vorgehend
Landgericht Dresden, 1 O 4657/02, 22.08.2003
Oberlandesgericht Dresden, 20 U 1697/03, 10.02.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 34/04 Verkündet am:
27. Juni 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nrn. 1 und 2; culpa in contrahendo

a) Bei einer Ausschreibung kann das vorvertragliche Vertrauensverhältnis gebieten
, den Bieter auf für diesen nicht erkennbare Umstände hinzuweisen,
die, wie die angekündigte Rüge von Verstößen gegen das Vergaberecht, die
Erteilung des Zuschlags und damit eine erfolgreiche Teilnahme in Frage stellen
können.

b) Bei Verletzung dieser Aufklärungspflicht kann ein Anspruch auf Ersatz für die
mit der Teilnahme am Ausschreibungsverfahren verbundenen Aufwendungen
bestehen, wenn der Bieter in Kenntnis des Sachverhalts die Aufwendungen
nicht getätigt hätte.
BGH, Urt. vom 27. Juni 2007 - X ZR 34/04 - OLG Dresden
LG Dresden
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Juni 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
Keukenschrijver, die Richterin Ambrosius und die Richter Asendorf und
Gröning

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das am 10. Februar 2004 verkündete Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die beklagte Stadt (Vergabestelle) schrieb im September 2001 für den beabsichtigten Neubau eines "I. Zentrum" des Krankenhauses D. Architektenleistungen im Verhandlungsverfahren nach der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) aus, und zwar - nach Losen getrennt - die Gebäude- und Tragwerksplanung. Die Klägerin bewarb sich neben 44 anderen Bewerbern um die Teilnahme und wurde mit 5 weiteren Bewerbern ausgewählt. Die Vergabestelle hatte sich inzwischen, auf Betreiben des Stadtplanungsamtes, entschlossen, einen in der Ausschreibung nicht erwähnten beschränkten hochbaulichen Wettbewerb zu veranstalten und bat die Klägerin und die fünf weiteren ausgewählten Bewerber im Dezember 2001 um Zustimmung für ihre Beteiligung an einem "dem Verhandlungsverfahren nachgeschalteten Gutachtenverfahren zur Erlangung von Vorentwürfen". Alle ausgewählten Bewerber willigten ein. Die Auslobungsbedingungen versprachen für die Teilnahme an diesem Wettbewerb eine pauschale Aufwandsentschädigung von 8.100 € für jeden ausgewählten Teilnehmer , der eine den Bedingungen entsprechende Arbeit abgab.
2
Ein bei der Auswahl übergangener Bewerber hatte gegenüber der Vergabestelle u. a. nicht nachvollziehbare Auswahlkriterien gerügt. Diese Rüge hatte die Vergabestelle im Januar 2002 schriftlich und mündlich zurückgewiesen. Weder über die Rüge noch über die anschließende Entscheidung der Vergabestelle wurden die für die Teilnahme am Gutachtenverfahren ausgewählten Bieter unterrichtet. Sie erhielten im Februar 2002 die Wettbewerbsunterlagen, die als Abgabetermin für die Arbeit den 8. März 2002 und für das zu fertigende Modell den 15. März 2002 vorsahen. Die Klägerin gab ihre Arbeiten fristgerecht ab.
3
Am 6. März 2002 stellte der übergangene Bewerber einen Nachprüfungsantrag , der der Vergabestelle zwei Tage später zugestellt wurde. Mit Beschluss der Vergabekammer vom 10. April 2002 wurde der Planungswettbewerb aufgehoben und der beklagten Stadt aufgegeben, die Teilnahmeanträge im Verhandlungsverfahren neu zu bewerten. Die Beschwerde gegen diesen Beschluss blieb erfolglos (OLG Dresden, Beschluss vom 6.6.2002, WVerg 4/02). Dieses Ergebnis des Nachprüfungsverfahrens teilte die Vergabestelle der Klägerin am 21. Juni 2002 mit; zugleich hob sie den Planungswettbewerb auf. Bei der neuerlichen Bewertung der ursprünglichen Teilnahmeanträge für das Verhandlungsverfahren fand die Klägerin keine Berücksichtigung mehr.
4
Die Klägerin hat für ihre im Rahmen der Beteiligung am Gutachtenverfahren erbrachten Planungsleistungen auf der Grundlage der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) eine Vergütung von 204.801,33 € ermittelt und die Beklagte in dieser Höhe in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, soweit mit ihr mehr als die in den Auslobungsbedingungen für das Gutachtenverfahren ausgelobte pauschale Aufwandsentschädigung in Höhe von 8.100 € geltend gemacht worden ist. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Sache zur Feststellung der Höhe des der Klägerin zustehenden Zahlungsanspruchs an das Landgericht zurückverwiesen. Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der beklagten Stadt.

