Bundesgerichtshof Urteil, 18. Dez. 2018 - X ZR 37/17

bei uns veröffentlicht am18.12.2018
vorgehend
Bundespatentgericht, 3 Ni 10/16, 31.01.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 37/17 Verkündet am:
18. Dezember 2018
Zöller
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eierkarton
Die Berufung ist unzulässig, wenn der im Patentnichtigkeitsverfahren vor dem
Patentgericht unterlegene Patentinhaber mit der Berufungsbegründung nicht
jede unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägung angreift, mit der
die vollständige oder teilweise Nichtigerklärung des Streitpatents in dem angefochtenen
Urteil begründet ist.
BGH, Urteil vom 18. Dezember 2018 - X ZR 37/17 - Bundespatentgericht
ECLI:DE:BGH:2018:181218UXZR37.17.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2018 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski und Hoffmann sowie die Richterinnen Dr. Kober-Dehm und Dr. Marx

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts vom 31. Januar 2017 abgeändert : Das europäische Patent 1 373 100 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Patentanspruch 1 folgende Fassung erhält, auf die sich die weiteren Patentansprüche unter Wegfall der Patentansprüche 29 und 30 rückbeziehen: "A display and distribution packaging unit for eggs or similar fragile articles, said unit being made of an opaque material , e.g. moulded pulp and comprising: - a bottom part (2) comprising non-planar side surfaces of compartments (4) so as to match at least partially the outer contours of the eggs contained within said unit; - a cover part (3) comprising a top surface (10) and substantially planar front and rear surfaces (14, 15); where said cover part (3) comprises portions (8) reflecting the shape of the eggs contained within said unit, and characterized by said portions (8) being located on substantially planar end faces (20) of said cover part (3) at either one or both longitudinal ends of the cover part (3), where said bottom part (2) on the under side (18) hereof is provided with a pattern of supporting ribs (11) connecting base portions (19) of the egg-shaped compartments (4) in the bottom part (2), whereby the mechanical strength of the unit is increased, and where said base portions (18) and said supporting ribs (19) define a substantially planar surface for placement of the unit." Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits fallen zu zwei Dritteln der Klägerin und zu einem Drittel der Beklagten zur Last.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 373 100 (Streitpatents), das am 20. Dezember 2002 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 17. April 2002 angemeldet worden ist und eine Schau- und Versandverpackung für Eier oder ähnlich zerbrechliche Gegenstände betrifft. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache : "1. A display and distribution packaging unit for eggs or similar fragile articles, said unit being made of an opaque material, e.g. moulded pulp and comprising: - a bottom part (2) comprising non-planar side surfaces of compartments (4) so as to match at least partially the outer contours of the eggs contained within said unit; - a cover part (3) comprising a top surface (10) and substantially planar front and rear surfaces (14, 15); where said cover part (3) comprises portions (8) reflecting the shape of the eggs contained within said unit, and characterised by said portions (8) being located on substantially planar end faces (20) of said cover part (3) at either one or both longitudinal ends of the cover part (3)."
2
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung sowie mit zwölf Hilfsanträgen verteidigt.
3
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie weiterhin die Klagabweisung begehrt und das Streitpatent hilfsweise mit 15 Hilfsanträgen in geänderten Fassungen verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


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I. Das Streitpatent betrifft eine Schau- und Versandverpackung für Eier oder ähnlich zerbrechliche Gegenstände.
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1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift sind Verpackungen zum Verpacken und Transportieren zerbrechlicher Gegenstände wie Eier in einer Vielzahl von Formen bekannt. Die im Stand der Technik bekannten Verpackungen verfügten über ein Unterteil mit passend ausgebildeten Abteilungen für die Aufnahme des jeweiligen Gegenstands und ein Oberteil, welches eine Abdeckung über dem Unterteil bilde. Dabei könnten Unter- und Oberteil an einer Seite schwenkbar miteinander verbunden sein. Bei einer solchen Verpackung sei die vertikale Vorderseite des Unterteils oft mit einer beweglichen Lasche mit einer Anzahl von Vorsprüngen zum Eingriff mit entsprechend gelagerten und ausgebildeten Löchern im Deckelteil verbunden, wodurch Unter- und Oberteil miteinander verschließbar seien. Daher könne nur das Oberteil Text und Bilder tragen, die den Inhalt der Verpackung näher beschrieben. Zudem sei es in der Regel schwierig, solche Verpackungen zu öffnen.
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2. Das Streitpatent bezeichnet es als (primäres) Ziel der Erfindung, eine Verpackungseinheit bereitzustellen, die durch ihre Gestalt eine Information über den Inhalt vermittelt und gleichzeitig gute Möglichkeiten bietet, auf großen Oberflächen Informationen grafisch darzustellen.
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3. Zur Lösung schlägt Patentanspruch 1 eine Verpackungseinheit vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (kursiv die zusätzlichen Merkmale des Hilfsantrags I): 1. Schau- und Versandpackungseinheit für Eier oder ähnliche zerbrechliche Gegenstände, 2. aus undurchsichtigem Material wie Pulpe, 3. mit einem Unterteil mit Zellen (compartments), 3.1 die über nicht-ebene Seitenwände verfügen und 3.2 zumindest teilweise den äußeren Konturen der in der Einheit verpackten Eier entsprechen, 3.3I deren Grundbereiche (base portions) durch ein Muster aus Stützrippen verbunden werden, mit dem das Unterteil auf seiner Unterseite versehen ist, wodurch die Festigkeit (mechanical strength) der Einheit vergrößert ist und 3.4I Grundbereiche und Stützrippen eine im Wesentlichen ebene Oberfläche zum Aufstellen der Einheit definieren, 4. und mit einem Deckelteil mit 4.1 einer Oberwand (top surface), 4.2 im Wesentlichen ebenen Vorder- und Rückwänden und 4.3 Bereichen (portions), welche, 4.3.1 die Gestalt der in der Einheit verpackten Eier wiedergeben und 4.3.2 sich auf im Wesentlichen ebenen Endflächen eines Längsendes oder beide Längsenden befinden. 4. Im Hinblick auf einige Merkmale bedarf der Patentanspruch der Er8 läuterung.

a) Nach Merkmal 3 weist das Unterteil Zellen (compartments) auf, die
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über nicht-ebene Seitenwände verfügen. Wie das Patentgericht zutreffend und von der Berufung unangegriffen ausgeführt hat, ist das Merkmal aufgrund der fachüblichen dünnwandigen Ausgestaltung unabhängig davon erfüllt, ob die äußere oder innere Form der Abteilungen betrachtet wird.


