Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juli 2018 - X ZR 89/16

bei uns veröffentlicht am03.07.2018
vorgehend
Bundespatentgericht, 7 Ni 11/15, 14.07.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 89/16 Verkündet am:
3. Juli 2018
Zöller
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
ECLI:DE:BGH:2018:030718UXZR89.16.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2018 durch die Richter Dr. Bacher, Gröning, Dr. Grabinski und Hoffmann sowie die Richterin Dr. Marx
für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 7. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 14. Juli 2016 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik
1
Deutschland erteilten europäischen Patents 1 073 813 (Streitpatents), das am 15. April 1999 angemeldet worden ist und eine Trägerplatte für einen plattenbekleideten Boden- oder Wandaufbau betrifft. Patentanspruch 1, auf den drei weitere Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache: "Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff für einen plattenbekleideten Bodenoder einen Wandaufbau zum Erzielen einer Entkopplung zwischen dem Untergrund und der auf die folienartige Platte aufzubringenden Flächenbekleidung, wobei die Trägerplatte eine Strukturierung zum Ausbilden von Vertiefungen durch im Wesentlichen in einer Richtung verlaufende Ausprägungen (N , N , 1 3 N ) auf einer Seite und auf der anderen Seite niveaugleiche, erhabene Bereiche

5

aufweist, zwischen denen Kammern (M -M ) zur Aufnahme eines zur Ausbil- 1 3 dung einer Kontaktschicht mit der aufzubringenden Flächenbekleidung vorgesehenen aushärtenden Kontaktmittels, wie Mörtel oder Kleber, gebildet sind und wobei an der Unterseite der Platte ein netzartiges Gewebe oder ein Vlies (2) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Strukturierung aus mindestens einer weiteren Schar aus in einer weiteren Richtung verlaufenden und die Ausprägungen (N , N , N ) kreuzenden weiteren Ausprägungen (N , N , N ) 1 3 5 2 4 6 besteht, wobei die gebildeten Kammern (M -M ) umfänglich durch die zur ande- 1 3 ren Seite der Trägerplatte hin offenen erhabenen Stege (S -S ) bildenden Aus- 1 6 prägungen (N -N ) begrenzt sind und ein in eine Kammer (M -M ) hineinragen- 1 6 1 3 der Hinterschnitt (H -H ) Teil eines Steges (S -S ) bzw. einer Ausprägung (N - 1 3 1 6 1
N) ist."

6

2
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus und sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in vier geänderten Fassungen verteidigt.
3
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die das Schutzrecht mit einem Hauptantrag und neun Hilfsanträgen jeweils in geänderter Fassung verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


4
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
5
I. Das Streitpatent betrifft eine Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff für einen plattenbekleideten Boden- oder Wandaufbau.
6
1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift können bei Keramikplatten , die auf Böden oder Wänden verlegt sind, durch unterschiedliche Wärmeausdehnung und dadurch verursachte Spannungen Risse entstehen, die zum Ablösen der Platten führen können. Im Stand der Technik seien Trägerplatten aus folienartigem Kunststoff bekannt gewesen, um auftretende Spannungsunterschiede abzubauen und den Aufbau vom Untergrund zu entkoppeln.
7
Eine aus der deutschen Offenlegungsschrift 37 01 414 bekannte Trägerplatte weise abwechselnd nach beiden Seiten hin schwalbenschwanzförmige Nuten auf. Dadurch lasse sich die Trägerplatte bei Druck- und Zugbeanspruchung quer zum Verlauf dieser Nuten bewegen. Um einen Spannungsausgleich zu ermöglichen, müsse sichergestellt werden, dass sich die Nuten nicht vollständig mit dem zum Anbringen der Verkleidung verwendeten Kontaktmittel, beispielsweise Mörtel, füllten. Hierzu sei vorgeschlagen worden, die Trägerplatte an einer Seite mit einem Vlies oder einem netzartigen Textilgewebe zu versehen. Solche Trägerplatten seien aber nur in eine Richtung dehnfähig bzw. zusammendrückbar.
