Bundesgerichtshof Urteil, 10. Apr. 2019 - VIII ZR 244/16

bei uns veröffentlicht am10.04.2019
vorgehend
Amtsgericht Frankfurt (Oder), 22 C 367/15, 31.07.2015
Landgericht Frankfurt (Oder), 16 S 117/15, 26.09.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 244/16 Verkündet am:
10. April 2019
Ermel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Frage des Widerrufs einer auf den Abschluss eines an einem Messestand
geschlossenen Kaufvertrags gerichteten Willenserklärung.
BGH, Urteil vom 10. April 2019 - VIII ZR 244/16 - LG Frankfurt (Oder)
AG Frankfurt (Oder)
ECLI:DE:BGH:2019:100419UVIIIZR244.16.0

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. März 2019 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, den Richter Dr. Schneider, die Richterin Dr. Fetzer sowie die Richter Dr. Bünger und Dr. Schmidt

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 6. Zivilkammer - vom 26. September 2016 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin vertreibt gewerblich Kamine und Kachelöfen. Die Beklagten sind Verbraucher. Am 19. Januar 2015 schlossen die Parteien anlässlich der "Internationalen Grünen Woche", einer auch für das interessierte Publikum geöffneten Messe in Berlin, an einem Stand der Klägerin einen schriftlichen, mit "Werkvertrag über eine Bausatzlieferung mit Montage" bezeichneten Vertrag über einen von der Klägerin zu liefernden und zu montierenden Kaminofen. Der von den Beklagten zu zahlende Preis von 5.400 € (brutto) setzt sich nach der im Vertrag aufgeführten Berechnung zusammen aus einem "Verkaufspreis" in Höhe von 4.100 € und Montagekosten in Höhe von 1.300 €.Eine Widerrufsbe- lehrung enthält der Vertrag nicht.
2
Bereits am vierten Tag nach Vertragsschluss, am 23. Januar 2015, erklärten die Beklagten den Widerruf ihrer auf den Vertragsabschluss gerichteten Willenserklärungen und verweigerten Zahlungen auf den Vertrag. Die Klägerin akzeptiert den Widerruf nicht und beansprucht von den Beklagten die vereinbarte Vergütung abzüglich der Umsatzsteuer (862,19 €), der Materialkosten (1.682,01 €) sowie der kalkulierten Montagekosten (1.092,44 €), insgesamt also 1.763,36 €.
3
Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagten auf Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen in Anspruch. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht der Klage in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Beklagten die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
4
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs, der (ebenfalls) zu beurteilen hatte, ob ein Messestand, den ein Unternehmer auf der "Grünen Woche" 2015 in Berlin zu Verkaufszwecken betrieb, als beweglicher Gewerberaum im Sinne des § 312b Abs. 2 Satz 1 BGB anzusehen ist, hat dem Gerichtshof der Europäischen Union unter anderem die Frage zur Vorabentscheidung gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV vorgelegt, ob es sich bei einem nur wenige Tage im Jahr zum Verkauf genutzten Messestand um einen beweglichen Gewerberaum im Sinne von Art. 2 Nr. 9 Buchst. b der Richtlinie 2011/83/EU handelt (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2017 - I ZR 135/16, WRP 2017, 1091). Im Hinblick hierauf hat der erkennende Senat das vorliegende Verfahren mit Beschluss vom 18. Oktober 2017 gemäß § 148 ZPO analog bis zur Entscheidung des Gerichtshofs ausgesetzt.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision hat Erfolg.

I.

6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
7
Der Klägerin stehe die geltend gemachte Vergütung in Höhe von 1.763,36 € gemäß § 649 Satz 2 BGB [aF] aus dem am 19. Januar 2015 geschlossenen Werkvertrag zu. Zwar könne ein Verbraucher Verträge, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen würden, nach § 312g Abs. 1 BGB widerrufen. Im Streitfall sei der Vertrag über den Kamin aber nicht außerhalb eines Geschäftsraums der Klägerin geschlossen worden.
8
Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge seien nach § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB Verträge, die bei gleichzeitiger Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen würden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers sei. Geschäftsräume seien nach der Legaldefinition des § 312b Abs. 2 Satz 1 BGB unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübe, und "bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt". Im Streitfall handele es sich bei dem Messestand der Klägerin um einen beweglichen Gewerberaum, an dem die Klägerin ihre Tätigkeit für gewöhnlich ausübe, so dass das Widerrufsrecht der Beklagten ausgeschlossen sei.
9
Der Inhalt des in § 312b Abs. 2 Satz 1 BGB verwendeten Begriffs des beweglichen Gewerberaums, "in dem der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt" sei umstritten. So sei nach einer Auffassung maßgeblich, wie der Unternehmer seine Tätigkeit organisiere, insbesondere, ob der Unternehmer seine Ware vorwiegend über bewegliche Gewerberäume vertreibe, während die andere Auffassung darauf abstelle, ob der Verbraucher am Ort des in Rede stehenden Geschäfts mit dem Auftreten des Unternehmers und dem Verkauf des angebotenen Produkts habe rechnen müssen.
10
Die Kammer folge der zweitgenannten Auffassung, da sie dem Zweck der gesetzlichen Regelung, den Verbraucher vor übereilten Vertragsschlüssen zu schützen, eher gerecht werde und sie der im Erwägungsgrund 21 der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU zum Ausdruck kommenden Sichtweise des europäischen Gesetzgebers entspreche. Die allein am Wortlaut orientierte Gegenauffassung vermöge nicht zu erklären, warum der Verbraucher, der den Vertriebsweg des Unternehmers nicht kenne, bei bloß gelegentlicher Nutzung beweglicher Gewerberäume durch den Unternehmer schutzwürdiger sein solle als bei deren dauerhafter Nutzung. Zudem würden "Messestände" sowohl in der Gesetzesbegründung zu § 312b BGBals auch im Erwägungsgrund 22 der Verbraucherrechterichtlinie ausdrücklich als Beispiele für bewegliche Gewerberäume erwähnt.
11
Ausgehend von diesem Verständnis habe die Klägerin im Streitfall ihre Verkaufstätigkeit für gewöhnlich über den hier in Rede stehenden Messestand auf der "Grünen Woche" 2015 ausgeübt. Denn die Beklagten hätten aufgrund des offenkundigen Verkaufscharakters der "Grünen Woche" damit rechnen können, dass ihnen auf der Messe von Händlern Waren zum Kauf angeboten werden würden.
12
Der von der Klägerin an ihrem Stand angebotene Kamin stelle auch kein fachfremdes Produkt auf der "Grünen Woche" dar. Hierfür könnte zwar sprechen , dass die "Grüne Woche" von den Veranstaltern und in den Medien als eine internationale Ausstellung der Ernährungs- und Landwirtschaft sowie des Gartenbaus bezeichnet werde. Der Name der Messe könne jedoch nur ein schwaches Indiz bei der Prüfung der Fachfremdheit eines dort angebotenen Produkts sein. Maßgeblich sei vielmehr, welche Art von Produkten tatsächlich - und für den Verbraucher ohne größeren Aufwand erkennbar - angeboten würden. Die "Grüne Woche" sei - wie dem Übersichtsplan entnommen werden könne - eine auf 26 Hallen verteilte Messe, auf der Produkte aus einem sehr breit gefächerten Segment, das nicht auf den Bereich der Ernährungs- und Landwirtschaft sowie des Gartenbaus beschränkt sei, angeboten würden. So existiere für den Bereich der Haustechnik, unter den auch der streitgegenständliche Kamin falle, in Halle 11.1 ein eigener Ausstellungsraum, der in dem zur Akte gereichten Übersichtsplan farblich deutlich hervorgehoben werde. Das Angebot der Klägerin zum Kauf eines Studiokamins habe daher für die Beklagten nicht überraschend kommen können.
13
Bei dieser Bewertung spiele es auch keine Rolle, dass der streitgegenständliche Kamin nicht in der Halle 11.1 (Haustechnik), sondern in der Halle 8.1, die thematisch dem Bereich "Gartenbau" zugeordnet gewesen sei, verkauft worden sei. Denn auch in dieser Halle hätte sich, ausweislich der Ausstellerliste , eine Vielzahl von Ständen aus dem Bereich "Haustechnik" befunden, so allein weitere sieben Anbieter von Kaminöfen. Hierdurch werde auch ein Messebesucher , der sich keine weiteren Gedanken über die Produktpalette gemacht und der den Lageplan nicht studiert habe, hinsichtlich des Vorhandenseins solcher Produkte hinreichend "gewarnt".

II.

