vorgehend
Amtsgericht Schöneberg, 20 F 181/07, 17.12.2008
Kammergericht, 3 UF 16/09, 19.03.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 8/11 Verkündet am:
20. Februar 2013
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Brüssel IIa-VO Art. 3, 7

a) Der Begründung einer Notzuständigkeit, weil das Recht eines Mitgliedstaates der
Europäischen Union, dessen Gerichte international zuständig sind, keine Ehescheidung
kennt (sogenanntes Malta-Problem), bedarf es nach Einführung der
Ehescheidung durch die Republik Malta nicht mehr.

b) Das gilt auch, wenn der Scheidungsantrag in Deutschland zu einem Zeitpunkt
rechtshängig geworden ist, zu dem eine Ehescheidung im maltesischen Recht
noch nicht vorgesehen war.
BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 - XII ZR 8/11 - Kammergericht Berlin
AG Schöneberg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Februar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter
Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Dr. Botur

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Kammergerichts in Berlin vom 19. März 2010 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Antragstellerin begehrt die Scheidung der im November 1996 in Malta geschlossenen Ehe der Parteien.
2
Die Antragstellerin ist deutsche Staatsangehörige, der Antragsgegner besitzt die maltesische Staatsangehörigkeit. Die Parteien leben in Malta. Aus der Ehe ist ein - noch minderjähriges - Kind hervorgegangen. Mit ihrem beim Amtsgericht Schöneberg eingereichten Scheidungsantrag hat die Antragstellerin vorgetragen, dass die Parteien seit Mitte 2006 getrennt lebten und sie die Ehe mit dem Antragsgegner ablehne.
3
Das Amtsgericht hat den Scheidungsantrag wegen fehlender internationaler Zuständigkeit abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen eingelegte Berufung der Antragstellerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsge- richt zugelassenen Revision verfolgt die Antragstellerin ihr Scheidungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

4
Die Revision hat keinen Erfolg.
5
Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis 31. August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 10).

I.

6
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht gegeben. Die in Art. 3 bis 5 Brüssel IIa-VO festgelegten Zuständigkeiten seien gemäß Art. 6 Brüssel IIa-VO ausschließliche Gerichtsstände, die die Zuständigkeiten des nationalen Rechts verdrängten, sofern ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Europäischen Justizraum habe oder Staatsangehöriger eines EG-Mitgliedstaates sei. Aus Art. 7 Abs. 1 Brüssel IIa-VO ergebe sich ein Vorrang der Art. 3 bis 5 Brüssel IIa-VO vor dem nationalen Recht.
7
Da sowohl die Antragstellerin als auch der Antragsgegner sich gewöhnlich in Malta aufhielten, seien nach Art. 3 Abs. 1 lit. a erster Spiegelstrich Brüssel IIa-VO allein die Gerichte Maltas international zuständig. Auch aus dem Umstand, dass das Recht von Malta eine Ehescheidung nicht vorsehe, könne sich eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gemäß Art. 7 Abs. 1 Brüssel IIa-VO nicht ergeben, da für eine einschränkende Anwendung des Art. 3 Abs. 1 lit. a Brüssel IIa-VO nur auf solche Mitgliedstaaten, die die Ehescheidung kennen würden, kein Raum sei. Dass bei Erlass der Brüssel IIa-Verordnung der Europäischen Union nur Mitgliedstaaten angehört hätten, deren Recht eine Ehescheidung vorgesehen habe, könne in Bezug auf Malta, das seit 2004 der Europäischen Union angehöre, nicht dahin umgedeutet werden , dass dieser Staat von der Zuständigkeit für die Ehescheidung ausgenommen sei. Das zeige sich daran, dass eine Änderung der Brüssel IIa-Verordnung geplant sei, die eine "Notzuständigkeit" für die Fälle vorsehe, in denen das Recht des Aufenthaltsstaates eine Ehescheidung nicht kenne oder schon die zu scheidende Ehe nicht anerkenne. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11. Oktober 2006 (BGHZ 169, 240 = FamRZ 2007, 109) beziehe sich nur auf das anwendbare materielle Recht eines anderen Staates, während die Brüssel IIa-Verordnung in Deutschland unmittelbar geltendes Recht sei.
8
Die Zuständigkeitsregelung in Art. 3 Abs. 1 lit. a erster Spiegelstrich Brüssel IIa-VO verstoße auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Zwar falle unter dessen Schutzbereich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 31, 59, 83 - sogenannter Spanierbeschluss) auch die Wiedererlangung der Eheschließungsfreiheit. Die Regelungen der Brüssel IIa-Verordnung würden aber auch nicht ausschließen, dass ein Deutscher, der mit einem maltesischen Staatsangehörigen verheiratet sei, die Ehescheidung erwirken könne. Denn er könne seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland begründen und müsse sich lediglich sechs Monate vor der Antragstellung in Deutschland aufgehalten haben. Der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG gehe hingegen nicht so weit, dass die Anrufung der deutschen Gerichte auch möglich sein müsse, wenn der deutsche Staatsangehörige seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Malta habe.

