Bundesgerichtshof Urteil, 25. Apr. 2001 - XII ZR 263/98

bei uns veröffentlicht am25.04.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 263/98 Verkündet am:
25. April 2001
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. April 2001 durch die Richter Dr. Hahne, Dr. Krohn, Gerber, Sprick und
Prof. Dr. Wagenitz

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats und Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 11. August 1998 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Durch schriftlichen Mietvertrag vom 7. März 1994 vermietete die Klägerin dem Beklagten Verkaufs- und Lagerräume in der S.straße 27 in E. für die Zeit vom 1. Juni 1994 bis 31. Mai 2004 (mit Verlängerungsklausel) "zum Betrieb eines Kindergeschäfts (Verkauf)". Von Beginn des Mietverhältnisses an gab es Streitigkeiten zwischen den Parteien. Diese führten dazu, daß die Klägerin zwischen dem 20. März 1995 und dem 2. April 1996 insgesamt 14 fristlose Kündigungen aussprach. Mit Schreiben vom 20. März 1995 erklärte sie die - erste - fristlose Kündigung des Mietvertrages mit der Aufforderung an den
Beklagten, das Mietobjekt spätestens zum 10. April 1995 an sie herauszugeben. Mit Schreiben vom 7. April 1995 führte sie aus, sie halte die bestehende fristlose Kündigung vom 20. März 1995 aufrecht und kündige "hiermit nochmals ausdrücklich fristlos" aus weiteren Gründen; ansonsten verweise sie auf die fristlose Kündigung vom 20. März 1995. Unter dem 13. April, dem 18. April, dem 26. April, dem 5. Mai, dem 15. Mai, dem 29. Mai, dem 19. Juni, dem 21. Juni, dem 13. Oktober und dem 21. November 1995 sowie dem 16. Januar und 2. April 1996 sprach die Klägerin in entsprechender Weise erneut, jeweils unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung aller bisherigen Kündigungen, aus weiteren Gründen eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses aus. Im April 1995 erhob die Klägerin Räumungsklage gegen den Beklagten, gestützt auf ihre Kündigungen vom 20. März, 7. April, 13. April, 18. April und 26. April 1995. Im Verlauf des Verfahrens erweiterte sie ihr Vorbringen um die zur Begründung der jeweils nachfolgenden Kündigungen geltend gemachten Vorgänge. Das Landgericht erhob Beweis über die in dem Kündigungsschreiben vom 15. Mai 1995 enthaltenen Vorwürfe gegenüber dem Beklagten und verurteilte diesen sodann aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme antragsgemäß zur Räumung und Herausgabe der Mieträume. Während des Berufungsverfahrens gegen dieses Urteil räumte der Beklagte, der mit Schreiben vom 11. Januar 1996 das Mietverhältnis seinerseits - zum 30. April 1996 - gekündigt hatte, das Mietobjekt und zog aus. Daraufhin stellte das Oberlandesgericht fest, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei. Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin im September 1996 die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 82.188,18 DM nebst Zinsen als Mietausfallschaden für den Zeitraum vom April 1996 bis einschließlich September 1996 sowie zur Beseitigung von Mängeln des Mietobjekts begehrt. In
der Folgezeit hat sie ihr Begehren jeweils um weitere Mietausfallbeträge ergänzt , weil die Mieträume noch nicht hätten weitervermietet werden können. Mit Schriftsatz vom 16. Januar 1997 hat sie die Klage erweitert um den Antrag festzustellen, daß das Mietverhältnis "durch fristlose Kündigung der Klägerin vom 15. Mai 1995 wirksam beendet wurde". Inzwischen hatte der Beklagte seinerseits im Oktober 1996 gegen die Klägerin Schadensersatzklage sowie Klage auf Feststellung erhoben, daß seine Kündigung vom 11. Januar 1996 das Mietverhältnis beendet habe. Das Landgericht hat beide Verfahren zum Zweck der Durchführung einer Beweisaufnahme verbunden und nach Durchführung der Beweiserhebung das Parallelverfahren bis zur Rechtskraft der (Teil-)Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit ausgesetzt. In diesem hat das Landgericht nach der Beweisaufnahme durch "TeilEndurteil" antragsgemäß festgestellt, daß das Mietverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Klägerin vom 15. Mai 1995 beendet worden sei. Die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil hatte keinen Erfolg. Mit der hiergegen gerichteten Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren auf Abweisung der erhobenen Feststellungsklage weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an die Vorinstanz.