14
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
15
Auf den von den Parteien am 19. Januar 2015 geschlossenen Vertrag finden - was das Berufungsgericht verkannt hat - kaufrechtliche Vorschriften Anwendung. Die Anspruchsgrundlage für den von der Klägerin hier geltend gemachten entgangenen Gewinn kann daher nicht der vom Berufungsgericht herangezogene § 649 Satz 2 BGB aF sein, sondern ist in § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1, § 252 BGB zu finden.
16
Ob der Klägerin der geltend gemachte Anspruch im Hinblick auf den von den Beklagten erklärten Widerruf ihrer auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärungen zusteht, lässt sich auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen zu den tatsächlichen Umständen, unter denen der Vertrag auf der "Grünen Woche" 2015 geschlossen wurde, nicht abschließend beurteilen.
17
1. Bei dem im Streitfall zu beurteilenden Rechtsgeschäft handelt es sich nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen - entgegen dessen nicht näher begründeten Rechtsauffassung - nicht um einen Werkvertrag, sondern um einen Kaufvertrag mit Montageverpflichtung, da nach der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung (vgl. Senatsbeschluss vom 16. April 2013 - VIII ZR 375/11, juris Rn. 6 ff.; Senatsurteil vom 3. März 2004 - VIII ZR 76/03, NJW-RR 2004, 850 unter II 1; jeweils mwN) der (wirtschaftliche) Schwerpunkt der nach dem Vertrag vom 19. Januar 2015 von der Klägerin zu erbringenden Leistung nicht auf der Montage, sondern in der Eigentumsverschaffung der einzelnen Bauteile des Kamins liegt. Dies wird vorliegend daran deutlich, dass die im Vertrag als "Verkaufspreis" bezeichnete Vergütung für die Bauteile (4.100 €) mehr als 75 % der vom Käufer zu erbringenden Zahlung darstellt.
18
Auch wenn die Klägerin die für die Montage des Kaminofens benötigten Teile selbst herstellen würde, und damit ein nach kaufrechtlichen Vorschriften zu beurteilender Werklieferungsvertrag nach § 651 Satz 1 BGB aF vorliegen sollte, könnte sich der Anspruch der Klägerin nur dann aus dem vom Berufungsgericht herangezogenen § 649 Satz 2 BGB aF ergeben, wenn die zu liefernden Bauteile für den Kamin individuell für die Bedürfnisse der Beklagten anzufertigen wären und es sich damit nicht um vertretbare bewegliche Sachen handeln würde (§ 651 Satz 3 BGB aF; vgl. dazu auch Senatsurteil vom 3. März 2004 - VIII ZR 76/03, aaO). Hierfür ist nichts ersichtlich.
19
Anspruchsgrundlage für den hier von der Klägerin geltend gemachten entgangenen Gewinn können daher nur die hierfür maßgeblichen Vorschriften des Allgemeinen Schuldrechts des Bürgerlichen Gesetzbuchs sein, mithin § 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1, § 252 BGB.
20
2. Im Ansatz zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings erkannt, dass der Klägerin der geltend gemachte Vergütungsanspruch (jedenfalls) dann nicht zustünde, wenn die Beklagten ihre auf den Vertragsschluss vom 19. Januar 2015 gerichteten Willenserklärungen gemäß § 312g Abs. 1 BGB wirksam widerrufen hätten. Dies kann auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen indes nicht abschließend beantwortet werden.
21
a) Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung rechtsfehlerfrei die Vorschriften der §§ 312 ff. BGB in der gemäß Art. 15 des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes der Wohnungsvermittlung vom 20. September 2013 (BGBl. I S. 3642, 3662) seit dem 13. Juni 2014 geltenden Fassung zugrunde gelegt.
22
b) Nach § 312g Abs. 1 BGB steht dem Verbraucher bei mit einem Unternehmer außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ein Wider- rufsrecht nach § 355 BGB zu. Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind nach § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB Verträge, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. Geschäftsräume im Sinne der vorgenannten Bestimmung sind nach der Legaldefinition der vorgenannten Bestimmung unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, und bewegliche Gewerberäume , in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt.
23
c) Die Gesetzesformulierung in § 312b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB ist die nahezu wortgleiche Umsetzung (BT-Drucks. 17/12637, S. 1 f., 49) von Art. 2 Nr. 8 und Nr. 9 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: Verbraucherrechterichtlinie). Das Tatbestandsmerkmal in § 312b Abs. 2 Satz 1 BGB "bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt" übernimmt dabei - dem Willen des Gesetzgebers folgend, die Verbraucherrechterichtlinie vollständig umzusetzen - die Begrifflichkeit, die der Unionsgesetzgeber in Art. 2 Nr. 9 Buchst. b der Richtlinie vorgegeben hat.
24
d) Der damit zur verbindlichen Auslegung von Unionsrecht allein berufene Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) hat die ihm vom I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 13. Juli 2017 (I ZR 135/16, aaO) vorgelegten Fragen mit Urteil vom 7. August 2018 (C-485/17, WRP 2018, 1183) wie folgt im Leitsatz seiner Entscheidung beantwortet: "Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist dahin auszulegen , dass ein Messestand eines Unternehmens wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, an dem der Unternehmer seine Tätigkeiten an wenigen Tagen im Jahr ausübt, unter den Begriff"Geschäftsräume" im Sinne dieser Bestimmung fällt, wenn in Anbetracht aller tatsächlichen Umstände rund um diese Tätigkeiten und insbesondere des Erscheinungsbilds des Messestandes sowie der vor Ort selbst verbreiteten Informationen ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher vernünftigerweise damit rechnen konnte, dass der betreffende Unternehmer dort seine Tätigkeiten ausübt und ihn anspricht , um einen Vertrag zu schließen, was vom nationalen Gericht zu prüfen ist."
25
Zu dieser Auffassung ist der Gerichtshof vor allem mit Blick auf die von ihm zuvor erörterten Ziele der Verbraucherrechterichtlinie, insbesondere deren Erwägungsgrund 21 gelangt. Dort wird ausgeführt, dass der Verbraucher außerhalb von Geschäftsräumen des Unternehmers möglicherweise psychisch unter Druck steht oder einem Überraschungsmoment ausgesetzt ist (EuGH, Urteil vom 7. August 2018 - C-485/17, aaO Rn. 33). Darüber hinaus hat sich der Gerichtshof maßgeblich auf den Erwägungsgrund 22 der genannten Richtlinie gestützt. Mit dem dort verwendeten Begriff "Geschäftsräume" werde auf Örtlichkeiten abgezielt, an denen für einen Verbraucher der Umstand, dass er zu kommerziellen Zwecken angesprochen wird, kein Überraschungsmoment darstellt (EuGH, Urteil vom 7. August 2018 - C-485/17, aaO Rn. 38). Zudem hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass "Markt- und Messestände" nach dem Erwägungsgrund 22 der Verbraucherrechterichtlinie als Geschäftsräume zu behandeln sind, wenn sie diese Bedingung erfüllen (EuGH, Urteil vom 7. August 2018 - C-485/17, aaO Rn. 41).
26
Anknüpfend hieran hat der Gerichtshof ausgeführt, dass für die Beantwortung der Frage, ob ein Messestand in einem bestimmten Fall unter den Begriff "Geschäftsräume" im Sinne des Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83/EU zu subsumieren ist, insbesondere "das konkrete Erscheinungsbild dieses Standes aus Sicht der Öffentlichkeit zu berücksichtigen [ist] und genauer, ob er sich in den Augen eines Durchschnittsverbrauchers als ein Ort darstellt, an dem der Unternehmer, der ihn innehat, seine Tätigkeiten, einschließlich saisonaler, für gewöhnlich ausübt, so dass ein solcher Verbraucher vernünftigerweise damit rechnen kann, dass er, wenn er sich dorthin begibt, zu kommerziellen Zwecken angesprochen wird" (EuGH, Urteil vom 7. August 2018 - C-485/17, aaO Rn. 43).
27
e) An dieses Auslegungsergebnis, das in Bezug auf die Vorschrift des § 312b Abs. 2 Nr. 1 BGB bereits im Vorfeld der Entscheidung des Gerichtshofs mit ähnlicher Begründung vertreten wurde (OLG Karlsruhe, NJW-RR 2017, 46; MünchKommBGB/Wendehorst, 8. Aufl., § 312b Rn. 11 ff., 22; aA Erman/Koch, BGB, 15. Aufl., § 312b Rn. 30; Klocke, EuZW 2016, 411, 414; Glöckner, BauR 2014, 411, 419; Strobl, NJW 2015, 721, 722; wohl auch Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 312b Rn. 2), sind die nationalen Gerichte gebunden.
28
f) Legt man die vorstehenden Maßstäbe an den Streitfall an, kann auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen noch nicht abschließend beurteilt werden, ob den Beklagten ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB zusteht.
29
aa) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht bei seiner Würdigung auf die von ihm getroffenen, von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen zu dem für einen angemessen aufmerksamen und verständigen Messebesucher erkennbaren Charakter der "Grünen Woche" 2015 sowie auf den im Messekon- text zu beurteilenden Vertragsgegenstand abgestellt. Die hierzu getroffenen Wertungen des Berufungsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
30
So spricht die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die "Grüne Woche" 2015 einen "offenkundigen Verkaufscharakter" hatte und der den Beklagten von der Klägerin an ihrem Messestand angebotene Kamin kein der Messe (fach-)fremdes Produkt darstellte, gegen ein bestehendes Widerrufsrecht, ebenso die weitere Feststellung, dass die "Grüne Woche" 2015 eine auf 26 Hallen verteilte Messe darstellte, auf der - für den Verbraucher erkennbar - Produkte aus einem sehr breit gefächerten Segment, das nicht auf den Bereich der Ernährungs- und Landwirtschaft sowie des Gartenbaus beschränkt war, zum Verkauf angeboten wurden. So existierte für den Bereich der Haustechnik, dem auch der streitgegenständliche Kamin zuzuordnen ist, in Halle 11.1 ein eigener Ausstellungsraum, der in dem zur Akte gerechten Übersichtsplan farblich deutlich hervorgehoben wird. Zwar habe sich, so das Berufungsgericht, der Messestand der Klägerin nicht in Halle 11.1, sondern in Halle 8.1 befunden, die thematisch dem Bereich "Gartenbau" zugeordnet gewesen sei. Aber auch in dieser Halle habe sich ausweislich der Ausstellerliste eine Vielzahl von Ständen aus dem Bereich "Haustechnik" befunden, so allein weitere sieben Anbieter von Kaminöfen. Hierdurch werde auch ein Messebesucher, der sich keine weiteren Gedanken über die Produktpalette gemacht und der den Lageplan nicht studiert habe, hinsichtlich des Vorhandenseins solcher Produkte hinreichend "gewarnt".
31
bb) Auch wenn diese vom Berufungsgericht festgestellten Umstände maßgebliche Beurteilungskriterien dafür sind, ob den Beklagten ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB zusteht, werden dadurch die Vorgaben des Gerichtshofs zur Auslegung des in § 312b Abs. 2 Nr. 1 BGB enthaltenen Begriffs "beweglicher Gewerberaum, an dem der Unternehmer seine Geschäfte für gewöhnlich ausübt" nicht ausgeschöpft. Denn zu dem konkreten Erscheinungsbild des Messestands der Klägerin auf der "Grünen Woche" 2015 hat das Berufungsgericht bisher keine Feststellungen getroffen.
32
Der Aspekt des konkreten Erscheinungsbilds des Messestands, an dem der Verbraucher zu kommerziellen Zwecken von dem Unternehmer angesprochen wird, stand - soweit ersichtlich - nicht im Fokus der im Vorfeld der Entscheidung des Gerichtshofs zu § 312b Abs. 2 Nr. 1 BGB entwickelten Auffassungen im Schrifttum oder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte. Der bisherige Vortrag der Parteien in den Tatsacheninstanzen verhält sich - möglicherweise konsequent hierzu - zu diesem Aspekt ebenfalls nicht. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass im Streitfall nach entsprechend ergänztem Parteivortrag Umstände festgestellt werden könnten, die den Messestand der Klägerin - entgegen dem offenkundigen Verkaufscharakter der "Grünen Woche"w 2015 - aus der Sicht eines angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers als einen Ort erscheinen lassen, an dem die Beklagten nicht mit einer Ansprache durch Mitarbeiter der Klägerin zum Zweck eines auf der Messe zu schließenden Vertrags rechnen mussten, etwa wenn einem auf den Stand zutretenden, an dem Produkt interessierten, verständigen Verbraucher der Eindruck vermittelt worden wäre, an dem Stand werde ausschließlich über den Kauf eines Kaminofens informiert, ohne dass ein Kaufabschluss möglich wäre.