II.

9
Das hält der revisionsrechtlichen Prüfung im Ergebnis stand.
10
1. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass sich aus Art. 3 Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (Brüssel IIa-VO) keine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt.
11
a) Eine internationale Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 lit. a Brüssel IIa-VO setzt in allen Alternativen voraus, dass wenigstens einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts hat. Dies führt hier allein zur Zuständigkeit der Gerichte von Malta.
12
b) Eine Herleitung der internationalen Zuständigkeit aus der Staatsangehörigkeit setzt nach Art. 3 Abs. 1 lit. b Brüssel IIa-VO die übereinstimmende Staatsangehörigkeit beider Ehegatten voraus, die im vorliegenden Fall nicht gegeben ist.
13
Die Revision macht geltend, die Regelung in Art. 3 Abs. 1 lit. b Brüssel IIa-VO verstoße in dieser Auslegung gegen das Diskriminierungsverbot der Art. 21 Abs. 2 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCH), Art. 18 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), weil gemischt-nationalen Paaren die Anrufung der Gerichte ihres Heimatstaates versagt sei und diese gegenüber Paaren mit gemeinsamer Staatsangehörigkeit benachteiligt würden. Diese Auffassung ist auch in der Rechtslehre vertreten worden (so etwa von Hau FamRZ 2000, 1333, 1336; zum Meinungsstand vgl. Looschelders Festschrift Kropholler 2008 S. 329, 340 f.; Dilger IPRax 2006, 617, 619 f.; Helms FamRZ 2002, 1593, 1596 jeweils mwN).
14
Ihr ist nicht zu folgen. Eine Korrektur der Vorschrift wegen Verstoßes gegen Primärrecht der Europäischen Union kommt angesichts des klaren Wort- lauts von Art. 3 Abs. 1 lit. b Brüssel IIa-VO und der inzwischen ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht in Betracht.
15
Die an die Staatsangehörigkeit geknüpfte internationale Zuständigkeit war bereits nach der Vorgängerregelung in Art. 2 lit. b der VO (EG) 1347/2000 (Brüssel II-VO) auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit beider Ehegatten beschränkt. Diese Regelung ist ungeachtet der geäußerten Kritik (vgl. etwa Hau FamRZ 2000, 1333, 1336) in die Brüssel IIa-Verordnung übernommen worden. Sie verstößt nicht gegen höherrangiges (Primär-)Recht der Europäischen Union.
16
Dass Art. 3 Abs. 1 lit. b Brüssel IIa-VO an die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten anknüpft, steht vor dem Hintergrund, dass durch die Verordnung kein reiner Klägergerichtsstand (forum actoris) begründet werden sollte, wie es bei der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit nur eines Ehegatten der Fall gewesen wäre. Allein aufgrund der Staatsangehörigkeit nur eines Ehegatten wurde kein hinreichend enger Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat als dem Staat des gewöhnlichen Aufenthalts gesehen (vgl. Dilger Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung [EG] Nr. 2201/2003 Rn. 250 mwN; Borrás Erläuternder Bericht zum Übereinkommen über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen Amtsblatt EG vom 16. Juli 1998 C 221/27 Nr. 33 S. 38 f.).
17
Der Europäische Gerichtshof hat sich - für den Fall doppelter (gemeinsamer ) Staatsangehörigkeit und bezogen auf Art. 64 Abs. 4 Brüssel IIa-VO - mit der Regelung in Art. 3 Abs. 1 lit. b Brüssel IIa-VO bereits befasst (EuGH FamRZ 2009, 1571). Nach seiner Rechtsprechung ist die Auslegung vorrangig am Wortlaut zu orientieren. Wenn beide Ehegatten die Staatsangehörigkeit derselben Mitgliedstaaten besitzen, steht danach Art. 3 Abs. 1 lit. b Brüssel IIa-VO der Ablehnung der Zuständigkeit eines dieser Mitgliedstaaten entgegen (EuGH FamRZ 2009, 1571 Rn. 58). In einer weiteren Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof ausgesprochen, Art. 6 und 7 Brüssel IIa-VO seien dahin auszulegen , dass die Gerichte eines Mitgliedstaats, wenn die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats nach Art. 3 dieser Verordnung zuständig seien und der Antragsgegner weder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats habe noch die Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaats besitze, ihre Zuständigkeit für die Entscheidung über den entsprechenden Antrag nicht aus ihrem nationalen Recht herleiten könnten (EuGH FamRZ 2008, 128). Dass im letztgenannten Fall der Antragsgegner die Staatsangehörigkeit eines Drittstaates besaß und sich auch nicht in einem Mitgliedstaat aufhielt, begründet keine entscheidende Besonderheit gegenüber der vorliegenden Fallkonstellation. Vielmehr muss der Ausschluss einer Begründung der internationalen Zuständigkeit durch das nationale Recht eines Mitgliedstaates erst recht gelten, wenn der Antragsgegner Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist und sich auch in einem Mitgliedstaat aufhält.