8
Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, eine Trägerplatte zur Verfügung zu stellen, die einen verbesserten Abbau von Spannungsunterschieden ermöglicht.
9
2. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung eine Trägerplatte vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen [Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind durch Streichung gekennzeichnet]: 1. Die Trägerplatte besteht aus folienartigem Kunststoff. 1.1 Sie ist geeignet für einen plattenbekleideten Boden- oder einen Wandaufbau und 1.2 dient dem Erzielen einer Entkopplung zwischen dem Untergrund und der auf die folienartige Platte aufzubringenden Flächenbekleidung.
2. Die Trägerplatte weist eine Strukturierung zum Ausbilden von Vertiefungen auf, und zwar 2.1 auf einer Seite durch Ausprägungen (N1, N3, N5), die im Wesentlichen in einer Richtung verlaufen und 2.2 auf der anderen Seite durch niveaugleiche, erhabene Bereiche , 2.3 zwischen denen Kammern (M1-M3) gebildet sind zur Aufnahme eines aushärtenden Kontaktmittels wie Mörtel oder Kleber, das zur Ausbildung einer Kontaktschicht mit der aufzubringenden Flächenbekleidung vorgesehen ist. 2.3.1 Die Kammern (M1-M3) sind umfänglich durch Ausprägungen (N1-N6) begrenzt, die zur anderen Seite der Trägerplatte hin offen sind und erhabene Stege (S1-S6) bilden.
2.3.2 Ein in eine Kammer (M1-M3) hineinragender Hinterschnitt (H1-H3) ist Teil eines Steges (S1-S6) bzw. einer Ausprägung (N1-N6).
2.4 Die Strukturierung besteht aus mindestens einer weiteren Schar von weiteren Ausprägungen (N2, N4, N6), die in einer weiteren Richtung verlaufen und die Ausprägungen (N1, N3, N5) kreuzen.
3. An der Unterseite der Platte ist ein netzartiges Gewebe oder ein Vlies (2) vorgesehen.
10
3. Einige Merkmale bedürfen näherer Betrachtung.
11
a) Nach Merkmal 2.1 weist die Trägerplatte auf einer Seite Ausprägungen (N1-N6) auf, die gemäß den Merkmalen 2.2 und 2.3.1 auf der gegenüberliegenden Seite als erhabene Stege (S1-S6) herausragen und dadurch tieferliegende Kammern (M1-M3) begrenzen.
12
Ein Ausführungsbeispiel ist in Figur 1b dargestellt:
13
Die Kammern (M1-M3) dienen gemäß Merkmal 2.3 zur Aufnahme von Mörtel, Kleber oder eines sonstigen Kontaktmittels zur Befestigung der Verkleidung. Sie weisen gemäß Merkmal 2.3.2 einen Hinterschnitt (H1-H3) auf. Dieser dient nach der Beschreibung dazu, dass sich das Kontaktmittel an der Trägerplatte verankern kann (Abs. 11 Z. 55-58).
14
b) Nach Merkmal 2.4 gibt es mindestens zwei Scharen von Ausprägungen und damit von Stegen, die in unterschiedlichen Richtungen verlaufen. Dies führt dazu, dass sich eine Kammer weder in Längs- noch in Querrichtung über die gesamte Länge bzw. Breite einer Trägerplatte erstreckt. Da den Ausprägungen und Stegen entscheidende Bedeutung für die Aufnahme von Spannungsdifferenzen zukommt (Abs. 7 Sp. 26-32), ermöglicht dies einen Spannungsabbau in mindestens zwei unterschiedlichen Richtungen.
