausübung der Grundrechte gesetzlich vorgesehen sein muss, bedeutet, dass die gesetzliche Grundlage für den Eingriff in die Grundrechte den Umfang der Einschränkung der Ausübung des betreffenden Rechts selbst festlegen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses, C‑419/14, EU:C:2015:832, Rn. 81).

140

Zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist festzustellen, dass der Schutz des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens auf Unionsebene nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt, dass sich die Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Schutz personenbezogener Daten auf das absolut Notwendige beschränken (Urteil vom 16. Dezember 2008, Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia, C‑73/07, EU:C:2008:727, Rn. 56, vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a., C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 51 und 52, vom 6. Oktober 2015, Schrems, C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 92, und vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 96 und 103).

141

Um diesem Erfordernis zu genügen, muss die betreffende Regelung, die den Eingriff enthält, klare und präzise Regeln für die Tragweite und die Anwendung der betreffenden Maßnahme vorsehen und Mindesterfordernisse aufstellen, so dass die Personen, deren Daten übermittelt wurden, über ausreichende Garantien verfügen, die einen wirksamen Schutz ihrer personenbezogenen Daten vor Missbrauchsrisiken ermöglichen. Sie muss insbesondere angeben, unter welchen Umständen und unter welchen Voraussetzungen eine Maßnahme, die die Verarbeitung solcher Daten vorsieht, getroffen werden darf, damit gewährleistet ist, dass der Eingriff auf das absolut Notwendige beschränkt wird. Das Erfordernis, über solche Garantien zu verfügen, ist umso bedeutsamer, wenn die personenbezogenen Daten automatisch verarbeitet werden. Dies gilt insbesondere, wenn es um den Schutz der besonderen Kategorie sensibler personenbezogener Daten geht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a., C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 54 und 55, sowie vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 109 und 117; vgl. in diesem Sinne EGMR, 4. Dezember 2008, S. und Marper/Vereinigtes Königreich, CE:ECHR:2008:1204JUD003056204, § 103).

a) Zur Grundlage der im geplanten Abkommen vorgesehenen Verarbeitungen von PNR-Daten

142

Zu der Frage, ob die Übermittlung der PNR-Daten an Kanada und ihre spätere Verarbeitung mit „Einwilligung“ der Fluggäste erfolgen oder auf „einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage“ im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Charta beruhen, ist festzustellen, dass mit solchen Verarbeitungen der PNR-Daten ein anderer Zweck verfolgt wird als der, für den die Daten von den Fluggesellschaften erhoben wurden.

143

Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Einwilligung der Fluggäste zur Erhebung der PNR-Daten durch die Fluggesellschaften zum Zweck der Reservierung auf solche Verarbeitungen erstreckt. Die Verarbeitungen erfordern daher als solche eine spezielle Einwilligung der Fluggäste oder eine sonstige gesetzlich geregelte legitime Grundlage.

144

Da keine Bestimmung des geplanten Abkommens die Übermittlung der PNR-Daten an Kanada und ihre anschließende Verarbeitung von der Einwilligung der betroffenen Fluggäste abhängig macht, ist zu prüfen, ob das Abkommen eine sonstige gesetzlich geregelte legitime Grundlage im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Charta darstellt.

145

Insoweit kann das Argument des Parlaments, das geplante Abkommen falle, da es keinen „Gesetzgebungsakt“ darstelle, nicht unter den Begriff des Gesetzes im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Charta und somit von Art. 52 Abs. 1 der Charta, jedenfalls keinen Erfolg haben.

146

Art. 218 Abs. 6 AEUV spiegelt nämlich auf internationaler Ebene die Verteilung der Befugnisse der Organe bei interner Rechtsetzung wider und stellt eine Symmetrie zwischen dem internen Rechtsetzungsverfahren bei Unionsmaßnahmen und dem Verfahren zum Erlass internationaler Übereinkünfte her, um zu gewährleisten, dass das Parlament und der Rat im Zusammenhang mit einem bestimmten Bereich unter Wahrung des durch die Verträge vorgesehenen institutionellen Gleichgewichts die gleichen Befugnisse haben (Urteil vom 24. Juni 2014, Parlament/Rat, C‑658/11, EU:C:2014:2025, Rn. 56). Deshalb ist für den Abschluss von internationalen Übereinkünften, die Bereiche betreffen, in denen im internen Rechtsetzungsverfahren das in Art. 294 AEUV vorgesehene ordentliche Gesetzgebungsverfahren Anwendung findet, nach Art. 218 Abs. 6 Buchst. a Ziff. v AEUV die Zustimmung des Parlaments erforderlich. Wie der Generalanwalt in Nr. 192 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann eine solche Übereinkunft daher als das Äquivalent auf internationaler Ebene eines Gesetzgebungsakts im internen Rechtsetzungsverfahren angesehen werden. Im Übrigen ist im vorliegenden Verfahren von keiner Seite behauptet worden, dass das geplante Abkommen die Voraussetzungen der Zugänglichkeit und der Vorhersehbarkeit, die vorliegen müssen, damit die Eingriffe, die mit ihm verbunden sind, als im Sinne von Art. 8 Abs. 2 und Art. 52 Abs. 1 der Charta gesetzlich vorgesehen eingestuft werden können, nicht erfüllen könnte.

147

Somit ist festzustellen, dass die Übermittlung der PNR-Daten an Kanada auf einer „sonstigen gesetzlich geregelten … Grundlage“ im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Charta beruht. Die Frage, ob diese Grundlage legitim im Sinne dieser Bestimmung ist, überschneidet sich im vorliegenden Fall mit der in den Rn. 148 ff. des vorliegenden Gutachtens untersuchten Frage, ob das mit dem geplanten Abkommen verfolgte Ziel dem Gemeinwohl dient.

b) Zur dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung und zur Achtung des Wesensgehalts der betreffenden Grundrechte

148

Mit dem geplanten Abkommen wird u. a. das Ziel verfolgt, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, indem PNR-Daten an Kanada übermittelt und im Rahmen der Bekämpfung terroristischer Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität verwendet werden (siehe oben, Rn. 82).

149

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs stellt dieses Ziel eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung der Union dar, die auch schwere Eingriffe in die in den Art. 7 und 8 der Charta niedergelegten Grundrechte rechtfertigen kann. Darüber hinaus trägt der Schutz der öffentlichen Sicherheit auch zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer bei. Insoweit ist festzustellen, dass nach Art. 6 der Charta jeder Mensch das Recht nicht nur auf Freiheit, sondern auch auf Sicherheit hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. April 2014, Digital Rights Ireland u. a., C‑293/12 und C‑594/12, EU:C:2014:238, Rn. 42 und 44, sowie vom 15. Februar 2016, N., C‑601/15 PPU, EU:C:2016:84, Rn. 53).

150

Zum Wesensgehalt des in Art. 7 der Charta niedergelegten Grundrechts auf Achtung des Privatlebens ist festzustellen, dass die PNR-Daten zwar unter Umständen sehr genaue Informationen über das Privatleben einer Person liefern können, doch ist die Art dieser Informationen auf bestimmte Aspekte dieses Privatlebens beschränkt, die insbesondere Flugreisen zwischen Kanada und der Union betreffen. Zum Wesensgehalt des in Art. 8 der Charta niedergelegten Rechts auf Schutz personenbezogener Daten ist festzustellen, dass die Zwecke der Verarbeitung der PNR-Daten in Art. 3 des geplanten Abkommens begrenzt werden und dass sein Art. 9 Regeln enthält, mit denen u. a. die Sicherheit, die Vertraulichkeit und die Integrität dieser Daten gewährleistet und die Daten vor unbefugten Zugriffen und unrechtmäßiger Verarbeitung geschützt werden sollen.