18
Ausgehend von den genannten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs erscheint es ausgeschlossen, dass abweichend vom klaren Wortlaut der Verordnung bereits die alleinige Staatsangehörigkeit nur eines Ehegatten die Zuständigkeit seines Heimatstaates begründen kann. Zweifel an der Vereinbarkeit des § 3 Abs. 1 lit. b Brüssel IIa-VO mit höherrangigem Unionsrecht hat der Europäische Gerichtshof nicht geäußert. Dementsprechend geht der Senat davon aus, dass die Vereinbarkeit des Art. 3 Abs. 1 lit. b Brüssel IIa-VO mit höherrangigem Unionsrecht geklärt ist.
19
2. Dem Berufungsgericht ist ebenfalls darin zuzustimmen, dass die internationale Zuständigkeit auch nicht auf die Restzuständigkeit nach Art. 7 Brüssel IIa-VO gestützt werden kann. Eine solche setzt nach Art. 7 Abs. 1 Brüssel IIa-VO voraus, dass sich aus Art. 3 bis 5 Brüssel IIa-VO keine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaates ergibt. Diese Voraussetzungen liegen in der vorliegenden Fallkonstellation nicht vor. Insbesondere aufgrund von Art. 3 Abs. 1 lit. a 1. Spiegelstrich Brüssel IIa-VO sind die Gerichte von Malta international zuständig. Die Zuständigkeitsbestimmungen der Art. 3 bis 5 Brüssel IIa-VO schließen die Anwendbarkeit der nationalen Vorschriften über die internationale Zuständigkeit regelmäßig aus (vgl. EuGH FamRZ 2008, 128).
20
a) Die Revision vertritt demgegenüber die Auffassung, Art. 3 Brüssel IIa-VO sei so zu verstehen, dass die internationale Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaates nur begründet sein könne, wenn das nationale Recht dieses Mitgliedstaates die Möglichkeit der Ehescheidung vorsehe. Daraus folge, dass "in extremen Fällen" eine Notzuständigkeit zu eröffnen sei, wenn die in Art. 6 Brüssel IIa-VO postulierte ausschließliche Zuständigkeit zu einer Rechtsverweigerung führe.
21
Die von der Revision vorgebrachten Gründe betreffen das Problem, ob die Regelung der Brüssel IIa-Verordnung nach dem Beitritt Maltas noch in vollem Umfang vom Willen des Verordnungsgebers gedeckt oder ob die Verordnung mit Blick auf gemischt-nationale Ehen dadurch möglicherweise lückenhaft geworden war, wobei der vom Berufungsgericht angeführte Vorschlag zur Einführung einer Notzuständigkeit in der Brüssel IIa-Verordnung nicht umgesetzt worden ist. In der Rechtsprechung ist schon aufgrund der bestehenden Gesetzeslage vereinzelt - allerdings nur für den Fall beiderseitiger Scheidungsanträge - eine Notzuständigkeit angenommen worden (s. - zur entsprechenden Regelung in Art. 8 VO (EG) 1347/2000 [Brüssel II-VO] - Gerechtshof ´s-Gravenhage Entscheidung vom 21. Februar 2005 - 211-H-05 - NiPR 2006, S. 145 Nr. 6 ff.; zustimmend Winkler von Mohrenfels Festschrift von Hoffmann 2011 S. 527, 538 ff.; aA Jayme/Kohler IPrax 2006, 537, 548; Looschelders Festschrift Kropholler 2008 S. 329, 330 f.; vgl. auch Rauscher Europäisches Zivilprozessrecht 2. Aufl. Art. 3 Brüssel IIa-VO Rn. 4 aE).
22
b) Die Fragen nach einem hier bestehenden Bedürfnis für eine Rechtsfortbildung hätten bei unveränderter Gesetzeslage in Malta der Klärung durch Anrufung des Europäischen Gerichtshofs nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedurft (vgl. BVerfGE 82, 159, 192 f.; BVerfG NJW 2011, 288 Rn. 46 ff. mwN). Nach der Einführung des Scheidungsrechts durch die Republik Malta bedarf es einer Klärung indessen nicht mehr.
23