1. Das Berufungsgericht hat die in der Kündigungserklärung der Klägerin vom 15. Mai 1995 geltend gemachten Kündigungsgründe ebenso wie das Landgericht für durchgreifend erachtet und demgemäß die in dem landgerichtlichen Urteil - entsprechend dem Begehren der Klägerin - getroffene Feststellung , daß das Mietverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 15. Mai 1995 beendet worden sei, durch Zurückweisung der Berufung des Beklagten bestätigt. 2. Dieses Urteil kann nicht bestehenbleiben. Denn die Klage, der das Berufungsgericht darin - in Übereinstimmung mit dem Landgericht - stattgegeben hat, ist nicht schlüssig. Wird ein Mietverhältnis wirksam außerordentlich gekündigt, so wird es mit dem Zugang der Kündigungserklärung bei dem Vertragspartner entweder mit sofortiger Wirkung oder, im Falle einer Befristung, mit deren Ablauf beendet , und zwar ohne Rücksicht darauf, ob als Folge der Beendigung des Dauerschuldverhältnisses noch Abwicklungspflichten zu erfüllen sind. Die Rechtsfolgen der erklärten Kündigung können nach dem Zeitpunkt ihres Zugangs weder einseitig widerrufen noch zurückgenommen werden (vgl. Senatsurteil BGHZ 139, 123, 126 f m.w.N; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl. Rdn. 907). Ist das Mietverhältnis durch wirksame außerordentliche Kündigung beendet worden, so gehen weitere, nachfolgende Kündigungserklärungen ins Leere; sie können insbesondere nicht dazu führen, daß das bereits beendete Mietverhältnis - erstmals oder erneut - "beendet" würde. Mit diesen Grundsätzen ist der Feststellungsantrag, den die Klägerin als Inhalt ihres Klagebegehrens, gestützt auf ihre insgesamt siebente fristlose Kündigung, erhoben hat, nicht zu vereinbaren. Da die Klägerin mit Schreiben
vom 20. März 1995 erstmals eine außerordentliche ("fristlose") Kündigung, befristet bis zum 10. April 1995, ausgesprochen hatte, wurde das Mietverhältnis zum 10. April 1995 beendet, falls die Kündigung inhaltlich gerechtfertigt war. War das nicht der Fall, dann führte die fristlose Kündigung vom 7. April 1995 mit ihrem Zugang bei dem Beklagten zur Beendigung des Mietverhältnisses, sofern die Gründe, auf die sie gestützt war, die fristlose Kündigung rechtfertigten. Entsprechendes gilt für die jeweils nachfolgend erklärten Kündigungen. Die fristlose Kündigung vom 15. Mai 1995 hat daher nur dann zur Beendigung des Mietverhältnisses geführt, wenn dieses nicht bereits zuvor durch eine der Kündigungen vom 20. März, vom 7. April, vom 13. April, vom 18. April, vom 26. April und vom 5. Mai 1995 - in dieser Reihenfolge - sein Ende gefunden hatte und zudem die in der Erklärung vom 15. Mai 1995 angeführten Gründe die außerordentliche Kündigung rechtfertigten. Angesichts der Rechtslage, die durch die wiederholten Kündigungen der Klägerin - die diese noch im Berufungsverfahren ausdrücklich sämtlich für gerechtfertigt erklärt hat - geschaffen wurde, hätte das Feststellungsbegehren mit dem von der Klägerin verfolgten Ziel hiernach etwa in der Form schlüssig gestellt werden können, daß das Mietverhältnis durch die Kündigung vom 20. März 1995, hilfsweise durch diejenige vom 7. April 1995, usw. ..., hilfsweise durch diejenige vom 15. Mai 1995 beendet worden sei. Die Vorinstanzen hätten sodann gegebenenfalls die Vorwürfe aus den ersten sechs Kündigungserklärungen in zeitlicher Abfolge nacheinander rechtlich prüfen müssen, bevor sie sich mit der Berechtigung der am 15. Mai 1995 ausgesprochenen fristlosen Kündigung - als Grundlage für die behauptete Beendigung des Mietverhältnisses - befaßten.