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b) Die Merkmalsgruppe 4 beschreibt die Ausgestaltung des Deckelteils 3, welches über eine als top surface bezeichnete Oberwand (Oberseite) 10 (Merkmal 4.1), Vorderwand 17 und Rückwand 15 (Merkmal 4.2) verfügt sowie Bereiche 8 aufweist, welche die Gestalt der in der Einheit verpackten Eier wiedergeben (Merkmal 4.3).
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Bei der Oberwand handelt es sich nach Figur 1 um die Oberfläche, die bei geschlossener Verpackung waagerecht und parallel zum Boden liegt. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass im Streitpatent die Begriffe surface und face synonym verwendet werden. Nach der Beschreibung (Abs. 17) und Unteranspruch 3 kann diese Fläche auch die Gestalt der in der Einheit enthaltenen Eier wiedergeben.
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c) Nach Merkmal 4.2 verfügt das Deckelteil ferner über im Wesentlichen ebene (substantially planar) Vorder- und Rückseiten. Aus dieser Formulierung ergibt sich bereits, dass Vorder- und Rückwand auch nicht-ebene Bereiche umfassen können. Demgemäß lassen die Beschreibung (Abs. 17: it would be furthermore possible to place the egg-shaped portions on one or more of the remaining surfaces of the cover part) und Anspruch 3 eine Anordnung von eiförmigen und damit nicht im Wesentlichen ebenen Abschnitten sowohl auf der Oberseite als auch auf der Vorder- und Rückseite des Deckelteils zu.
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Das Streitpatent enthält keine Angaben, welchen Umfang die ebenen Flächen haben müssen, um die entsprechenden Seiten noch als "im Wesentlichen eben" anzusehen. Das Patentgericht hat zu Recht angenommen, dass das Merkmal "im Wesentlichen eben" funktional im Hinblick auf den Zweck der nicht eiförmig ausgebildeten Bereiche auszulegen ist, als large planar areas die Anbringung von Informationen zu ermöglichen (Abs. 16). Danach ist Merkmal 4.2 mit dem Patentgericht bereits dann als erfüllt anzusehen, wenn die Vorder- und Rückwand des Deckelteils einen ebenen Bereich aufweist, der eine ausreichend große Oberfläche zur Anbringung grafischer Information bietet.
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Ohne Erfolg macht die Berufung daher geltend, die Ausführungsbeispiele zeigten vollständig ebene Flächen der Vorder- und Rückwand des Deckelteils. Ausführungsbeispiele erlauben regelmäßig keine einschränkende Auslegung des die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (BGH, Urteil vom 7. September 2004 - X ZR 255/01, GRUR 2004, 1023 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung ). Dies entspricht der Logik der Erfindung, die sowohl die (eiförmige) Form der Wände als auch ebene Flächen als Informationsmittel nutzen will. Werden auf weiteren Flächen als den (seitlichen) Endflächen Bereiche ausgebildet, die die Gestalt der verpackten Eier wiedergeben, stehen entsprechend geringere Flächen für grafische Informationen zur Verfügung.
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Das entsprechende Verständnis des Begriffs "im Wesentlichen eben" hat das Patentgericht demgemäß zu Recht auch für die Endflächen gemäß Merkmal 4.3.2 zugrunde gelegt. Nach der Beschreibung sollen die im Wesentlichen ebenen Endflächen von den eiförmigen Bereichen sichtbar unterteilt sein (Abs. 16). Über die Größe der ebenen Endflächen enthält die Beschreibung auch insoweit keine Angaben. Damit ist das Merkmal erfüllt, wenn die Endflächen wie auch Vorder- und Rückwand des Deckelteils noch ausreichend Oberfläche zur Anbringung grafischer Informationen aufweisen.
16
d) Die Bereiche, welche die Gestalt der in der Einheit verpackten Eier wiedergeben (Merkmal 4.3.1), sind in der Beschreibung als Bereiche mit einer Gestalt definiert, welche dem Betrachter die klare Assoziation einer Eiform vermittle , ohne notwendigerweise exakt die Form eines Eis haben zu müssen; Oberflächen oder Teiloberflächen einer Anzahl unterschiedlicher Rotationskörper (solids of revolution) wie eines Ellipsoids könnten die Gestalt eines Eis wiedergeben (Abs. 13). Wie das Patentgericht zu Recht ausgeführt hat, ist dieses Merkmal damit weit auszulegen. Entgegen der Auffassung der Berufung sind auch mehreckige oder kantige Drehkörper nicht grundsätzlich ausgenommen, sofern sie dem Betrachter noch hinreichend deutlich die Vorstellung einer Eiform vermitteln.
17
e) Nach Merkmal 4.3.2 sind die Bereiche des Deckelteils, welche die Gestalt der in der Einheit enthaltenen Eier wiedergeben, on end faces of said cover part at either one or both longitudinal ends of the cover part angeordnet. Wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, ist dieses Merkmal verwirklicht , wenn diese Bereiche von den ebenen Endflächen hervorstehend angeordnet sind.
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f) Nach Merkmal 3.3 des Hilfsantrags I sind die Grundbereiche der Abteilungen des Unterteils durch ein Muster aus Stützrippen verbunden, mit dem das Unterteil auf seiner Unterseite versehen ist. Hierdurch soll zum einen die Festigkeit (mechanical strength) der Einheit vergrößert werden (Abs. 25 und 36). Zum anderen sollen die Stützrippen so weit unten angeordnet sein, dass Grundbereiche und Stützrippen eine im Wesentlichen ebene Oberfläche zum Aufstellen der Einheit definieren (Merkmal 3.4). Demgemäß müssen auch die Grundbereiche einen substantiellen Beitrag dazu leisten, im Zusammenspiel mit den Stützrippen eine im Wesentlichen ebene Oberfläche zu bilden.
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II. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei nicht neu.
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Die US-amerikanische Patentschrift 2 978 162 (GDM1) betreffe einen Eierkarton aus geformter Pulpe (Merkmale 1 und 2). Das Unterteil weise eine Mehrzahl von Zellen für die Aufnahme von Eiern auf (Merkmal 3). Figur 1 zeige ein Deckelteil mit Wänden und im Wesentlichen ebenen Vorder- und Rückwänden auf. Hierauf könnten leicht Werbeaufdrucke aufgebracht werden. Die Ausführungsbeispiele zeigten, dass der Eierkarton im Deckelteil an den Seitenwänden gekrümmte Abschnitte aufweise, welche sich an einen nach unten und außen schräg verlaufenden ebenen Abschnitt anschließen. Der Karton sei so gestaltet, dass er zumindest teilweise die Konturen der in der Packeinheit enthaltenen Eier aufweise. Gleichzeitig seien an den Endflächen des Deckelteils ebene Flächen vorgesehen (Merkmal 4).
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Vorweggenommen werde der Gegenstand des Streitpatents auch durch das US-amerikanische Design-Patent 101 892 (GDM4). Es beziehe sich ebenfalls auf einen Eierkarton, der ein Unterteil aufweise und dessen wabenartige Oberseite die Oberwand eines Deckelteils darstelle. Die Figuren 1 und 3 zeigten an der Vor- und an der Rückwand im Wesentlichen ebene Flächen wie auch eiförmige Bereiche. Die Seite der Figuren, die vier Eier in Reihe darstelle, bilde die Vorder- bzw. Rückwand; die Seite, die drei Eier in Reihe darstelle, sei jeweils als Endfläche zu begreifen. Damit seien Vorder- und Rückwände auch "im Wesentlichen eben". Unerheblich sei, dass diese Flächen zugleich die eiförmigen Bereiche verbindende Stege darstellten. Sie seien ausreichend groß zum Aufbringen von grafischen und/oder bildlichen Informationen. Der Neuheitsschädlichkeit stehe nicht entgegen, dass Deckel- und Unterteil im Wesentlichen gleich gestaltet seien.
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Der mit Hilfsantrag 1 (entspricht dem zweitinstanzlichen Hilfsantrag I) verteidigte Gegenstand sei ebenfalls nicht neu. Das Merkmal eines Musters aus Stützrippen, welche die Grundbereiche der eiförmigen Abteilungen verbinden, ergebe sich gleichfalls aus der GDM4 und beruhe im Übrigen gegenüber der GDM1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit, da die Erstreckung der Stützrippen in Richtung Packungsboden eine je nach gewünschter Versteifung im Belieben des Fachmanns liegende Maßnahme sei.
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Die mit den weiteren erstinstanzlichen (im Wesentlichen den Hilfsanträgen III und IV entsprechenden) Hilfsanträgen verteidigten Gegenstände seien ebenfalls nicht patentfähig. GDM1 und GDM4 legten dem Fachmann jedenfalls nahe, die Verpackung aus undurchsichtiger Pulpe herzustellen und mit einer im Wesentlichen ebenen Oberwand auszugestalten. Die beanspruchte Ausgestaltung des Verschlusses sei ebenfalls durch GDM1 nahegelegt.
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III. Soweit die Berufung weiterhin die erteilte Fassung des Streitpatents verteidigen will, ist das Rechtsmittel unzulässig.
26
1. Gemäß § 112 Abs. 3 Nr. 2 PatG hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung des Patentgerichts ergibt. Da die Berufungsbegründung - nicht anders als nach der Zivilprozessordnung - erkennen lassen soll, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, hat dieser diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend ansieht, und dazu die Gründe anzugeben, aus denen er die Fehlerhaftigkeit dieser Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleitet (BGH, Urteil vom 23. Juli 2013 - X ZR 87/12, GRUR 2013, 1279 Rn. 8). Zwar bestehen grundsätzlich keine besonderen formalen Anforderungen für die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit ergeben; insbesondere ist es ohne Bedeutung, ob die Ausführungen des Berufungsklägers schlüssig, hinreichend substantiiert und rechtlich haltbar sind (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2012 - XI ZB 25/11, NJW 2013, 174 Rn. 10). Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, lediglich auf das Vorbringen in der ersten Instanz zu verweisen. Erforderlich ist eine aus sich heraus verständliche Angabe , welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger weshalb bekämpft (BGH, Urteil vom 7. Juni 2018 - I ZB 57/17, NJW 2018, 2894 Rn. 5, 10). Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (BGH, NJW 2013, 174 Rn. 11). Hat der Patentinhaber das Streitpatent in erster Instanz sowohl in der erteilten als auch in einer beschränkten Fassung verteidigt, muss er, will er die erteilte Fassung auch vor dem Bundesgerichtshof verteidigen, jede selbständig tragende Begründung angreifen, mit der das Patentgericht das Streitpatent für in der erteilten Fassung nicht rechtsbeständig erachtet und insoweit für nichtig erklärt hat.
27
2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung im Streitfall nicht. Das Patentgericht hat den Gegenstand von Patentanspruch 1 für nicht patentfähig befunden, da er sowohl durch die GDM1 als auch durch die GDM4 vorweggenommen werde. Die Berufungsbegründung greift jedoch nur die Erwägungen als fehlerhaft an, mit denen das Patentgericht die Neuheitsschädlichkeit der GDM4 begründet hat, und verweist in Bezug auf die GDM1 lediglich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag; erst in der Replik und damit nach Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist begründet die Beklagte, warum das Patentgericht den Gegenstand des Streitpatents zu Unrecht als durch die GDM1 vorweggenommen angesehen habe.
28
IV. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist der Gegenstand des Streitpatents in der Fassung des Hilfsantrags I patentfähig.
29
1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags I wird durch die Entgegenhaltung GDM4 nicht vorweggenommen.
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a) Die GDM4 offenbart einen Eierkarton (egg carton).