aa) Die Republik Malta hat zum 1. Oktober 2011 die Ehescheidung eingeführt (s. Pietsch in: Bergmann/Ferid/Henrich Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht Malta Stand: 19. Oktober 2011 S. 33 f.). Diese ist in Art. 66A bis 66N maltes. ZGB geregelt worden. Dass diese Änderung das ausländische Recht betrifft, auf dessen Verletzung die Revision nicht gestützt werden kann und dessen Ermittlung grundsätzlich den Tatsacheninstanzen vorbehalten ist (vgl. Senatsbeschluss vom 10. April 2002 - XII ZR 178/99 - NJW 2002, 3335 mwN), hindert seine Berücksichtigung im vorliegenden Fall nicht. Denn bei der Einführung der Ehescheidung durch den Gesetzgeber Maltas handelt es sich um eine offenkundige Tatsache, die, was die Möglichkeit der Scheidung als solche betrifft, keine Auslegungsfragen aufwirft und in der Revisionsinstanz daher berücksichtigt werden kann.
24
bb) Nach der Einführung eines Ehescheidungsrechts in Malta bedarf es einer Notzuständigkeit der Gerichte des Heimatstaates eines Ehegatten und der damit verbundenen Abweichung vom Wortlaut der Art. 3 ff. Brüssel IIa-VO nicht mehr, um dem Ehegatten die Ehescheidung zu ermöglichen. Denn der Antragstellerin steht es nunmehr offen, vor einem zuständigen Gericht in Malta die Ehescheidung zu erwirken.
25
Die Notwendigkeit einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof folgt auch nicht aus einer etwaigen perpetuatio fori und dem Umstand, dass sich die Gesetzeslage Maltas erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit im August 2008 geändert hat. Allerdings ist die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts grundsätzlich gegeben, wenn ihre Voraussetzungen bei Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags vorgelegen haben. Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse nach Eintritt der Rechtshängigkeit lassen daher die einmal begründete Zuständigkeit nicht entfallen (vgl. Senatsurteil BGHZ 169, 240 = FamRZ 2007, 109; Dilger Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung [EG] Nr. 2201/2003 Rn. 213 mwN; Staudinger/Spellenberg BGB [2005] Art. 3 EheGVO Rn. 125; Nagel/Gottwald Internationales Zivilprozessrecht 6. Aufl. § 5 Rn. 230).
26
In welchem Umfang die vorstehenden Regeln auch im Rahmen der Brüssel IIa-Verordnung Geltung beanspruchen und ob sie insbesondere auch im Fall einer Gesetzesänderung gelten, kann hier aber offenbleiben. Denn im vorliegenden Fall hätten sich eine ursprüngliche Zuständigkeit und damit einhergehend eine perpetuatio fori nur aus einer gleichzeitigen Rechtsfortbildung bezüglich der Zuständigkeiten nach der Brüssel IIa-VO ergeben können. Eine über das abgegrenzte System der internationalen Zuständigkeit nach der Brüssel IIa-Verordnung hinausgehende, durch richterliche Rechtsfortbildung eröffnete Notzuständigkeit könnte ihre Rechtfertigung allenfalls in einer sonst eintretenden Rechtsverweigerung finden. Nach Einführung des Ehescheidungsrechts durch die Republik Malta ist diese Rechtfertigung aber entfallen, was auch im Hinblick auf eine durch die Notzuständigkeit vermittelte perpetuatio fori zu gelten hat, welche nicht weiterreichen kann als das die Rechtsfortbildung begründende Bedürfnis nach einer Gewährung effektiven Rechtsschutzes.
27
Allein durch die Notwendigkeit eines neuen Verfahrens in Malta erleidet die Antragstellerin keine unzumutbaren Nachteile. Dass dieses Verfahren alsdann der Rom III-Verordnung (vgl. Art. 18 Abs. 1 Rom III-VO; vgl. Hau FamRZ 2013, 249, 251 f.) unterliegt, rechtfertigt die rückwirkende Anerkennung einer Notzuständigkeit ebenso wenig. Das Scheidungsverfahren wäre schließlich auch dann nach maltesischem Recht durchzuführen gewesen, wenn dieses die Scheidung gegenüber dem anderenfalls nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB aF anwendbaren deutschen Sachrecht erschwert hätte (vgl. Senatsurteil BGHZ 169, 240 = FamRZ 2007, 109, 112).
28
Die Notwendigkeit einer Ergänzung des von der Verordnung aufgestellten Systems der internationalen Zuständigkeit besteht demnach jedenfalls nach der Einführung des Rechts der Ehescheidung durch die Republik Malta nicht mehr.
29
3. Der Anrufung des Europäischen Gerichtshofs nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es aus den aufgeführten Gründen nicht. Die Revision der Antragstellerin ist demnach zurückzuweisen.
Dose Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger Botur