Denkbar wäre ein schlüssiges Klagebegehren auch etwa in der Form gewesen, daß beantragt worden wäre festzustellen, das Mietverhältnis sei (beispielsweise) "seit Ende Mai 1995" beendet. In diesem Fall hätten die Vorinstanzen , ohne an eine bestimmte Prüfungsreihenfolge gebunden zu sein, zunächst einen oder einige Vorgänge aus den in den ersten sieben Kündigungserklärungen (vom 20. März bis zum 15. Mai 1995) genannten Kündigungsgründen auswählen und anhand der dort erhobenen Vorwürfe prüfen können, ob diese die darauf gestützte(n) außerordentliche(n) Kündigung(en) rechtfertigten. In der gewählten Form kann das Feststellungsbegehren hingegen nicht zum Erfolg führen. Nach dem bisherigen Gesamtvorbringen der Klägerin zu ihrem prozessualen Klagebegehren und dem hierzu geltend gemachten Sachvortrag scheidet auch eine etwaige "Auslegung" oder "Modifizierung" des - unschlüssigen - Klageantrags etwa im Sinne einer der vorgenannten Antragsmöglichkeiten nach dem derzeitigen Sach- und Rechtsstand im Revisionsverfahren aus. Das angefochtene Urteil kann daher nicht bestehen bleiben. 3. Der Rechtsstreit ist allerdings nicht - im Sinne einer Abweisung der erhobenen Klage - zur Endentscheidung reif. Zwar ist eine Ä nderung des Klageantrags , mit deren Hilfe die Klägerin ihr Begehren in eine schlüssige Klage abändern würde, in der Revisionsinstanz grundsätzlich unzulässig (BGHZ 11, 192, 195 und 222, 224; 28, 131, 137; BGH, Urteil vom 18. Juni 1998 - IX ZR 311/95 = WM 1998, 1689, 1691). Das gilt jedoch nicht für das Berufungsverfahren. Der Mangel des bisherigen Verfahrens kann in der Berufungsinstanz gegebenenfalls durch weiteres Parteivorbringen in Verbindung mit einem entsprechend geänderten Klageantrag behoben werden (vgl. Musielak/Ball, ZPO, 2. Aufl. § 565 Rdn. 21 m.w.N.).
Um hierzu Gelegenheit zu geben, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Auf die von der Klägerin als Revisionsbeklagter in der Revisionsverhandlung erhobene Gegenrüge aus § 139 ZPO kommt es bei dieser Sachlage nicht an (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 7. Dezember 2000 - I ZR 179/98 - zur Veröffentlichung bestimmt, und vom 7. Dezember 1989 - VII ZR 343/88 = BGHR ZPO § 139 Abs. 1 Anwaltsprozeß 4). Für das weitere Verfahren wird - in materiell-rechtlicher Hinsicht - auf die Rügen der Revision gegenüber den Ausführungen des angefochtenen Urteils zu § 554 a BGB hingewiesen, insbesondere soweit darin bei der Behandlung der Frage, ob die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zumutbar war, die gebotene Gesamtwürdigung aller für die Vertragsfortsetzung wesentlichen Umstände einschließlich des Verhaltens der kündigenden Klägerin unterblieben ist (vgl. BU Bl. 13 im 2. Absatz). Hahne Krohn Gerber Sprick Wagenitz

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 139 Materielle Prozessleitung


(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über

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Bundesgerichtshof Urteil, 07. Dez. 2000 - I ZR 179/98

bei uns veröffentlicht am 07.12.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄ UMNISURTEIL I ZR 179/98 Verkündet am: 7. Dezember 2000 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : n
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Bundesgerichtshof Urteil, 15. Jan. 2013 - XI ZR 22/12

bei uns veröffentlicht am 15.01.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil XI ZR 22/12 Verkündet am: 15. Januar 2013 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja AGB-Banken 2002

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(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄ UMNISURTEIL
I ZR 179/98 Verkündet am:
7. Dezember 2000
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Ein richterlicher Hinweis bzw. eine Rückfrage des Gerichts ist auch dann geboten
, wenn für das Gericht offensichtlich ist, daß der Prozeßbevollmächtigte
einer Partei die von dem Prozeßgegner erhobenen Bedenken gegen die Fassung
eines Klageantrags oder die Schlüssigkeit der Klage falsch aufgenommen
hat.