Entscheidungsgründe:



5
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung.
6
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Der Klägerin stehe über den vom Landgericht zuerkannten Betrag hinaus ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach aus culpa in contrahendo (c.i.c.) auf Ersatz ihres Vertrauensschadens zu, weil die Beklagte im Zusammenhang mit der Ausschreibung zum Nachteil der Klägerin gegen Vergaberecht verstoßen und dadurch schuldhaft Aufwendungen der Klägerin verursacht habe, die dieser bei Einhaltung der Vergaberegeln nicht entstanden wären. Die von der Beklagten getroffene Auswahl der Bewerber, die zur Ver- handlung aufgefordert werden sollten, habe sich in einer Summe von Einzelplatzierungen erschöpft, hinter denen ein faires, transparentes und nachvollziehbares Auswahlsystem nicht zu erkennen gewesen sei. Darin liege ein offenkundiger und schwerwiegender Vergabeverstoß, der alle folgenden Verfahrensschritte irreparabel vergaberechtswidrig gemacht habe. Zwar könne das fehlerhafte Auswahlverfahren als solches den Anspruch der - davon begünstigten - Klägerin nicht begründen. Die Beklagte habe jedoch, aufbauend auf dieser Auswahlentscheidung, mit den sechs ausgewählten Bewerbern das "nachgeschaltete" Gutachtenverfahren durchgeführt und sie in dessen Rahmen erfolgreich zur Erbringung von Architektenleistungen aufgefordert, obwohl sie aufgrund der zuvor von dem nicht ausgewählten Bewerber erhobenen Vergaberügen damit habe rechnen müssen, in ein Nachprüfungsverfahren verwickelt zu werden, in welchem die beanstandete Teilnehmerauswahl für rechtswidrig befunden und dem Planungswettbewerb damit die Grundlage entzogen werden könne. Über diese Gefahr, die sich dann auch realisiert habe, hätte die Beklagte die Wettbewerbsteilnehmer unterrichten müssen. Dass gelte unabhängig davon , ob die Beklagte diesen Wettbewerb seinerzeit als Bestandteil des ausgeschriebenen Verhandlungsverfahrens aufgefasst oder, wie sie nunmehr geltend mache, als ein davon zu unterscheidendes neues Verfahren angesehen habe. Selbst wenn die Beklagte einen Planungswettbewerb während eines Verhandlungsverfahrens im Sinne von § 25 Abs. 1 VOF habe durchführen wollen, hätte die Verwertbarkeit der im Wettbewerb erzielten Ergebnisse von vornherein von einer vergaberechtlich regulären Auswahl der Bewerber aus dem Verhandlungsverfahren abgehangen. Liege die Mangelhaftigkeit der Bewerberauswahl, wie hier, auf der Hand, dürfe der Auftraggeber einen solchen Wettbewerb nicht eröffnen und damit Aufwendungen der Wettbewerbsteilnehmer auslösen, deren Sinnlosigkeit aus Rechtsgründen von Anfang an feststehe. Nichts anderes gelte , wenn, wie die Beklagte jetzt geltend mache, angenommen werde, durch das initiierte Gutachtenverfahren habe kein Planungswettbewerb im Sinne der §§ 20, 25 VOF, sondern ein nicht institutionalisiertes Verfahren eigener Art, das auch von dem vorangegangenen Verhandlungsverfahren zu unterscheiden sei, durchgeführt werden sollen. Ein solches Verfahren in das bereits laufende Verhandlungsverfahren einzuflechten wäre vergaberechtlich unzulässig gewesen. Das weitere Vorgehen der Beklagten lasse aber nur den Schluss zu, dass sie mit den sechs Wettbewerbsteilnehmern und auf der Grundlage der von ihnen zu erarbeitenden Wettbewerbsbeiträge die Vergabe der ausgeschriebenen Planungsleistungen weiter habe verhandeln wollen. Im Vertrauen auf die ihr hierdurch eröffneten Auftragschancen habe die Klägerin sich an dem Wettbewerb beteiligt. Die Fortsetzung des Vergabeverfahrens unter Einbeziehung der Wettbewerbsergebnisse sei indessen angesichts der mit gravierenden Vergabeverstößen verbundenen Teilnehmerauswahl von vornherein ausgeschlossen gewesen und das Vergabeverfahren sei dementsprechend auch in den Zustand vor dem Wettbewerbsbeginn und der dazu führenden Teilnehmerauswahl zurückversetzt worden. In einer solchen Konstellation einer irrealen Amortisationschance für die Angebotskosten sei jeder Bewerber oder Bieter zur Geltendmachung seiner "umsonst" getätigten Aufwendungen legitimiert, weil er das Kostenrisiko nur wegen einer seinen Aufwendungen äquivalenten Chance eingehe , an der es indes gerade fehle, wenn das Vergabeverfahren mit einem Anfangsfehler behaftet sei, der einer Vergabenachprüfung nicht standhalte.
7
II. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die bisher getroffenen Feststellungen tragen seine Annahme nicht, der Klageanspruch sei als Ersatzanspruch dem Grunde nach gerechtfertigt.
8
1. a) Eine Ersatzpflicht des öffentlichen Auftraggebers aus c.i.c. hat nach der Rechtsprechung des Senats ihren Grund in der Verletzung des Vertrauens der Bieter oder Bewerber darauf, dass das Vergabeverfahren nach den ein- schlägigen Vorschriften des Vergaberechts, insbesondere in Verfahren über Ausschreibungen, deren Gegenstand wie im Streitfall die Schwellenwerte übersteigt , abgewickelt wird (BGHZ 139, 280, 283; BGH, Urt. v. 1.8.2006 - X ZR 146/03, VergabeR 2007, 194 Tz. 15). Voraussetzung eines Anspruchs aus c.i.c. ist aber, dass der Bieter sein Angebot tatsächlich im Vertrauen darauf abgibt bzw. - wie hier - im Vertrauen darauf zusätzliche Aufwendungen tätigt, dass die Vorschriften des Vergaberechts eingehalten werden. Ist dem Bieter bekannt, dass die Ausschreibung fehlerhaft ist, fehlt es - unbeschadet der Frage , ob in einem solchen Fall der Vergabeverstoß für den trotz der gleichwohl getroffenen Entscheidung des Bieters zur Teilnahme für den Schaden in Form der nutzlos aufgewendeten Beträge noch ursächlich sein kann - jedenfalls an diesem Vertrauenstatbestand. Bei einer solchen Kenntnis kann der Bieter nicht mehr berechtigterweise darauf vertrauen, dass der mit der Erstellung des Angebots und der Teilnahme am Verfahren verbundene Aufwand nicht nutzlos ist (BGH VergabeR 2007, 194 Tz. 179). Sein Vertrauen ist darüber hinaus regelmäßig nicht schutzwürdig, wenn er den Verstoß bei der ihm im jeweiligen Fall zumutbaren Prüfung hätte erkennen können (BGHZ 124, 64, 70).
9
b) Bei dem Übergang in das Gutachtenverfahren litt das von der beklagten Stadt durchgeführte Verfahren zum einen an dem im Nachprüfungsverfahren festgestellten Fehler bei der Auswahl unter den Teilnehmern am Verhandlungsverfahren ; zum anderen wurde mit dem Gutachtenverfahren nachträglich eine weitere Anforderung für die Teilnahme an dem bekannt gemachten Verhandlungsverfahren aufgestellt, die in der ursprünglichen Ausschreibung nicht angekündigt worden war. Insoweit kann dahinstehen, ob diese fehlende Ankündigung bei der Ausschreibung des Verhandlungsverfahrens oder vor Beginn des Gutachtenverfahrens einen Fehler im Vergabeverfahren begründete, insbesondere ob insoweit eine erneute Ausschreibung erforderlich war oder die Beklagte darin lediglich ein zusätzliches Mittel zur Bewertung der vorliegenden Angebote sehen durfte. Aus der fehlerhaften Auswahl unter den Teilnehmern an dem Verhandlungsverfahren als solcher kann die Klägerin Ansprüche schon deshalb nicht herleiten, weil sich dieser Fehler zu ihren Gunsten auswirkte, für sie also insoweit keinen Nachteil geschaffen hat. Ob die Einfügung des ursprünglich nicht vorgesehenen Gutachtenverfahrens einen solchen Anspruch begründen kann, hängt davon ab, ob hierdurch ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin verletzt worden ist. Daran fehlt es, wenn sie erkannt hat oder den Umständen nach hätte erkennen können, dass das in der Ausschreibung bis dahin nicht angekündigte, an sie und die übrigen ausgewählten Teilnehmer herangetragene Ansinnen, sich an einem dem Verhandlungsverfahren nachgeschalteten Gutachtenverfahren zur Erlangung von Vorentwürfen zu beteiligen, nicht vergaberechtskonform war, wofür immerhin auch dann, wenn es sich nur um ein weiteres Auswahlkriterium in dem laufenden Verfahren handelte, dessen fehlende Ankündigung zu Beginn des Verfahrens sprechen könnte (zur Bindung des Ausschreibenden an die in der Bekanntmachung und in den Ausschreibungsunterlagen dem Vergabeverfahren zugrunde gelegten Bedingungen vgl. Sen.Urt. v. 17.2.1999 - X ZR 101/97, NJW 2000, 137). Insoweit spricht allerdings viel für die Annahme, dass die Klägerin einen solchen Fehler des Vergabeverfahrens zumindest hat erkennen müssen. Das könnte dazu führen, dass es insoweit auch unabhängig davon, dass die Teilnehmer vergaberechtswidrig ausgesucht worden sind, an einem schutzwürdigen Vertrauen in einen regulären Ablauf des Vergabeverfahrens auf Seiten der Klägerin fehlt. Dazu, ob sie eine Vergaberechtswidrigkeit bei der Einflechtung des Gutachtenverfahrens erkannt hat oder hätte erkennen können, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Damit fehlt es unter diesem Gesichtspunkt an einer tragfähigen Grundlage für die ausgesprochene Haftung dem Grunde nach.