Vorinstanzen:
AG Schöneberg, Entscheidung vom 17.12.2008 - 20 F 181/07 -
KG Berlin, Entscheidung vom 19.03.2010 - 3 UF 16/09 -

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(2) Jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Satz 1.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren in Familiensachen, die am 1. September 2009 ausgesetzt sind oder nach dem 1. September 2009 ausgesetzt werden oder deren Ruhen am 1. September 2009 angeordnet ist oder nach dem 1. September 2009 angeordnet wird, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1. September 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1. September 2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen werden im Fall des Satzes 1 als selbständige Familiensachen fortgeführt.

(5) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

10
aa) Verfahren im Sinne des Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG ist nicht nur das Verfahren bis zum Abschluss einer Instanz. Vielmehr bezeichnet der Begriff die gesamte, bei Einlegung entsprechender Rechtsmittel auch mehrere Instanzen umfassende gerichtliche Tätigkeit in einer Sache (BGH Beschluss vom 1. März 2010 - II ZB 1/10 - FamRZ 2010, 639 Rn. 8). Zwar könnte der Wortlaut des Art. 111 Abs. 2 FGG-RG, der auf das Vorhandensein einer Endentscheidung verweist, zu der Fehldeutung verleiten, gerichtliches Verfahren im Sinne des Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG sei das Verfahren innerhalb eines Rechts- zugs, nicht das gerichtliche Verfahren über den Instanzenzug hinweg, weil nach der Legaldefinition in § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG die Endentscheidung als instanzbeendende Entscheidung konzipiert sei. Dass der Gesetzgeber das Verfahren jedoch instanzübergreifend verstanden hat, ergibt sich eindeutig sowohl aus der Entstehungsgeschichte der Gesetzesvorschrift als auch aus deren Sinn und Zweck, während die Regelung in Art. 111 Abs. 2 FGG-RG nur der Klarstellung in Bestandsverfahren wie Betreuung oder Vormundschaft dienen sollte (BGH Beschluss vom 1. März 2010 - II ZB 1/10 - FamRZ 2010, 639 Rn. 9 ff. mwN).

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZR 178/99
vom
10. April 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Zur Befugnis des Revisionsgerichts, die Erfolgsaussicht einer auf die Verfahrensrüge
fehlerhaft ermittelten ausländischen Rechts gestützten Revision anhand eigener
Kenntnis des ausländischen Rechts zu beurteilen (im Anschluß an BGHZ 122, 373,
378).
Artt. 557, 563 ff. Código de Procedimiento Civil (Dominikanische Republik)
Zur Rechtsnatur und zu den Anforderungen der nach dominikanischem Zwangsvollstreckungsrecht
zur Erhaltung der Wirksamkeit eines gegenüber dem Drittschuldner
ausgesprochenen Leistungsverbots (oposición, Art. 557 CPC) zu erhebenden Klage
auf Wirksamerklärung dieser Vollstreckungsmaßnahme (demanda en validez,
Artt. 563 ff. CPC).
BGH, Beschluß vom 10. April 2002 - XII ZR 178/99 - OLG Celle
LG Verden
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. April 2002 durch die
Richter Gerber, Sprick, Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs und Dr. Vézina

beschlossen:
Der Antrag der Beklagten auf Prozeûkostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

I.