15
Bei dem in der Patentschrift beschriebenen Ausführungsbeispiel weisen die beiden unterschiedlichen Scharen einen im Wesentlichen gleichen Abstand zwischen den einzelnen Stegen auf. Dieses Merkmal hat in Patentanspruch 1 keinen Niederschlag gefunden. Zugunsten der Beklagten kann aber unterstellt werden, dass die Abstände im Hinblick auf die genannte Funktion des Merkmals jedenfalls in der gleichen Größenordnung liegen müssen, damit ein Spannungsabbau in beide Richtungen im Wesentlichen in gleicher Weise erreicht werden kann. Zwar sind zumindest theoretisch Anwendungsfälle nicht ausgeschlossen , in denen das Ausmaß der zu erwartenden Spannungen von der Richtung abhängt. Wenn die zweite Schar von Ausprägungen nach der Beschreibung des Streitpatents aber gerade dazu dienen soll, einen Spannungsabbau in mindestens zwei Richtungen zu ermöglichen, spricht dies dafür, dass die Stege und Nuten so angeordnet sein müssen, dass ein im Wesentlichen gleichmäßiger Spannungsabbau auch dann gewährleistet ist, wenn die auftretenden Spannungen nicht richtungsabhängig sind.
16
c) Das in Merkmal 3 vorgesehene Vlies (2) dient nach der Beschreibung dazu, das Verfüllen der rückseitig offenen Nuten (N1 und N2) zu verhindern (Abs. 11 Z. 6-9). Diese Funktion hat im Wortlaut von Patentanspruch 1 ebenfalls keinen ausdrücklichen Niederschlag gefunden. Zugunsten der Beklagten kann aber auch insoweit angenommen werden, dass das Vlies aufgrund der genannten Funktion so beschaffen sein muss, dass es den zur Befestigung der Platte auf dem Untergrund eingesetzten Mörtel oder Kleber jedenfalls in dem Umfang zurückhalten kann, dass die Nuten an der Rückseite der Platte nicht vollständig gefüllt werden.
17
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
18
Der Gegenstand des Streitpatents gehe nicht deshalb über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus, weil die Beschreibung auf das deutsche Gebrauchsmuster 298 07 258 hinweise. Diesem Hinweis komme für die Auslegung des Merkmals 2.2, das bereits in den ursprünglichen Unterlagen offenbart sei, keine Bedeutung zu.
19
Der Gegenstand der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 beruhe jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
20
Entgegen der Auffassung der Klägerin weise die in der deutschen Offenlegungsschrift 37 01 414 (E1) offenbarte Trägerplatte allerdings nicht das Merkmal 2.4 auf. Die in den Figuren 2 und 4 dieser Entgegenhaltung offenbarten Trägerplattenenden stellten keine weitere Schar von Ausprägungen dar. Zudem beanspruche das Streitpatent nicht einen Verbund, sondern eine einzelne Trägerplatte.
21
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei dem Fachmann, einem Fachhochschul -Ingenieur oder besonders qualifizierten Bautechniker mit mehrjähriger Erfahrung im Bereich der Fußbodentechnik, ausgehend von E1 aber nahegelegt. Die in E1 offenbarte Trägerplatte weise mit Ausnahme des Merkmals 2.4 alle Merkmale des Streitpatents auf. Bei einer Ausgestaltung entsprechend den in E1 enthaltenen Figuren 1 bis 4 sei sie zwar nur in Querrichtung dehnfähig. Jedoch gebe E1 bereits den Hinweis, dass auch andere Profilierungen möglich seien. Der Fachmann erkenne auch die Nachteile der Dehnbarkeit in nur einer Vorzugsrichtung. Deshalb habe es für ihn nahegelegen, für die aus E1 bekannte Trägerplatte einen gitterartigen Aufbau nach dem Vorbild des deutschen Gebrauchsmusters 298 07 258 (E2) vorzusehen.