151

Unter diesen Umständen haben die Eingriffe, die mit dem geplanten Abkommen verbunden sind, eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung der Union und sind nicht geeignet, den Wesensgehalt der in den Art. 7 und 8 der Charta niedergelegten Grundrechte zu beeinträchtigen.

c) Zur Eignung der im geplanten Abkommen vorgesehenen Verarbeitungen von PNR-Daten für die Verwirklichung des Ziels der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit

152

Zu der Frage, ob die Übermittlung der PNR-Daten an Kanada und ihre anschließende Verarbeitung in diesem Drittstaat geeignet sind, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, ergibt sich aus Abschnitt 2.2 der Mitteilung KOM(2010) 492, dass aufgrund der Bewertung der von den Fluggästen ausgehenden Risiken durch die Analyse dieser Daten vor Ankunft der Fluggäste „die Sicherheits- und Grenzkontrollen … wesentlich erleichtert und beschleunigt [werden]“. Außerdem hat die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen darauf hingewiesen, dass die Verarbeitung der PNR-Daten nach den Angaben der CBSA u. a. dazu geführt habe, dass von den 28 Mio. Fluggästen, die von April 2014 bis März 2015 aus der Union nach Kanada gereist seien, 178 Personen hätten festgenommen werden können.

153

Unter diesen Umständen kann davon ausgegangen werden, dass die Übermittlung der PNR-Daten an Kanada und ihre anschließende Verarbeitung geeignet sind, die Verwirklichung des mit dem geplanten Abkommen verfolgten Ziels des Schutzes der öffentlichen Sicherheit zu gewährleisten.

d) Zur Erforderlichkeit der mit dem geplanten Abkommen verbundenen Eingriffe

154

Hinsichtlich der Erforderlichkeit der mit dem geplanten Abkommen verbundenen Eingriffe ist nach der in den Rn. 140 und 141 angeführten Rechtsprechung zu prüfen, ob sich die Eingriffe auf das absolut Notwendige beschränken und, in diesem Rahmen, ob das Abkommen klare und präzise Regeln für die Tragweite und die Anwendung der darin vorgesehenen Maßnahmen enthält.

1) Zu den PNR-Daten, auf die sich das geplante Abkommen bezieht

i) Zur hinreichenden Bestimmtheit des geplanten Abkommens hinsichtlich der zu übermittelnden PNR-Daten

155

Das geplante Abkommen müsste hinsichtlich der Daten, auf die es sich bezieht, klar und präzise definieren, welche PNR-Daten die Fluggesellschaften in Anwendung des Abkommens an Kanada übermitteln müssen.

156

Die 19 Rubriken von PNR-Daten im Anhang des geplanten Abkommens entsprechen zwar nach der Stellungnahme der Kommission dem Anhang I der Leitlinien der International Civil Aviation Organization (ICAO) über PNR-Daten. Wie der Generalanwalt in Nr. 217 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, werden die zu übermittelnden PNR-Daten in den Rubriken 5 („Verfügbare Vielflieger- und Bonus-Daten [Gratisflugscheine, Upgrades usw.]“) und 7 („Sämtliche verfügbaren Kontaktangaben, einschließlich Informationen zur Identifizierung des Dateneingebers“) aber nicht hinreichend klar und präzise definiert.

157

Bei Rubrik 5 ist der Umfang der zu übermittelnden Daten wegen der Verwendung des Ausdrucks „usw.“ nicht hinreichend bestimmt. Außerdem ist aus dem Wortlaut dieser Rubrik nicht ersichtlich, ob mit ihr Informationen allein über die Teilnahme der Fluggäste an Bonusprogrammen gemeint sind oder sämtliche Informationen über die Flüge und Buchungen, die im Rahmen solcher Programme durchgeführt werden.

158

Der Umfang der zu übermittelnden Daten ist auch in Rubrik 7 nicht hinreichend bestimmt, in der der Ausdruck „[s]ämtliche verfügbaren Kontaktangaben“ verwendet wird. Insbesondere wird nicht präzisiert, welche Art von Kontaktangaben gemeint sind und ob diese auch, wie sich aus der schriftlichen Antwort der Kommission auf die Fragen des Gerichtshofs ableiten lässt, Informationen über Dritte umfassen, die die Buchung des Fluges für den Fluggast vorgenommen haben, über die ein Fluggast erreicht werden kann oder die im Notfall zu verständigen sind.

159

Rubrik 8 betrifft „[s]ämtliche verfügbaren Zahlungs‑/Abrechnungsinformationen (ohne weitere Transaktionsdetails für eine Kreditkarte oder ein Konto, die nicht mit der die Reise betreffenden Transaktion verknüpft sind)“. Sie könnte zwar wegen der Verwendung des Ausdrucks „[s]ämtliche verfügbaren … [I]nformationen“ besonders weit erscheinen. Wie sich aus der Antwort der Kommission auf die Fragen des Gerichtshofs ergibt, ist aber davon auszugehen, dass sie lediglich Informationen über die Modalitäten der Zahlung und die Abrechnung des Flugtickets betrifft, nicht aber andere Informationen, die keinen direkten Bezug zum Flug aufweisen. Bei dieser Auslegung genügt die Rubrik den Anforderungen an Klarheit und Präzision.

160

Rubrik 17 betrifft „[a]llgemeine Eintragungen einschließlich OSI- (Other Supplementary Information), SSI- (Special Service Information) und SSR-Informationen (Special Service Request)“. Nach den Erläuterungen, die insbesondere die Kommission gegeben hat, handelt es sich bei dieser Rubrik um eine sogenannte „free text“-Rubrik, mit der über die im Anhang des geplanten Abkommens angeführten Informationen hinaus „weitere Informationen“ einbezogen werden sollen. Eine solche Rubrik enthält keine Angaben über Art und Umfang der zu übermittelnden Informationen und könnte selbst Informationen umfassen, die keinerlei Bezug zum Zweck der Übermittlung der PNR-Daten haben. Da die in dieser Rubrik genannten Informationen lediglich beispielhaft genannt werden, wie aus der Verwendung des Wortes „einschließlich“ hervorgeht, begrenzt sie Art und Umfang der Informationen, die von ihr erfasst werden können, nicht. Rubrik 17 ist mithin nicht hinreichend klar und präzise abgegrenzt.

161

Schließlich betrifft Rubrik 18 „[e]twaige für Buchungszwecke erhobene Daten zur Advance Passenger Information (API)“. Nach den Erläuterungen, die der Rat und die Kommission gegeben haben, entsprechen diese Informationen den Angaben gemäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/82, d. h. Nummer und Art des mitgeführten Reisedokuments, Staatsangehörigkeit, vollständiger Name, Geburtsdatum, Grenzübergangsstelle für die Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten, Beförderungs-Codenummer, Abreise- und Ankunftszeit, Gesamtzahl der beförderten Personen und ursprünglicher Abreiseort. Soweit die Rubrik dahin ausgelegt wird, dass sie sich lediglich auf die ausdrücklich in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/82 genannten Angaben erstreckt, kann davon ausgegangen werden, dass sie die Anforderungen an Klarheit und Präzision erfüllt.

162

Die Vorschriften von Art. 4 Abs. 3 des geplanten Abkommens, die die Verpflichtung Kanadas vorsehen, alle von den Fluggesellschaften übermittelten PNR-Daten, die nicht in der Liste im Anhang des Abkommens aufgeführt sind, zu löschen, kann die mangelnde Bestimmtheit der Rubriken 5, 7 und 17 des Anhangs nicht ausgleichen. Da die Liste als solche die zu übermittelnden PNR-Daten nicht hinreichend klar und präzise bestimmt, sind diese Bestimmungen nämlich nicht geeignet, die Unsicherheiten hinsichtlich der zu übermittelnden PNR-Daten zu beseitigen.