BGH, Vers.-Urt. v. 7. Dezember 2000 - I ZR 179/98 - OLG Düsseldorf
LG Duisburg
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Erdmann und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm,
Pokrant und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. Juli 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte ist Inhaber einer Apotheke. Er hat seit Oktober 1996 - unaufgefordert - überregional an Ä rzte eine Preisliste für Impfstoffe übersandt, die keiner gesetzlichen Preisbindung unterliegen. In einem der Preisliste beigefügten Anschreiben betreffend den "preisgünstigen Bezug von Impfstoffen für die Vorsorgeimpfung" heißt es u.a. wie folgt:
"Mit der beigefügten Preisliste biete ich Ihnen die VorsorgeImpfstoffe an. Bitte beachten Sie im Vergleich zu unseren Mitbewerbern , daß unsere Preise bereits die gesetzliche Mehrwertsteuer beinhalten. Diese Preise (vorbehaltlich Preisänderungen) liegen bis zu 33 % - je nach Packungsgröße - unter den vereinbarten Zuschlägen laut Arzneimittelliefervertrag zwischen dem Deutschen A. und dem Verband der E. (VDAK) und entsprechen dem jeweils gültigen Apothekeneinkaufspreis zzgl. MwSt am Tage der Bestellung." Im Falle einer Bestellung der angebotenen Impfstoffe durch einen Arzt läßt sich der Beklagte ein Formular unterschreiben, in dem der Arzt einen Schnell-Lieferdienst "autorisiert", die Impfstoffe in der Apotheke des Beklagten abzuholen.
Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, sieht darin einen Verstoß gegen das Verbot aus § 17 Abs. 1 und 2 ApBetrO, Arzneimittel zu versenden, sowie gegen das Verbot des § 8 Abs. 1 HWG, für den Bezug apothekenpflichtiger Arzneimittel im Wege des Versandes zu werben. Sie nimmt den Beklagten deshalb aus § 1 UWG auf Unterlassung in Anspruch. Ferner begehrt sie den Ersatz von Abmahnkosten.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
1. den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen , es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
a) in Anschreiben an Ä rzte mit beigefügten Impfstoff-Preislisten für den Bezug von Impfstoffen auf dem Versandwege zu werben (vgl. Anlage A 1 nebst beigefügter Impfstoff-Preisliste) und/oder
b) im Wege des Versandes Impfstoffe an Ä rzte zu versenden, die außerhalb der Stadt W. praktizieren, es sei denn, es liegt eine vorherige ärztliche Anforderung oder ein Ausnahmefall des § 47 AMG vor; 2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 294,25 DM nebst Zinsen zu zahlen. Der Beklagte ist dem entgegengetreten. Er hat die Unterlassungsanträge als unzulässig und unverständlich beanstandet und geltend gemacht, er sei durch eine Verurteilung im Sinne des Klageantrages zu 1 b "praktisch nicht betroffen", da er nicht "ohne vorherige ärztliche Anforderung" handele. Er gebe Impfstoffe ausschließlich an solche Ä rzte ab, die genau diese Impfstoffe zuvor bei ihm bestellt hätten. Ferner hat der Beklagte die Auffassung vertreten, die von der Klägerin beanstandete Versendung von Preislisten für Impfstoffe verstoße nicht gegen § 8 Abs. 1 HWG, weil es sich dabei nicht um Werbung, sondern in erster Linie um eine Preisinformation für Ä rzte handele. Nach Sinn und Zweck des § 8 Abs. 1 HWG dürfe das Werbeverbot nicht auf eine Preisinformation gegenüber Ä rzten erstreckt werden.
Das Landgericht hat dem Klageantrag zu 1 a (Werbeverbot) stattgegeben und den Antrag zu 1 b (Versandverbot) abgewiesen. Dem Zahlungsbegehren hat es in Höhe von 187,12 DM nebst Zinsen entsprochen.