10
2. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Klägerin hat ihr Begehren in erster Linie darauf ge- stützt, dass sie nicht über die gegen das Verfahren bereits vor der Übersendung der Unterlagen für das Gutachtenverfahren erhobenen Rügen unterrichtet worden ist. Insoweit kommt allerdings ein auf Ersatz des negativen Interesses gerichteter Schadensersatzanspruch der Klägerin aus c.i.c. aus einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt als dem vorstehend erörterten Schutz des Vertrauens in einen vergaberechtskonformen Ablauf des Verfahrens in Betracht. Dieser betrifft nur den speziell vergaberechtlichen Pflichtenkreis des öffentlichen Auftraggebers , nämlich seine Verpflichtung, ein Vergabeverfahren unter Einhaltung der einschlägigen vergaberechtlichen Bestimmungen durchzuführen (BGHZ 139, 281, 283). Davon unberührt bleibt die schadensrechtliche Sanktionierung von Verstößen gegen allgemeine schuldrechtliche Verhaltenspflichten. Auch insoweit enthält das angefochtene Urteil keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen.
11
a) Bei der Ausschreibung eines öffentlichen Auftrags handelt es sich der Sache nach um die - je nach einschlägiger Verfahrensart mehr oder minder streng formalisierte - Anbahnung eines Vertrages und die Aufnahme von Vertragsverhandlungen. Vertragsanbahnung bzw. Eintritt in Vertragsverhandlungen begründen für die Beteiligten, was gewohnheitsrechtlich verankert und seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes gesetzlich geregelt ist (§§ 311 Abs. 2 Nrn. 1 und 2, 241 Abs. 2 BGB), Pflichten der Beteiligten zum Schutz der und Rücksichtsnahme auf die Rechtsgüter und Vermögensinteressen der jeweiligen Gegenseite. Dies schließt die Verpflichtung einer Partei ein, auf Risiken mit Bezug zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen, die in ihrer eigenen Sphäre entstanden sind und die die Vermögensinteressen des anderen Teils berühren und beeinträchtigen können, hinzuweisen. Der potenziell gefährdete Vertragspartner muss über solche Risiken aufgeklärt werden, damit er seine weiteren Dispositionen in Kenntnis aller erheblichen Umstände treffen kann. Deshalb wäre die Beklagte, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, verpflichtet gewesen, die Klägerin über die von einem bei der Teilnehmerauswahl nicht zum Zuge gekommenen Mitbewerber erhobene Rüge im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB zu unterrichten. Sie hätte der Klägerin - wie den übrigen Wettbewerbsteilnehmern - dadurch Gelegenheit geben müssen, das mögliche Risiko abzuwägen, dass weitere Investitionen in den Wettbewerb nutzlos sein könnten, um gegebenenfalls die Konsequenz ziehen zu können, weitere Aufwendungen für den Wettbewerb deshalb nicht mehr zu tätigen.
12
Dabei hat das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revision zu Recht auf den Zugang des Rügeschreibens abgestellt und nicht auf die Zustellung der Antragsschrift im Vergabenachprüfungsverfahren. Denn ab diesem Zeitpunkt war der Vergabestelle die Gefahr bekannt, dass die von den ausgewählten Teilnehmern anzufertigenden Wettbewerbsarbeiten infolge der möglicherweise fehlerhaften Teilnehmerauswahl im weiteren Vergabeverfahren keine Berücksichtigung mehr finden könnten. Ab diesem Zeitpunkt bestand daher auch die Pflicht zur Information der ausgewählten Teilnehmer über diese Gefahr.
13
Dem auf die Verletzung dieser Fürsorgepflicht gestützten Ersatzanspruch kann nicht, wie die Beklagte meint, mit Erfolg entgegengehalten werden, das Angebot der Klägerin habe ohnehin wegen qualitativer Mängel nicht berücksichtigt werden können. Allerdings ist das Ausschreibungsverfahren seinem Gegenstand nach ein Wettbewerb, in dem im Ergebnis nur ein Teilnehmer Erfolg haben kann; die übrigen erhalten in aller Regel auch für beträchtliche Ausgaben zur Vorbereitung ihres Gebots keinen Ersatz. Das damit erhebliche Ausfallrisiko kann bei der Bestimmung auch der Ausgleichspflicht für diese, das negative Interesse bestimmenden Ausgaben nicht unberücksichtigt bleiben; ein Ersatzanspruch wird auch hier wie bei dem positiven Interesse grundsätzlich nur in Betracht kommen, wenn der Bieter den Zuschlag erhalten hätte.