163

Somit ist hinsichtlich der an Kanada zu übermittelnden PNR-Daten festzustellen, dass die Rubriken 5, 7 und 17 des Anhangs des geplanten Abkommens den Umfang des Eingriffs in die in den Art. 7 und 8 der Charta niedergelegten Grundrechte nicht hinreichend klar und präzise regeln.

ii) Zu den sensiblen Daten

164

Zur Übermittlung sensibler Daten im Sinne von Art. 2 Buchst. e des geplanten Abkommens ist festzustellen, dass sensible Daten dort definiert werden als Informationen, aus denen „die rassische oder ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit“ hervorgehen, sowie Informationen über „Gesundheit oder Sexualleben einer Person“. Ausdrücklich werden solche Daten in keiner der 19 Rubriken im Anhang des Abkommens erwähnt. Wie insbesondere die Kommission in ihrer Antwort auf die Fragen des Gerichtshofs bestätigt hat, könnten sie aber unter Rubrik 17 fallen. Der Umstand, dass die Art. 8 und 16 des geplanten Abkommens spezielle Regeln für die Verwendung und Speicherung sensibler Daten vorsehen, bedeutet zudem zwangsläufig, dass die Parteien des Abkommens die Möglichkeit der Übermittlung solcher Daten an Kanada zugelassen haben.

165

Insoweit ist festzustellen, dass jede Maßnahme, die auf dem Postulat beruht, dass eines oder mehrere der in Art. 2 Buchst. e des geplanten Abkommens genannten Merkmale als solche, unabhängig vom konkreten Verhalten des betreffenden Fluggasts, für das in der Bekämpfung von Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität bestehende Ziel der Verarbeitung von PNR-Daten erheblich sein könnte, gegen die in den Art. 7 und 8 der Charta in Verbindung mit deren Art. 21 niedergelegten Rechte verstößt. In Anbetracht des Risikos einer gegen Art. 21 der Charta verstoßenden Verarbeitung von Daten bedürfte die Übermittlung sensibler Daten an Kanada einer präzisen und besonders fundierten, auf andere Gründe als den Schutz der öffentlichen Sicherheit vor Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität gestützten Rechtfertigung. Im vorliegenden Fall fehlt es aber an einer solchen Rechtfertigung.

166

Überdies hat der Unionsgesetzgeber die Verarbeitung sensibler Daten in Art. 6 Abs. 4, Art. 7 Abs. 6 und Art. 13 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2016/681 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 über die Verwendung von Fluggastdatensätzen (PNR-Daten) zur Verhütung, Aufdeckung, Ermittlung und Verfolgung von terroristischen Straftaten und schwerer Kriminalität (ABl. 2016, L 119, S. 132) ausgeschlossen.

167

In Anbetracht der Ausführungen in den beiden vorstehenden Randnummern ist festzustellen, dass Art. 7, Art. 8, Art. 21 und Art. 52 Abs. 1 der Charta sowohl der Übermittlung sensibler Daten an Kanada als auch der von der Union mit diesem Drittstaat ausgehandelten Regelung der Bedingungen für die Verwendung und Speicherung solcher Daten durch die Behörden dieses Drittstaats entgegenstehen.

2) Zur automatisierten Verarbeitung von PNR-Daten

168

Wie der Generalanwalt in Nr. 252 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sollen die an Kanada übermittelten PNR-Daten hauptsächlich automatisierten Analysen unterzogen werden, die auf im Voraus festgelegten Modellen und Kriterien und dem Abgleich mit verschiedenen Datenbanken beruhen (siehe oben, Rn. 130 bis 132).

169

Die Bewertung der Gefahren, die von den Fluggästen für die öffentliche Sicherheit ausgehen, erfolgt mittels automatisierter Analysen der PNR-Daten vor der Ankunft der Fluggäste in Kanada (siehe oben, Rn. 130 und 131). Da diese Analysen anhand von nicht überprüften personenbezogenen Daten durchgeführt werden und auf im Voraus festgelegten Modellen und Kriterien beruhen, sind sie zwangsläufig mit einer gewissen Fehlerquote behaftet, wie insbesondere die französische Regierung und die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt haben.

170

Nach den Angaben in Rn. 30 der Stellungnahme des EDSB zum Entwurf eines Vorschlags für einen Rahmenbeschluss des Rates über die Verwendung von Fluggastdatensätzen (PNR-Daten) zu Strafverfolgungszwecken (ABl. 2008, C 110, S. 1), auf die der EDSB in seiner Antwort auf die Fragen des Gerichtshofs Bezug genommen hat, ist diese Fehlerquote offenbar erheblich.

171

Zwar sieht Art. 15 des geplanten Abkommens hinsichtlich der Folgen einer automatisierten Verarbeitung von PNR-Daten vor, dass Kanada „Entscheidungen, die einen Fluggast erheblich beeinträchtigen, nicht allein auf der Grundlage der automatisierten Verarbeitung von PNR-Daten“ trifft. Außerdem gelten für eine derartige Verarbeitung Art. 3 des Abkommens, der die Zwecke jeglicher Datenverarbeitung durch die zuständige kanadische Behörde begrenzt, und Art. 7 des Abkommens, der eine Nichtdiskriminierungsklausel enthält.

172

Der Umfang des Eingriffs der automatisierten Analysen der PNR-Daten in die in den Art. 7 und 8 der Charta niedergelegten Rechte hängt aber im Wesentlichen von den im Voraus festgelegten Modellen und Kriterien sowie den Datenbanken ab, auf denen die automatisierte Verarbeitung der Daten beruht. In Anbetracht der Erwägungen in den Rn. 169 und 170 müssten die im Voraus festgelegten Modelle und Kriterien deshalb spezifisch und zuverlässig sein, so dass sie, wie der Generalanwalt in Nr. 256 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Identifizierung von Personen ermöglichen, gegen die ein begründeter Verdacht der Beteiligung an terroristischen Straftaten oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität bestehen könnte, und dürften nicht diskriminierend sein. Ferner müssten die Datenbanken, mit denen die PNR-Daten abgeglichen werden, zuverlässig und aktuell sein und von Kanada in Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität betrieben werden.

173

Da die automatisierten Analysen der PNR-Daten zwangsläufig eine gewisse Fehlerquote aufweisen (siehe oben, Rn. 169), muss jedes positive Ergebnis, das durch eine automatisierte Verarbeitung von PNR-Daten erlangt wurde, nach Art. 15 des geplanten Abkommens individuell mit nicht automatisierten Mitteln überprüft werden, bevor eine individuelle Maßnahme mit nachteiligen Auswirkungen auf die betreffenden Fluggäste getroffen wird. Eine solche Maßnahme darf nach Art. 15 nämlich nicht allein auf der Grundlage der automatisierten Verarbeitung von PNR-Daten getroffen werden.

174

Um in der Praxis zu gewährleisten, dass die im Voraus festgelegten Modelle und Kriterien, deren Anwendung und die verwendeten Datenbanken nicht diskriminierend sind und sich auf das absolut Notwendige beschränken, muss die Zuverlässigkeit und Aktualität dieser Modelle und Kriterien sowie der verwendeten Datenbanken, unter Berücksichtigung statistischer Daten und der Ergebnisse der internationalen Forschung, Gegenstand der in Art. 26 Abs. 2 des geplanten Abkommens vorgesehenen gemeinsamen Überprüfung seiner Durchführung sein.

3) Zu den Zwecken der Verarbeitung von PNR-Daten

i) Vorbeugung, Aufdeckung und strafrechtliche Verfolgung von terroristischen Straftaten oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität

175

Nach Art. 3 Abs. 1 des geplanten Abkommens dürfen PNR-Daten von der zuständigen kanadischen Behörde nur zum Zweck der Verhinderung, Aufdeckung, Untersuchung und strafrechtlichen Verfolgung von terroristischen Straftaten oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität verarbeitet werden.

176

Was den Begriff „terroristische Straftat“ angeht, definiert Art. 3 Abs. 2 des geplanten Abkommens klar und präzise sowohl die Handlungen, die unter diesen Begriff fallen, als auch die Personen, Gruppen und Organisationen, die als „terroristische Einheit“ einzustufen sind.

177

Desgleichen ist zum Begriff „grenzübergreifende schwere Kriminalität“ festzustellen, dass Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des geplanten Abkommens, indem er verlangt, dass diese mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens vier Jahren oder mit einer schwereren Strafe geahndet wird, klar und präzise den Schweregrad der betreffenden Straftaten definiert. Auch was die Art dieser Straftaten angeht, ist die Vorschrift durch die Bezugnahme auf die Straftaten nach kanadischem Recht hinreichend präzise. Schließlich sind in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 des Abkommens klar und präzise die verschiedenen Fälle aufgeführt, in denen eine Straftat als grenzübergreifend gilt.