22
Der abweichenden Auffassung der Technischen Beschwerdekammer (Beschluss vom 19. Juni 2012 - T 0591/11 - 3.2.03) könne nur insoweit zugestimmt werden, als bei der in E2 offenbarten Trägerplatte die Mörtelschicht in Vertiefungen der Wabenstruktur eindringe und oberhalb der Erhebungen relativ dünn sei, was zur Ausbildung von Soll-Rissbereichen führe. E2 offenbare darüber hinaus jedoch auch, dass über die Unterseite der folienartigen Platte ebenfalls ein Spannungsausgleich stattfinden könne, wenn die Platte im Wandbereich eingesetzt werde und zur Verbesserung der Verklammerung mit dem Untergrund ein Vlies oder netzartiges Textilgebilde aufweise.
23
III. Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren stand.
24
1. Der Gegenstand der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 war dem Fachmann durch E1 und E2 nahegelegt.
25
a) E1 offenbart eine Platte oder Folie aus Kunststoff zum Aufbringen von Verkleidungen auf einen Boden- oder Wandaufbau. Diese weist mit Ausnahme von Merkmal 2.4 alle in Patenanspruch 1 vorgesehenen Merkmale auf.
26
aa) Die Platte dient dem Zweck, Spannungen, die vom Untergrund oder der Verkleidung herrühren, weitgehend auszugleichen (Sp. 2 Z. 11-21). Hierzu weist die Platte eine Profilierung aus zueinander parallelen, sich abwechselnden Stegen und Nuten auf.
27
(1) Die Nuten (42) bilden langgezogene, parallel liegende Kammern. Diese werden durch die Stege (41) begrenzt. Die Nuten und Stege weisen ein schwalbenschwanzartiges Profil auf (Sp. 2 Z. 47-51; Sp. 4 Z. 1-3). Dadurch entsteht ein Hinterschnitt (Sp. 3 Z. 18-21). An ihren freien Enden werden die Nuten (42) jeweils durch einen Überlappungsabschnitt (43) begrenzt.


28
(2) Zur Anbringung von Keramikplatten wird auf die der Verkleidung zugewandte Vorderseite der Platte zunächst eine geglättete Spachtelschicht (5) aufgebracht, die sich in den hinterschnittenen Nuten verklammert (Sp. 3 Z. 15-21). Eine solche Anordnung ist beispielhaft in Figur 1 dargestellt, in der die Keramikplatten (7) unten und der zu verkleidende Wanduntergrund oben angeordnet sind:
29
Bei diesem Ausführungsbeispiel ist auf der dem Untergrund zugewandten Rückseite der Platte ein Netzvlies (3) angebracht, das sich mit einer auf den Untergrund aufgebrachten Kleberschicht (2) verklammert und damit für eine feste Verbindung sorgt (Sp. 4 Z. 28-31). Auf die Kleberschicht (2) werden die Platten in der gewünschten Größe und Überdeckung aufgeklebt. Die Überlappungsabschnitte können zusätzlich durch Verkleben oder Verschweißen abgedichtet werden (Sp. 4 Z. 24-28). Die als Verkleidung dienenden Keramikplatten werden mittels eines Klebers (6) im Dünnbettschichtverfahren auf die zuvor ausgebildete Spachtelfläche (5) aufgebracht (Sp. 4 Z. 34-41).
30
Bei diesem dargestellten Aufbau bilden die zur Unterseite gerichteten Nuten (42) Druckausgleichsräume, die zugleich der Abführung von auftretender Feuchtigkeit dienen (Sp. 3 Z. 6-9). Aufgrund der gewählten Profilierung ist die Platte in Querrichtung zu den Stegen (41) dehnfähig (Sp. 4 Z. 13-15). Die Vorderseite der Platte ist besonders glatt, da in bestimmten Anwendungsfällen die Anhaftung der aufzubringenden Spachtelschicht vermieden werden soll (Sp. 4 Z. 16-20).