III.

33
Das Berufungsurteil, kann nach alledem keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die noch erforderlichen weiteren Feststellungen getroffen werden können. Dr. Milger Dr. Schneider Dr. Fetzer Dr. Bünger Dr. Schmidt
Vorinstanzen:
AG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 31.07.2015 - 22 C 367/15 -
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 26.09.2016 - 16 S 117/15 -

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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 252 Entgangener Gewinn


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(1) Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu.

(2) Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:

1.
Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind,
2.
Verträge zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde,
3.
Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,
4.
Verträge zur Lieferung von Waren, wenn diese nach der Lieferung auf Grund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt wurden,
5.
Verträge zur Lieferung alkoholischer Getränke, deren Preis bei Vertragsschluss vereinbart wurde, die aber frühestens 30 Tage nach Vertragsschluss geliefert werden können und deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat,
6.
Verträge zur Lieferung von Ton- oder Videoaufnahmen oder Computersoftware in einer versiegelten Packung, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,
7.
Verträge zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten mit Ausnahme von Abonnement-Verträgen,
8.
Verträge zur Lieferung von Waren oder zur Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, insbesondere Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, mit Anteilen an offenen Investmentvermögen im Sinne von § 1 Absatz 4 des Kapitalanlagegesetzbuchs und mit anderen handelbaren Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Geldmarktinstrumenten,
9.
Verträge zur Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Beförderung von Waren, Kraftfahrzeugvermietung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie zur Erbringung weiterer Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht,
10.
Verträge, die im Rahmen einer Vermarktungsform geschlossen werden, bei der der Unternehmer Verbrauchern, die persönlich anwesend sind oder denen diese Möglichkeit gewährt wird, Waren oder Dienstleistungen anbietet, und zwar in einem vom Versteigerer durchgeführten, auf konkurrierenden Geboten basierenden transparenten Verfahren, bei dem der Bieter, der den Zuschlag erhalten hat, zum Erwerb der Waren oder Dienstleistungen verpflichtet ist (öffentlich zugängliche Versteigerung),
11.
Verträge, bei denen der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen; dies gilt nicht hinsichtlich weiterer bei dem Besuch erbrachter Dienstleistungen, die der Verbraucher nicht ausdrücklich verlangt hat, oder hinsichtlich solcher bei dem Besuch gelieferter Waren, die bei der Instandhaltung oder Reparatur nicht unbedingt als Ersatzteile benötigt werden,
12.
Verträge zur Erbringung von Wett- und Lotteriedienstleistungen, es sei denn, dass der Verbraucher seine Vertragserklärung telefonisch abgegeben hat oder der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde, und
13.
notariell beurkundete Verträge; dies gilt für Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen nur, wenn der Notar bestätigt, dass die Rechte des Verbrauchers aus § 312d Absatz 2 gewahrt sind.

(3) Das Widerrufsrecht besteht ferner nicht bei Verträgen, bei denen dem Verbraucher bereits auf Grund der §§ 495, 506 bis 513 ein Widerrufsrecht nach § 355 zusteht, und nicht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen dem Verbraucher bereits nach § 305 Absatz 1 bis 6 des Kapitalanlagegesetzbuchs ein Widerrufsrecht zusteht.

(1) Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind Verträge,

1.
die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist,
2.
für die der Verbraucher unter den in Nummer 1 genannten Umständen ein Angebot abgegeben hat,
3.
die in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder durch Fernkommunikationsmittel geschlossen werden, bei denen der Verbraucher jedoch unmittelbar zuvor außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers persönlich und individuell angesprochen wurde, oder
4.
die auf einem Ausflug geschlossen werden, der von dem Unternehmer oder mit seiner Hilfe organisiert wurde, um beim Verbraucher für den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu werben und mit ihm entsprechende Verträge abzuschließen.
Dem Unternehmer stehen Personen gleich, die in seinem Namen oder Auftrag handeln.

(2) Geschäftsräume im Sinne des Absatzes 1 sind unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, und bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt. Gewerberäume, in denen die Person, die im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelt, ihre Tätigkeit dauerhaft oder für gewöhnlich ausübt, stehen Räumen des Unternehmers gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 135/16 Verkündet am:
13. Juli 2017
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Grüne Woche II
Richtlinie 2011/83/EU Art. 2 Nr. 9
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie
2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der
Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und
der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. Nr. L 304 vom 22. November
2011, S. 64) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Handelt es sich bei einem Messestand in einer Halle, den ein Unternehmer während einer für wenige
Tage im Jahr stattfindenden Messe zum Zweck des Verkaufs seiner Produkte nutzt, um einen unbeweglichen
Gewerberaum im Sinne von Art. 2 Nr. 9 Buchst. a der Richtlinie 2011/83/EU oder um einen
beweglichen Gewerberaum im Sinne von Art. 2 Nr. 9 Buchst. b der Richtlinie 2011/83/EU?
2. Für den Fall, dass es sich um einen beweglichen Gewerberaum handelt:
Ist die Frage, ob ein Unternehmer seine Tätigkeit "für gewöhnlich" auf Messeständen ausübt, danach
zu beantworten,

a) wie der Unternehmer seine Tätigkeit organisiert oder

b) ob der Verbraucher mit dem Vertragsschluss über die in Rede stehenden Waren auf der konkreten
Messe rechnen muss?
3. Für den Fall, dass es bei der Antwort auf die zweite Frage auf die Sicht des Verbrauchers ankommt
(Frage 2 b):
Ist bei der Frage, ob der Verbraucher mit dem Vertragsschluss über die konkreten Waren auf der in Rede
stehenden Messe rechnen muss, darauf abzustellen, wie die Messe in der Öffentlichkeit präsentiert wird,
oder darauf, wie die Messe sich dem Verbraucher bei Abgabe der Vertragserklärung tatsächlich darstellt?
BGH, Beschluss vom 13. Juli 2017 - I ZR 135/16 - OLG Karlsruhe
LG Freiburg
ECLI:DE:BGH:2017:130717BIZR135.16.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke

beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt. II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. Nr. L 304 vom 22. November 2011, S. 64) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Handelt es sich bei einem Messestand in einer Halle, den ein Unternehmer während einer für wenige Tage im Jahr stattfindenden Messe zum Zweck des Verkaufs seiner Produkte nutzt, um einen unbeweglichen Gewerberaum im Sinne von Art. 2 Nr. 9 Buchst. a der Richtlinie 2011/83/EU oder um einen beweglichen Gewerberaum im Sinne von Art. 2 Nr. 9 Buchst. b der Richtlinie 2011/83/EU? 2. Für den Fall, dass es sich um einen beweglichen Gewerberaum handelt: Ist die Frage, ob ein Unternehmer seine Tätigkeit "für gewöhnlich" auf Messeständen ausübt, danach zu beantworten ,
a) wie der Unternehmer seine Tätigkeit organisiert oder
b) ob der Verbraucher mit dem Vertragsschluss über die in Rede stehenden Waren auf der konkreten Messe rechnen muss? 3. Für den Fall, dass es bei der Antwort auf die zweite Frage auf die Sicht des Verbrauchers ankommt (Frage 2 b): Ist bei der Frage, ob der Verbraucher mit dem Vertragsschluss über die konkreten Waren auf der in Rede stehenden Messe rechnen muss, darauf abzustellen, wie die Messe in der Öffentlichkeit präsentiert wird, oder darauf, wie die Messe sich dem Verbraucher bei Abgabe der Vertragserklärung tatsächlich darstellt?

Gründe:


1
I. Die Klägerin ist die in die Liste nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UKlaG eingetragene Verbraucherzentrale Berlin. Die Beklagte ist eine Vertriebsgesellschaft, die auf der in Berlin stattfindenden Messe "Grüne Woche" Produkte ausstellt. Nach ihrer Behauptung vertreibt sie ihre Produkte ausschließlich auf Messen.
2
Am 22. Januar 2015 bestellte ein Kunde am Ausstellungsstand der Beklagten auf der Messe "Grüne Woche" einen Dampfstaubsauger zum Preis von 1.600 €. Die Beklagte belehrte ihn nicht über ein Widerrufsrecht.
3
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe den Kunden über ein Widerrufsrecht informieren müssen, weil dieser den Kaufvertrag außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen habe.
4
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen , es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen mit Verbrauchern auf der Messe "Grüne Woche" in Berlin Kaufverträge über die Lieferung von Dampfstaubsaugern abzuschließen , ohne über das Widerrufsrecht nach §§ 312g, 355 BGB und das Musterwiderrufsformular zu informieren.
5
Außerdem hat sie die Beklagte auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahn- kosten in Höhe von 214,20 € nebst Zinsen in Anspruch genommen.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Freiburg, BB 2015, 2900). Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben (OLG Karlsruhe, WRP 2016, 1026). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klage weiter.
7
II. Die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit hängt von der Auslegung des Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83/EU ab. Vor einer Entscheidung über die Revision der Klägerin ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.