178

Somit ist festzustellen, dass Art. 3 Abs. 1 bis 3 des geplanten Abkommens klare und präzise Regeln enthält, die sich auf das absolut Notwendige beschränken.

ii) Weitere Zwecke

179

Nach Art. 3 Abs. 4 des geplanten Abkommens kann die zuständige kanadische Behörde in Ausnahmefällen PNR-Daten zum Schutz lebenswichtiger Interessen von Einzelpersonen verarbeiten, z. B. wenn Gefahr für Leib und Leben besteht oder die Gesundheit der Allgemeinheit erheblich gefährdet ist, vor allem im Sinne international anerkannter Normen. Nach Art. 3 Abs. 5 Buchst. a und b des Abkommens kann Kanada außerdem „im Einzelfall“ PNR-Daten verarbeiten, damit „die Aufsicht oder Rechenschaftspflicht der öffentlichen Verwaltung gewährleistet ist“ oder „einer Vorladung, einem erlassenen Haftbefehl oder einer gerichtlichen Verfügung Folge geleistet werden kann“.

180

Da Art. 3 Abs. 4 des geplanten Abkommens die Fälle, in denen die zuständige kanadische Behörde die gemäß dem Abkommen erhobenen PNR-Daten zu anderen Zwecken verwenden darf als zu der mit ihm angestrebten Bekämpfung von Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität, auf den Schutz der lebenswichtigen Interessen von Personen beschränkt, definiert er klar und präzise die Fälle, in denen eine solche Verwendung zulässig ist. Im Übrigen sieht die Vorschrift vor, dass die zuständige kanadische Behörde hierzu nur in Ausnahmefällen ermächtigt ist. Ihre Regeln beschränken sich mithin auf das absolut Notwendige.

181

Hingegen ist der Wortlaut der Fälle, in denen Kanada PNR-Daten nach Art. 3 Abs. 5 Buchst. a und b des geplanten Abkommens verarbeiten darf, zu unbestimmt und zu allgemein, um den Anforderungen an Klarheit und Präzision zu genügen. Die in dieser Vorschrift enthaltenen Regeln beschränken sich daher nicht auf das zur Erreichung des mit dem Abkommen verfolgten Ziels absolut Notwendige.

4) Zu den kanadischen Behörden, auf die sich das geplante Abkommen bezieht

182

Nach Art. 2 Buchst. d des geplanten Abkommens ist die zuständige kanadische Behörde für den Erhalt und die Verarbeitung von PNR-Daten im Rahmen des Abkommens verantwortlich. Nach dessen Art. 5 wird davon ausgegangen, dass diese Behörde bei der Verarbeitung und Verwendung von PNR-Daten einen angemessenen Schutz im Sinne des Unionsrechts gewährleistet. Wie sich aus Abs. 15 der Präambel des Abkommens ergibt, verpflichtet sich Kanada ferner, sicherzustellen, dass diese Behörde die im Abkommen enthaltenen Garantien für den Schutz der Privatsphäre und den Schutz personenbezogener Daten einhält.

183

Die zuständige kanadische Behörde wird im geplanten Abkommen zwar nicht bezeichnet. Nach Art. 30 Abs. 2 Buchst. a des Abkommens ist Kanada aber verpflichtet, sie der Kommission vor Inkrafttreten des Abkommens mitzuteilen. Das Abkommen ist somit hinsichtlich der Identität der zuständigen kanadischen Behörde hinreichend klar und präzise.

184

In Art. 18 Abs. 1 des geplanten Abkommens ist zwar nicht bestimmt, an welche „anderen [Behörden] in Kanada“ die zuständige kanadische Behörde die PNR-Daten unter den dort genannten Voraussetzungen weitergeben darf. Aus Art. 18 Abs. 1 Buchst. a, c und e des geplanten Abkommens geht aber eindeutig hervor, dass die PNR-Daten nur an Behörden weitergegeben werden dürfen, „deren Aufgaben einen direkten Bezug zum Anwendungsbereich des Artikels 3 aufweisen“, sofern die Weitergabe „zu den in Artikel 3 genannten Zwecken notwendig [ist]“ und die Behörde „einen den in diesem Abkommen beschriebenen Garantien entsprechenden Schutz [gewährleistet]“.

185

Soweit in mehreren Bestimmungen des geplanten Abkommens (Art. 3 Abs. 5, Art. 6 Abs. 1 und 2, Art. 8 Abs. 3 bis 5, Art. 12 Abs. 3, Art. 16 und Art. 17) als für die Verarbeitung der in den betreffenden Bestimmungen genannten PNR-Daten zuständige Stelle „Kanada“ genannt ist, ist das Abkommen dahin auszulegen, dass entweder die zuständige kanadische Behörde oder die in Art. 18 genannten Behörden gemeint sind. Bei dieser Auslegung entsprechen Art. 3 Abs. 5, Art. 6 Abs. 1 und 2, Art. 8 Abs. 3 bis 5, Art. 12 Abs. 3, Art. 16 und Art. 17 des geplanten Abkommens den Anforderungen an Klarheit und Präzision.

5) Zu den betroffenen Fluggästen

186

Das geplante Abkommen gilt für die PNR-Daten sämtlicher Fluggäste, die aus der Union nach Kanada reisen. Die Daten werden an Kanada unabhängig davon übermittelt, ob objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von den Fluggästen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Kanada ausgeht.

187

Die PNR-Daten sind vor allem dazu bestimmt, automatisiert verarbeitet zu werden (siehe oben, Rn. 152 und 169). Wie mehrere Beteiligte geltend gemacht haben, soll mit der automatisierten Verarbeitung ermittelt werden, ob möglicherweise eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit von Personen ausgeht, die den zuständigen Stellen zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt sind und die wegen dieser Gefahr einer eingehenden Überprüfung unterzogen werden könnten. Die automatisierte Verarbeitung der PNR-Daten vor der Ankunft der Fluggäste in Kanada erleichtert und beschleunigt dabei die Sicherheitskontrollen, insbesondere an den Grenzen. Der Ausschluss bestimmter Kategorien von Personen oder bestimmter Herkunftsländer könnte dem Ziel der automatisierten Verarbeitung der PNR-Daten zuwiderlaufen, das darin besteht, unter sämtlichen Fluggästen mittels einer Überprüfung dieser Daten die Personen zu ermitteln, von denen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehen kann. Außerdem könnte diese Überprüfung umgangen werden.

188

Im Übrigen haben alle Fluggäste nach Art. 13 des Abkommens von Chicago, auf den insbesondere der Rat und die Kommission in ihren Antworten auf die Fragen des Gerichtshofs Bezug genommen haben, beim Ein- und Ausflug sowie während des Aufenthalts im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats die Gesetze und Vorschriften dieses Staates über den Ein- und Ausflug von Fluggästen zu befolgen. Sämtliche Fluggäste, die nach Kanada einreisen oder aus Kanada ausreisen möchten, unterliegen nach diesem Artikel daher den Grenzkontrollen und sind verpflichtet, die Voraussetzungen des geltenden kanadischen Rechts für die Ein- oder Ausreise zu erfüllen. Zudem gehört die Identifizierung von Fluggästen, von denen ein Risiko für die öffentliche Sicherheit ausgehen kann, anhand der PNR-Daten zur Grenzkontrolle (siehe oben, Rn. 152 und 187). Sofern Fluggäste, die nach Kanada einreisen und sich dort aufhalten möchten, Gegenstand dieser Kontrollen sind, unterliegen sie deshalb schon wegen der Art dieser Maßnahme der Überprüfung ihrer PNR-Daten.

189

Unter diesen Umständen geht das geplante Abkommen dadurch, dass es die Übermittlung der PNR-Daten sämtlicher Fluggäste an Kanada ermöglicht, nicht über das hinaus, was absolut notwendig ist.