Die Klägerin hat Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie u.a. ausgeführt , der vom Landgericht abgewiesene Klageantrag zu 1 b (Versandverbot) sei darauf gerichtet gewesen, dem Beklagten die Durchführung der Versendung von Impfstoffen im Anschluß an eine ohne v orherige ärztliche Anforderung erfolgte Werbung zu untersagen. Der in dem abgewiesenen Unterlassungsantrag enthaltene Vorbehalt "es sei denn, es liegt eine vorherige ärztliche Anforderung" vor, sei ersichtlich auf den angegriffenen Gesamttatbestand bezogen gewesen. Etwaigen Bedenken gegen die erstinstanzliche Antragsformulierung , die das Landgericht gemäß § 139 ZPO hätte beheben müssen, trage der nunmehr in erster Linie verfolgte Unterlassungsantrag zu 1 a Rechnung.
Die Klägerin hat beantragt, das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und den Beklagten - über die in dem landgerichtlichen Urteil ausgesprochene Verurteilung hinaus - unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen , 1. es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
a) im Wege des Versandes Impfstoffe an Ä rzte zu versenden, die außerhalb der Stadt W. praktizieren, es sei denn, daß ein Ausnahmefall des § 47 AMG vorliegt,
b) hilfsweise zu a): im Wege des Versandes oder der Zustellung durch Boten Impfstoffe an Ä rzte zu versenden, die außerhalb der Stadt W. praktizieren, es sei denn, daß ein Ausnahmefall des § 47
AMG vorliegt oder der bestellende Arzt für jede Bestellung individuell -konkret darlegt, warum er zu einer Abholung der Impfstoffe in der Apotheke nicht in der Lage ist,
c) äußerst hilfsweise zu a) und b): im Wege des Versandes Impfstoffe an Ä rzte zu versenden, die außerhalb der Stadt W. praktizieren, es sei denn, es liegt eine vorherige ärztliche Anforderung oder ein Ausnahmefall des § 47 AMG vor; 2. an die Klägerin insgesamt (unter Einbeziehung der landgerichtlichen Zahlungsverurteilung) 294,25 DM nebst Zinsen zu zahlen. Der Beklagte hat gegen seine Verurteilung unselbständige Anschlußberufung eingelegt, mit der er die Abweisung der Klage insgesamt erstrebt.
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen und die Anschlußberufung des Beklagten für wirkungslos erklärt.
Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre im Berufungsverfahren gestellten Anträge weiter. Der ordnungsgemäß geladene Beklagte war im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht nicht vertreten. Die Klägerin beantragt, durch Versäumnisurteil zu entscheiden.

Entscheidungsgründe:


I. Über den Revisionsantrag ist, da der Revisionsbeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Revisionsverhandlungstermin nicht vertreten war, auf Antrag der Revisionsklägerin durch Versäumnisurteil zu entscheiden
(§§ 331, 557 ZPO). Das Urteil beruht allerdings nicht auf der Säumnis. Es wäre nach dem der Revisionsentscheidung gemäß § 561 ZPO zugrundezulegenden Sach- und Streitstand inhaltlich ebenso ergangen, wenn der Beklagte nicht säumig gewesen wäre (vgl. BGHZ 37, 79, 81 f.).
II. Das Berufungsgericht hat das Rechtsmittel der Klägerin mangels Zulässigkeit gemäß § 519b Abs. 1 Satz 2 ZPO verworfen. Dazu hat es ausgeführt:
Die Berufungsanträge zu 1 a und 1 b seien unzulässig, weil sie sich nicht gegen die im angefochtenen Urteil enthaltene Beschwer wendeten. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels erfordere neben einer Beschwer zusätzlich, daß mit dem Rechtsmittel die Beseitigung gerade der durch das angegriffene Urteil geschaffenen Beschwer erstrebt werde. Daran fehle es, wenn der erstinstanzlich unterlegene Kläger nicht die Abweisung seines ursprünglichen Klagebegehrens angreife, sondern mit dem Rechtsmittel im Wege der Klageänderung einen neuen, bislang nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stelle. Mit den in zweiter Instanz gestellten Unterlassungsanträgen zu 1 a und 1 b werde etwas anderes als mit dem erstinstanzlichen Antrag zu 1 b verlangt. Ein Versandverbot mit der Einschränkung, "es sei denn, es liegt eine vorherige ärztliche Anforderung" vor, habe einen anderen Streitgegenstand als das im Berufungsverfahren begehrte uneingeschränkte Versandverbot. Das Landgericht sei nicht gemäß § 139 ZPO verpflichtet gewesen, das Stellen des unbegründeten (erstinstanzlichen) Klageantrages zu 1 b zu verhindern, weil die anwaltlich vertretene Klägerin trotz berechtigter Kritik des Beklagten an diesem Antrag erkennbar habe festhalten wollen.