31
b) Wie aus Figur 1 ersichtlich, weist der Karton ein Unterteil undein entsprechendes Oberteil auf, die jeweils aus drei mal vier Abteilungen zur Aufnahme von Eiern bestehen und gemäß Figur 3 auf der linken Seite über ein Scharnier miteinander verbunden sind. Unter- und Oberteil weisen an den Seiten jeweils gekrümmte Bereiche auf, die der Gestalt der Eier entsprechen (Merkmale 1 bis 3.2 sowie 4, 4.3 und 4.3.1).
32
c) Verwirklicht ist auch Merkmal 4.1. Der Einwand der Berufung, die Oberseite des Deckelteils bestehe aus einem Gittermuster mit Vertiefungen, greift nicht durch. Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt die Oberseite des Deckelteils mit den sich aus dieser erhebenden eiförmig ausgebildeten Bereichen eine Oberwand (top surface) im Sinne des Streitpatents dar. Die die eiförmigen Bereiche verbindenden (inneren) Stege stehen dem nicht entgegen, denn über die Beschaffenheit der patentgemäßen Oberwand sind Patentanspruch 1 auch in der Fassung des Hilfsantrags I keine Vorgaben zu entnehmen; sie muss insbesondere weder vollständig noch auch nur im Wesentlichen eben sein.
33
d) Ebenso sind die Merkmale 4.2 und 4.3.2 offenbart. Die auf vier Seiten umlaufenden äußeren Stege, die die eiförmigen Bereiche des Kartons miteinander verbinden, stellen im Wesentlichen ebene Vorder- und Rückwände sowie (seitliche) Endflächen dar.
34
Entgegen der Auffassung der Berufung ist es unschädlich, dass nicht jeweils die gesamte Fläche dieser Wände eben ist. Nach Unteranspruch 3 und der Beschreibung des Streitpatents (Abs. 17) können die Bereiche, welche die Gestalt der Eier wiedergeben, nicht nur auf den Endflächen, sondern auch auf Oberwand, Vorderwand und Rückwand vorgesehen sein. Bei einer solchen Ausgestaltung genügt es daher, wie ausgeführt, dass die Wände noch eine ausreichend große ebene Fläche aufweisen, dass grafische Informationen aufgenommen werden können. Dass dies bei der GDM4 möglich ist, zieht auch die Berufung nicht in Zweifel.
35
Unerheblich ist auch, dass die beiden mittleren eiförmigen Erhebungen auf Vorder- und Rückwand nicht an Erhebungen an den seitlichen Endflächen angrenzen. Ein entsprechendes Erfordernis ist Patentanspruch 1 nicht zu entnehmen.
36
e) Verwirklicht ist auch das Merkmal 3.3. Figur 2 zeigt ein Muster an sich kreuzenden Stützrippen, die im "Kreuzungsbereich" auf die Spitzen der Grundbereiche der eiförmigen Zellen treffen und hierdurch letztere miteinander verbinden. Hierdurch wird die Festigkeit der Einheit zwangsläufig vergrößert.
37
Entgegen der Annahme des Patentgerichts verwirklicht diese Ausgestaltung jedoch nicht zugleich das Merkmal 3.4. Die unteren Abschnitte der gebogenen Eiaufnahmen bilden zusammen mit den Unterseiten der inneren und äußeren Stege keine im Wesentlichen ebene Oberfläche zum Aufstellen des Kartons im Sinn des Streitpatents. Wie aus der Figur 2 ersichtlich, bilden lediglich die Unterseiten der Stege eine im Wesentlichen ebene Oberfläche. Die Grundbereiche der eiförmigen Zellen verfügen über keine flache Unterseite und leis- ten keinen praktisch ins Gewicht fallenden Beitrag, um zusammen mit dem Muster aus Stützrippen eine wesentlich ebene Fläche zu bilden.
38
2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags I wird auch nicht durch die Entgegenhaltung GDM1 vorweggenommen.
39
a) Die US-amerikanische Patentschrift 2 978 162 (GDM1) offenbart einen Eierkarton aus geformter Pulpe, der in einer Ausführungsform aus einem mit einem Scharnier verbundenen Ober- und Unterteil besteht (Sp. 1 Z. 25-26). Bevorzugt weist das Unterteil Zellen zur Aufnahme der Eier auf (Sp. 1 Z. 26-28), um diese vor Beschädigungen zu schützen (Sp. 1 Z. 50-53). Wie in Figur 1 ersichtlich, entsprechen die Zellen auf der Innenseite zumindest teilweise den Konturen der in der Einheit enthaltenen Eier (Merkmale 1 bis 3.2).
40
b) Figuren 1 und 6 zeigen das Oberteil als Deckelteil 11 mit einer Oberwand 20 und Vorder- und Rückwänden 35, 36, welche als im Wesentlichen eben beschrieben sind (Figuren 1, 6; Sp. 2 Z. 26-27, 44; Sp. 3 Z. 1-2: planar wall portions 35-36). Der ebene Abschnitt 60 liegt dabei zwischen den beiden gekrümmten Bereichen 61 und 62. Diese Ausgestaltung erlaubt die Aufbringung von Informationen (Sp. 1 Z. 32). Das Deckelteil enthält weiterhin Bereiche (curved portions 61-62), welche ausweislich Figur 3 leicht konusförmig ausgebildet sind. Diese geben annähernd die Gestalt der in der Einheit enthaltenen Eier wieder; sie verfügen über gekrümmte Wände (Figuren 1 und 2). Räumlich gesehen schließen sich diese Bereiche an jedem Längsende an einen ebenen Abschnitt 60 an (Sp. 3 Z. 34-38; Figuren 2 und 3). Der ebene Abschnitt 60 ist zwischen den beiden gekrümmten Abschnitten 61 und 62 dargestellt (Merkmale 4 bis 4.2).
41
c) Ohne Erfolg stellt die Berufung die Offenbarung des Merkmals 4.3 in Abrede, weil die gebogenen Bereiche nicht eiförmig seien. Zu Recht hat das Patentgericht das Merkmal 1.4.3 durch die in den Eckbereichen angeordneten smoothly curved portions 61 und 62 als verwirklicht angesehen. Wie ausgeführt müssen die in Rede stehenden Bereiche nicht genau der Form eines Eis ent- sprechen, sondern nur eine "klare Vorstellung" der Gestalt eines Eis vermitteln (Abs. 13 der Beschreibung). Dem genügt die gewählte Ausgestaltung.
42
d) Nicht offenbart sind hingegen Zellen, deren Grundbereiche durch ein Muster aus Stützrippen verbunden sind und mit diesen im Sinne des Merkmals 3.3 eine im Wesentlichen ebene Oberfläche zum Aufstellen der Verpackungseinheit bilden (Merkmal 3.4). Aus den Figuren 3 und 4 der GDM1 sind Elemente ersichtlich, die in Form von Stegen die Zellen des Unterteils miteinander verbinden. Zutreffend hat das Patentgericht diese Elemente als Stützrippen begriffen. Allerdings erstrecken sich diese Stützrippen nicht bis zum Packungsboden , wo sie gemeinsam mit dem Grundbereich eine im Wesentlichen ebene Oberfläche zum Aufstellen der Einheit bildeten.
43
3. Die Lehre des Patentanspruchs 1 in der Fassung von Hilfsantrag I beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.
44
a) Das Patentgericht hat angenommen, dass der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens die Stützrippen zur Verbesserung der Festigkeit und der Verbesserung der Stapelbarkeit nach unten verlegt hätte. Hierzu sei er auch durch die Ausgestaltung in der GDM4 angeregt worden.
45
b) Hiergegen wendet die Berufung ein, dass es zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents erhebliche Vorbehalte gegen bis zum Packungsboden heruntergezogene Stützrippen gegeben habe. Zunächst hätten bis zum Boden reichende Stützrippen den Nachteil, dass kein Bereich frei bliebe, in dem mit Greifarmen hineingefahren werden könne, um die Eierverpackungen zu greifen und anzuheben. Ferner führe eine Verlängerung der Stützrippen der GDM1 zu erheblichen Folgeproblemen, die der Fachmann erkannt habe. Eine Verlängerung der Stützrippen hätte eine Veränderung der Außenform zur Folge und erhöhe den Materialbedarf. Die Veränderung der Außenform führe schließlich zu einer Beeinträchtigung der Stapelbarkeit der geöffneten und ungefüllten Verpackung , da die verbreiterten Stützrippen auf Gegenstücke der Innenform der tieferen Verpackung stießen. Um diesen Nachteil zu vermeiden, müssten die In- nenformen der Verpackung angepasst werden. Durch die dabei erforderliche Absenkung bestimmter Bereiche der Innenform verlöre das Unterteil der Verpackung an dreidimensionaler Gestaltung. Es entfielen Abtrennungsrippen zwischen den einzelnen Eibereichen, so dass die Eier schlechter gestützt würden. Die im Stand der Technik bekannten Eierverpackungen seien daher ohne Stützrippen ausgebildet worden und wiesen im Unterteil eine dreidimensionale Gestaltung auf, um das gewünschte Maß an Versteifung und Beweglichkeit zu erhalten. Diese Gestaltung müsste aufgegeben werden, um stattdessen bis zum Boden verlängerte Stützrippen vorzusehen.
46
c) Die GDM1 selbst gibt dem Fachmann keine Anregung, die Stützrippen zum Packungsboden zu verlegen und diese mit den Grundbereichen zu einem Muster zu verbinden.
47
d) GDM4 offenbart zwar bodentiefe Stützrippen, zeigt aber eine von der GDM1 abweichende Ausgestaltung des Eierkartons mit symmetrischem Ober- und Unterteil auf. Es ist nicht ersichtlich und auch nicht dargelegt, was den Fachmann dazu veranlasst hätte, aus GDM4 dieses Element herauszulösen und für die in GDM1 offenbarte Verpackung einzusetzen.
48
e) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts liegt in der Erstreckung der Stützrippen bis zum Boden auch keine im Belieben des Fachmanns je nach gewünschter Versteifung liegende Maßnahme.
49
Der Fachmann hat ohne konkrete anderweitige Anregung allenfalls dann Anlass, diese Alternative in Betracht zu ziehen, wenn zu erwarten ist, dass diese Umgestaltung vorteilhaft ist. Dies ist jedoch nicht erkennbar. Ein Vorteil der Ausgestaltung gemäß GDM1 liegt in der platzsparenden Stapelbarkeit der geöffneten , nicht benesteten Verpackungen. Dieser Vorteil wird zwar nicht ausdrücklich erwähnt, er drängt sich jedoch auf und ist auch dem Fachmann bekannt (vgl. deutsche Offenlegungsschrift 195 30 156, GDM6, Sp. 1 Z. 10-12). Bei einer bloßen Verlegung der Stützrippen an den Boden ohne weitere Veränderungen an der Verpackung verliert sich dieser Vorteil jedoch. Im Ansatz zu- treffend führt das Patentgericht aus, dass der Fachmann die mit der Veränderung der Lage der Stützrippen einhergehenden Nachteile erkannt hätte und zu ihrer Vermeidung die Innenform der Zellen entsprechend umgestaltet hätte. Hierzu hätte der Fachmann sich jedoch von dem Konzept der Ausgestaltung der Unterteile nach GDM1 lösen und die stabilisierenden Elemente des Unterteils wie Stützrippen, Zellen zur Aufnahme der Eier und ihre Grundbereiche (vgl. Figur 6) derart umgestalten müssen, dass die Unterseite des Unterteils bei geöffneter , ungefüllter Verpackung in die Oberseite des Unterteils platzsparend hätte greifen können und gleichwohl die gewünschte Stabilität der Verpackung gewährleistet ist, was das Streitpatent mit der Verbindung der Grundbereiche durch das Stützrippenmuster erreicht. Da die Lage der Stützrippen mithin Auswirkungen auf die Stabilität des Eierkartons hat, stellt sich die Erstreckung der Stützrippen bis zum Boden nicht als beliebige Maßnahme des Fachmanns dar, sondern erfordert eine vom Stand der Technik abweichende Konstruktion.
50
4. Weitere Entgegenhaltungen liegen von dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Hilfsantrags I noch weiter ab.
51
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG in Verbindung mit § 92 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Grabinski Hoffmann
Kober-Dehm Marx
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 31.01.2017 - 3 Ni 10/16 (EP) -

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(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

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(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

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(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz beim Bundesgerichtshof einzureichen. Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt drei Monate. Sie beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einen Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt. Kann dem Berufungskläger innerhalb dieser Frist Einsicht in die Prozessakten nicht für einen angemessenen Zeitraum gewährt werden, kann der Vorsitzende auf Antrag die Frist um bis zu zwei Monate nach Übersendung der Prozessakten verlängern.