6) Zur Speicherung und Verwendung der PNR-Daten

190

Um zu gewährleisten, dass die Speicherung der übermittelten PNR-Daten, der Zugang zu ihnen durch die im geplanten Abkommen vorgesehenen kanadischen Behörden und die Verwendung der Daten durch diese Behörden auf das absolut Notwendige beschränkt wird, müsste das geplante Abkommen nach der in Rn. 141 angeführten ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs klare und präzise Regeln vorsehen, aus denen hervorgeht, unter welchen Umständen und unter welchen Voraussetzungen diese Behörden die Daten speichern, Zugang zu ihnen haben und sie verwenden dürfen.

191

In Bezug auf die Speicherung personenbezogener Daten ist festzustellen, dass die fragliche Regelung u. a. stets objektiven Kriterien genügen muss, die einen Zusammenhang zwischen den zu speichernden personenbezogenen Daten und dem verfolgten Ziel herstellen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Oktober 2015, Schrems, C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 93, und vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 110).

192

Zur Verwendung rechtmäßig gespeicherter personenbezogener Daten durch eine Behörde hat der Gerichtshof entschieden, dass sich eine Unionsregelung nicht darauf beschränken darf, dass der Zugang zu solchen Daten einem der in der Regelung genannten Zwecke zu entsprechen hat, sondern auch die materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Verwendung der Daten festlegen muss (vgl. entsprechend Urteil vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 117 und 118 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

193

Im vorliegenden Fall begrenzt das geplante Abkommen in Art. 3 die Zwecke der Verwendung der PNR-Daten durch die zuständige kanadische Behörde, sieht in Art. 7 eine Nichtdiskriminierungsklausel vor und enthält in Art. 15 eine Vorschrift über Entscheidungen Kanadas auf der Grundlage einer automatisierten Verarbeitung der PNR-Daten (siehe oben, Rn. 171).

194

Außerdem sieht Art. 16 des geplanten Abkommens vor, dass die PNR-Daten von Kanada fünf Jahre nach Erhalt gespeichert werden dürfen (Abs. 1) und teilweise 30 Tage bzw. zwei Jahre nach Erhalt unkenntlich zu machen sind (Abs. 3). Da diese Vorschriften nicht anhand der betroffenen Fluggäste differenzieren, ermöglichen sie die Speicherung der PNR-Daten sämtlicher Fluggäste.

195

Schließlich darf nach Art. 16 Abs. 4 des geplanten Abkommens die Unkenntlichmachung aufgehoben werden, wenn Untersuchungen nach Maßgabe von Art. 3 des Abkommens durchgeführt werden müssen, wobei die Aufhebung der Unkenntlichmachung durch eine begrenzte Zahl eigens hierzu befugter Bediensteter oder mit vorheriger Genehmigung des Leiters der zuständigen kanadischen Behörde oder eines vom Leiter eigens hiermit beauftragten hohen Beamten erfolgt.

i) Zur Speicherung und Verwendung der PNR-Daten vor der Ankunft der Fluggäste, während ihres Aufenthalts in Kanada und bei ihrer Ausreise

196

Nach dem geplanten Abkommen ist es somit zulässig, die PNR-Daten sämtlicher Fluggäste während der gesamten Dauer ihrer Speicherung zu den in Art. 3 des Abkommens genannten Zwecken zu verwenden.

197

In Bezug auf die Speicherung der PNR-Daten und ihre Verwendung bis zur Ausreise der Fluggäste aus Kanada ist festzustellen, dass die PNR-Daten vor allem die Sicherheits- und Grenzkontrollen erleichtern. Ihre Speicherung und ihre Verwendung zu diesem Zweck können schon aufgrund ihrer Art nicht auf einen bestimmten Kreis von Fluggästen begrenzt werden oder Gegenstand einer vorherigen Genehmigung eines Gerichts oder einer unabhängigen Verwaltungsstelle sein. Somit ist im Einklang mit den in den Rn. 186 bis 188 angestellten Erwägungen festzustellen, dass, solange sich die Fluggäste in Kanada befinden oder im Begriff sind, aus diesem Drittland auszureisen, der erforderliche Zusammenhang zwischen den Daten und dem mit dem Abkommen verfolgten Ziel besteht, so dass das Abkommen nicht über das hinausgeht, was absolut notwendig ist, nur weil es die systematische Speicherung und Verwendung der PNR-Daten sämtlicher Fluggäste ermöglicht.

198

Desgleichen hängt die systematische Verwendung der PNR-Daten zu dem Zweck, die Zuverlässigkeit und Aktualität der im Voraus festgelegten Modelle und Kriterien, auf denen die automatisierten Verarbeitungen der Daten beruhen (siehe oben, Rn. 174), zu überprüfen oder neue Modelle und Kriterien für diese Verarbeitungen festzulegen, unmittelbar mit der Durchführung der Sicherheits- und Grenzkontrollen zusammen, so dass davon auszugehen ist, dass auch sie nicht über das hinausgeht, was absolut notwendig ist.

199

Außerdem können sich während des Aufenthalts der Fluggäste in Kanada unabhängig vom Ergebnis der vor ihrer Ankunft durchgeführten automatisierten Analyse der PNR-Daten Situationen ergeben, in denen die zuständige kanadische Behörde über während des Aufenthalts zusammengetragene Hinweise darauf verfügt, dass sich die Verwendung der Daten als erforderlich erweisen könnte, um Terrorismus und grenzübergreifende schwere Kriminalität zu bekämpfen.

200

Zur Verwendung der PNR-Daten in den in der vorstehenden Randnummer genannten Fällen ist jedoch festzustellen, dass den Fluggästen nach der Überprüfung ihrer PNR-Daten die Einreise in das Hoheitsgebiet dieses Drittstaats gestattet wurde, so dass eine Verwendung der Daten während ihres Aufenthalts in Kanada auf neue Umstände gestützt werden muss, die eine solche Verwendung rechtfertigen. Nach der in den Rn. 141 und 192 angeführten Rechtsprechung erfordert eine solche Verwendung deshalb Regeln, aus denen hervorgeht, unter welchen materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen die Verwendung der Daten erfolgen darf, um diese insbesondere vor Missbrauchsrisiken zu schützen. Solche Regeln müssen sich auf objektive Kriterien stützen, die definieren, unter welchen Umständen und unter welchen Voraussetzungen die im geplanten Abkommen genannten kanadischen Behörden die Daten verwenden dürfen.

201

Gibt es objektive Anhaltspunkte dafür, dass die PNR-Daten eines oder mehrerer Fluggäste einen wirksamen Beitrag zur Bekämpfung terroristischer Straftaten oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität leisten könnten, scheint die Verwendung der Daten nicht über das hinauszugehen, was absolut notwendig ist (vgl. entsprechend Urteil vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 119 und die dort angeführte Rechtsprechung).

202

Damit in der Praxis die vollständige Einhaltung der in den beiden vorstehenden Randnummern genannten Voraussetzungen gewährleistet ist, ist es unabdingbar, dass die Verwendung der gespeicherten PNR-Daten während des Aufenthalts der Fluggäste in Kanada grundsätzlich – außer in hinreichend begründeten Eilfällen – einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle unterworfen wird und dass deren Entscheidung im Anschluss an einen mit Gründen versehenen Antrag ergeht, der von den zuständigen Behörden insbesondere im Rahmen von Verfahren zur Verhütung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten gestellt wird (vgl. entsprechend Urteil vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 120 und die dort angeführte Rechtsprechung).