8
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe ein Unterlassungsanspruch weder aus § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 3, § 3 Abs. 1, § 3a UWG, § 4 Nr. 11 UWG aF in Verbindung mit § 312d BGB und Art. 246a EGBGB noch aus § 2 Abs. 1, § 3 UKlaG zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:
9
Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, als Aussteller auf der Messe "Grüne Woche" ihre Kunden bei Abgabe einer Bestellung über ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB zu belehren. Sie vertreibe ihre Produkte nicht außerhalb von Geschäftsräumen. Bei ihrem Messestand auf der "Grünen Woche" habe es sich um einen beweglichen Geschäftsraum im Sinne von § 312b Abs. 2 BGB gehandelt, in dem die Beklagte ihre Tätigkeit für gewöhnlich ausübe. Für die Abgrenzung der "für gewöhnlich" betriebenen von einer ausnahmsweise ausgeübten gewerblichen Tätigkeit komme es maßgeblich darauf an, ob der Verbraucher am Ort des Geschäfts mit dem Auftreten des Unternehmers rechnen musste. Dies sei der Fall gewesen. Die Beklagte habe an ihrem Stand nicht überraschend ein fachfremdes Produkt verkauft. Die Messe "Grüne Woche" in Berlin sei eine Messe mit einem sehr breit gefächerten Sortiment. Neben Produkten aus den traditionellen Bereichen Ernährungswirtschaft, Landwirtschaft und Gartenbau werde Besuchern eine Vielzahl von Waren aus anderen Bereichen angeboten. Dies könne einem Messebesucher bei situationsadäquater Aufmerksamkeit nicht entgehen. Der Stand der Beklagten habe sich in einer Messehalle befunden, in der über 40 verschiedene Anbieter von Haushaltsgeräten und Haustechnik ihre Produkte ausgestellt hätten. Ein Verbraucher , der diese Halle besuche, befinde sich in derselben Situation wie eine Person , die ohne entsprechende vorherige Planung in einem Geschäftsviertel oder in einem Kaufhaus ein Geschäftslokal oder eine Abteilung aufsuche. Eines Widerrufsrechts bedürfe der Verbraucher in dieser Situation nicht. Es könne offen bleiben, ob die Beklagte ihre Produkte ohne eigenes Geschäftslokal ausschließ- lich auf Messen direkt verkaufe und ob sie regelmäßig einen Stand auf der "Grünen Woche" unterhalte. Auf derartige Voraussetzungen in der Person der Beklagten komme es nicht an.
10
2. Ohne Beantwortung der Vorlagefragen kann nicht beurteilt werden, ob die Beklagte bei dem Verkauf eines Dampfstaubsaugers auf der Messe "Grüne Woche" in Berlin am 22. Januar 2015 Unterrichtungspflichten nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a EGBGB verletzt hat und der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch und der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten zusteht.
11
a) Die Informationspflichten der Beklagten hängen zunächst davon ab, ob sie ihre Tätigkeit in unbeweglichen oder in beweglichen Gewerberäumen ausübt. Hierauf zielt die erste Vorlagefrage.
12
aa) Gemäß § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB hat der Unternehmer, wenn dem Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB zusteht, diesen über sein Widerrufsrecht nach § 355 Abs. 1 BGB sowie das Muster-Widerrufsformular zu informieren. Nach der Legaldefinition in § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB handelt es sich bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen um solche, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. Nach § 312b Abs. 2 Satz 1 BGB sind Geschäftsräume im Sinne des § 312b Abs. 1 BGB unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, und bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt. Die Bestimmungen der §§ 312b und 312g BGB dienen der Umsetzung der Richtlinie 2011/83/EU. Der deutsche Gesetzgeber hat in § 312b Abs. 2 Satz 1 BGB die Begriffsbestimmung der Geschäftsräume in Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83/EU wörtlich übernommen.
13
bb) Mit der Richtlinie 2011/83/EU werden die Richtlinien 85/577/EWG betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und die Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz durch eine einzige Richtlinie ersetzt (Erwägungsgrund 2). Dabei wurde der diesen älteren Richtlinien zugrunde liegende Mindestharmonisierungsansatz aufgegeben und stattdessen im Grundsatz eine Vollharmonisierung angestrebt (Art. 4 der Richtlinie 2011/83/EU). Der durch die Richtlinie 2011/83/EU für Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen vorgesehene Schutz in Form eines Widerrufsrechts trägt dem Umstand Rechnung, dass bei derartigen Verträgen der Verbraucher möglicherweise psychisch unter Druck steht oder einem Überraschungsmoment ausgesetzt ist (Erwägungsgründe 21 und 37). In Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2011/83/EU heißt es hierzu, dass als Geschäftsräume alle Arten von Räumlichkeiten (wie Geschäfte, Stände oder Lastwagen ) gelten, an denen der Unternehmer sein Gewerbe ständig oder gewöhnlich ausübt. Markt- und Messestände sollten als Geschäftsräume behandelt werden, wenn sie diese Bedingung erfüllen. Verkaufsstätten, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit saisonal ausübt, beispielsweise während der Fremdenverkehrssaison an einem Skiort oder Seebadeort, sollten als Geschäftsräume angesehen werden, wenn der Unternehmer seine Tätigkeit in diesen Geschäftsräumen für gewöhnlich ausübt. Der Öffentlichkeit zugängliche Orte wie Straßen, Einkaufszentren, Strände, Sportanlagen und öffentliche Verkehrsmittel , die der Unternehmer ausnahmsweise für seine Geschäftstätigkeiten nutzt, sowie Privatwohnungen oder Arbeitsplätze sollten nicht als Geschäftsräume gelten.