(3) Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird (Berufungsanträge);
2.
die Angabe der Berufungsgründe, und zwar:
a)
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Berufung darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben;
c)
die Bezeichnung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, aufgrund deren die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 117 zuzulassen sind.

(4) § 110 Abs. 5 ist auf die Berufungsbegründung entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 255/01 Verkündet am:
7. September 2004
Weschenfelder
Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
BGHZ: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung
PatG 1981 § 14; EPÜ Art. 69
Ein Ausführungsbeispiel erlaubt regelmäßig keine einschränkende Auslegung
eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs.
Bei der Auslegung eines Patentanspruchs kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen
werden, in ihm enthaltenen Angaben sei eine über Selbstverständlichkeiten
hinausgehende Bedeutung beizumessen.
Im Patentverletzungsprozeß kommt im Hinblick auf die Auslegung eines Patentanspruchs
durch den Tatrichter eine Bindung des Revisionsgerichts nur insoweit
in Betracht, als der Tatrichter sich mit konkreten tatsächlichen Umständen
befaßt hat, die für die Auslegung von Bedeutung sein können.
BGH, Urt. v. 07.09.2004 - X ZR 255/01 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. September 2004 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Scharen, Keukenschrijver, die
Richterin Mühlens und den Richter Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 6. Dezember 2001 verkündete Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgehoben.
Die Sache wird zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des unter anderem mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 637 395 (Klagepatents), das auf einer am 8. Februar 1995 veröffentlichten Anmeldung vom 28. Januar 1994 beruht. Das am 21. Mai 1997 veröffentlichte Klagepatent hat in einem rechtskräftig abgeschlossenen Nichtigkeitsverfahren eine Ände-
rung erfahren. Patentanspruch 1 des in deutscher Verfahrenssprache erteilten Klagepatents lautet danach:
"Ein- und Ausgabevorrichtung für runde, ein Identifikations- und/ oder Kommunikationselement aufweisende Parkkarten (2) zur gebührenpflichtigen Betätigung einer Parkschranke (39), mit einem Vorratsbehälter (1), der bodenseitig eine Vereinzelungseinrichtung (3) für die Parkkarten (2) aufweist, einem anschließenden Fallschacht (4) mit mindestens einem zentralen Leitschacht (11) und davon abzweigenden, eine jeweilige Neigung aufweisenden Seitenschächten (12, 13) für eine rollende Aus- und Eingabe von Parkkarten (2) unter Schwerkraft und einer Meßstelle (24) im zentralen Leitschacht (11) für ein Lesen der auszugebenden und/oder zurückgegebenen Parkkarten (2), die mit einer Steuerung zur Betätigung der Parkschranke (39) verbunden ist."
Die unter der Geschäftsführung unter anderem des Beklagten zu 2 stehende Beklagte zu 1 stellt her und vertreibt unter der Bezeichnung "S. Parksysteme " für wiederverwendbare Parkkarten aus Kunststoff in Form runder Münzen sowie Einfahrtkontrollgeräte mit der Bezeichnung "E. ". Die hierbei verwendeten Ein- und Ausgabevorrichtungen weisen u.a. einen Vorratsbehälter für die Münzen auf. In diesem läuft ein Förderband um, dessen Glieder jeweils eine den Münzen entsprechende Ausnehmung hat. Am Boden des Vorratsbehälters gelangt jede Münze in eine Ausnehmung und wird zu einer im Vorratsbehälter weiter oben liegenden Ausgabe befördert. Über einen sich anschließenden Schacht fällt die Münze in eine Ausnehmung eines andreaskreuzartigen Vorrichtungsteils. Durch Drehbewegung desselben wird sie schließlich entweder an einen weiteren
Schacht übergeben, der zu der für den Kunden zugänglichen Ausgabestelle führt, oder an einen anderen Kanal, der in einem Auffangbehälter endet.
Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Vorrichtung verwirkliche Patentanspruch 1 des Klagepatents mit wortsinngemäßen Mitteln. Die Beklagten stellen das in Abrede, weil die angegriffene Ausführungsform sich hinsichtlich der bodenseitigen Vereinzelungsvorrichtung im Vorratsbehälter, des Fallschachts und der Meßstelle von der patentgemäßen Lehre unterscheide.
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß zu Unterlassung und Rechnungslegung verurteilt sowie festgestellt, daß die Beklagten zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung bzw. Schadensersatz verpflichtet sind. Auf die hiergegen von den Beklagten eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision und dem Antrag,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Beklagten nach Maßgabe ihrer im Berufungsrechtszug konkretisierten Anträge zu verurteilen.
Die Beklagten treten diesem Begehren entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision hat in der Sache Erfolg; sie führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
1. Das Klagepatent betrifft Vorrichtungen, die bestimmte Karten zur Betätigung einer Parkschranke entgegennehmen und ausgeben können. Es handelt sich um runde, vorzugsweise scheibenförmige Karten, die wiederverwendbar sind und eine als Identifikations- und/oder Kommunikationselement bezeichnete Ausstattung haben. Diese dient entweder der individuellen Kennung der Karte oder der Abspeicherung von Daten, wie etwa Datum und Einfahrtzeit, die für eine Parkgebührenrechnung erforderlich sind. Damit die Karten wiederholt einund ausgegeben werden können, müssen sie - wie es in Sp. 1 Z. 30 ff. der Beschreibung des Klagepatents angeben ist - in der Vorrichtung gelagert, einer Lese-Schreibstation zugeführt und in Ausgabeöffnungen befördert werden, die dem Parkkunden zugänglich sind. Deshalb - so die weitere Darstellung in Sp. 1 Z. 35 ff. der Beschreibung des Klagepatents - müssen die Parkkarten mehrere Transportwege zurücklegen, wofür im allgemeinen Transportbänder oder Transportrollen vorgesehen sind, was konstruktiv aufwendig und störanfällig ist. Hieraus ergibt sich als Problem, das es erfindungsgemäß zu lösen gilt, eine Ein- und Ausgabevorrichtung für runde, ein Identifikations- und/oder Kommunikationselement aufweisende Parkkarten zur gebührenpflichtigen Betätigung einer Parkschranke zu schaffen, die sicher und zuverlässig arbeitet und dabei einfach aufgebaut ist (Sp. 1 Z. 44-49 der Beschreibung des Klagepatents).
2. Das Berufungsgericht hat den Lösungsvorschlag nach Patentanspruch 1 in der geltenden Fassung des Klagepatents wie folgt gegliedert:
1. Ein- und Ausgabevorrichtung für runde, ein Identifikationsund /oder Kommunikationselement aufweisende Parkkarten zur gebührenpflichtigen Betätigung einer Parkschranke mit
1.1 einem Vorratsbehälter,
1.2 einem Fallschacht
1.3 und einer Meßstelle;
2. der Vorratsbehälter weist bodenseitig eine Vereinzelungseinrichtung für die Parkkarten auf;
3. der sich an den Vorratsbehälter anschließende Fallschacht umfaßt
3.1 mindestens einen zentralen Leitschacht und
3.2 davon abzweigende, eine jeweilige Neigung aufweisende Seitenschächte für eine rollende Aus- und Eingabe von Parkkarten unter Schwerkraft;
4. die Meßstelle ist
4.1 im zentralen Leitschacht für ein Lesen der auszugebenden und zurückgegebenen Parkkarten angeordnet
4.2 und mit einer Steuerung zur Betätigung der Parkschranke verbunden.
Gegen diese Gliederung bestehen ebensowenig Bedenken wie gegen die auf den Erläuterungen in Sp. 1 Z. 51-58 der Beschreibung des Klagepatents basierenden Feststellungen des Berufungsgerichts, daß durch die in Patentanspruch 1 des Klagepatents vorgeschlagene Lösung die formbedingten Vorteile runder, scheibenförmiger Parkkarten, insbesondere ihr Rollvermögen, für den
Ein- und Ausgabevorgang benutzt würden, weitgehend ohne angetriebene Beförderungssysteme gearbeitet werden könne und dabei die für eine Ausgabe und Rücknahme der Parkkarten erforderlichen Transportwege miteinander kombiniert und dadurch auch minimiert seien. Hiergegen sind Rügen auch nicht erhoben.
3. Das Berufungsgericht hat nach § 9 Satz 2 PatG verbotene Verletzungshandlungen der Beklagten verneint, weil die angegriffene Ausführungsform jedenfalls das Merkmal 2 des Patentanspruchs 1 des Klagepatents nicht verwirkliche. Ausgehend von dem allgemeinen Sprachgebrauch für den Begriff "Vereinzelungsvorrichtung" müsse erfindungsgemäß insoweit ein Vorrichtungsteil vorhanden sein, das die Parkkarten nicht nur von einem Vorrat abtrenne, sondern auch dafür sorge, daß sie abgetrennt blieben und auf diese Weise vereinzelt dem gemäß Merkmal 3 an den Vorratsbehälter anschließenden Fallschacht zugeführt würden. Die Vereinzelung der im Vorratsbehälter befindlichen Parkkarten selbst müsse im Bereich von dessen Boden beginnen. Da die Karten der Schwerkraft unterworfen seien, lasse sich nämlich nur so auch die letzte eines Vorrats zur Ausgabe an die Parkkunden nutzen. Die bodenseitige Vereinzelung sei eine Selbstverständlichkeit, auf die einem Fachmann gegenüber nicht hingewiesen werden müsse. Deshalb besage die Kennzeichnung "bodenseitig" mehr als das. Der Fachmann erfahre hierdurch, daß die Einrichtung, welche die Parkkarten vereinzelne und anschließend einzeln dem Fallschacht zuführe , sich als solche ausschließlich im Bereich des Bodens des Vorratsbehälters befinden müsse. Denn das gewährleiste auch, daß die Parkkarten, die sich nach den Ausführungen in Sp. 2 Z. 1-4 der Beschreibung des Klagepatents vor allem unter dem Einfluß ihres Eigengewichts, also nach unten, bewegen sollten, nicht entgegen der Schwerkraft nach oben transportiert werden müßten, wozu ein - nach Sp. 1 Z. 54-56 der Beschreibung des Klagepatents möglichst zu vermeidendes - angetriebenes Beförderungssystem erforderlich sei.