203

Da das geplante Abkommen die in den beiden vorstehenden Randnummern genannten Anforderungen nicht erfüllt, gewährleistet es nicht, dass sich die Verwendung der PNR-Daten der Fluggäste während ihres Aufenthalts in Kanada durch die im Abkommen genannten kanadischen Behörden auf das absolut Notwendige beschränkt.

ii) Zur Speicherung und Verwendung der PNR-Daten nach der Ausreise der Fluggäste aus Kanada

204

Fluggäste, die aus Kanada ausgereist sind, sind in der Regel bei ihrer Ein- und Ausreise kontrolliert worden. Ebenso sind ihre PNR-Daten vor ihrer Ankunft in Kanada und gegebenenfalls während ihres Aufenthalts und bei ihrer Ausreise aus diesem Drittland überprüft worden. Daher ist davon auszugehen, dass von ihnen grundsätzlich keine Gefahr im Bereich des Terrorismus oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität ausgeht, wenn weder diese Kontrollen und Überprüfungen noch irgendein anderer Umstand objektive Anhaltspunkte hierfür geliefert haben. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass von sämtlichen Fluggästen, die nach Kanada gereist sind, nach ihrer Ausreise aus diesem Land eine höhere Gefahr ausginge als von anderen Personen, die während der letzten fünf Jahre nicht in dieses Land gereist sind und in Bezug auf die Kanada deshalb über keine PNR-Daten verfügt.

205

Daher dürfte bei Fluggästen, bei denen eine solche Gefahr weder bei ihrer Ankunft in Kanada noch bis zu ihrer Ausreise aus diesem Drittland festgestellt wurde, nach ihrer Ausreise kein Zusammenhang, sei er auch mittelbarer Art, zwischen ihren PNR-Daten und dem mit dem geplanten Abkommen verfolgten Ziel bestehen, der die Speicherung der Daten rechtfertigen würde. Die Argumente, die insbesondere der Rat und die Kommission vor dem Gerichtshof zur durchschnittlichen Bestandsdauer internationaler Netze schwerer Kriminalität sowie zu Dauer und Schwierigkeit der solche Netze betreffenden Ermittlungen vorgebracht haben, sind nicht geeignet, eine dauerhafte Speicherung der PNR-Daten sämtlicher Fluggäste nach ihrer Ausreise aus Kanada zum Zweck eines eventuellen Zugangs zu diesen Daten unabhängig von jedem Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität zu rechtfertigen (vgl. entsprechend Urteil vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 119).

206

Die dauerhafte Speicherung der PNR-Daten sämtlicher Fluggäste nach ihrer Ausreise aus Kanada beschränkt sich somit nicht auf das absolut Notwendige.

207

Gibt es in konkreten Fällen allerdings objektive Anhaltspunkte dafür, dass von bestimmten Fluggästen auch nach ihrer Ausreise aus Kanada eine Gefahr im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität ausgehen könnte, erscheint eine Speicherung ihrer PNR-Daten über ihren Aufenthalt in Kanada hinaus zulässig (vgl. entsprechend Urteil vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 108).

208

Die Verwendung der auf diese Weise gespeicherten PNR-Daten müsste sich nach der in den Rn. 201 und 202 angeführten Rechtsprechung auf objektive Kriterien stützen, die definieren, unter welchen Umständen und unter welchen Voraussetzungen die im geplanten Abkommen genannten kanadischen Behörden Zugang zu diesen Daten haben und sie verwenden dürfen. Ferner müsste eine solche Verwendung – außer in hinreichend begründeten Eilfällen – einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle unterworfen werden, wobei die Entscheidung, mit der die Verwendung genehmigt wird, im Anschluss an einen mit Gründen versehenen Antrag ergeht, der von den zuständigen Behörden insbesondere im Rahmen von Verfahren zur Verhütung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten gestellt wird.

209

Zur Dauer der Speicherung von PNR-Daten der in Rn. 207 beschriebenen Fluggäste ist festzustellen, dass die in Art. 16 Abs. 1 des geplanten Abkommens vorgesehene allgemeine Dauer gegenüber der im Abkommen von 2006 enthaltenen Dauer um anderthalb Jahre verlängert wurde. Insoweit ist aber in Anbetracht der Ausführungen insbesondere des Rates und der Kommission (siehe oben, Rn. 205) festzustellen, dass die in Art. 16 Abs. 1 des Abkommens vorgesehene Dauer von fünf Jahren nicht über das hinausgeht, was zur Bekämpfung von Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität absolut notwendig ist.

210

Sofern zum einen Art. 9 Abs. 2 des geplanten Abkommens, der vorsieht, dass Kanada die PNR-Daten „in einer gesicherten physischen Umgebung auf[bewahrt], die durch Zugangskontrollen geschützt ist“, bedeutet, dass die Daten im kanadischen Hoheitsgebiet aufzubewahren sind, und zum anderen Art. 16 Abs. 6 des Abkommens, wonach Kanada die PNR-Daten nach Ablauf der Speicherfrist vernichtet, so zu verstehen ist, dass er eine unwiderrufliche Vernichtung der Daten vorschreibt, genügen diese Bestimmungen den Anforderungen an Klarheit und Präzision (vgl. entsprechend Urteil vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 122 und die dort angeführte Rechtsprechung).

211

In Anbetracht der in den Rn. 204 bis 206 und 208 angestellten Erwägungen wird durch das geplante Abkommen nicht gewährleistet, dass sich die Speicherung und die Verwendung der PNR-Daten durch die kanadischen Behörden nach der Ausreise der Fluggäste aus Kanada auf das absolut Notwendige beschränken.

7) Zur Weitergabe der PNR-Daten

i) Weitergabe der PNR-Daten an Behörden

212

Die Art. 18 und 19 des geplanten Abkommens ermöglichen die Weitergabe von PNR-Daten durch die zuständige kanadische Behörde an andere kanadische Behörden und an Behörden in anderen Drittländern. Da diese Behörden durch eine solche Weitergabe faktisch Zugang zu den Daten erhalten und sie verwenden können, muss die Weitergabe die in den Rn. 200 bis 202 und 208 genannten Voraussetzungen für die Verwendung von PNR-Daten erfüllen.

213

Was insbesondere die Weitergabe von PNR-Daten an Behörden anderer Drittländer angeht, ist zu ergänzen, dass Art. 19 Abs. 1 Buchst. e des geplanten Abkommens der zuständigen kanadischen Behörde hinsichtlich der Beurteilung des in diesen Ländern garantierten Schutzniveaus einen Ermessensspielraum einräumt.

214

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass eine Weitergabe personenbezogener Daten aus der Union in ein Drittland nur zulässig ist, wenn das Drittland ein Schutzniveau der Grundfreiheiten und Grundrechte gewährleistet, das dem in der Union garantierten Niveau der Sache nach gleichwertig ist. Dieses Erfordernis gilt auch im Fall der in Art. 19 des geplanten Abkommens vorgesehenen Weitergabe von PNR-Daten durch Kanada an Drittländer. Damit soll verhindert werden, dass das im Abkommen vorgesehene Schutzniveau durch die Weitergabe personenbezogener Daten an Drittländer umgangen werden könnte, und gewährleistet werden, dass das vom Unionsrecht gewährte Schutzniveau fortbesteht (vgl. entsprechend Urteil vom 6. Oktober 2015, Schrems, C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 72 und 73). Die Weitergabe personenbezogener Daten an ein Drittland erfordert daher ein Abkommen zwischen der Union und dem betreffenden Drittland, das dem geplanten Abkommen äquivalent ist, oder einen Beschluss der Kommission gemäß Art. 25 Abs. 6 der Richtlinie 95/46, mit dem festgestellt wird, dass das Drittland ein angemessenes Schutzniveau im Sinne des Unionsrechts gewährleistet, und der sich auf die Behörden erstreckt, an die PNR-Daten weitergegeben werden sollen.

215

Da die Art. 18 und 19 des geplanten Abkommens den in den vorstehenden Rn. 212 bis 214 dargelegten Anforderungen nicht entsprechen, wird mit ihm nicht gewährleistet, dass sich die Weitergabe von PNR-Daten durch die zuständige kanadische Behörde an andere kanadische Behörden oder an Behörden anderer Drittländer auf das absolut Notwendige beschränkt.

ii) Weitergabe der PNR-Daten an Einzelpersonen

216

Nach Art. 12 Abs. 3 des geplanten Abkommens kann Kanada „jede Offenlegung von Informationen angemessenen rechtlichen Anforderungen und Beschränkungen unterwerfen, … unter gebührender Beachtung des berechtigten Interesses der betroffenen Person“. Im Abkommen ist aber weder geregelt, welche Informationen weitergegeben werden dürfen, noch, an wen sie weitergegeben oder wie sie verwendet werden dürfen.