Die Klägerin wende sich nur mit dem Berufungsantrag zu 1 c, der inhaltlich dem erstinstanzlich gestellten Klageantrag zu 1 b entspreche, gegen die in
dem angefochtenen Urteil enthaltene Beschwer. Insoweit sei die Berufung jedoch ebenfalls unzulässig, weil sie nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise begründet worden sei.
III. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Berufung der Klägerin, mit der sie sich hauptsächlich gegen die Abweisung des mit dem ursprünglichen Klageantrag zu 1 b verfolgten Begehrens wendet, zulässig.
Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß die Berufung nur dann zulässig ist, wenn der Berufungskläger mit ihr die Beseitigung einer in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer erstrebt. Das Rechtsmittel ist daher unzulässig, wenn es den in erster Instanz erhobenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolgt , also - im Falle einer erstinstanzlichen Klageabweisung - die Richtigkeit der Entscheidung nicht in Frage stellt, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen, bislang nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Die bloße Erweiterung oder Ä nderung der Klage in zweiter Instanz (§§ 523, 263, 264 Nr. 2 ZPO) kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein; vielmehr setzt ein derartiges Prozeßziel eine zulässige Berufung voraus (st. Rspr.; vgl. BGHZ 140, 335, 338; BGH, Urt. v. 13.3.1998 - V ZR 190/97, NJW 1998, 2058; Urt. v. 25.2.1999 - III ZR 53/98, NJW 1999, 1407; Urt. v. 22.4.1999 - IX ZR 352/98, NJW-RR 2000, 1521; Urt. v. 20.3.2000 - II ZR 250/99, NJW 2000, 1958). Im Streitfall kann die Zulässigkeit der Berufung der Klägerin nicht verneint werden.

a) Das Berufungsgericht hat entgegen der Auffassung der Revision allerdings rechtsfehlerfrei angenommen, daß das in der Berufungsinstanz mit dem Klageantrag zu 1 a begehrte uneingeschränkte Versandverbot einen anderen Streitgegenstand hat als das in erster Instanz mit dem Unterlassungsantrag zu 1 b verfolgte Klageziel. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat, der die erstinstanzlichen Prozeßerklärungen der Klägerin eigenständig und ohne Bindung an die Auslegung des Berufungsgerichts zu werten hat (vgl. BGH, Urt. v. 25.11.1992 - XII ZR 116/91, NJW 1993, 597, 598; Urt. v. 12.7.1995 - IV ZR 369/94, NJW-RR 1995, 1469, 1470), aufgrund der zutreffenden Erwägung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe trotz ständiger Kritik des Beklagten in erster Instanz darauf beharrt, daß dem Beklagten der Versand von Impfstoffen an Ä rzte nur verboten werden solle, wenn eine vorherige ärztliche Anforderung oder ein Ausnahmefall des § 47 AMG nicht vorlägen. Ein Versandverbot mit der Einschränkung "es sei denn, es liegt eine vorherige ärztliche Anforderung" vor, zielt auf das Verbot ab, Ä rzten unbestellte Waren zukommen zu lassen. Mit dem Berufungsantrag zu 1 a erstrebt die Klägerin dagegen ein uneingeschränktes Versandverbot. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, daß dieses Klageziel einen anderen Gegenstand hat als das in erster Instanz mit dem Klageantrag zu 1 b verfolgte Begehren.