Das Berufungsgericht hat also Patentanspruch 1 des Klagepatents (Merkmal 2) eine Aussage auch darüber entnommen, wo die Parkkarten vereinzelt aus dem Vorratsbehälter in den Fallschacht gelangen müssen, nämlich im Bereich des Bodens des Vorratsbehälters.
4. Diese Auslegung bekämpft die Revision zu Recht. Sie bedeutet eine Einschränkung des Gegenstands des Patentanspruchs 1 des Klagepatents unter dessen Wortlaut, die sich aus diesem Anspruch nicht entnehmen läßt.

a) Maßgebliche Grundlage dafür, was durch ein europäische Patent unter Schutz gestellt ist, ist gemäß Art. 69 Abs. 1 Satz 1 EPÜ der Inhalt der Patentansprüche (vgl. z.B. auch BGHZ 98, 12 - Formstein). Die Frage, ob eine bestimmte Anweisung zum Gegenstand eines Anspruchs des Patents gehört, entscheidet sich deshalb danach, ob sie in dem betreffenden Patentanspruch Ausdruck gefunden hat (BGHZ 106, 84, 94 - Schwermetalloxidationskatalysator ). Das Protokoll zur Auslegung von Art. 69 EPÜ drückt dies durch seinen Hinweis aus, daß die Patentansprüche nicht lediglich als Richtlinie dienen dürften. Das verleiht dem in dem betreffenden Patentanspruch gewählten Wortlaut entscheidende Bedeutung. Was - bei sinnvollem Verständnis - mit ihm nicht so deutlich einbezogen ist, daß es vom Fachmann als zur Erfindung gehörend erkannt wird, kann den Gegenstand dieses Patentanspruchs nicht kennzeichnen. Auch die zur Erfassung des Sinngehalts eines Patentanspruchs vorgesehene Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen des betreffenden Patents darf weder zu einer inhaltlichen Erweiterung noch zu einer sachlichen Einengung des durch den Wortlaut des Patentanspruchs festgelegten Gegenstands führen.

b) Der Wortlaut von Patentanspruch 1 des Klagepatents läßt jedoch nicht erkennen, daß mit ihm festgelegt sein soll, aus welchem Bereich des Vorratsbehälters die Parkkarten als vereinzelte Stücke in den anschließenden Fallschacht gelangen sollen. Die Frage, wo die Übermittlung der vereinzelten Parkkarten erfolgt, betrifft die Anordnung von Vorratsbehälter und Fallschacht zueinander. Insoweit heißt es im Patentanspruch aber nur, daß letzterer sich an ersteren anschließt. Auch eine Beziehung dieses Anschlusses zur Vereinzelungsvorrichtung ist im Patentanspruch 1 des Klagepatents nicht hergestellt. Die Vereinzelungsvorrichtung ist vielmehr nur als Teil (Einrichtung) beschrieben, das der Vorratsbehälter bodenseitig aufweist. Die - wovon an sich auch das Berufungsgericht ausgegangen ist - nächstliegende Deutung dieser Kennzeichnung ist deshalb, daß nach Merkmal 2 die vorrichtungsmäßige Gestaltung innerhalb des Vorratsbehälters lediglich derart sein muß, daß eine Vereinzelung der im Vorratsbehälter lagernden Parkkarten im Bereich des Behälterbodens stattfindet.

c) Eine weitergehende, den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Klagepatents nach Maßgabe der Auslegung durch das Berufungsgericht einengende Bedeutung des Merkmals 2 ergibt sich auch nicht bei Heranziehung der Beschreibung des Klagepatents. Hinsichtlich der Übermittlung der Parkkarten vom Vorratsbehälter zum Fallschacht heißt es in Sp. 2 Z. 1-2 der Beschreibung des Klagepatents lediglich, die Parkkarten gelangten jeweils einzeln von einem Stapel Parkkarten abgetrennt in einen Fallschacht. Das beschreibt nur, daß die Parkkarten jeweils als vereinzelte in den Fallschacht gelangen müssen, nicht aber, von welchem Bereich des Vorratsbehälters aus dies zu geschehen hat.
Auch aus den die Vereinzelungsvorrichtung selbst betreffenden Angaben der Beschreibung des Klagepatents ergibt sich nichts anderes. Mit der Vereinzelungsvorrichtung befaßt sich die Beschreibung erstmals in Sp. 3 Z. 8 ff.. Dort
erfährt der Leser zwar, die Vereinzelungsvorrichtung durch einen schachtförmigen Verengungsteil am bodenseitigen Ende des Vorratsbehälters zu bilden, in dem sich die Parkkarten übereinander aufstapeln können, und einen Abstreifer vorzusehen, der die jeweils zuunterst liegende Parkkarte und vorzugsweise jeweils allein diese in den Fallschacht überführt. Die Wortwahl in Sp. 3 Z. 8 der Beschreibung des Klagepatents, die Vereinzelungseinrichtung könne in dieser Weise gestaltet sein, weist diese Textstelle aber als Beschreibung eines Ausführungsbeispiels aus. Ein Ausführungsbeispiel erlaubt regelmäßig jedoch keine einschränkende Auslegung des die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (vgl. Sen.Urt. v. 09.05.1985 - X ZR 44/84, GRUR 1985, 967, 968 - Zuckerzentrifuge, m.w.N.). Dieser zum früheren deutschen Patentrecht entwickelte Grundsatz ist auch und gerade unter der Geltung des Art. 69 EPÜ zu beachten. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung findet deshalb auch durch den Umstand keine Rechtfertigung, daß Beschreibung und Zeichnungen des Klagepatents auch ansonsten nur Beispiele behandeln, bei denen die Übermittlung der Karten von der Vereinzelungsvorrichtung zum Fallschacht örtlich am Boden des Vorratsbehälters erfolgt.
Eine entsprechender Wortsinn des Gegenstands des Anspruchs 1 des Klagepatents folgt schließlich auch nicht daraus, daß nach der Beschreibung des Klagepatents die Erfindung erlaubt, weitgehend ohne angetriebene Beförderungssysteme zu arbeiten. Abgesehen davon, daß auch hier nicht die Rede davon ist, daß patentgemäß jegliche Beförderungsmittel zu vermeiden sind bzw. vermieden werden, ist der diesbezügliche Hinweis in Sp. 1 Z. 54 f. im Hinblick auf die in Sp. 1 Z. 30-43 wiedergegebene Gestaltung im Stand der Technik erfolgt. Da in Sp. 1 Z. 32-34 nur das Lagern, Zuführen zu einer LeseSchreibstation und das Befördern in Ausgabeöffnungen genannt sind und hiervon zunächst einmal nur die beiden letzten Vorgänge als solche zu erkennen sind, welche die in Sp. 1 Z. 36 f. genannten Transportwege erfordern, betrifft die
Beanstandung nachteiliger Transportbänder oder -rollen im Stand der Technik, wenn nicht sogar überhaupt, so doch vorrangig den dem Vorratsbehälter nachgeschalteten Transport der Karten, wie er bisher im allgemeinen erfolgte. Bei zwangloser Befassung mit der die Erfindung als solche (und nicht schon bestimmte Ausführungsbeispiele) betreffenden Beschreibung des Klagepatents führt mithin auch dies zu der Deutung, daß das Klagepatent erlauben soll, während der dann auch in Sp. 2 Z. 2 - Sp. 3 Z. 7 allein näher beschriebenen Transportwege , welche die Parkkarte nach Verlassen des Vorratsbehälters durchlaufen muß, ohne angetriebene Beförderungssysteme auszukommen, eine etwaige Förderung am Boden des Vorratsbehälters vereinzelter Karten innerhalb des Vorratsbehälters mittels eines angetriebenen Beförderungssystems aber nicht ausgeschlossen sein soll.