31
(3) Für den Fall, dass ein Putzmörtel aufzubringen ist, wird ergänzend vorgeschlagen, an der Vorderseite der Platte zusätzliche Verklammerungselemente in Form eines grobmaschigen Netzvlieses vorzusehen (Sp. 4 Z. 42-48).
32
bb) Damit sind, wie auch die Beklagte nicht in Zweifel zieht, die Merkmalsgruppe 1, die Merkmale 2 bis 2.3.2 und das Merkmal 3 offenbart.
33
cc) Nicht ausdrücklich offenbart ist Merkmal 2.4.
34
Wenn entsprechend der Beschreibung des Ausführungsbeispiels mehrere Platten nebeneinander verlegt und miteinander verklebt oder verschweißt werden, entsteht allerdings eine Fläche mit mehreren Quernuten. Diese mögen, wie die Klägerin unwidersprochen geltend macht und wie dies in dem - eine Vorbenutzung auf der Grundlage von E1 betreffenden - Prospekt E1-Pro gezeigt ist, entgegen der Darstellung in Figur 4 zur Rückseite hin offen sein, so dass sie eine seitliche Begrenzung für die auf der Vorderseite ausgebildeten Kammern zur Aufnahme der Spachtelschicht bilden. Darüber hinaus mag es für die Offenbarung von Merkmal 2.4 unerheblich sein, dass diese Quernuten erst durch Verlegen und Verbinden mehrerer parallel verlegter Platten entstehen und dass sie keinen Hinterschnitt aufweisen, denn Patentanspruch 1 enthält insoweit keine zwingenden Vorgaben.
35
Diese Quernuten bilden aber jedenfalls deshalb keine Schar von weiteren Ausprägungen, weil ihr Abstand voneinander um ein Mehrfaches größer ist als der Abstand der längs verlaufenden Nuten und damit nicht den Anforderungen von Merkmal 2.4 in der oben dargestellten, zugunsten der Beklagten als zutreffend unterstellten Auslegung genügt.
36
b) Zutreffend ist das Patentgericht davon ausgegangen, dass der Fachmann aufgrund des deutschen Gebrauchsmusters 298 07 258 (E2) Veranlassung hatte, die in E1 offenbarte Platte mit einer zweiten Schar von Ausprä- gungen zu versehen, die in einer anderen, die ersten Ausprägungen kreuzenden Richtung verlaufen.
37
aa) Veranlassung, die in E1 offenbarte Platte so zu verbessern, dass sie einen Spannungsabbau in mehr als einer Richtung ermöglicht, ergab sich bereits aus E1 selbst.
38
(1) In der Beschreibung von E1 wird ausgeführt, die Platte sei aufgrund der gewählten Profilierung in Querrichtung zu den Stegen (41) dehnfähig (Sp. 4 Z. 13-15). Daraus ergibt sich, dass der angestrebte Spannungsabbau bei dem in E1 offenbarten Ausführungsbeispiel im Wesentlichen nur in einer Richtung erfolgen kann. An anderer Stelle der Beschreibung wird aber ausgeführt, die Platte sei zumindest in einer Vorzugsrichtung dehnfähig (Sp. 2 Z. 43-45). Dieses Merkmal ist auch in dem in E1 formulierten Patentanspruch 1 vorgesehen. Der Begriff "zumindest" bringt einerseits, wie die Berufung zutreffend darlegt, zum Ausdruck, dass damit ein wesentlicher Vorteil gegenüber im Stand der Technik bekannten Platten erzielt wird. Zugleich lässt er aber erkennen, dass Potential für weitere Verbesserungen besteht, weil Spannungen auch in unterschiedliche Richtungen auftreten können.