14
cc) Das Berufungsgericht ist nach Ansicht des Senats zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei dem Stand der Beklagten auf der Messe "Grüne Woche" in Berlin nicht um einen unbeweglichen Gewerberaum im Sinne von Art. 2 Nr. 9 Buchst. a der Richtlinie 2011/83/EU und § 312b Abs. 2 Satz 1 Fall 1 BGB handelt, sondern um einen beweglichen Gewerberaum im Sinne von Art. 2 Nr. 9 Buchst. b der Richtlinie 2011/83/EU und § 312b Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB. Die Richtlinie 2011/83/EU geht ersichtlich davon aus, dass unter den Begriff "unbewegliche Gewerberäume" das herkömmliche stationäre Ladengeschäft fällt, in dem der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt. Dagegen finden auf Dauer angelegte unternehmerische Tätigkeiten, die an wechselnden Orten für jeweils nur kurze Zeiträume außerhalb stationärer Ladengeschäfte - wie etwa auf Markt- und Messeständen - ausgeübt werden, in "beweglichen Gewerberäumen" statt (OLG München, Urteil vom 15. März 2017 - 3 U 3561/16, juris Rn. 23). Die Beklagte wurde zwar auf der Messe "Grüne Woche" in einer Halle tätig; nach Ansicht des Senats ist ihre Tätigkeit jedoch - weil sie dort nicht auf Dauer ausgeübt wird - im Sinne der Richtlinie als Tätigkeit in beweglichen Gewerberäumen anzusehen.
15
b) Sollte es sich bei dem Stand der Beklagten auf der Messe "Grüne Woche" in Berlin um einen beweglichen Gewerberaum im Sinn des Art. 2 Nr. 9 Buchst. b der Richtlinie 2011/83/EU und § 312b Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB handeln , stellt sich weiter die Frage, nach welchen Kriterien zu beurteilen ist, ob der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich in diesen Gewerberäumen ausübt. Dies ist Hintergrund der zweiten Vorlagefrage.
16
aa) Entscheidend für das Erfordernis der Information des Verbrauchers über ein Widerrufsrecht ist nach der Richtlinie 2011/83/EU und der sie umsetzenden deutschen Regelung des § 312b Abs. 2 Satz 1 BGB, ob der Vertrags- schluss des Verbrauchers mit dem Unternehmer außerhalb von beweglichen Gewerberäumen erfolgt, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt. Die Frage, wie festgestellt wird, ob der Unternehmer seine Tätigkeit am Ort des Vertragsschlusses für gewöhnlich ausübt, ist den Bestimmungen der Richtlinie nicht eindeutig zu entnehmen.
17
bb) Es kommt in Betracht, darauf abzustellen, ob der Unternehmer eine bestimmte Vertriebsmethode für gewöhnlich nutzt, ob er also regelmäßig in beweglichen Gewerberäumen seine Produkte vertreibt oder ob dies nur ausnahmsweise geschieht (Strobl, NJW 2015, 721, 722; Großkomm.BGB/Busch, § 312b Rn. 35 [Stand: 20. Juli 2016]; Klocke, EuZW 2016, 411). Hierfür spricht der Wortlaut von Art. 2 Nr. 9 Buchst. b der Richtlinie 2011/83/EU. Der Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2011/83/EU erwähnt ebenfalls, dass als Geschäftsräume alle Arten von Räumlichkeiten wie Geschäfte, Stände oder Lastwagen gelten sollen, an denen der Unternehmer sein Gewerbe ständig oder gewöhnlich ausübt. Allerdings führt eine solche Auslegung, die sich an den Verhältnissen des Unternehmers orientiert, nach Auffassung des Senats nicht zu befriedigenden Ergebnissen.
18
Bietet ein Unternehmer seine Produkte, die er im Wesentlichen in einer stationären gewerblichen Niederlassung vertreibt, zusätzlich auf einer Messe zum Verkauf an, wäre ein Verbraucher, der diese Produkte auf der Messe erwirbt , bei dem vorstehenden Verständnis des Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83/EU zum Widerruf berechtigt, weil der Unternehmer seine Tätigkeit dort für gewöhnlich nicht ausübt. Würde der Verbraucher dagegen am benachbarten Messestand ein vergleichbares Produkt erwerben, könnte es sein, dass ihm ein Widerrufsrecht deshalb nicht zusteht, weil der dort tätige Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich auf Messen ausübt und kein stationäres Ladengeschäft unterhält. Es erscheint unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes we- nig konsequent, dem Verbraucher je nach Betriebsorganisation des Unternehmers bei im Übrigen identischen äußeren Umständen des Vertragsschlusses in einem Fall ein Widerrufsrecht zu gewähren und es im anderen Fall auszuschließen.
19
Wenn die Richtlinie trotz der vorstehenden Erwägungen dahingehend auszulegen wäre, dass es darauf ankommt, wie der Unternehmer seine Tätigkeit organisiert, setzt der Erfolg der Klage im Streitfall voraus, dass die Beklagte ihre unternehmerische Tätigkeit für gewöhnlich nicht auf Messen ausübt. Das Berufungsgericht hat zu der Unternehmensorganisation der Beklagten keine Feststellungen getroffen, so dass im Revisionsverfahren zugunsten der Klägerin zu unterstellen wäre, dass der Vortrag der Beklagten nicht zutrifft, sie vertreibe ihre Dampfstaubsauger seit vielen Jahren ausschließlich über Messen. In diesem Fall wäre das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die notwendigen Feststellungen zur Vertriebsstruktur der Beklagten getroffen werden.
20
cc) Nach anderer Auffassung, die sich auf das deutsche Gesetzgebungsverfahren bei der Umsetzung der Richtlinie 2011/83/EU stützt (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 17/12637, Seite 50 zu § 312a BGB des Entwurfs), kommt es für die Frage, ob der Unternehmer seine Tätigkeit gewöhnlich in beweglichen Gewerberäumen ausübt, nicht darauf an, wie der Unternehmer seine Vertriebstätigkeit organisiert, sondern auf die Sicht des Verbrauchers. Diese Ansicht beruft sich auf den Sinn und Zweck des Widerrufsrechts des Verbrauchers bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen gemäß Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU und des diese Vorschrift in das deutsche Recht umsetzenden § 312g Abs. 1 BGB. Der Verbraucher soll vor übereilten Vertragsabschlüssen geschützt werden, zu denen es in einer den Verbraucher überraschenden Situation oder unter psychischem Druck kommt. Für diese Auslegung sprechen die Erwägungsgründe 21 und 37 der Richtlinie 2011/83/EU. In diesem Zusammenhang wird danach differenziert, ob auf einem Jahrmarkt oder auf einer Messe messetypische Produkte zum Kauf angeboten werden, so dass der Verbraucher mit entsprechenden Angeboten rechnen musste, oder ob es sich um fachfremde Produkte handelt, deren Angebot für den Verbraucher nicht zu erwarten war (Junker in Herberger/Martinek/ Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl., Stand: 1. Dezember 2016, § 312 Rn. 50 ff.; BeckOK BGB/Maume, § 312b Rn. 31, 42. Edition, Stand: 1. Februar 2017; Klocke, EuZW 2016, 411, 414). Dieser Auffassung haben sich das Berufungsgericht und andere deutsche Gerichte angeschlossen (OLG München, Urteil vom 15. März 2017 - 3 U 3561/16, juris Rn. 26; LG Frankfurt [Oder], Urteil vom 26. September 2016 - 16 S 117/15, unveröffentlicht; AG Pinneberg , SchlHA 2016, 136; AG Bad Oeynhausen, Urteil vom 5. April 2016 - 18 C 415/15, juris Rn. 19 ff.).
21
c) Sollte bei der Frage, ob der Unternehmer seine Tätigkeit in beweglichen Gewerberäumen gewöhnlich ausübt, auf die Sicht des Verbrauchers abzustellen sein, wäre im Streitfall zu prüfen, ob es sich bei der Messe "Grüne Woche" in Berlin um eine Messe handelt, bei der der Verbraucher mit dem Angebot eines Dampfstaubsaugers rechnen muss. Dabei stellt sich die weitere Frage, wie die Verbrauchersicht zu bestimmen ist. Darauf zielt die dritte Vorlagefrage.
22
aa) Die Revision macht geltend, der Besucher einer Messe könne entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht mit dem Besucher eines Geschäftsviertels oder eines Kaufhauses verglichen werden, also mit Besuchern stationärer Ladengeschäfte, die in unbeweglichen Gewerberäumen betrieben werden. Für die ein Überraschungsmoment ausschließende Erkennbarkeit der zu erwartenden Angebote könne nicht auf die Situation des Verbrauchers bei seiner Ankunft auf dem Messegelände abgestellt werden. Vielmehr sei maßgeblich , wie die Messe in der Öffentlichkeit präsentiert werde und welche Erwartungshaltung der Verbraucher aus dem Thema der Messe gewinnen könne. Die "Grüne Messe" in Berlin werde als "Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau" bezeichnet. Auf einer solchen Messe müsse ein Verbraucher nicht mit einem Verkauf von Haushaltsgeräten rechnen.
23
bb) Das Berufungsgericht ist demgegenüber davon ausgegangen, es komme darauf an, ob auf der in Rede stehenden Messe regelmäßig Haushaltsgeräte und Haustechnik angeboten werde. Es hat festgestellt, dass dies der Fall ist und der Verbraucher deshalb mit entsprechenden Angeboten rechnen musste.
24
cc) Für die Beantwortung dieser Frage kommt es darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Schutz des Verbrauchers einsetzen soll. Wenn auf den Zeitpunkt abgestellt wird, in dem er sich entschließt, eine Messe zu besuchen, sind die tatsächlichen Gegebenheiten auf der Messe unerheblich. Entscheidend ist dann, welche Erwartungen der Verbraucher nach den ihm verfügbaren Informationen über das Waren- und Dienstleistungsangebot auf der Messe haben konnte. Wenn dagegen auf den Zeitpunkt abgestellt wird, in dem der Verbraucher seine Vertragserklärung abgibt, kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse an Ort und Stelle an. Zu der Präsentation der Messe in der Öffentlichkeit und der daraus resultierenden Erwartungshaltung eines Verbrauchers bei seiner Entscheidung, die Messe zu besuchen, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen, so dass, wenn es auf diesen Zeitpunkt ankommen sollte, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden müsste, damit diese Feststellungen nachgeholt werden. Sollte es auf den Zeitpunkt der Vertragserklärung ankommen, sind die erforderlichen Feststellungen getroffen, nach denen der Verbraucher angesichts der äußeren Umstände bei Abschluss des Vertrags über den Kauf eines Dampfstaubsaugers mit einem entsprechenden Angebot rechnen musste.

Büscher Schaffert Kirchhoff
Löffler Schwonke
Vorinstanzen:
LG Freiburg, Entscheidung vom 22.10.2015 - 14 O 176/15 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 10.06.2016 - 4 U 217/15 -

(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar ist, so steht dem Unternehmer, wenn der Besteller den Vertrag aus diesem Grund kündigt, nur der im § 645 Abs. 1 bestimmte Anspruch zu.

(2) Ist eine solche Überschreitung des Anschlags zu erwarten, so hat der Unternehmer dem Besteller unverzüglich Anzeige zu machen.

(1) Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu.

(2) Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:

1.
Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind,
2.
Verträge zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde,
3.
Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,
4.
Verträge zur Lieferung von Waren, wenn diese nach der Lieferung auf Grund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt wurden,
5.
Verträge zur Lieferung alkoholischer Getränke, deren Preis bei Vertragsschluss vereinbart wurde, die aber frühestens 30 Tage nach Vertragsschluss geliefert werden können und deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat,
6.
Verträge zur Lieferung von Ton- oder Videoaufnahmen oder Computersoftware in einer versiegelten Packung, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,
7.
Verträge zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten mit Ausnahme von Abonnement-Verträgen,
8.
Verträge zur Lieferung von Waren oder zur Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, insbesondere Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, mit Anteilen an offenen Investmentvermögen im Sinne von § 1 Absatz 4 des Kapitalanlagegesetzbuchs und mit anderen handelbaren Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Geldmarktinstrumenten,
9.
Verträge zur Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Beförderung von Waren, Kraftfahrzeugvermietung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie zur Erbringung weiterer Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht,
10.
Verträge, die im Rahmen einer Vermarktungsform geschlossen werden, bei der der Unternehmer Verbrauchern, die persönlich anwesend sind oder denen diese Möglichkeit gewährt wird, Waren oder Dienstleistungen anbietet, und zwar in einem vom Versteigerer durchgeführten, auf konkurrierenden Geboten basierenden transparenten Verfahren, bei dem der Bieter, der den Zuschlag erhalten hat, zum Erwerb der Waren oder Dienstleistungen verpflichtet ist (öffentlich zugängliche Versteigerung),
11.
Verträge, bei denen der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen; dies gilt nicht hinsichtlich weiterer bei dem Besuch erbrachter Dienstleistungen, die der Verbraucher nicht ausdrücklich verlangt hat, oder hinsichtlich solcher bei dem Besuch gelieferter Waren, die bei der Instandhaltung oder Reparatur nicht unbedingt als Ersatzteile benötigt werden,
12.
Verträge zur Erbringung von Wett- und Lotteriedienstleistungen, es sei denn, dass der Verbraucher seine Vertragserklärung telefonisch abgegeben hat oder der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde, und
13.
notariell beurkundete Verträge; dies gilt für Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen nur, wenn der Notar bestätigt, dass die Rechte des Verbrauchers aus § 312d Absatz 2 gewahrt sind.