217

Außerdem werden im geplanten Abkommen die „angemessenen rechtlichen Anforderungen und Beschränkungen“ und das „berechtigte Interesse der betroffenen Person“ nicht definiert, und es wird auch nicht verlangt, dass die Weitergabe von PNR-Daten an eine Einzelperson mit der Bekämpfung von Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität im Zusammenhang steht und von der Genehmigung eines Gerichts oder einer unabhängigen Verwaltungsstelle abhängig gemacht wird. Die Vorschrift geht daher über das absolut Notwendige hinaus.

3. Zu den individuellen Rechten der Fluggäste

218

Nach Art. 8 Abs. 2 Satz 2 der Charta hat jede Person, deren personenbezogene Daten erhoben wurden, das Recht, Auskunft über diese Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken.

219

Zu Art. 7 der Charta hat der Gerichtshof zudem bereits entschieden, dass das darin niedergelegte Grundrecht auf Achtung des Privatlebens voraussetzt, dass sich die betroffene Person vergewissern kann, dass ihre personenbezogenen Daten fehlerfrei verarbeitet werden und die Verarbeitung zulässig ist. Sie muss, um die nötigen Nachprüfungen durchführen zu können, ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden Daten haben, die Gegenstand einer Verarbeitung sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Mai 2009, Rijkeboer, C‑553/07, EU:C:2009:293, Rn. 49).

220

Um zu gewährleisten, dass diese Rechte beachtet werden, muss den Fluggästen die Weitergabe ihrer PNR-Daten an Kanada und die Verwendung dieser Daten mitgeteilt werden, sobald dies die Ermittlungen der im geplanten Abkommen genannten Behörden nicht mehr beeinträchtigen kann. Diese Mitteilung ist nämlich der Sache nach erforderlich, damit die Fluggäste ihr Recht auf Auskunft über die sie betreffenden PNR-Daten und gegebenenfalls auf Berichtigung der Daten sowie ihr Recht, gemäß Art. 47 Abs. 1 der Charta bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen, ausüben können (vgl. entsprechend Urteil vom 21. Dezember 2016, Tele2 Sverige und Watson u. a., C‑203/15 und C‑698/15, EU:C:2016:970, Rn. 121 und die dort angeführte Rechtsprechung).

a) Zum Recht auf Information, Auskunft und Berichtigung

221

Die Art. 12 und 13 des geplanten Abkommens gewähren den Fluggästen zwar ein Recht auf Zugang zu ihren PNR-Daten und ein Recht auf Berichtigung dieser Daten. Sie verlangen aber nicht, dass den Fluggästen die Weitergabe ihrer PNR-Daten an Kanada und deren Verwendung mitgeteilt wird.

222

Das geplante Abkommen enthält insoweit in Art. 11 lediglich eine Transparenzregel, die die zuständige kanadische Behörde verpflichtet, auf ihrer Website bestimmte Informationen allgemeiner Art über die Weitergabe der PNR-Daten und ihre Verwendung bereitzustellen. Es enthält keine Verpflichtung zur individuellen Information der Fluggäste.

223

Diese Transparenzregel ermöglicht es zwar in hinreichender Weise, die Fluggäste sowohl über die Weitergabe ihrer PNR-Daten an Kanada als auch über deren systematische Verwendung für Sicherheits- und Grenzkontrollen (siehe oben, Rn. 197 und 198) zu informieren. Die Fluggäste können durch die in Art. 11 des geplanten Abkommens vorgesehene allgemeine Information jedoch nicht erfahren, ob ihre Daten über diese Kontrollen hinaus von der zuständigen kanadischen Behörde verwendet wurden. In Fällen wie den in den Rn. 199 und 207 beschriebenen, in denen objektive Anhaltspunkte vorliegen, die eine solche Verwendung rechtfertigen und eine vorherige Genehmigung durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle erforderlich machen, ist daher eine individuelle Information der Fluggäste erforderlich. Dasselbe gilt für Fälle, in denen die PNR-Daten an andere Behörden oder an Einzelpersonen weitergegeben werden.

224

Nach der in Rn. 220 angeführten Rechtsprechung darf eine solche Mitteilung aber erst erfolgen, wenn sie die Ermittlungen der im geplanten Abkommen genannten Behörden nicht mehr beeinträchtigen kann.

225

Das geplante Abkommen müsste daher präzisieren, dass Fluggäste, deren PNR-Daten von der zuständigen kanadischen Behörde in den Fällen, die in den Rn. 199 und 207 genannt sind, verwendet und gespeichert wurden, und Fluggäste, deren Daten an andere Behörden oder an Einzelpersonen weitergegeben wurden, von dieser Behörde unter den in der vorstehenden Randnummer genannten Bedingungen über die Verwendung oder die Weitergabe informiert werden.

b) Zum Recht auf einen Rechtsbehelf

226

In Bezug auf das Recht der Fluggäste auf einen Rechtsbehelf sieht Art. 14 Abs. 2 des geplanten Abkommens vor, dass Kanada dafür sorgt, dass jede Person, die der Auffassung ist, dass ihre Rechte durch eine Entscheidung oder Maßnahme in Bezug auf ihre PNR-Daten verletzt wurden, Anspruch auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf nach kanadischem Recht im Hinblick auf eine gerichtliche Überprüfung oder auf eine andere Wiedergutmachung hat, wozu auch Schadensersatzzahlungen gehören können.

227

Da diese Vorschrift für „jede Person, die der Auffassung ist, dass ihre Rechte … verletzt wurden“, gilt, erfasst sie sämtliche Fluggäste, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, ihrem Aufenthaltsort, ihrem Wohnort oder ihrem Aufenthalt in Kanada. Außerdem ist sie, wie der Rat geltend gemacht hat, in dem Sinne zu verstehen, dass die Fluggäste über einen Rechtsbehelf vor einem Gericht, wie ihn Art. 47 Abs. 1 der Charta verlangt, verfügen. Dass Art. 14 Abs. 2 des geplanten Abkommens vorsieht, dass der „wirksame gerichtliche Rechtsbehelf“ durch eine Schadensersatzklage ergänzt werden kann, führt entgegen dem Vorbringen des Parlaments nicht dazu, dass den Fluggästen ein solcher wirksamer Rechtsbehelf genommen wird, sondern ist eher geeignet, den gerichtlichen Schutz der betreffenden Personen zu verstärken, wie der Generalanwalt in Nr. 324 seiner Schlussanträge ausgeführt hat.

4. Zur Überwachung der Garantien im Bereich des Schutzes der PNR-Daten

228

Nach Art. 8 Abs. 3 der Charta wird die Einhaltung der Anforderungen seiner Abs. 1 und 2 von einer unabhängigen Stelle überwacht.

229

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs soll die Gewährleistung der Unabhängigkeit einer solchen Kontrollstelle, deren Errichtung auch in Art. 16 Abs. 2 AEUV vorgesehen ist, die wirksame und zuverlässige Kontrolle der Einhaltung der Regeln zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten sicherstellen und ist im Licht dieses Zwecks auszulegen. Die Errichtung einer unabhängigen Kontrollstelle stellt daher ein wesentliches Element zur Wahrung des Schutzes der Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten dar (Urteile vom 9. März 2010, Kommission/Deutschland, C‑518/07, EU:C:2010:125, Rn. 25, vom 8. April 2014, Kommission/Ungarn, C‑288/12, EU:C:2014:237, Rn. 48, und vom 6. Oktober 2015, Schrems, C‑362/14, EU:C:2015:650, Rn. 41).