39
Entgegen der Auffassung der Berufung ergibt sich aus dem Umstand, dass die Richtung, in der der Spannungsabbau erfolgt, in E1 verschiedentlich als Vorzugsrichtung bezeichnet wird, nicht die Schlussfolgerung, dass E1 eine solche Ausgestaltung als besonders vorzugswürdig darstellt. Vor dem aufgezeigten Hintergrund ist der Begriff "Vorzugsrichtung" vielmehr als diejenige Richtung zu verstehen, in der die Platte besonders vorteilhaft wirkt. Dies schließt nicht aus, dass eine verbesserte Platte mehrere Vorzugsrichtungen in diesem Sinne aufweist.
40
(2) Wie auch das Patentgericht bedacht hat, ergaben sich aus E1 selbst für den Fachmann allerdings keine konkreten Anregungen, wie dieses Ziel zu erreichen ist.
41
Der allgemein gehaltene Hinweis, andere Profilierungen seien möglich (Sp. 4 Z. 13 f.), hat dem Fachmann zwar Veranlassung gegeben, eine abweichende Ausgestaltung der Nuten und Stege in Betracht zu ziehen. Daraus konnte er aber nicht entnehmen, wie die Profilierung zu ändern ist, um eine Dehnfähigkeit in zwei Richtungen zu erzielen.
42
bb) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass sich eine hinreichende Anregung zum Hinzufügen einer zweiten Schar von Ausprägungen aus E2 ergab.
43
(1) E2 offenbart eine folienartige Drainageplatte aus Kunststoff, die vorzugsweise zur Trennung einer oberhalb einer Abdichtung vorgesehenen Fußbodenbelagskonstruktion vom Untergrund dient.
44
Die Drainageplatte weist Strukturelemente (11, 12, 13) auf, die nach oben hin vorstehend ausgebildet und nach Art eines Wabengitters angeordnet sind. Nach unten hin bilden diese Strukturelemente ein zusammenhängendes System von zum Untergrund hin offenen Kanälen (11b, 12b, 13b). Die Unterseiten der dazwischen liegenden Bereiche (16) bilden die Auflagefläche der Drainageplatte (S. 3 Z. 32 bis S. 4 Z. 1). Um die Verwendbarkeit im Wandbereich zu begünstigen, wird ergänzend vorgeschlagen, auf einer oder auf beiden Seiten der Platte ein wasserdurchlässiges Vlies oder netzartiges Textilgewebe vorzusehen , um die Verklammerungsfähigkeit mit Belag oder Untergrund zu verbessern (S. 3 Z. 13-17).
45
Beim Fußboden- oder Wandaufbau wird in den Bereichen (16) Mörtel eingebracht, der in diesen Bereichen Stelzen bildet. Ausgehend von den Struk- turelementen (11, 12, 13), insbesondere von an den Oberseiten ausgebildeten abgekanteten Bereichen (11a, 12a, 13a), bilden sich beim Aushärten und bei einer späteren Spannungsbelastung zahlreiche Haarrisse aus (S. 4 Z. 13-19). Diese verhindern das Entstehen von Rissen in der Verkleidung (S. 2 Z. 20-22).
46
(2) Wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, hatte der Fachmann Veranlassung, die in E1 offenbarte Platte mit der in E2 offenbarten Wabenstruktur zu versehen.
47
In E2 steht zwar die Verlegung der Platten auf einer Dichtungsschicht im Mittelpunkt. Sowohl für den Einsatz am Boden als auch für den Einsatz im Wandbereich wird aber die Möglichkeit aufgezeigt, die Platten fest mit dem jeweiligen Untergrund zu verbinden und zur besseren Haftung ein Vlies oder Netz vorzusehen. Jedenfalls bei dieser Einsatzform kann auch die in E2 offenbarte Platte nicht nur Spannungen aus der Verkleidung, sondern auch Spannungen aus dem Untergrund ausgesetzt sein.