Die Revision greift die Auffassung des Berufungsgerichts an, die Beklagten seien durch das am 1. März 1995 zugestellte Schriftstück ("acto de oposición") nach dominikanischem Recht nicht gehindert gewesen, das Hotel an die Kläger zurückzugeben, und macht insoweit im Wege der Verfahrensrüge geltend, das Berufungsgericht habe das maûgebliche ausländische Recht unzureichend ermittelt. Damit kann sie im Ergebnis keinen Erfolg haben.

II.

Das Revisionsgericht kann die Verfahrensrüge, das Berufungsgericht habe das ausländische Recht fehlerhaft ermittelt, in vollem Umfang nachprüfen , auch wenn dies die Prüfung ausländischen Rechts voraussetzt (vgl. BGHZ 122, 373, 378.) Dies gilt mangels Bindungswirkung jedenfalls, soweit das Berufungsgericht den Inhalt des ausländischen Rechts nicht festgestellt hat oder darauf nicht eingegangen ist (vgl. BGHZ 40, 197, 201; Zöller/Geimer ZPO 23. Aufl. § 293 Rdn. 28 2. Absatz).

III.

Es kann dahinstehen, ob die Auffassung der Revision zutrifft, entgegen der auf ein Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht gestützten Auffassung des Berufungsgerichts enthalte das am 1. März 1995 zugestellte Schriftstück ein dem Beklagten zu 1 als Drittschuldner gegenüber nach dominikanischem Recht wirksames Verbot, das Hotel an die Kläger herauszugeben. Selbst wenn dies zuträfe, wäre ein solches Verbot nach Ablauf einer Frist von acht Tagen wirkungslos geworden mit der Folge, daû einer Rückgabe dann nichts mehr im Wege gestanden hätte. Eine im Vergleich zum Vorenthaltungszeitraum von mehreren Jahren so kurzfristige Verhinderung der Rückgabe würde die (Teil-)Annahme der Revision nicht rechtfertigen.
1. Die dominikanische Zivilprozeûordnung (Código de Procedimiento Civil , CPC) beruht auf der durch Dekret Nr. 2214 vom 17. April 1884 in nahezu wörtlicher Übersetzung übernommenen französischen Zivilprozeûordnung (Code de Procédure Civile, CPrC). Französische Rechtsprechung und Lehre sind daher, der Praxis der dominikanischen Gerichte entsprechend, zum Verständnis und zur Auslegung des dominikanischen Prozeûrechts ergänzend heranzuziehen. Dies gilt insbesondere für die den Artt. 557 bis 567 CPC nahezu wortgleich entsprechenden Artt. 557 bis 567 CPrC, die in Frankreich auch nach Inkrafttreten des Nouveau Code de Procédure Civile (NCPC) bis zur Reform des Vollstreckungsrechts durch Gesetz vom 9. Juli 1991 weitergalten. Nach Art. 557 CPC kann jeder Gläubiger aufgrund eines auf einen bestimmten Betrag lautenden notariellen oder privatschriftlichen Titels in den Händen eines Dritten befindliche Vermögensgegenstände seines Schuldners sowie dessen Forderungen gegen einen Drittschuldner pfänden (embargo retentivo ) und dem Drittschuldner untersagen, an den Schuldner zu leisten (oposición ). Gegenstand der Vollstreckung kann auch ein Herausgabeanspruch sein (vgl. Woopen, Zwangsvollstreckung und Arrest in Forderungen nach französischem Recht unter besonderer Berücksichtigung der Vollstreckung in Bankkonten [1989] S. 103). Dieser erste, vorläufige Vollstreckungsakt liegt zunächst in der Hand des Gerichtsvollziehers; nur bei Fehlen eines Titels oder zur vorläufigen Bezifferung einer unbestimmten Geldforderung bedarf es nach Artt. 558 f. CPC der Mitwirkung des Richters (vgl. zum frz. Recht Pirrung DGVZ 1975, 1, 7). 2. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Grundbucheintragung des zugunsten der Vollstreckungsgläubigerin bestehenden Vorrechts des nicht befriedigten Verkäufers einen geeigneten Titel im Sinne des Art. 557 CPC dar-