14
Um eine solche Konstellation geht es bei dem hier zu prüfenden Ersatzanspruch indessen nicht. Die Klägerin stützt diesen nicht auf die Fehlerhaftigkeit der Ausschreibung, sondern auf die unterbliebene Unterrichtung über Umstände , bei deren Kenntnis sie an dem - weiteren - Verfahren nicht teilgenommen und damit die mit ihrem Anspruch geltend gemachten Aufwendungen nicht getätigt hätte. Diese wären mithin, würde der hier dem Ersatzbegehren zugrunde liegende Fehler hinweggedacht, nicht angefallen und kommen damit als Gegenstand eines Ersatzbegehrens in Betracht.
15
b) Dieser Ersatzanspruch steht der Klägerin - seiner Ableitung entsprechend - aber nur dann zu, wenn sie die Aufwendungen, für die sie jetzt Schadensersatz verlangt, bei erteilter Information nicht getätigt hätte. Hierfür trägt sie die Darlegungs- und Beweislast, da es sich insoweit um Voraussetzungen ihres Ersatzanspruchs handelt. Einen entsprechenden Sachverhalt hat sie mit dem Vortrag geltend gemacht, dass sie ihre kostenintensiven Planungen ab Februar 2002 unterlassen hätte, wenn sie von der Beklagten über die zu diesem Zeitpunkt erhobenen Vergaberügen der übergangenen Interessentin informiert worden wäre. Feststellungen dazu hat das Berufungsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig, nicht getroffen. Dies wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen sein.
16
Dafür weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin: Sollte es für den vergaberechtlich begründeten Schadensersatzanspruch (oben II 1 b) auf die Erkenntnismöglichkeiten der Klägerin ankommen, wird darauf abzustellen sein, ob die Klägerin bei Anwendung üblicher Sorgfalt erkennen konnte, dass die über die ursprüngliche Ausschreibung hinausgehende Einfügung eines Gutachtenverfahrens zur Erlangung von Vorentwürfen in Anbetracht des ursprünglichen Ausschreibungsgegenstands nicht mit den Bestimmungen der VOF ver- einbar war. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die Verrechtlichung des Vergaberechts schon geraume Zeit vor Bekanntmachung des hier in Rede stehenden Vergabeverfahrens eingesetzt hatte, und ob nachträgliche Änderungen des Ausschreibungsgegenstands oder grundlegende Eingriffe in den zu erwartenden Verfahrensablauf vom Bewerber als noch mit der jeweils einschlägigen Verdingungsordnung in Einklang stehend bewertet werden konnten.
17
Sollte es für die Entscheidung auf die Frage ankommen, wie die Klägerin sich hypothetisch verhalten hätte, wenn sie von der gegenüber der Beklagten erhobenen Vergaberüge unterrichtet worden wäre, kann es von indizieller Bedeutung sein, ob sie das Risiko des Fehlschlags der Aufwendungen, um deren Erstattung es jetzt geht, selbst in Kenntnis anderweitiger, ihr bewusster Risiken hinsichtlich des ordnungsgemäßen Verlaufs des Vergabeverfahrens eingegangen ist. Wenn sich die Klägerin ständig oder häufig um öffentliche Aufträge beworben hat, erscheint es denkbar, dass ihr die nachträgliche Einführung des Gutachtenverfahrens in das laufende Verfahren vergaberechtlich selbst nicht anders als bedenklich erscheinen konnte. Dann aber kann es fraglich sein, ob die zusätzliche Information über die erhobene Rüge i. S. von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ausgereicht hätte, sie von der somit von vornherein als risikobehaftet erkannten Wettbewerbsaufwendung abzuhalten. Immerhin ist es nicht die Rüge selbst, die die Amortisationschancen der zusätzlichen Aufwendungen bedroht , sondern die Wahrscheinlichkeit ihrer erfolgreichen Durchsetzung in einem Nachprüfungsverfahren.
Melullis Keukenschrijver Ambrosius
Asendorf Gröning
Vorinstanzen:
LG Dresden, Entscheidung vom 22.08.2003 - 1 O 4657/02 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 10.02.2004 - 20 U 1697/03 -