48
Aus E2 ergeben sich zwar keine Hinweise darauf, dass die dort offenbarte Platte geeignet ist, solche Spannungen abzubauen. Der mit einer Verbesserung der in E1 offenbarten Platte befasste Fachmann wusste aber aus diesem Dokument, dass die Ausbildung von parallelen Nuten, die aufgrund der Beschaffenheit des folienartigen Materials, aus dem die Platte besteht, in gewissem Umfang dehnfähig sind und deshalb Verschiebungen zulassen, einen solchen Spannungsabbau ermöglicht. Solche parallelen Nuten sind auch bei der in E2 offenbarten Platte ausgebildet, und zwar in mehr als einer Richtung. Aus dem Umstand, dass die in E2 offenbarte Platte ebenfalls als folienartig bezeichnet wird, ergab sich für den Fachmann, wie auch die Berufung nicht in Zweifel zieht, darüber hinaus, dass diese Nuten in gewissem Umfang dehnfähig sind und deshalb Verschiebungen erlauben.
49
Ausgehend von E1 ergab sich für den Fachmann mithin, dass die in E2 offenbarte Lösung im Falle einer Befestigung von Platten an Wand oder Boden vom Untergrund herrührende Spannungen ebenfalls abbauen kann, und zwar in mehr als einer Richtung. Dies gab ihm ungeachtet des teilweise anderen Einsatzzwecks der in E2 offenbarten Platte hinreichende Veranlassung, die in E1 offenbarte Platte mit dem Wabenmuster aus E2 zu versehen.
50
(3) Zu Recht ist das Patentgericht der abweichenden Beurteilung durch die Technische Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts nicht beigetreten.
51
Die Technische Beschwerdekammer hat die Aufrechterhaltung des Streitpatents auf die Erwägung gestützt, der Fachmann habe keine Veranlassung gehabt, von dem in E2 (dort als E1 bezeichnet) zentralen Element erwünschter Haarrisse in der Mörtelschicht zur Entkopplung von Spannungen und den hierfür jedenfalls vorteilhaft gelehrten Abkantungen an den Rändern der wabenförmigen Stege abzugehen (Beschluss vom 19. Juni 2012 - T 0591/11 - 3.2.03 Abs. 5.3). Darüber hinaus sei eine Dehnbarkeit der Wabenstruktur in E2 nirgends erwähnt (Abs. 5.4).
52
Diese Erwägungen sind für sich gesehen zutreffend. Sie tragen aber nicht dem Umstand Rechnung, dass dem Fachmann die Dehnbarkeit einer aus parallelen Nuten bestehenden Struktur aus E1 bekannt war und dass aufgrund des in beiden Entgegenhaltungen eingesetzten Materials zu erwarten war, dass die in E2 offenbarte Wabenstruktur eine vergleichbare Dehnfähigkeit aufweist. Vor diesem Hintergrund bedurfte es eines zusätzlichen Hinweises dieses Inhalts in E2 nicht. Der Gegenstand des Streitpatents war dem Fachmann vielmehr schon dadurch nahegelegt, dass E2 eine alternative Anordnung von parallel verlaufenden Nuten offenbarte, die ausgehend von dem aus E1 gewonnenen Kenntnisstand einen Abbau von aus dem Untergrund resultierenden Spannungen in mehr als einer Richtung ermöglichte.
53
2. Der Gegenstand des Streitpatents ist auch in der Fassung der Hilfsanträge nicht patentfähig.
54
a) Der mit Hilfsantrag 1 verteidigte Gegenstand ist durch die Kombination von E1 mit E2 ebenfalls nahegelegt.
55
aa) Nach diesem Hilfsantrag sollen in Patentanspruch 1 zusätzlich folgende Merkmale aufgenommen werden: 1. Verwendung einer Trägerplatte aus folienartigem Kunststoff 1.1 für einen plattenbekleideten Boden- oder einen Wandaufbau 1.2 zum Erzielen einer Entkopplung zwischen dem Untergrund und der auf die folienartige Platte aufzubringenden Flächenbekleidung.
56
bb) Die damit beanspruchte Verwendung entspricht dem in E1 offenbarten Einsatzzweck. Mit der Kombination von E1 und E2 war mithin auch der Einsatz einer solchen Platte für diesen Zweck nahegelegt.