b) Gleichwohl fehlt es im Streitfall nicht an der für die Zulässigkeit der Berufung erforderlichen Beschwer im Sinne der Darlegungen unter III 1. Die Klägerin hat die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung u.a. mit der Rüge aus § 139 ZPO angegriffen. Im allgemeinen ist eine Verfahrensrüge zwar unerheblich, wenn der Rügende das prozessuale Ergebnis, hier die Abweisung des Klageantrags zu 1 b, hinzunehmen bereit ist. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin mit ihrer Rüge, das Landgericht habe seine Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO verletzt, aber auch geltend gemacht, daß sie, wenn sie in erster
Instanz auf Bedenken gegen die Fassung des Klageantrags zu 1 b hingewiesen worden wäre, dem durch eine Antragsneufassung mit dem Inhalt des in der Berufungsinstanz gestellten Antrags zu 1 a Rechnung getragen hätte. Hinsichtlich der Durchführbarkeit der darin zu sehenden Klageänderung wären keine derartigen Schwierigkeiten aufgetaucht wie bei der gegebenen Prozeßlage. Die Abweisung des in erster Instanz gestellten Unterlassungsantrags zu 1 b wollte die Klägerin nach ihrem Berufungsvorbringen nur unter der Voraussetzung hinnehmen, daß eine Antragsänderung im anhängigen Verfahren noch möglich ist. Die erhobene Verfahrensrüge bedeutet daher, daß ihre Berufung nicht ausschließlich den neuen Anspruch zum Gegenstand hat (vgl. BGH NJW 1993, 597, 598).

c) Der danach bestehenden Verpflichtung zur Prüfung, ob die erhobene Verfahrensrüge durchgreift, ist das Berufungsgericht allerdings nachgekommen. Es hat diese Frage jedoch zu Unrecht verneint.
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, für das Landgericht habe gemäß § 139 ZPO kein Anlaß bestanden, das Stellen unbegründeter Anträge zu verhindern, an denen die anwaltlich vertretene Klägerin trotz berechtigter Kritik der Gegenseite erkennbar habe festhalten wollen; derartige Anträge seien schlicht abzuweisen. Ungeachtet einer Erörterungspflicht des Gerichts sei es grundsätzlich Sache des Klägers, Inhalt, Umfang und Grenzen des begehrten Verbots aufzuzeigen und die insoweit maßgebenden Umstände darzutun. Aus dem Grundsatz, daß das Gericht gehalten sei, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken, könne selbst bei unbestimmten Anträgen nicht hergeleitet werden, daß es weitgehend dem Gericht überlassen werden könne, einem zu unbestimmt gefaßten und damit unzulässigen Klageantrag einen zulässigen Wortlaut und Inhalt zu geben. Für zulässige, aber erkennbar unbe-
gründete Anträge müsse dies erst recht gelten. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
bb) Auf Bedenken gegen die Schlüssigkeit der Klage muß das Gericht gemäß § 139 ZPO grundsätzlich auch eine anwaltlich vertretene Partei hinweisen. Das gilt insbesondere dann, wenn der Rechtsanwalt die Rechtslage ersichtlich falsch beurteilt oder darauf vertraut, daß sein schriftsätzliches Vorbringen ausreichend sei (BGHZ 127, 254, 260; BGH, Urt. v. 27.11.1996 - VIII ZR 311/95, NJW-RR 1997, 441; Urt. v. 21.1.1999 - VII ZR 269/97, NJW 1999, 1264; Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl., § 139 Rdn. 13; Musielak/Stadler, ZPO, 2. Aufl., § 139 Rdn. 6; MünchKommZPO/Peters, 2. Aufl., § 139 Rdn. 11 ff.). Ein Hinweis bzw. eine Rückfrage ist vor allem auch dann geboten, wenn für das Gericht offensichtlich ist, daß der Prozeßbevollmächtigte einer Partei die von dem Prozeßgegner erhobenen Bedenken gegen die Fassung eines Klageantrags oder die Schlüssigkeit der Klage falsch aufgenommen hat (vgl. Zöller/Greger aaO § 139 Rdn. 13). Das ist hier der Fall.