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis


(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Re

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Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

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Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 107 Allgemeine Ausnahmen


(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen 1. zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,2. für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem u

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Bundesgerichtshof Urteil, 01. Aug. 2006 - X ZR 146/03

bei uns veröffentlicht am 01.08.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 146/03 Verkündet am: 1. August 2006 Potsch Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja
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Bundesgerichtshof Urteil, 27. Nov. 2007 - X ZR 18/07

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Oberlandesgericht Bamberg Endurteil, 18. Jan. 2016 - 4 U 160/14

bei uns veröffentlicht am 18.01.2016

Tenor 1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 16.09.2014, Az. 61 O 2409/12, wird zurückgewiesen. 2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. 3. Das Urteil ist vorläufig volls

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(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 146/03 Verkündet am:
1. August 2006
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) An einer echten Chance im Sinne von § 126 GWB fehlt es, wenn die Leistungsbeschreibung
fehlerhaft war und deshalb mangels Vergleichbarkeit die abgegebenen
Angebote nicht gewertet werden können.

b) Ist dem Bieter bekannt, dass die Leistungsbeschreibung fehlerhaft ist, und gibt er
gleichwohl ein Angebot ab, steht ihm wegen dieses Fehlers der Ausschreibung
ein Anspruch aus culpa in contrahendo auf Ersatz des Vertrauensschadens nicht
zu.
BGH, Urt. v. 1. August 2006 - X ZR 146/03 - Kammergericht
LG Berlin
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. August 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
Keukenschrijver, die Richterinnen Ambrosius und Mühlens und den Richter
Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das am 14. August 2003 verkündete Urteil des 27. Zivilsenats des Kammergerichts wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin verlangt von der beklagten Bundesrepublik Deutschland Ersatz des Schadens, der ihr als Bieter durch die Teilnahme an einem Vergabeverfahren entstanden ist. Die Klägerin bietet Beratungs- und Dienstleistungen im Rahmen sozialpolitischer Maßnahmen an und ist vornehmlich für öffentliche Auftraggeber tätig.
2
Die Klägerin bewarb sich auf eine Ausschreibung der Beklagten vom 11. Mai 2000. Sie wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 14. Juni 2000, dem ein Leistungskatalog beigefügt war, zur Abgabe eines Angebots aufgefordert. Mit Schreiben vom 20. Juni 2000 rügte die Klägerin, dass der Leistungskatalog nicht ausreichend spezifiziert sei. Die Beklagte nahm in ihrer Antwort den Standpunkt ein, eine weitere Spezifizierung sei für ein qualifiziertes Angebot nicht nötig. Die Klägerin gab am 26. Juli 2000 ein Angebot ab. Einer der beiden weiteren Bewerber erhielt den Zuschlag.
3
Am 14. Juni 2000 stellte die Klägerin den Antrag, ein Vergabeprüfverfahren durchzuführen. Dieses Verfahren endete mit einem Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. Februar 2001, durch den festgestellt wurde, dass die Ausschreibung wegen Unvollständigkeit des Leistungskatalogs nicht den vergaberechtlichen Anforderungen genügt und die Klägerin in ihren Rechten verletzt habe.
4
Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe eine echte Chance auf Erteilung des Zuschlags gehabt, und beziffert ihren Schaden auf rund 37.000,-- €. Dieser Schaden sei ihr durch die Tätigkeit und durch Reisen ihrer Mitarbeiter im Zusammenhang mit der Erstellung des Angebots entstanden. Sie hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 37.071,95 € nebst Zinsen zu verurteilen.
5
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