(3) Das Widerrufsrecht besteht ferner nicht bei Verträgen, bei denen dem Verbraucher bereits auf Grund der §§ 495, 506 bis 513 ein Widerrufsrecht nach § 355 zusteht, und nicht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen dem Verbraucher bereits nach § 305 Absatz 1 bis 6 des Kapitalanlagegesetzbuchs ein Widerrufsrecht zusteht.

(1) Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind Verträge,

1.
die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist,
2.
für die der Verbraucher unter den in Nummer 1 genannten Umständen ein Angebot abgegeben hat,
3.
die in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder durch Fernkommunikationsmittel geschlossen werden, bei denen der Verbraucher jedoch unmittelbar zuvor außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers persönlich und individuell angesprochen wurde, oder
4.
die auf einem Ausflug geschlossen werden, der von dem Unternehmer oder mit seiner Hilfe organisiert wurde, um beim Verbraucher für den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu werben und mit ihm entsprechende Verträge abzuschließen.
Dem Unternehmer stehen Personen gleich, die in seinem Namen oder Auftrag handeln.

(2) Geschäftsräume im Sinne des Absatzes 1 sind unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, und bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt. Gewerberäume, in denen die Person, die im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelt, ihre Tätigkeit dauerhaft oder für gewöhnlich ausübt, stehen Räumen des Unternehmers gleich.

(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar ist, so steht dem Unternehmer, wenn der Besteller den Vertrag aus diesem Grund kündigt, nur der im § 645 Abs. 1 bestimmte Anspruch zu.

(2) Ist eine solche Überschreitung des Anschlags zu erwarten, so hat der Unternehmer dem Besteller unverzüglich Anzeige zu machen.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur verlangen, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht wie geschuldet bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nicht verlangen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Anspruch auf die Leistung ist ausgeschlossen, sobald der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat.

(5) Verlangt der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung, so ist der Schuldner zur Rückforderung des Geleisteten nach den §§ 346 bis 348 berechtigt.

Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.

6
aa) Der Senat hat noch unter der Geltung des alten Schuldrechts entschieden , dass es für die Einordnung eines Vertragsverhältnisses als Kaufvertrag mit Montageverpflichtung oder als Werkvertrag darauf ankommt, auf welcher der beiden Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt. Dabei ist vor allem auf die Art des zu liefernden Gegenstands, das Wertverhältnis von Lieferung und Montage sowie auf die Besonderheiten des geschuldeten Ergebnisses abzustellen (Senatsurteil vom 3. März 2004 - VIII ZR 76/03, NZM 2004, 398 unter II 1; vgl. auch Senatsurteil vom 22. Juli 1998 - VIII ZR 220/97, NJW 1998, 3197 unter II 1).

(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar ist, so steht dem Unternehmer, wenn der Besteller den Vertrag aus diesem Grund kündigt, nur der im § 645 Abs. 1 bestimmte Anspruch zu.

(2) Ist eine solche Überschreitung des Anschlags zu erwarten, so hat der Unternehmer dem Besteller unverzüglich Anzeige zu machen.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur verlangen, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht wie geschuldet bewirkt, so kann der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung nicht verlangen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Anspruch auf die Leistung ist ausgeschlossen, sobald der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat.

(5) Verlangt der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung, so ist der Schuldner zur Rückforderung des Geleisteten nach den §§ 346 bis 348 berechtigt.

Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.

(1) Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu.

(2) Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:

1.
Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind,
2.
Verträge zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde,
3.
Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,
4.
Verträge zur Lieferung von Waren, wenn diese nach der Lieferung auf Grund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt wurden,
5.
Verträge zur Lieferung alkoholischer Getränke, deren Preis bei Vertragsschluss vereinbart wurde, die aber frühestens 30 Tage nach Vertragsschluss geliefert werden können und deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat,
6.
Verträge zur Lieferung von Ton- oder Videoaufnahmen oder Computersoftware in einer versiegelten Packung, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,
7.
Verträge zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten mit Ausnahme von Abonnement-Verträgen,
8.
Verträge zur Lieferung von Waren oder zur Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, insbesondere Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, mit Anteilen an offenen Investmentvermögen im Sinne von § 1 Absatz 4 des Kapitalanlagegesetzbuchs und mit anderen handelbaren Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Geldmarktinstrumenten,
9.
Verträge zur Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Beförderung von Waren, Kraftfahrzeugvermietung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie zur Erbringung weiterer Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht,
10.
Verträge, die im Rahmen einer Vermarktungsform geschlossen werden, bei der der Unternehmer Verbrauchern, die persönlich anwesend sind oder denen diese Möglichkeit gewährt wird, Waren oder Dienstleistungen anbietet, und zwar in einem vom Versteigerer durchgeführten, auf konkurrierenden Geboten basierenden transparenten Verfahren, bei dem der Bieter, der den Zuschlag erhalten hat, zum Erwerb der Waren oder Dienstleistungen verpflichtet ist (öffentlich zugängliche Versteigerung),
11.
Verträge, bei denen der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen; dies gilt nicht hinsichtlich weiterer bei dem Besuch erbrachter Dienstleistungen, die der Verbraucher nicht ausdrücklich verlangt hat, oder hinsichtlich solcher bei dem Besuch gelieferter Waren, die bei der Instandhaltung oder Reparatur nicht unbedingt als Ersatzteile benötigt werden,
12.
Verträge zur Erbringung von Wett- und Lotteriedienstleistungen, es sei denn, dass der Verbraucher seine Vertragserklärung telefonisch abgegeben hat oder der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde, und
13.
notariell beurkundete Verträge; dies gilt für Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen nur, wenn der Notar bestätigt, dass die Rechte des Verbrauchers aus § 312d Absatz 2 gewahrt sind.

(3) Das Widerrufsrecht besteht ferner nicht bei Verträgen, bei denen dem Verbraucher bereits auf Grund der §§ 495, 506 bis 513 ein Widerrufsrecht nach § 355 zusteht, und nicht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen dem Verbraucher bereits nach § 305 Absatz 1 bis 6 des Kapitalanlagegesetzbuchs ein Widerrufsrecht zusteht.

(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.

(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.

(1) Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind Verträge,

1.
die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist,
2.
für die der Verbraucher unter den in Nummer 1 genannten Umständen ein Angebot abgegeben hat,
3.
die in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder durch Fernkommunikationsmittel geschlossen werden, bei denen der Verbraucher jedoch unmittelbar zuvor außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers persönlich und individuell angesprochen wurde, oder
4.
die auf einem Ausflug geschlossen werden, der von dem Unternehmer oder mit seiner Hilfe organisiert wurde, um beim Verbraucher für den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu werben und mit ihm entsprechende Verträge abzuschließen.
Dem Unternehmer stehen Personen gleich, die in seinem Namen oder Auftrag handeln.

(2) Geschäftsräume im Sinne des Absatzes 1 sind unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, und bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt. Gewerberäume, in denen die Person, die im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelt, ihre Tätigkeit dauerhaft oder für gewöhnlich ausübt, stehen Räumen des Unternehmers gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 135/16 Verkündet am:
13. Juli 2017
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Grüne Woche II
Richtlinie 2011/83/EU Art. 2 Nr. 9
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie
2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der
Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und
der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. Nr. L 304 vom 22. November
2011, S. 64) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Handelt es sich bei einem Messestand in einer Halle, den ein Unternehmer während einer für wenige
Tage im Jahr stattfindenden Messe zum Zweck des Verkaufs seiner Produkte nutzt, um einen unbeweglichen
Gewerberaum im Sinne von Art. 2 Nr. 9 Buchst. a der Richtlinie 2011/83/EU oder um einen
beweglichen Gewerberaum im Sinne von Art. 2 Nr. 9 Buchst. b der Richtlinie 2011/83/EU?
2. Für den Fall, dass es sich um einen beweglichen Gewerberaum handelt:
Ist die Frage, ob ein Unternehmer seine Tätigkeit "für gewöhnlich" auf Messeständen ausübt, danach
zu beantworten,

a) wie der Unternehmer seine Tätigkeit organisiert oder

b) ob der Verbraucher mit dem Vertragsschluss über die in Rede stehenden Waren auf der konkreten
Messe rechnen muss?
3. Für den Fall, dass es bei der Antwort auf die zweite Frage auf die Sicht des Verbrauchers ankommt
(Frage 2 b):
Ist bei der Frage, ob der Verbraucher mit dem Vertragsschluss über die konkreten Waren auf der in Rede
stehenden Messe rechnen muss, darauf abzustellen, wie die Messe in der Öffentlichkeit präsentiert wird,
oder darauf, wie die Messe sich dem Verbraucher bei Abgabe der Vertragserklärung tatsächlich darstellt?
BGH, Beschluss vom 13. Juli 2017 - I ZR 135/16 - OLG Karlsruhe
LG Freiburg
ECLI:DE:BGH:2017:130717BIZR135.16.0

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Dr. Löffler und die Richterin Dr. Schwonke

beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt. II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. Nr. L 304 vom 22. November 2011, S. 64) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1. Handelt es sich bei einem Messestand in einer Halle, den ein Unternehmer während einer für wenige Tage im Jahr stattfindenden Messe zum Zweck des Verkaufs seiner Produkte nutzt, um einen unbeweglichen Gewerberaum im Sinne von Art. 2 Nr. 9 Buchst. a der Richtlinie 2011/83/EU oder um einen beweglichen Gewerberaum im Sinne von Art. 2 Nr. 9 Buchst. b der Richtlinie 2011/83/EU? 2. Für den Fall, dass es sich um einen beweglichen Gewerberaum handelt: Ist die Frage, ob ein Unternehmer seine Tätigkeit "für gewöhnlich" auf Messeständen ausübt, danach zu beantworten ,
a) wie der Unternehmer seine Tätigkeit organisiert oder
b) ob der Verbraucher mit dem Vertragsschluss über die in Rede stehenden Waren auf der konkreten Messe rechnen muss? 3. Für den Fall, dass es bei der Antwort auf die zweite Frage auf die Sicht des Verbrauchers ankommt (Frage 2 b): Ist bei der Frage, ob der Verbraucher mit dem Vertragsschluss über die konkreten Waren auf der in Rede stehenden Messe rechnen muss, darauf abzustellen, wie die Messe in der Öffentlichkeit präsentiert wird, oder darauf, wie die Messe sich dem Verbraucher bei Abgabe der Vertragserklärung tatsächlich darstellt?