Die Klägerin hat das in erster Instanz mit dem Klageantrag zu 1 b verfolgte Versandverbot sowohl in der Klageschrift als auch im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hauptsächlich auf die in § 17 Abs. 1 und 2 ApBetrO enthaltenen Regelungen gestützt. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 ApBetrO dürfen Arzneimittel, zu denen nach § 4 Abs. 4 i.V. mit § 2 Abs. 1 AMG auch Impfstoffe der hier in Rede stehenden Art gehören, nur in den Apothekenbetriebsräumen in den Verkehr gebracht werden. Die Versendung aus der Apotheke oder die Zustellung durch Boten ist gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 ApBetrO nur im begründeten Einzelfall zulässig. In der Klageschrift hat die Klägerin vorgetragen , der Beklagte verstoße mit der Durchführung eines umfangreichen Versandhandels mit Impfstoffen gegen § 17 Abs. 1 und 2 ApBetrO. Dieses
Vorbringen hat sie in ihrem Schriftsatz vom 16. April 1997 wiederholt und dahingehend präzisiert, daß der Versand von Arzneimitteln seitens des Beklagten über den in § 17 Abs. 2 Satz 1 ApBetrO geregelten zulässigen Einzelfall hinausgehe. In ihrem Schriftsatz vom 1. April 1997 hat die Klägerin allerdings vorgebracht , der zweite Klageantrag (1 b) betreffe die praktische Durchführung des Versandhandels, "und zwar ohne ärztliche Aufforderung", obwohl der Wortlaut der Regelungen in § 17 Abs. 1 und 2 ApBetrO keinerlei Veranlassung für die Annahme gibt, daß nur der unaufgeforderte überregionale Versand von Arzneimitteln unzulässig ist. Ein Verbot, das auf die überregionale Versendung unbestellter Impfstoffe an Ä rzte beschränkt ist, liefe praktisch auch ins Leere. Selbst der Beklagte ist nicht davon ausgegangen, daß die Klägerin ein derart eingeschränktes Verbot erstrebt hat. Denn er hat in seiner Klageerwiderung vorgebracht, "es sollte unstreitig sein, daß kein Apotheker einem Arzt unbestellte Ware zukommen läßt".
Nachdem die Klägerin den genannten Hinweis des Beklagten nicht zum Anlaß genommen hat, ihren Klageantrag zu 1 b zu ändern, hätte das Landgericht erkennen und gemäß § 139 ZPO darauf hinweisen müssen, daß ein Verbotsausspruch mit der im Unterlassungsantrag zu 1 b enthaltenen Einschränkung "es sei denn, es liegt eine vorherige ärztliche Anforderung" vor, nicht auf die von der Klägerin angeführte Klagegrundlage des § 17 Abs. 1 und 2 ApBetrO gestützt werden kann und die Einschränkung überdies dem von der Klägerin tatsächlich verfolgten Ziel, dem Beklagten den Versand von Impfstoffen aus seiner Apotheke generell verbieten lassen zu wollen, wenn kein begründeter Einzelfall vorliegt, entgegensteht.
2. Die Begründetheit der von der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung erhobenen Rüge aus § 139 ZPO führt dazu, daß an die Sachdienlichkeit der in
der Berufungsinstanz vorgenommenen Klageänderung keine strengeren Anforderungen gestellt werden können als diejenigen, die für eine solche in erster Instanz gelten (vgl. BGH NJW 1993, 597, 598). Die Revision macht insoweit mit Recht geltend, daß das Berufungsgericht die in Rede stehende Klageänderung gemäß § 263 ZPO als sachdienlich hätte zulassen müssen, da das mit dem Berufungsantrag zu 1 a nunmehr verfolgte Begehren keine Auswechslung des bisherigen Streitstoffes erfordert. Der Rechtsstreit kann vielmehr auf der Grundlage des bislang vorhandenen Sach- und Streitstands abschließend vom Berufungsgericht entschieden werden mit der Folge, daß ein neuer Prozeß vermieden wird. In einem derartigen Fall ist im allgemeinen die Sachdienlichkeit einer Klageänderung zu bejahen (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.1999 - VI ZR 219/98, NJW 2000, 800, 803 m.w.N.; Zöller/Greger aaO § 263 Rdn. 13 m.w.N.).
3. Erweist sich die Berufung nach alledem als zulässig, so wird das Berufungsgericht nunmehr unter Berücksichtigung der Senatsentscheidung vom 6. April 2000 (- I ZR 294/97, GRUR 2001, 178 = WRP 2000, 1397 - Impfstoffversand an Ä rzte) und der im Streitfall in tatsächlicher Hinsicht gegebenen Besonderheiten in der Sache zu entscheiden haben.
IV. Danach war das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Erdmann v. Ungern-Sternberg Bornkamm
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(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.