6
Die Revision ist nicht begründet.
7
I. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch aus § 126 GWB verneint, weil dessen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die Klägerin habe keine echte Chance im Sinne dieser Vorschrift gehabt. Eine Vergleichbarkeit der Angebote habe aufgrund der nur unvollständigen und den Bestimmtheitserfordernissen der §§ 8 und 16 Nr. 1 VOL/A nicht genügenden Ausschreibungsbedingungen nicht erreicht werden können. Das Oberlandesgericht Düsseldorf habe in seinem Beschluss vom 14. Februar 2001 ausgeführt, dass die Ausschreibungsunterlagen, die die Beklagte dem Vergabeverfahren zugrunde gelegt habe, insbesondere der Leistungskatalog, unvollständig und nicht hinreichend bestimmt gewesen seien. Es handele sich um eine so genannte funktionale Ausschreibung, die Beklagte habe jedoch nicht die Rahmenbedingungen und die wesentlichen Einzelheiten des zu vergebenden Auftrags festgelegt. Art und Umfang der erwarteten Leistungen seien nicht klar genug umschrieben gewesen. Es habe an der Vergabereife gefehlt, weil die Ausschreibung der Beklagten nicht als Grundlage für einen Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot geeignet gewesen sei. Die Vergleichbarkeit der eingegangenen Angebote sei auf dieser Grundlage nicht gewährleistet gewesen. Es könne mangels Vergleichbarkeit der Angebote mithin nicht festgestellt werden , dass die Klägerin ohne den Vergaberechtsverstoß eine echte Chance gehabt hätte, den Zuschlag zu erhalten.
8
Einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo hat das Berufungsgericht verneint, weil die Klägerin kein schutzwürdiges Interesse im Hin- blick auf die Vergabe des Auftrags gehabt habe. Ihr sei der Verstoß der Beklagten gegen die Vorschriften des öffentlichen Vergaberechts von Anfang an bekannt gewesen.
9
II. Dies hält rechtlicher Prüfung stand.
10
1. a) Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs nach § 126 GWB ist es, dass der Bieter ohne den behaupteten Vergaberechtsverstoß eine echte Chance gehabt hätte, den Zuschlag zu erhalten. § 126 GWB ist durch das Vergaberechtsänderungsgesetz mit Wirkung zum 1. Januar 1999 eingeführt worden. Die Vorschrift erweitert den Kreis der Anspruchsberechtigten. Dies sind alle am Vergabeverfahren beteiligten Bieter mit echter Chance und nicht nur derjenige Bieter, der bei ordnungsgemäß durchgeführter Ausschreibung den Zuschlag erhalten hätte (Immenga/Mestmäcker/Stockmann, GWB, 3. Aufl., § 126 Rdn. 2).
11
b) An einer echten Chance fehlt es jedoch, wenn die Leistungsbeschreibung fehlerhaft war und es deshalb an einer Vergleichbarkeit der abgegebenen Angebote und damit an einer Grundlage für die Beurteilung der echten Chance fehlt. Die fehlerhafte Leistungsbeschreibung stellt eine solche Grundlage dann nicht dar, weil auf die daraufhin abgegebenen Angebote von vornherein kein Zuschlag erteilt werden darf.
12
c) Zu der Frage, wer eine echte Chance im Sinne des § 126 GWB hat, besteht weitgehend Einigkeit, dass ein Bieter, der bei Geltung der VOB/A nicht in die engere Wahl nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A gekommen wäre, auch keine echte Chance auf die Erteilung des Zuschlags gehabt hat (Ingenstau/ Korbion/Müller-Wrede, VOB, 15. Aufl., § 126 GWB Rdn. 4; Immenga /Mestmäcker/Stockmann aaO; Byok/Jaeger/Gronstedt, Kommentar zum Vergaberecht , 2. Aufl., § 126 GWB Rdn. 1288). Die Ansicht von Prieß (in Ibsen, Öffentliches Auftragswesen im Umbruch, S. 81, 91), wonach jedes Angebot eine echte Chance hat, das alle formellen Voraussetzungen der Ausschreibung erfüllt , wird überwiegend als zu weit gehend angesehen. Statt dessen soll es darauf ankommen, ob ein Bieter zur Spitze der Bieterliste gehört hat (Hucko, Vergaberecht 1998, 16) oder ob die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers für oder gegen ein Gebot aufgrund des im Rahmen des § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A vorhandenen Ermessens beziehungsweise des dem öffentlichen Auftraggeber zustehenden Beurteilungsspielraums rückblickend nicht mehr gerichtlich nachprüfbar sei (Schnorbus, Baurecht 1999, 77 ff., 93; Ingenstau/ Korbion, aaO; Boesen, Vergaberecht, § 126 Rdn. 25; Immenga/ Mestmäcker/Stockmann, aaO, Rdn. 14; Byok/Jaeger/Gronstedt aaO, Rdn. 1294). Eine echte Chance soll demnach dann anzunehmen sein, wenn die Erteilung des Zuschlags an den Anspruchsteller innerhalb der Grenzen des Wertungsspielraums liegt, der dem Auftraggeber bei der Angebotsbewertung zusteht.