230

Im vorliegenden Fall bestimmt Art. 10 Abs. 1 Satz 1 des geplanten Abkommens, dass die Einhaltung der Datenschutzgarantien bei der Verarbeitung von PNR-Daten von einer „unabhängigen Behörde“ oder einer „durch administrative Mittel eingerichteten Stelle, die ihre Aufgaben unparteiisch wahrnimmt und nachweislich unabhängig Entscheidungen trifft“, beaufsichtigt wird. Soweit diese Vorschrift vorsieht, dass die Beaufsichtigung durch eine unabhängige Behörde erfolgt, entspricht sie den Anforderungen von Art. 8 Abs. 3 der Charta. Hingegen scheint die Alternative zu ermöglichen, dass die Überwachung ganz oder teilweise von einer Behörde vorgenommen werden kann, die ihre Aufgabe nicht in völliger Unabhängigkeit wahrnimmt, sondern einer Aufsichtsbehörde untergeordnet ist, von der sie Weisungen erhalten kann, so dass sie nicht vor jeder äußeren Einflussnahme auf ihre Entscheidungen geschützt ist.

231

Wie der Generalanwalt in Nr. 316 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, wird durch Art. 10 des geplanten Abkommens somit nicht in hinreichend klarer und präziser Weise gewährleistet, dass die Überwachung der Einhaltung der im Abkommen vorgesehenen Regeln für den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung von PNR-Daten durch eine unabhängige Stelle im Sinne von Art. 8 Abs. 3 der Charta erfolgt.

IX. Antwort auf den Gutachtenantrag

232

Nach alledem ist festzustellen, dass

1.

der Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens auf Art. 16 Abs. 2 gemeinsam mit Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV zu stützen ist;

2.

das geplante Abkommen nicht mit Art. 7, Art. 8, Art. 21 und Art. 52 Abs. 1 der Charta vereinbar ist, soweit es die Übermittlung sensibler Daten aus der Union nach Kanada und die Verwendung und Speicherung solcher Daten nicht ausschließt;

3.

das geplante Abkommen, um mit Art. 7, Art. 8 und Art. 52 Abs. 1 der Charta vereinbar zu sein,

a)

die aus der Union nach Kanada zu übermittelnden PNR-Daten klar und präzise definieren muss,

b)

vorsehen muss, dass die im Rahmen der automatisierten Verarbeitung von PNR-Daten verwendeten Modelle und Kriterien spezifisch und zuverlässig sowie nicht diskriminierend sind und dass nur Datenbanken verwendet werden, die von Kanada im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität betrieben werden,

c)

außer im Rahmen der Überprüfungen der im Voraus festgelegten Modelle und Kriterien, auf denen die automatisierte Verarbeitung der PNR-Daten beruht, die Verwendung von PNR-Daten durch die zuständige kanadische Behörde während des Aufenthalts der Fluggäste in Kanada und nach ihrer Ausreise aus diesem Land sowie jede Weitergabe der Daten an andere Behörden materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen unterwerfen muss, die sich auf objektive Kriterien stützen, sowie diese Verwendung und Weitergabe – außer in hinreichend begründeten Eilfällen – einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle unterwerfen muss, wobei die Entscheidung, mit der die Verwendung genehmigt wird, im Anschluss an einen mit Gründen versehenen Antrag ergeht, der von den zuständigen Behörden insbesondere im Rahmen von Verfahren zur Verhütung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten gestellt wird,

d)

die Speicherung von PNR-Daten nach der Ausreise der Fluggäste auf die Daten von Fluggästen beschränken muss, für die objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von ihnen eine Gefahr im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität ausgehen könnte,

e)

die Weitergabe von PNR-Daten durch die zuständige kanadische Behörde an Behörden eines Drittlands davon abhängig machen muss, dass es ein Abkommen zwischen der Union und dem betreffenden Drittland, das dem geplanten Abkommen äquivalent ist, oder einen Beschluss der Kommission gemäß Art. 25 Abs. 6 der Richtlinie 95/46 gibt, der sich auf die Behörden erstreckt, an die PNR-Daten weitergegeben werden sollen,

f)

ein Recht auf individuelle Information der Fluggäste im Fall der Verwendung der sie betreffenden PNR-Daten während ihres Aufenthalts in Kanada und nach ihrer Ausreise aus diesem Land und im Fall der Weitergabe dieser Daten durch die zuständige kanadische Behörde an andere Behörden oder Einzelpersonen vorsehen muss und

g)

gewährleisten muss, dass die Kontrolle der Einhaltung der Regeln des geplanten Abkommens für den Schutz der Fluggäste bei der Verarbeitung der sie betreffenden PNR-Daten durch eine unabhängige Kontrollstelle sichergestellt wird.

Folglich äußert sich der Gerichtshof (Große Kammer) gutachtlich wie folgt:

1.

Der Beschluss des Rates über den Abschluss des Abkommens zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen im Namen der Union ist auf Art. 16 Abs. 2 gemeinsam mit Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV zu stützen.

2.

Das Abkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen ist nicht mit Art. 7, Art. 8, Art. 21 und Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vereinbar, soweit es die Übermittlung sensibler Daten aus der Europäischen Union nach Kanada und die Verwendung und Speicherung solcher Daten nicht ausschließt.

3.

Das Abkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen muss, um mit Art. 7, Art. 8 und Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte vereinbar zu sein,

a)

die aus der Europäischen Union nach Kanada zu übermittelnden Fluggastdatensätze klar und präzise definieren,

b)

vorsehen, dass die im Rahmen der automatisierten Verarbeitung von Fluggastdatensätzen verwendeten Modelle und Kriterien spezifisch und zuverlässig sowie nicht diskriminierend sind und dass nur Datenbanken verwendet werden, die von Kanada im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität betrieben werden,

c)

außer im Rahmen der Überprüfungen der im Voraus festgelegten Modelle und Kriterien, auf denen die automatisierte Verarbeitung der Fluggastdatensätze beruht, die Verwendung von Fluggastdatensätzen durch die zuständige kanadische Behörde während des Aufenthalts der Fluggäste in Kanada und nach ihrer Ausreise aus diesem Land sowie jede Weitergabe der Daten an andere Behörden materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen unterwerfen, die sich auf objektive Kriterien stützen, sowie diese Verwendung und Weitergabe – außer in hinreichend begründeten Eilfällen – einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle unterwerfen, wobei die Entscheidung, mit der die Verwendung genehmigt wird, im Anschluss an einen mit Gründen versehenen Antrag ergeht, der von den zuständigen Behörden insbesondere im Rahmen von Verfahren zur Verhütung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten gestellt wird,

d)

die Speicherung von Fluggastdatensätzen nach der Ausreise der Fluggäste auf die Daten von Fluggästen beschränken, für die objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von ihnen eine Gefahr im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität ausgehen könnte,

e)

die Weitergabe von Fluggastdatensätzen durch die zuständige kanadische Behörde an Behörden eines Drittlands davon abhängig machen, dass es ein Abkommen zwischen der Europäischen Union und dem betreffenden Drittland, das dem Abkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen äquivalent ist, oder einen Beschluss der Kommission gemäß Art. 25 Abs. 6 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr gibt, der sich auf die Behörden erstreckt, an die Fluggastdatensätze weitergegeben werden sollen,

f)

ein Recht auf individuelle Information der Fluggäste im Fall der Verwendung der sie betreffenden Fluggastdatensätze während ihres Aufenthalts in Kanada und nach ihrer Ausreise aus diesem Land und im Fall der Weitergabe dieser Daten durch die zuständige kanadische Behörde an eine andere Behörde oder an Einzelpersonen vorsehen und

g)

gewährleisten, dass die Kontrolle der Einhaltung der Regeln des Abkommens zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen für den Schutz der Fluggäste bei der Verarbeitung der sie betreffenden Fluggastdatensätze durch eine unabhängige Kontrollstelle sichergestellt wird.

Lenaerts

Tizzano

Bay Larsen

von Danwitz

Da Cruz Vilaça

Berger

Prechal

Vilaras

Rosas

Levits

Šváby

Jarašiūnas

Lycourgos

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 26. Juli 2017.

Der Kanzler

A. Calot Escobar

Der Präsident

K. Lenaerts

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2 Referenzen - Gesetze

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