57
b) Der mit Hilfsantrag 2 verteidigte Gegenstand ist ebenfalls nicht patentfähig.
58
aa) Nach diesem Hilfsantrag soll in Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags zusätzlich folgendes Merkmal angefügt werden: 4. wobei das Vlies (2) derart ausgebildet ist, dass es ein Verfüllen der rückseitig offenen Ausprägungen (N -N ) verhindert. 1 6
59
bb) Dies entspricht der Auslegung von Merkmal 3, von der der Senat bereits im Zusammenhang mit dem Hauptantrag zugunsten der Beklagten ausgegangen ist. Eine Kombination mit diesem Merkmal ist aus den oben aufgezeigten Gründen ebenfalls durch E1 und E2 nahegelegt.
60
c) Der mit Hilfsantrag 3 verteidigte Gegenstand ist ebenfalls durch E1 und E2 nahegelegt.
61
aa) Nach diesem Hilfsantrag soll in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 zusätzlich folgendes Merkmal angefügt werden: 2.5 so dass die folienartige Platte selbst aufgrund der vorgenannten Strukturierung und ihres Materials in beiden Richtungen ihrer Erstreckungsebene zumindest in geringem ausreichendem Maß dehnfähig bzw. zusammenschiebbar ist, dass Spannungsdifferenzen aus dem Untergrund und der Bekleidung aufgenommen werden können.
62
bb) Wie bereits oben ausgeführt wurde, ist die materialbedingte Dehnfähigkeit in E1 offenbart. Sie führt dazu, dass die Platte in gewissem Umfang auch zusammenschiebbar ist. Dass E2 keine vergleichbaren Ausführungen enthält, ist, wie ebenfalls bereits oben ausgeführt wurde, unerheblich, weil für den Fachmann erkennbar war, dass diese Eigenschaft aufgrund der Struktur und des eingesetzten Materials auch dort vorhanden ist.
63
d) Für Hilfsantrag 4 gilt nichts Abweichendes.
64
Nach diesem Hilfsantrag sollen die zusätzlichen Merkmale aus den Hilfsanträgen 2 und 3 miteinander kombiniert werden. Diese Kombination ist aus den genannten Gründen ebenfalls durch E1 und E2 nahegelegt.
65
e) Der mit Hilfsantrag 5 verteidigte Gegenstand ist ebenfalls nicht patentfähig.
66
aa) Nach diesem Hilfsantrag sollen in Merkmal 1.2 von Patentanspruch 1 zusätzlich folgende Merkmale aufgenommen werden: 1.2 zum Erzielen einer Entkopplung zwischen dem Untergrund, auf dem die Trägerplatte mittels Klebers oder Mörtels befestigt ist, und der unmittelbar auf die folienartige Platte mit einem Mörtel (7) geringerer Schichtdicke aufzubringende Flächenbekleidung.
67
bb) Dieses Merkmal ist - als Folge der Dehnfähigkeit - ebenfalls in E1 offenbart. Durch die Kombination von E1 und E2 gelangte der Fachmann folglich zu einer Platte, die auch dieses Merkmal aufweist.
68
f) Für die Hilfsanträge 6 bis 9 gilt nichts anderes.
69
Nach diesen Hilfsanträgen soll Patentanspruch 1 in der Fassung der Hilfsanträge 1 bis 4 jeweils um das zusätzliche Merkmal aus Hilfsantrag 5 ergänzt werden. Dies führt aus den zu Hilfsantrag 5 angeführten Gründen nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
70
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO.
Bacher Gröning Grabinski
Hoffmann Marx
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 14.07.2016 - 7 Ni 11/15 (EP) -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juli 2018 - X ZR 89/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juli 2018 - X ZR 89/16

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juli 2018 - X ZR 89/16 zitiert 2 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Referenzen

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)