stellt, wie die Beklagten geltend machen, oder ob sie lediglich eine dingliche Sicherung des Anspruchs der Verkäuferin auf bevorrechtigte Befriedigung vor anderen Gläubigern darstellt und als Titel im Sinne des Art. 557 CPC vielmehr der notariell beurkundete Kaufvertrag selbst in Betracht kommt. Ebenso kann dahinstehen, ob die Beklagten überhaupt Drittschuldner sind, was fraglich erscheint, da sich der Kaufpreisanspruch der Vollstreckungsgläubigerin C. C. C. C. por A. nicht gegen die Kläger persönlich, sondern deren Besitzgesellschaft T. O. C. S.A. als Käuferin richtet (für deren Verbindlichkeiten die Anteilsinhaber grundsätzlich nicht haften), während die Beklagten die Rückgabe des Hotels nicht dieser, sondern den Klägern persönlich als ihren Verpächtern schuldet. Ferner bedarf es keiner Prüfung, ob das am 1. März 1995 zugestellte Schriftstück den Anforderungen des Art. 559 Satz 1 CPC genügt, demzufolge der "acto de embargo" neben dem zugrundeliegenden Titel auch die Pfändungssumme bezeichnen muû, und welche Auswirkungen Art. 557 Abs. 2 CPC, demzufolge die ausgesprochene Verfügungsbeschränkung das Doppelte des Wertes des der Vollstreckung zugrundeliegenden Forderungsbetrages (hier: vier Kaufpreisraten à 4.166,67 $) nicht überschreiten darf, auf die Pfändung eines unteilbaren Herausgabeanspruchs hat. Denn selbst wenn das am 1. März 1995 zugestellte Schriftstück einen zunächst wirksamen "acto de oposición" im Sinne des Art. 557 CPC darstellte, verlor dieser alsbald kraft Gesetzes (Art. 565 CPC) seine Wirksamkeit, weil die Vollstreckungsgläubigerin nicht innerhalb der grundsätzlich acht Tage nach der Pfändung ablaufenden Frist des Art. 563 CPC bei dem Gericht des Wohnortes der Vollstreckungsschuldnerin (Art. 567 CPC) gegen diese die erforderliche Klage auf Wirksamerklärung der Pfändung (demanda en validez) erhoben und
dies innerhalb der gleichen Frist dem Drittschuldner angezeigt hat (Art. 564 CPC). 3. Der Auffassung der Revision, der Erhebung einer solchen Klage habe es hier nicht bedurft, da eine Klage der Vollstreckungsgläubigerin auf Zahlung des Kaufpreises und somit eine auf Seite 2 des Sachverständigengutachtens als "Klage in der Hauptsache" bezeichnete Klage im Sinne der Artt. 563 ff. CPC bereits anhängig gewesen sei, vermag der Senat nicht zu folgen. Artt. 563 - 565 CPC sprechen nicht von einer Klage "en lo principal" oder "en cuanto al fondo", sondern von einer "demanda en validez", die der "demande en validité" im Sinne der Artt. 563 - 565 CPrC entspricht. Diese darf mit einer Klage in der "Hauptsache" - etwa im Sinne des § 926 Abs. 1 ZPO - nicht verwechselt werden. Diese "Bestätigungs- und Überweisungsklage" stellt vielmehr die zweite Stufe der Zwangsvollstreckung dar und ist auf die Wirksamerklärung der Pfändung und die Überweisung der Forderung gerichtet. Erst mit der Entscheidung des Gerichts (jugement de validité) wird die Forderung gegen den Dritten auf den Vollstreckungsgläubiger übertragen (vgl. Sonnenberger/Schweinberger, Einführung in das französische Recht, 2. Aufl. S. 185 f.). Die endgültige materiellrechtliche Zuweisung des Vollstreckungsgegenstandes bleibt somit einem gerichtlichen Verfahren vorbehalten, in dem die Ordnungsmäûigkeit der Vollstreckungshandlungen und im Falle der Verfahrenseinleitung ohne Vollstrekkungstitel auch das Bestehen der Forderung des Vollstreckungsgläubigers geprüft wird (vgl. Mössle, Internationale Forderungspfändung, S. 169). Wird die Frist zur Erhebung dieser Klage nicht eingehalten, wird der gesamte Pfändungsakt unwirksam, so daû der Drittschuldner wieder befreiend an