13
d) Voraussetzung ist jedoch stets, dass überhaupt ein Angebot vorliegt, das den Zuschlag hätte erhalten können. Daran fehlt es, wenn bereits die Wertungsmöglichkeit nicht besteht, weil eine nicht hinreichend spezifizierte und daher unklare Ausschreibung zu sachlich unterschiedlichen Geboten führt, zwischen denen eine Vergleichbarkeit nicht hergestellt werden kann. Nur über einen solchen Vergleich ist aber das Bestehen einer echten Chance festzustellen.
14
2. Das Berufungsgericht hat auch zu Recht einen Anspruch aus culpa in contrahendo verneint. Ein solcher Anspruch wäre zwar ergänzend zu der Spe- zialregelung des § 126 GWB grundsätzlich denkbar, seine Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor.
15
Eine Ersatzpflicht des öffentlichen Auftraggebers aus culpa in contrahendo hat nach der Rechtsprechung des Senats ihren Grund in der Verletzung des Vertrauens der Bieter darauf, dass das Vergabeverfahren nach den einschlägigen Vorschriften des Vergaberechts, insbesondere unter Beachtung der Verdingungsordnungen abgewickelt wird (BGHZ 139, 281, 283 für eine Ausschreibung nach VOB/A).
16
Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Klägerin mehrmals auf die Unzulänglichkeit der Verdingungsunterlagen hingewiesen worden sei und sodann das Vergabenachprüfverfahren eingeleitet habe. Dies zeige, dass die Klägerin seit der Übersendung des Leistungskatalogs erkannt habe, dass die Ausschreibung nicht den Anforderungen der §§ 8, 16 VOL/A entsprochen habe und dass die Abgabe eines mit den Angeboten anderer Bieter vergleichbaren Angebots nicht möglich gewesen sei. Dies ergebe sich auch aus dem eindeutigen Wortlaut der Schreiben der Klägerin vom 20. und 27. Juni 2000. Die Klägerin habe daher auf eigenes Risiko die Aufwendungen für die Erstellung des Angebots veranlasst, was einen Anspruch aus culpa in contrahendo ausschließe.
17
Voraussetzung eines Anspruchs aus culpa in contrahendo ist, dass der Bieter sein Angebot tatsächlich im Vertrauen darauf abgibt, dass die Vorschriften des Vergabeverfahrens eingehalten werden. An diesem Vertrauenstatbestand fehlt es, soweit dem Bieter bekannt ist, dass die Ausschreibung fehlerhaft ist. Er vertraut dann nicht berechtigterweise darauf, dass der mit der Erstellung des Angebots und der Teilnahme am Verfahren verbundene Aufwand nicht nutzlos ist. Erkennt der Bieter, dass die Leistung nicht ordnungsgemäß ausge- schrieben ist, so handelt er bei der Abgabe des Angebots nicht im Vertrauen darauf, dass das Vergabeverfahren insoweit nach den einschlägigen Vorschriften des Vergaberechts abgewickelt werden kann. Ein etwaiges Vertrauen darauf , dass gleichwohl sein Angebot Berücksichtigung finden könnte, ist jedenfalls nicht schutzwürdig.
18
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Ambrosius
Mühlens Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 05.06.2002 - 23 O 209/01 -
KG Berlin, Entscheidung vom 14.08.2003 - 27 U 264/02 -

Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen

1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,
2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung,
3.
zu Arbeitsverträgen,
4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,

1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder
2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft. Ferner können im Fall des Satzes 1 Nummer 1 wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession
1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder
2.
Leistungen betreffen, die
a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder
b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.