d) Unter diesen Umständen wird die Auslegung des Berufungsgerichts auch nicht durch das Argument des Berufungsgerichts gestützt, die bodenseitige Vereinzelung im Vorratsbehälter sei bei derartigen Einrichtungen eine Selbstverständlichkeit, die als solche keiner Erwähnung in einem Patentanspruch bedürfe. Der Erfinder hat es in der Hand, wie er seine Erfindung mittels eines Patentanspruchs umschreibt. Dies schließt ein, zur zutreffenden Kennzeichnung der Neuerung im Patentanspruch auch Selbstverständliches zu benennen. Deshalb kann bei der Auslegung eines Patentanspruchs nicht einfach davon ausgegangen werden, daß darin enthaltene Kennzeichnungen eine über Selbstverständlichkeiten hinausgehende Bedeutung beizumessen sei. Nach dem zuvor Ausgeführten enthalten Patentanspruch 1 des Klagepatents und die ihn als solchen erläuternden Teile der Beschreibung des Klagepatents auch nichts, wonach im konkreten Fall die Annahme einer solchen Bedeutung geboten wäre. Im Hinblick auf Merkmal 2 besagt Patentanspruch 1 des Klagepatents - sinnvoll verstanden - vielmehr nicht mehr, als daß in dem Vorratsbehälter
durch eine bodenseitig wirkende Einrichtung dafür gesorgt werden muß, daß die Karten am Boden vereinzelt werden.
5. An dieser Auslegung ist der Senat nicht auf Grund prozeßordnungsgemäß getroffener tatrichterlicher Feststellungen gehindert. Nach ständiger Rechtsprechung ist es eine Rechtsfrage, wie ein Patent auszulegen ist und ob ein Patentanspruch im Instanzenzug richtig erkannt und in seinem Inhalt verstanden worden ist (z.B. Sen.Urt v. 26.09.1996 - X ZR 72/94, GRUR 1997, 116 - Prospekthalter; v. 27.10.1998 - X ZR 56/96, Mitt. 1999, 365 - Sammelförderer; BGHZ 142, 7, 15 - Räumschild). Lediglich im Bereich der Tatsachenfeststellung liegende Grundlagen tatrichterlicher Auslegung eines Patentanspruchs sind im Revisionsverfahren hinzunehmen, falls in Bezug auf das Verfahren kein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben wurde (BGHZ 142, 7, 15 - Räumschild, m.w.N.). Daß solche Grundlagen die tatrichterliche Auslegung eines Patentanspruchs mitbestimmt haben, kann jedoch nur angenommen werden , wenn und soweit der Tatrichter entscheidungserheblichen Sachverhalt ermittelt und festgestellt hat (vgl. auch hierzu Sen.Urt. v. 18.05.1999 - X ZR 156/97, GRUR 1999, 977, 979 - Räumschild, insoweit nicht abgedr. in BGHZ 142, 7 ff.). Das ist noch nicht der Fall, wenn der Tatrichter - wie auch hier das Berufungsgericht - im Rahmen seiner Ausführungen mit Rücksicht darauf, daß bei der Bestimmung des Inhalts der Patentansprüche einschließlich der dort verwendeten Begriffe auf das Verständnis des Fachmanns auf dem betreffenden Gebiet abzustellen ist (st. Rspr. z.B. BGHZ 150, 149, 153 - Schneidmesser I, m.w.N.), gelegentlich hiervon spricht.
Der hiermit angesprochene Fachmann ist nicht mit einer tatsächlich existierenden Person gleichzusetzen, weil Patentschriften sich an alle Fachleute richten (vgl. Sen.Urt. v. 24.03.1998 - X ZR 39/95, GRUR 1998, 1003, 1004 - Leuchtstoff). Eine dem Gebot der Rechtssicherheit genügende einheitliche
inhaltliche Erfassung einer patentierten Erfindung wäre auf der Grundlage individueller Kenntnisse und Fähigkeiten auch gar nicht möglich. Fachmännisches Denken, Erkennen und Vorstellen wird deshalb bemüht, um mit dem auf dem betreffenden Gebiet der Technik üblichen - allgemeinen - Fachwissen sowie den durchschnittlichen Kenntnissen, Erfahrungen und Fähigkeiten der dort tätigen Fachwelt und dem hierdurch geprägten sinnvollen Verständnis vom Inhalt einer Lehre zum technischen Handeln eine verläßliche Entscheidungsgrundlage zu haben. Das führt freilich dazu, daß die maßgebliche Sicht selbst unmittelbarer Feststellung entzogen ist. Auf sie kann nur mittels wertender Würdigung der tatsächlichen Umstände geschlossen werden, die ihrerseits - unmittelbar oder auch nur mittelbar - geeignet sind, etwas über die hiernach entscheidenden Verhältnisse auszusagen. Das bedeutet zugleich, daß im Patentverletzungsprozeß eine Bindung des Revisionsgerichts nur insoweit in Betracht kommt, als das angefochtene Urteil erkennen läßt, daß der Tatrichter sich mit konkreten tatsächlichen Umständen befaßt hat, die für die Auslegung des betreffenden Patentanspruchs von Bedeutung sein können. Hierbei handelt es sich vor allem um Umstände, die eine Erfassung der maßgeblichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen innerhalb der Fachwelt ermöglichen, aber auch um andere Umstände, die sonstwie Rückschlüsse auf die fachliche Sicht des durch Beschreibung und Zeichnungen erläuterten Patentanspruchs erlauben.
Hieran fehlt es im Streitfall. Die Hinweise des Berufungsgerichts auf das Verständnis des Fachmanns sind bloße Annahmen. Hierauf beruht gerade auch die Folgerung, die den tragenden Gesichtspunkt des Berufungsgerichts bildet und aus dem Umstand hergeleitet ist, daß bei der vom Senat vorgenommenen Auslegung mit der durch Merkmal 2 gekennzeichneten Anweisung lediglich eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck gebracht wird. Mangels gegenteiliger tatrichterlicher Feststellungen ist deshalb der revisionsrechtlichen Überprüfung zu
Grunde zu legen, daß im vorliegenden Fall keine Umstände existieren, die der vom Senat vorgenommenen Auslegung entgegenstehen.
5. Diese Auslegung erlaubt nicht, das Vorhandensein des Merkmals 2 bei der angegriffenen Ausführungsform zu verneinen. Denn auch bei ihr gibt es eine Vorrichtung in dem Vorratsbehälter, die dort lagernde Parkkarten am Boden des Behälters vereinzelt. Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die notwendigen, bisher aber unterbliebenen Feststellungen zur ebenfalls streitigen Verwirklichung der Merkmale 3 und 4 bei der angegriffenen Ausführungsform getroffen werden können.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Asendorf

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz beim Bundesgerichtshof einzureichen. Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt drei Monate. Sie beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einen Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt. Kann dem Berufungskläger innerhalb dieser Frist Einsicht in die Prozessakten nicht für einen angemessenen Zeitraum gewährt werden, kann der Vorsitzende auf Antrag die Frist um bis zu zwei Monate nach Übersendung der Prozessakten verlängern.

(3) Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird (Berufungsanträge);
2.
die Angabe der Berufungsgründe, und zwar:
a)
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Berufung darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben;
c)
die Bezeichnung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, aufgrund deren die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 117 zuzulassen sind.

(4) § 110 Abs. 5 ist auf die Berufungsbegründung entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 87/12 Verkündet am:
23. Juli 2013
Besirovic
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Seitenwandmarkierungsleuchte
Auch nach neuem Verfahrensrecht kann sich die Berufung in einer Patentnichtigkeitssache
darauf beschränken, die Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents
anders als das angefochtene Urteil zu bewerten. Hierin ist die Erklärung enthalten
, dass das Recht durch eine fehlerhafte Anwendung der für die Beurteilung der
Patentfähigkeit maßgeblichen Rechtsnormen verletzt worden sei. Die Berufungsbegründung
muss dabei erkennen lassen, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen
Gründen der Berufungskläger die Beurteilung der Patentfähigkeit durch das Patentgericht
für unrichtig hält.
BGH, Urteil vom 23. Juli 2013 - X ZR 87/12 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Juli 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck,
die Richterin Mühlens, den Richter Gröning, die Richterin Schuster und den
Richter Dr. Deichfuß

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 16. Februar 2012 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Beklagte ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der
1
H. und GmbH, der Inhaberin des am 16. August 1995 angemeldeten, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschlanderteilten europäischen Patents 698 528 (Streitpatents). Das Streitpatent betrifft eine Seitenwandmarkierungsleuchte für Omnibusse. Es nimmt eine deutsche Priorität vom 27. August 1994 in Anspruch und umfasst vier Patentansprüche, von denen die Ansprüche 2 bis 4 auf Patentanspruch 1 zurückbezogen sind. Patentanspruch 1 lautet: "Seitenwandmarkierungsleuchte für Omnibusse, gekennzeichnet durch ihre Integration in einer Kofferklappengriffschale (1) und durch ihre versenkte, flächenbündige Anordnung in einem in der Kofferklappengriffschale (1) ausgebildeten Aufnahmehohlraum (8)." Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand der erteilten Ansprü2 che sei weder neu noch beruhe er auf erfinderischer Tätigkeit. Der Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und mit fünf Hilfsanträgen verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen wen3 det sich der Beklagte mit der Berufung und verteidigt das Patent in der erteilten und hilfsweise in weiteren sechs Fassungen. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
4

Entscheidungsgründe:


5
Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
6
I. Die Berufung ist zulässig. 1. Gemäß § 111 Abs. 1 PatG in der hier maßgeblichen, seit 1. Oktober
7
2009 geltenden Fassung kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung des Patentgerichts auf der Verletzung des Bundesrechts beruht oder nach § 117 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Nach § 111 Abs. 2 PatG ist das Recht verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. Die Berufungsbegründung muss die Angabe der Berufungsgründe enthalten, etwa die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (§ 112 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a PatG) oder die Bezeichnung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, aufgrund deren die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 117 zuzulassen sind. Danach kann sich die Berufung auch nach neuem Verfahrensrecht da8 rauf beschränken, die Patentfähigkeit abweichend von der Beurteilung durch das Patentgericht zu bewerten. In diesem Vorbringen ist im Sinne des § 112 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a PatG die Erklärung enthalten, dass die Rechtsverletzung in einer fehlerhaften Anwendung der maßgeblichen Bestimmungen (hier Art. 54, 56 EPÜ, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG) liege. Die Berufungsbegründung muss allerdings erkennen lassen, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen der Berufungskläger die Ausführungen des Patentgerichts zur Patentfähigkeit für unrichtig hält (BGH, Urteil vom 26. Juni 2012 - X ZR 84/11, juris Rn. 10; zum früheren Recht: Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 4/07, GRUR 2010, 660, 661 - Glasflaschenanalysesystem). 2. Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Beklag9 ten, der durch seine abweichende Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit die Verletzung des Art. 56 EPÜ in Verbindung mit Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜbkG gerügt hat. Zur Begründung beruft sich der Beklagte unter anderem auf eine unzutreffende Auslegung der entgegengehaltenen Druckschriften und eine unzutreffende Einordnung des Fachmanns durch das Patentgericht. Damit hat der Beklagte die Umstände bezeichnet, aus denen sich die Rechtsverletzung ergeben soll (§ 112 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a PatG). 3. Entgegen der Auffassung der Klägerin führt das Beweisangebot des
10
Beklagten zur Einholung eines Sachverständigengutachtens, das sie für unzulässig hält, nicht zur Unzulässigkeit der Berufung. Der Berufungskläger muss weder neue Tatsachen noch Beweismittel einführen, sondern kann sich darauf beschränken, das erstinstanzliche Urteil auf der dort berücksichtigten Tatsachengrundlage zur Überprüfung zu stellen. Deshalb ist die Angabe von neuen Tatsachen und Beweismitteln nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit der Berufung (Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 7. Aufl., § 112 Rn. 12).
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II. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. 1. Das Streitpatent betrifft eine Seitenwandmarkierungsleuchte für Om12 nibusse. Nach der Patentbeschreibung wird gefordert, Omnibusse aus Gründen einer verbesserten Verkehrssicherheit nicht nur im Front- und Heckbereich, sondern auch an den Seitenwänden mit Markierungsleuchten auszustatten. Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, Seitenwandmarkierungsleuchten an Om- nibussen einfach und insbesondere kostengünstig anzuordnen (Patentbeschreibung Abs. 3).
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2. Dieses Problem wird nach dem Streitpatent durch eine Seitenwandmarkierungsleuchte für Omnibusse gelöst, die 1. in eine Kofferklappengriffschale (1) integriert ist und 2. in einem in dieser ausgebildeten Aufnahmehohlraum (8) 3. eine versenkte und flächenbündige Lage (zur Seitenwand) einnimmt. Der Wortlaut des Anspruchs lässt Raum für die Überlegung, ob auch
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Leuchten für andere Fahrzeuge geschützt sind, sofern sie sich für Omnibusse eignen. Für die Auslegung des Patentanspruchs ist der Anspruchswortlaut maßgeblich; ergänzend sind die Patentbeschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen (Art. 69 Abs. 1 EPÜ; st. Rspr. BGH, Urteil vom 7. September 2004 - X ZR 255/01, BGHZ 160, 204, 209 - bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; Urteil vom 13. Februar 2007 - X ZR 74/05, BGHZ 171, 120 - Kettenradanordnung I; Urteil vom 17. April 2007 - X ZR 72/05, BGHZ 172, 88, 97 - Ziehmaschinenzugeinheit I; Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 - Gelenkanordnung; Urteil vom 10. Mai 2011 - X ZR 16/09, BGHZ 189, 330 - Okklusionsvorrichtung). Dem Patentanspruch ist zu entnehmen, dass die beanspruchte Leuchte Teil der Griffschale ist. Geschützt ist sonach eine in die Kofferklappengriffschale eines Omnibusses integrierte Markierungsleuchte. Bei der Leuchte handelt es sich um eine aktive, das heißt selbstleuch15 tende Leuchte und nicht nur um einen das Licht reflektierenden Rückstrahler; diese Einschätzung des fachkundig besetzten Patentgerichts wird von den Parteien geteilt.
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Gegenstand des Streitpatents ist dabei nur die räumliche Anordnung der Markierungsleuchte in der Seitenwand des Omnibusses. Ihr Aufbau und ihre Ausgestaltung sind in Patentanspruch 1 nicht beschrieben. Nach der Patentbeschreibung (Abs. 11) kann insoweit auf Kaufteile und hinreichend bekannte Einzelelemente zurückgegriffen werden. Die räumliche Anordnung der Markierungsleuchte ist dahingehend erläutert, dass sie in einem in der Kofferklappengriffschale enthaltenen Aufnahmehohlraum versenkt und flächenbündig integriert ist. Über die räumliche Erstreckung oder eine bestimmte Position, die die Leuchte in der Kofferklappengriffschale einnehmen soll, enthält Patentanspruch 1 keine Angaben. Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 und 2 des Streitpatents zei17 gen zwei unterschiedliche Anordnungen der Leuchte in der Kofferklappengriffschale.