Gründe:


1
I. Die Klägerin ist die in die Liste nach § 4 Abs. 1 Satz 1 UKlaG eingetragene Verbraucherzentrale Berlin. Die Beklagte ist eine Vertriebsgesellschaft, die auf der in Berlin stattfindenden Messe "Grüne Woche" Produkte ausstellt. Nach ihrer Behauptung vertreibt sie ihre Produkte ausschließlich auf Messen.
2
Am 22. Januar 2015 bestellte ein Kunde am Ausstellungsstand der Beklagten auf der Messe "Grüne Woche" einen Dampfstaubsauger zum Preis von 1.600 €. Die Beklagte belehrte ihn nicht über ein Widerrufsrecht.
3
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe den Kunden über ein Widerrufsrecht informieren müssen, weil dieser den Kaufvertrag außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen habe.
4
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen , es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen mit Verbrauchern auf der Messe "Grüne Woche" in Berlin Kaufverträge über die Lieferung von Dampfstaubsaugern abzuschließen , ohne über das Widerrufsrecht nach §§ 312g, 355 BGB und das Musterwiderrufsformular zu informieren.
5
Außerdem hat sie die Beklagte auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahn- kosten in Höhe von 214,20 € nebst Zinsen in Anspruch genommen.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen (LG Freiburg, BB 2015, 2900). Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben (OLG Karlsruhe, WRP 2016, 1026). Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klage weiter.
7
II. Die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit hängt von der Auslegung des Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83/EU ab. Vor einer Entscheidung über die Revision der Klägerin ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.

8
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe ein Unterlassungsanspruch weder aus § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 3, § 3 Abs. 1, § 3a UWG, § 4 Nr. 11 UWG aF in Verbindung mit § 312d BGB und Art. 246a EGBGB noch aus § 2 Abs. 1, § 3 UKlaG zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:
9
Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, als Aussteller auf der Messe "Grüne Woche" ihre Kunden bei Abgabe einer Bestellung über ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB zu belehren. Sie vertreibe ihre Produkte nicht außerhalb von Geschäftsräumen. Bei ihrem Messestand auf der "Grünen Woche" habe es sich um einen beweglichen Geschäftsraum im Sinne von § 312b Abs. 2 BGB gehandelt, in dem die Beklagte ihre Tätigkeit für gewöhnlich ausübe. Für die Abgrenzung der "für gewöhnlich" betriebenen von einer ausnahmsweise ausgeübten gewerblichen Tätigkeit komme es maßgeblich darauf an, ob der Verbraucher am Ort des Geschäfts mit dem Auftreten des Unternehmers rechnen musste. Dies sei der Fall gewesen. Die Beklagte habe an ihrem Stand nicht überraschend ein fachfremdes Produkt verkauft. Die Messe "Grüne Woche" in Berlin sei eine Messe mit einem sehr breit gefächerten Sortiment. Neben Produkten aus den traditionellen Bereichen Ernährungswirtschaft, Landwirtschaft und Gartenbau werde Besuchern eine Vielzahl von Waren aus anderen Bereichen angeboten. Dies könne einem Messebesucher bei situationsadäquater Aufmerksamkeit nicht entgehen. Der Stand der Beklagten habe sich in einer Messehalle befunden, in der über 40 verschiedene Anbieter von Haushaltsgeräten und Haustechnik ihre Produkte ausgestellt hätten. Ein Verbraucher , der diese Halle besuche, befinde sich in derselben Situation wie eine Person , die ohne entsprechende vorherige Planung in einem Geschäftsviertel oder in einem Kaufhaus ein Geschäftslokal oder eine Abteilung aufsuche. Eines Widerrufsrechts bedürfe der Verbraucher in dieser Situation nicht. Es könne offen bleiben, ob die Beklagte ihre Produkte ohne eigenes Geschäftslokal ausschließ- lich auf Messen direkt verkaufe und ob sie regelmäßig einen Stand auf der "Grünen Woche" unterhalte. Auf derartige Voraussetzungen in der Person der Beklagten komme es nicht an.
10
2. Ohne Beantwortung der Vorlagefragen kann nicht beurteilt werden, ob die Beklagte bei dem Verkauf eines Dampfstaubsaugers auf der Messe "Grüne Woche" in Berlin am 22. Januar 2015 Unterrichtungspflichten nach § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a EGBGB verletzt hat und der Klägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch und der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten zusteht.
11
a) Die Informationspflichten der Beklagten hängen zunächst davon ab, ob sie ihre Tätigkeit in unbeweglichen oder in beweglichen Gewerberäumen ausübt. Hierauf zielt die erste Vorlagefrage.
12
aa) Gemäß § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB hat der Unternehmer, wenn dem Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB zusteht, diesen über sein Widerrufsrecht nach § 355 Abs. 1 BGB sowie das Muster-Widerrufsformular zu informieren. Nach der Legaldefinition in § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB handelt es sich bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen um solche, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. Nach § 312b Abs. 2 Satz 1 BGB sind Geschäftsräume im Sinne des § 312b Abs. 1 BGB unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, und bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt. Die Bestimmungen der §§ 312b und 312g BGB dienen der Umsetzung der Richtlinie 2011/83/EU. Der deutsche Gesetzgeber hat in § 312b Abs. 2 Satz 1 BGB die Begriffsbestimmung der Geschäftsräume in Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83/EU wörtlich übernommen.
13
bb) Mit der Richtlinie 2011/83/EU werden die Richtlinien 85/577/EWG betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und die Richtlinie 97/7/EG über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz durch eine einzige Richtlinie ersetzt (Erwägungsgrund 2). Dabei wurde der diesen älteren Richtlinien zugrunde liegende Mindestharmonisierungsansatz aufgegeben und stattdessen im Grundsatz eine Vollharmonisierung angestrebt (Art. 4 der Richtlinie 2011/83/EU). Der durch die Richtlinie 2011/83/EU für Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen vorgesehene Schutz in Form eines Widerrufsrechts trägt dem Umstand Rechnung, dass bei derartigen Verträgen der Verbraucher möglicherweise psychisch unter Druck steht oder einem Überraschungsmoment ausgesetzt ist (Erwägungsgründe 21 und 37). In Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2011/83/EU heißt es hierzu, dass als Geschäftsräume alle Arten von Räumlichkeiten (wie Geschäfte, Stände oder Lastwagen ) gelten, an denen der Unternehmer sein Gewerbe ständig oder gewöhnlich ausübt. Markt- und Messestände sollten als Geschäftsräume behandelt werden, wenn sie diese Bedingung erfüllen. Verkaufsstätten, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit saisonal ausübt, beispielsweise während der Fremdenverkehrssaison an einem Skiort oder Seebadeort, sollten als Geschäftsräume angesehen werden, wenn der Unternehmer seine Tätigkeit in diesen Geschäftsräumen für gewöhnlich ausübt. Der Öffentlichkeit zugängliche Orte wie Straßen, Einkaufszentren, Strände, Sportanlagen und öffentliche Verkehrsmittel , die der Unternehmer ausnahmsweise für seine Geschäftstätigkeiten nutzt, sowie Privatwohnungen oder Arbeitsplätze sollten nicht als Geschäftsräume gelten.