den Schuldner leisten und dieser wieder frei über die Forderung verfügen kann (vgl. Woopen aaO S. 140 ff.; Vincent, Voies d'exécution et procédures de distribution , 11. Aufl. [1974] Rdn. 136 = S. 192; Pirrung aaO). Zum Verständnis der besonderen Funktion der "Validitätsklage" ist auch der von der dominikanischen Kommission zur Reform und Modernisierung der Justiz am 23. Februar 2000 vorgelegte Vorentwurf einer neuen Zivilprozeûordnung heranzuziehen, dessen Artt. 1275 ff. den embargo retentivo durch einen embargo retentivo de atribución (etwa: Pfändung und Überweisung) ersetzen. Dieser bedarf keiner nachfolgenden "validación" und ermächtigt den Drittschuldner im Rahmen gesetzlicher Vorgaben, befreiend an den Vollstrekkungsgläubiger zu leisten. Damit würde das dominikanische Recht der französischen Reform des Vollstreckungsrechts folgen, die die saisie-arrêt ebenfalls durch eine (einaktige) saisie-attribution ersetzt hat. Anlaû zu der Reform in Frankreich war im übrigen auch die Kritik an der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 9. Juli 1991 bestehenden Notwendigkeit , die Wirksamkeit der Pfändung in einem besonderen Verfahren bestätigen zu lassen. So führen Perrot/Théry (Procédures civiles d'exécution [2000] Rdn. 340 = S. 360) rückblickend aus: »Die saisie-arrêt ... wies einen Mischcharakter auf: zunächst als Sicherungsmaûnahme und schlieûlich als Vollstreckungsmaûnahme. Die e rste Phase begann mit der Pfändung, die zur Folge hatte, daû über die gepfändete Forderung nicht verfügt werden konnte. Sodann muûte der Gläubiger die Klage auf Wirksamerklärung der Pfändung erheben, unabhängig davon, ob er einen vollstreckbaren Titel hatte oder nicht. Sobald er das Validitätsurteil erstritten hatte, wurde die Pfändung zu einer Vollstreckungsmaûnahme ... und das Urteil hatte die Übertragung der Forderung auf den Vollstreckungsgläubiger zur Folge. ... So sehr dieser Mechanismus seine Berechtigung hatte, wenn der Gläubiger nicht über einen vollstreckbaren Titel verfügte, so sehr gab er im umgekehrten Fall
Anlaû zur Kritik... Wie soll man verstehen, daû es nach einem ersten Prozeû, der dazu dient, einen vollstreckbaren Titel zu erwirken, erforderlich sein soll, einen zweiten für die Vollstreckung anzustrengen?« Daû die zuvor oder nachträglich erhobene Klage zur Hauptsache mit der nach Artt. 563 ff. CPC erforderlichen Klage auf Wirksamerklärung nicht identisch sein kann, ergibt sich zudem aus der ausschlieûlichen örtlichen Zuständigkeit des Wohnsitzgerichts des Vollstreckungsschuldners für die Erhebung dieser Klage (Art. 567 CPC). So hat die Cour de Cassation (Civ. 2, Urteil vom 15. Februar 1995, Bulletin 1995 II n°56 S. 32), deren Rechtsprechung groûen Einfluû auf die dominikanische Rechtspraxis hat, zum inhaltlich entsprechenden Art. 567 Abs. 1 CPrC entschieden, daû der Vollstreckungsgläubiger, der eine saisie-arrêt wegen einer Unterhaltsforderung ausgebracht hat, die nachfolgende Klage auf Wirksamerklärung nicht unter Berufung auf die Rechtsnatur der der Vollstreckung zugrunde liegenden Forderung wahlweise auch vor dem Gericht seines eigenen Wohnsitzes erheben kann, denn Art. 46 NCPC, der diesen Wahlgerichtsstand für Unterhaltsklagen eröffnet, findet auf eine solche Klage keine Anwendung, weil diese etwas anderes ist als eine auf die Verurteilung des Schuldners zu Unterhaltszahlungen gerichtete Klage ("une demande en validité d©une saisie-arrêt, distincte d©une demande de condamnation d©un débiteur d©aliments"). Auch im Rahmen der Vollstreckung wegen einer Klageforderung, für die die Zuständigkeit des Handelsgerichts oder des Landwirtschaftsgerichts gegeben ist, kann die Validitätsklage nur vor den Zivilgerichten erhoben werden (vgl. Vincent aaO Rdn. 134 m.N.). 4. Die Beklagten waren daher mangels wirksamer Verbotsverfügung nicht gehindert, das Hotel nach Ablauf der Frist des Art. 563 CPC schuldbefreiend an die Kläger zurückzugeben. Mangels Rückgabe schulden sie - zumindest
abgesehen von den wenigen Tagen bis zum Ablauf dieser Frist - die Nutzungsentschädigung , zu der sie verurteilt wurden, sowie dem Feststellungsausspruch entsprechend Ersatz des durch verspätete Rückgabe entstandenen und entstehenden weiteren Schadens.
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