3. Das Patentgericht hat angenommen, der Gegenstand der erteilten
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und der hilfsweise verteidigten Patentansprüche beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
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Aus der deutschen Patentschrift 37 12 376 (D2) sei eine Seitenwandmarkierung bekannt, die mit Ausnahme des Merkmals des Selbstleuchtens sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 offenbare, nämlich eine Seitenwandmarkierung , die unter anderem bei Omnibussen eingesetzt sei. Die Griffmuldenschale 6 mit der zugehörigen Griffplatte 2 sei als Kofferklappengriffschale ausgebildet. Die Seitenwandmarkierung, nämlich der Rückstrahler 16, sei, wie aus den Figuren der D2 ersichtlich, in die Kofferklappengriffschale integriert. Somit unterscheide sich die Vorrichtung der D2 von der Leuchte des Streitpatents lediglich darin, dass ein Rückstrahler im Sinne eines Katzenauges eingesetzt sei, im Streitpatent hingegen eine aktive Beleuchtung beansprucht sei. Dieser Unterschied könne keine erfinderische Tätigkeit begründen. Der
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Fachmann, ein berufserfahrener, in der Entwicklung von Fahrzeugbeleuchtungssystemen bewanderter Diplomingenieur der Fachrichtung Fahrzeugtechnik mit Fachhochschulabschluss, werde den Nachteil der Lehre von D2 erkennen , dass der verwendete Rückstrahler eine entsprechende Beleuchtung durch einen anderen Verkehrsteilnehmer voraussetze, um seine Warnfunktion zu erfüllen. Bei der Vorrichtung der D2 müsse sonach lediglich der Rückstrahler 16 durch eine selbstleuchtende Markierungsleuchteneinheit ausgetauscht werden. Entsprechende Markierungsleuchten seien aus einer Vielzahl von Anwendungen im Kraftfahrzeugbereich bekannt, z.B. aus der deutschen Patentschrift 943 337 (E2), die eine solche Leuchte zu Warnzwecken für den Einbau in eine Fahrertür offenbare. Auch die US-Patentschrift 3 789 210 (D1) offenbare eine in die Fahrzeugwand eines Wohnmobils integrierte Leuchte, die eine Einstiegshilfe mit Haltegriff beleuchte und ebenfalls Sicherheitszwecken diene.
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4. Dies hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.
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a) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist nicht patentfähig, da er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht (Art. 56 EPÜ). aa) Das dem Streitpatent zugrunde liegende technische Problem besteht
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nicht darin, eine Leuchte zu schaffen, sondern eine Seitenwandmarkierungsleuchte an Omnibussen möglichst einfach und kostengünstig anzuordnen (Patentbeschreibung Abs. 3). Bei dem Fachmann, der sich mit der Lösung des Problems befasste, handelt es sich deshalb entgegen der Auffassung des Beklagten nicht um einen Beleuchtungsfachmann, der, so der Beklagte, nicht unbedingt über Kenntnisse des Karosseriebaus verfüge, sondern um einen Fachhochschulingenieur der Fahrzeugtechnik, der mit dem Bau und Aufbau von Fahrzeugkarosserien vertraut und deshalb auch allgemein imstande ist, Vorrichtungen an oder in Fahrzeugwänden anzuordnen. Für diese Einordnung des Fachmanns als mit der Karosserie vertrauten Fahrzeugtechniker spricht zudem die vor dem Prioritätszeitpunkt im Stand der Technik bekannte Lösung, für die Anbringung von Leuchten zusätzliche Öffnungen in eine Omnibusseitenwand einzuschneiden. Ein solcher Eingriff in die Karosserie, der, wie der Beklagte ausführt, vermieden werden sollte, gehört zum Tätigkeitsbereich des Karosserie - und nicht des Beleuchtungsfachmanns. bb) Aus dem deutschen Patent 37 12 376 (D2) war dem Fachmann eine
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schwenkbare Handhabe, also ein Handgriff oder eine - als gattungsgemäß bezeichnete - Griffplatte für Türen, Klappen oder Deckel von Fahrzeugen bekannt. Diese soll nach der Beschreibung der D2 so ausgestaltet werden, dass sie zum Übertragen der Bedienkräfte in beiden einander entgegengesetzten Bewegungsrichtungen von Türen, Klappen oder Deckeln gleichermaßen geeignet und komfortabel zu handhaben ist (D2, Sp. 3 Z. 61-67).
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Als Ausführungsbeispiel erläutert D2 eine Gepäckraumklappe eines Omnibusaufbaus , die in einer Seitenwand des Busaufbaus versenkt angeordnet ist. Um die Gepäckraumklappe herausschwenken zu können, ist eine Griffplatte vorgesehen, die im Wesentlichen flächenbündig in die Außenbeplankung der Gepäckraumplatte integriert ist, solange sie sich in Ruhestellung befindet. Hierzu ist sie in einer Griffmulde angeordnet, die unter anderem von einer Griffmuldenschale begrenzt wird, die sich griffmuldenseitig flächenbündig an den Rand der Außenbeplankung anschließt. Die Griffplatte mit der zugehörigen Griffmuldenschale ist in D2 als Teil einer Gepäckraumklappe bezeichnet, die sowohl nach ihrer räumlich-körperlichen Ausgestaltung als auch ihrer Funktion als Kofferklappengriffschale im Sinne des Streitpatents anzusehen ist. Das Ausführungsbeispiel der D2 weist zwischen den Randzonen eine Signalzone auf, die von einem flächenbündig in die Griffplatte versenkten Rückstrahler aus Kunstglas gebildet ist. Der Rückstrahler ist in die Griffplatte versenkt; er ermöglicht insbesondere bei an die Fahrzeugfarbe angepasster Griffplatte ein leichtes Auffinden der Griffplatte und eine eindeutige Abgrenzung zu den Randzonen. Zudem ergibt sich bei hochgeschobener Gepäckraumklappe eine Warnsignalwirkung für andere Verkehrsteilnehmer bei Dunkelheit (D2, Sp. 6 Z. 18-27). Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 und 2 der D2 zeigen den
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Flächenbereich einer seitlichen Gepäckraumklappe und einen Vertikalschnitt durch diesen Flächenbereich.


Wie beim Gegenstand des Streitpatents die Markierungsleuchte ist in D2
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der Rückstrahler versenkt und flächenbündig (D2, Sp. 6 Z. 20) und, wie aus Figur 2 erkennbar, in einer Aussparung der Kofferklappengriffschale angeordnet. Allerdings handelt es sich bei dem nicht selbstleuchtenden Rückstrahler nicht um eine aktive Beleuchtung. Die Ausgestaltung mit einem Rückstrahler entsprach zum Anmeldezeitpunkt der D2 (11. April 1987) den Anforderungen des § 51a Abs. 1 StVZO in der Fassung vom 15. Januar 1980 (BGBl. 1980 I, 37, 39, 40) und der insoweit übereinstimmenden, von 1. Dezember 1984 bis 30. Juni 1988 geltenden Fassung, wonach Kraftfahrzeuge mit einer Länge von mehr als sechs Metern an den Längsseiten mit nach der Seite wirkenden Rückstrahlern ausgerüstet sein mussten. cc) Noch vor dem Prioritätszeitpunkt des Streitpatents änderten sich die
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Anforderungen der Straßenverkehrszulassungsordnung an die seitliche Kenntlichmachung langer Fahrzeuge insofern, als mit der Einfügung von § 51a Abs. 6 StVZO der Einsatz von Leuchten zur Markierung von Fahrzeugbegrenzungen verlangt wurde. Danach müssen Fahrzeuge mit einer Länge von mehr als sechs Metern
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an den Längsseiten mit nach der Seite wirkenden gelben Seitenmarkierungs- leuchten nach der Richtlinie 76/756 EWG ausgerüstet sein, und andere Fahrzeuge können damit ausgerüstet sein (Fünfzehnte Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 23. Juni 1993, BGBl. 1993 I, 1024, 1027). Die in Bezug genommene Richtlinie 76/756 EWG (Richtlinie des Rates vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über den Anbau der Beleuchtungs- und Lichtsignaleinrichtungen für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger, ABl. EG Nr. L 262/1 vom 27. September 1976) enthält in ihrem Anhang I Begriffsbestimmungen, unter anderem des Begriffs "Leuchte" (Unterpunkt 1.5) und entsprechender Unterbegriffe wie z.B. "Begrenzungsleuchte" (Unterpunkt 1.5.15). Danach ist Leuchte eine Einrichtung , die dazu dient, die Fahrbahn zu beleuchten oder Lichtsignale abzugeben. dd) Nach der gesetzlichen Regelung hatte der Fachmann bisher vorhan30 dene Rückstrahler an Omnibusseitenwänden in bestimmtem Umfang durch Leuchten zu ersetzen. Um eine kostengünstige Anordnung einer Leuchte zu ermöglichen und insbesondere ein Ausschneiden der Omnibusseitenwand zu vermeiden, lag es nahe, von der Lösung der D2, bei der der Rückstrahler flächenbündig versenkt in der Griffplatte eingebaut war, auszugehen und die Leuchte in der Kofferklappengriffplatte anzuordnen. (1) Entgegen der Auffassung des Beklagten, der auf den Unterschied
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zwischen Rückstrahler und aktiver Leuchte verweist, handelt es sich bei der D2 nicht um gattungsfremden Stand der Technik. Bereits durch die dargestellte Gesetzeslage war der Fachmann gehalten und bedurfte deshalb keiner weiteren Anregung, Rückstrahler in bestimmtem Umfang durch Leuchten zu ersetzen. (2) Die Griffplatte der D2 ist als Wippkonstruktion ausgestaltet, d.h. sie
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ist aufgrund einer mittigen Wippenlagerung durch Drücken aus ihrer Flächen- ebene in eine erhabene Bedienstellung herausschwenkbar. Von dieser besonderen Lagerung der Griffplatte hätte sich der Fachmann nicht abhalten lassen, die D2 zur Lösung seines Problems heranzuziehen. Maßgeblich für den Fachmann war die einfache und kostengünstige Anordnung der Leuchte. Aus der D2 erhielt er die Anregung für eine Anordnung in der Griffplatte. Die Wippenlagerung der Griffplatte in der D2 war keine notwendige Maßnahme für das Anbringen der Leuchte, auf sie konnte gegebenenfalls verzichtet und eine einfache Griffkonstruktion gewählt werden. Auf die Wippenlagerung bezogen wendet der Beklagte ein, mit der Griff33 platte werde bei D2 auch automatisch der Rückstrahler verschwenkt, der in der verschwenkten Position in die falsche Richtung strahle und daher keine relevante technische Wirkung mehr habe. Nach Verschwenken gerate die Griffplatte in eine Rastposition und schwenke nicht automatisch zurück, so dass auch bei geschlossener Türe die Griffplatte in einer Stellung verharren könne, in der die Reflektorfläche ihre Funktion nicht erfüllen könne. Dieser Einwand ist, abgesehen davon, dass der Fachmann für die An34 ordnung der Leuchte die Wippenlagerung nicht benötigt, unbegründet. In der D2 ist im Zusammenhang mit der Beschreibung des Rückstrahlers ausgeführt, dass "der Rückstrahler ein leichtes Auffinden der Griffplatte und eine eindeutige Abgrenzung zu den Randzonen ermöglicht und sich zudem bei hochgeschobener Gepäckraumklappe eine Warnsignalwirkung für andere Verkehrsteilnehmer bei Dunkelheit ergibt" (Sp. 6 Z. 21-27). Daraus folgt, dass der Rückstrahler so angeordnet sein soll, dass er sowohl in der Ruhestellung als auch in der verschwenkten Position eine Abgrenzungs- und Warnsignalwirkung für andere Verkehrsteilnehmer ausübt.
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(3) Das Argument des Beklagten, die Griffplatte in der Entgegenhaltung D2 sei relativ dünn ausgestaltet, so dass an der Stelle, an der der Rückstrahler angebracht sei, wenig Platz vorhanden und das Ersetzen durch eine Leuchte technisch nicht möglich sei, kann ebenso wenig in Frage stellen, dass der Fachmann Veranlassung hatte, zur Anordnung der gesetzlich vorgeschriebenen Seitenwandmarkierungsleuchte auf das Vorbild der D2 zurückzugreifen. Patentanspruch 1 enthält keine Angaben über die Bestandteile oder Di36 mensionierung der Leuchte, so dass auch eine verhältnismäßig flache oder platzsparende Ausgestaltung möglich ist. Im Übrigen stellt es routinemäßiges fachmännisches Handeln dar, vorgegebene Vorrichtungen oder Teile an einer vorgegebenen Position an einem Fahrzeug einzubauen und hierfür gegebenenfalls durch Anpassung der Abmessungen die notwendigen Voraussetzungen wie etwa ausreichend Platz zu schaffen.
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b) Auch die mit den Hilfsanträgen beanspruchten Gegenstände beruhen nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
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aa) Hilfsantrag I In Hilfsantrag I ist in Patentanspruch 1 der Begriff "Seitenwandmarkie39 rungsleuchte für Omnibusse" durch das Wort "Omnibus-Seitenwandmarkierungsleuchte" ersetzt. Mit Blick auf die Ausführungen zum Inhalt des Patentanspruchs bedarf der sachlich mit dem Hauptantrag übereinstimmende Hilfsantrag I keiner weiteren Erörterung.
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bb) Hilfsantrag V
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Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag V enthält gegenüber der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 das zusätzliche Merkmal: 4. Die Seitenwandmarkierungsleuchte ist außerhalb des Griffzuges angeordnet. Auch diese, vom Vorbild der D2 abweichende Ausgestaltung war dem
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Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt, so dass die Zulässigkeit des Hilfsantrags dahinstehen kann. Durch die Darstellung in der D2 erhielt der Fachmann, wie ausgeführt,
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die Anregung, den dort in die Griffplatte integrierten Reflektor durch eine aktive Leuchte zu ersetzen. Wenn sich bei der Integration der Leuchte mit den dafür erforderlichen elektrischen Versorgungsleitungen in den Griff Schwierigkeiten ergaben oder dem Fachmann die Verbindung von Griff und Leuchte aus anderen Gründen unzweckmäßig erschien, musste er sich die Frage stellen, ob er deswegen auf die Unterbringung der Leuchte in der Kofferklappengriffschale verzichten und für die Anordnung und Befestigung der Leuchte eine gesonderte Öffnung in der Karosserie vorsehen musste. Die Frage zu stellen, bedeutete für den Fachmann sie zu verneinen. Für ihn war offensichtlich, dass er die Leuchte von dem Griff trennen und gleichwohl beide Elemente in der Griffschale anordnen konnte. Es entspricht fachmännischem Handeln, bei der Integration von Funktionsteilen in bestehende Vorrichtungen einer Multifunktionalität der vorhandenen oder einzubauenden Teile Rechnung zu tragen und sowohl eine vollständig integrierte als auch eine nach Funktionen getrennte Lösung in Betracht zu ziehen. Dies gilt hier umso mehr, als für die letztere Möglichkeit das USPatent 3 789 210 (D1) Vorbild sein konnte. Es betrifft eine in die Fahrzeugwand eines Wohnmobils integrierte Leuchte, die eine Einstiegshilfe mit Haltegriff beleuchtet , getrennt vom Haltegriff mit diesem versenkt in einer Mulde angeordnet ist und ebenfalls Sicherheitszwecken dient. Dabei handelt es sich um eine Lösung für Freizeitfahrzeuge, die sich von den Dimensionen her durchaus in einem den Omnibussen verwandten Bereich bewegen und für die daher die ge- setzlichen Anforderungen an die Seitenwandmarkierung ebenfalls Anwendung finden können.
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cc) Hilfsanträge II bis IV Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag II und III setzt sich aus den erteilten
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Patentansprüchen 1 und 2 zusammen. An Patentanspruch 1 werden sonach folgende Merkmale angefügt: 5. Die Seitenwandmarkierungsleuchte ist als Komplettbauteil ausgebildet, 6. besteht aus Gehäuse, Streuscheibe (5), Lampenhalter (10) nebst Lichtquelle (9), Reflektor und elektrischen Verbindungsleitungen nebst mit der allgemeinen Fahrzeugelektrik kuppelbaren Stecker und 7. ist im Aufnahmehohlraum der Kofferklappengriffschale (1) befestigt. Auch diese Ausgestaltung lag für den Fachmann nahe, wenn er die
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Leuchte außerhalb des Griffes anordnen wollte. Es gab für eine solche Anordnung zwei Möglichkeiten. Der Fachmann konnte entweder die Leuchte als Komplettbauteil oder unter (teilweiser) Nutzung des Aufnahmehohlraums als Gehäuse die für die Leuchte erforderlichen Einzelteile einbauen und im Aufnahmehohlraum befestigen. Dabei handelt es sich um handwerkliche Maßnahmen , die keine besonderen Anforderungen an die Ausgestaltung der Leuchte stellen. Die zusätzlich beanspruchten Bestandteile des Leuchten-Komplettbauteils sind, wie das Patentgericht zutreffend und von der Berufung unbeanstandet angenommen hat, im Kraftfahrzeugbereich fachübliche Mittel.
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Hieraus ergibt sich zugleich, dass auch die in Patentanspruch 2 nach Hilfsantrag II und Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag IV dem erteilten Patentanspruch 1 angefügten Merkmale, wonach der Aufnahmehohlraum (8) das Leuchtengehäuse bildet und eine durch eine Streuscheibe (5) gebildete Abdeckung aufweist und in dem Leuchtengehäuse eine Leiterplatte mit elektrischen Kontakten für die Lichtquelle (9), Verbindungsleitungen mit Stecker und ein Reflektor angeordnet sind, als zweite Möglichkeit der Anordnung, wie vom Patentgericht zutreffend ausgeführt, nahegelegt waren.
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dd) Hilfsantrag VI und Unteransprüche Schließlich ergibt sich auch aus der Zusammenfassung von Merkmalen
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der Hilfsanträge II und V in Hilfsantrag VI kein zusätzlicher technischer Effekt, der eine andere Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit geböte. Auch soweit Merkmale der Unteransprüche keinen Eingang in die Hilfsanträge gefunden haben, ist ein eigener erfinderischer Gehalt weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2006 - X ZR 131/02, GRUR 2007, 309 - Schussfädentransport; Urteil vom 29. September 2011 - X ZR 109/08, GRUR 2012, 149 - Sensoranordnung).
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Mühlens Gröning
Schuster Deichfuß
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 16.02.2012 - 2 Ni 6/11 (EP) -

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.