14
cc) Das Berufungsgericht ist nach Ansicht des Senats zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei dem Stand der Beklagten auf der Messe "Grüne Woche" in Berlin nicht um einen unbeweglichen Gewerberaum im Sinne von Art. 2 Nr. 9 Buchst. a der Richtlinie 2011/83/EU und § 312b Abs. 2 Satz 1 Fall 1 BGB handelt, sondern um einen beweglichen Gewerberaum im Sinne von Art. 2 Nr. 9 Buchst. b der Richtlinie 2011/83/EU und § 312b Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB. Die Richtlinie 2011/83/EU geht ersichtlich davon aus, dass unter den Begriff "unbewegliche Gewerberäume" das herkömmliche stationäre Ladengeschäft fällt, in dem der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt. Dagegen finden auf Dauer angelegte unternehmerische Tätigkeiten, die an wechselnden Orten für jeweils nur kurze Zeiträume außerhalb stationärer Ladengeschäfte - wie etwa auf Markt- und Messeständen - ausgeübt werden, in "beweglichen Gewerberäumen" statt (OLG München, Urteil vom 15. März 2017 - 3 U 3561/16, juris Rn. 23). Die Beklagte wurde zwar auf der Messe "Grüne Woche" in einer Halle tätig; nach Ansicht des Senats ist ihre Tätigkeit jedoch - weil sie dort nicht auf Dauer ausgeübt wird - im Sinne der Richtlinie als Tätigkeit in beweglichen Gewerberäumen anzusehen.
15
b) Sollte es sich bei dem Stand der Beklagten auf der Messe "Grüne Woche" in Berlin um einen beweglichen Gewerberaum im Sinn des Art. 2 Nr. 9 Buchst. b der Richtlinie 2011/83/EU und § 312b Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB handeln , stellt sich weiter die Frage, nach welchen Kriterien zu beurteilen ist, ob der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich in diesen Gewerberäumen ausübt. Dies ist Hintergrund der zweiten Vorlagefrage.
16
aa) Entscheidend für das Erfordernis der Information des Verbrauchers über ein Widerrufsrecht ist nach der Richtlinie 2011/83/EU und der sie umsetzenden deutschen Regelung des § 312b Abs. 2 Satz 1 BGB, ob der Vertrags- schluss des Verbrauchers mit dem Unternehmer außerhalb von beweglichen Gewerberäumen erfolgt, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt. Die Frage, wie festgestellt wird, ob der Unternehmer seine Tätigkeit am Ort des Vertragsschlusses für gewöhnlich ausübt, ist den Bestimmungen der Richtlinie nicht eindeutig zu entnehmen.
17
bb) Es kommt in Betracht, darauf abzustellen, ob der Unternehmer eine bestimmte Vertriebsmethode für gewöhnlich nutzt, ob er also regelmäßig in beweglichen Gewerberäumen seine Produkte vertreibt oder ob dies nur ausnahmsweise geschieht (Strobl, NJW 2015, 721, 722; Großkomm.BGB/Busch, § 312b Rn. 35 [Stand: 20. Juli 2016]; Klocke, EuZW 2016, 411). Hierfür spricht der Wortlaut von Art. 2 Nr. 9 Buchst. b der Richtlinie 2011/83/EU. Der Erwägungsgrund 22 der Richtlinie 2011/83/EU erwähnt ebenfalls, dass als Geschäftsräume alle Arten von Räumlichkeiten wie Geschäfte, Stände oder Lastwagen gelten sollen, an denen der Unternehmer sein Gewerbe ständig oder gewöhnlich ausübt. Allerdings führt eine solche Auslegung, die sich an den Verhältnissen des Unternehmers orientiert, nach Auffassung des Senats nicht zu befriedigenden Ergebnissen.
18
Bietet ein Unternehmer seine Produkte, die er im Wesentlichen in einer stationären gewerblichen Niederlassung vertreibt, zusätzlich auf einer Messe zum Verkauf an, wäre ein Verbraucher, der diese Produkte auf der Messe erwirbt , bei dem vorstehenden Verständnis des Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83/EU zum Widerruf berechtigt, weil der Unternehmer seine Tätigkeit dort für gewöhnlich nicht ausübt. Würde der Verbraucher dagegen am benachbarten Messestand ein vergleichbares Produkt erwerben, könnte es sein, dass ihm ein Widerrufsrecht deshalb nicht zusteht, weil der dort tätige Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich auf Messen ausübt und kein stationäres Ladengeschäft unterhält. Es erscheint unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes we- nig konsequent, dem Verbraucher je nach Betriebsorganisation des Unternehmers bei im Übrigen identischen äußeren Umständen des Vertragsschlusses in einem Fall ein Widerrufsrecht zu gewähren und es im anderen Fall auszuschließen.
19
Wenn die Richtlinie trotz der vorstehenden Erwägungen dahingehend auszulegen wäre, dass es darauf ankommt, wie der Unternehmer seine Tätigkeit organisiert, setzt der Erfolg der Klage im Streitfall voraus, dass die Beklagte ihre unternehmerische Tätigkeit für gewöhnlich nicht auf Messen ausübt. Das Berufungsgericht hat zu der Unternehmensorganisation der Beklagten keine Feststellungen getroffen, so dass im Revisionsverfahren zugunsten der Klägerin zu unterstellen wäre, dass der Vortrag der Beklagten nicht zutrifft, sie vertreibe ihre Dampfstaubsauger seit vielen Jahren ausschließlich über Messen. In diesem Fall wäre das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die notwendigen Feststellungen zur Vertriebsstruktur der Beklagten getroffen werden.
20
cc) Nach anderer Auffassung, die sich auf das deutsche Gesetzgebungsverfahren bei der Umsetzung der Richtlinie 2011/83/EU stützt (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 17/12637, Seite 50 zu § 312a BGB des Entwurfs), kommt es für die Frage, ob der Unternehmer seine Tätigkeit gewöhnlich in beweglichen Gewerberäumen ausübt, nicht darauf an, wie der Unternehmer seine Vertriebstätigkeit organisiert, sondern auf die Sicht des Verbrauchers. Diese Ansicht beruft sich auf den Sinn und Zweck des Widerrufsrechts des Verbrauchers bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen gemäß Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU und des diese Vorschrift in das deutsche Recht umsetzenden § 312g Abs. 1 BGB. Der Verbraucher soll vor übereilten Vertragsabschlüssen geschützt werden, zu denen es in einer den Verbraucher überraschenden Situation oder unter psychischem Druck kommt. Für diese Auslegung sprechen die Erwägungsgründe 21 und 37 der Richtlinie 2011/83/EU. In diesem Zusammenhang wird danach differenziert, ob auf einem Jahrmarkt oder auf einer Messe messetypische Produkte zum Kauf angeboten werden, so dass der Verbraucher mit entsprechenden Angeboten rechnen musste, oder ob es sich um fachfremde Produkte handelt, deren Angebot für den Verbraucher nicht zu erwarten war (Junker in Herberger/Martinek/ Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl., Stand: 1. Dezember 2016, § 312 Rn. 50 ff.; BeckOK BGB/Maume, § 312b Rn. 31, 42. Edition, Stand: 1. Februar 2017; Klocke, EuZW 2016, 411, 414). Dieser Auffassung haben sich das Berufungsgericht und andere deutsche Gerichte angeschlossen (OLG München, Urteil vom 15. März 2017 - 3 U 3561/16, juris Rn. 26; LG Frankfurt [Oder], Urteil vom 26. September 2016 - 16 S 117/15, unveröffentlicht; AG Pinneberg , SchlHA 2016, 136; AG Bad Oeynhausen, Urteil vom 5. April 2016 - 18 C 415/15, juris Rn. 19 ff.).
21
c) Sollte bei der Frage, ob der Unternehmer seine Tätigkeit in beweglichen Gewerberäumen gewöhnlich ausübt, auf die Sicht des Verbrauchers abzustellen sein, wäre im Streitfall zu prüfen, ob es sich bei der Messe "Grüne Woche" in Berlin um eine Messe handelt, bei der der Verbraucher mit dem Angebot eines Dampfstaubsaugers rechnen muss. Dabei stellt sich die weitere Frage, wie die Verbrauchersicht zu bestimmen ist. Darauf zielt die dritte Vorlagefrage.
22
aa) Die Revision macht geltend, der Besucher einer Messe könne entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht mit dem Besucher eines Geschäftsviertels oder eines Kaufhauses verglichen werden, also mit Besuchern stationärer Ladengeschäfte, die in unbeweglichen Gewerberäumen betrieben werden. Für die ein Überraschungsmoment ausschließende Erkennbarkeit der zu erwartenden Angebote könne nicht auf die Situation des Verbrauchers bei seiner Ankunft auf dem Messegelände abgestellt werden. Vielmehr sei maßgeblich , wie die Messe in der Öffentlichkeit präsentiert werde und welche Erwartungshaltung der Verbraucher aus dem Thema der Messe gewinnen könne. Die "Grüne Messe" in Berlin werde als "Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau" bezeichnet. Auf einer solchen Messe müsse ein Verbraucher nicht mit einem Verkauf von Haushaltsgeräten rechnen.
23
bb) Das Berufungsgericht ist demgegenüber davon ausgegangen, es komme darauf an, ob auf der in Rede stehenden Messe regelmäßig Haushaltsgeräte und Haustechnik angeboten werde. Es hat festgestellt, dass dies der Fall ist und der Verbraucher deshalb mit entsprechenden Angeboten rechnen musste.
24
cc) Für die Beantwortung dieser Frage kommt es darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Schutz des Verbrauchers einsetzen soll. Wenn auf den Zeitpunkt abgestellt wird, in dem er sich entschließt, eine Messe zu besuchen, sind die tatsächlichen Gegebenheiten auf der Messe unerheblich. Entscheidend ist dann, welche Erwartungen der Verbraucher nach den ihm verfügbaren Informationen über das Waren- und Dienstleistungsangebot auf der Messe haben konnte. Wenn dagegen auf den Zeitpunkt abgestellt wird, in dem der Verbraucher seine Vertragserklärung abgibt, kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse an Ort und Stelle an. Zu der Präsentation der Messe in der Öffentlichkeit und der daraus resultierenden Erwartungshaltung eines Verbrauchers bei seiner Entscheidung, die Messe zu besuchen, hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen, so dass, wenn es auf diesen Zeitpunkt ankommen sollte, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden müsste, damit diese Feststellungen nachgeholt werden. Sollte es auf den Zeitpunkt der Vertragserklärung ankommen, sind die erforderlichen Feststellungen getroffen, nach denen der Verbraucher angesichts der äußeren Umstände bei Abschluss des Vertrags über den Kauf eines Dampfstaubsaugers mit einem entsprechenden Angebot rechnen musste.

Büscher Schaffert Kirchhoff
Löffler Schwonke
Vorinstanzen:
LG Freiburg, Entscheidung vom 22.10.2015 - 14 O 176/15 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 10.06.2016 - 4 U 217/15 -

(1) Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind Verträge,

1.
die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist,
2.
für die der Verbraucher unter den in Nummer 1 genannten Umständen ein Angebot abgegeben hat,
3.
die in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder durch Fernkommunikationsmittel geschlossen werden, bei denen der Verbraucher jedoch unmittelbar zuvor außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers persönlich und individuell angesprochen wurde, oder
4.
die auf einem Ausflug geschlossen werden, der von dem Unternehmer oder mit seiner Hilfe organisiert wurde, um beim Verbraucher für den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu werben und mit ihm entsprechende Verträge abzuschließen.
Dem Unternehmer stehen Personen gleich, die in seinem Namen oder Auftrag handeln.

(2) Geschäftsräume im Sinne des Absatzes 1 sind unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, und bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt. Gewerberäume, in denen die Person, die im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelt, ihre Tätigkeit dauerhaft oder für gewöhnlich ausübt, stehen Räumen des Unternehmers gleich.

(1) Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu.

(2) Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:

1.
Verträge zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind,
2.
Verträge zur Lieferung von Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde,
3.
Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,
4.
Verträge zur Lieferung von Waren, wenn diese nach der Lieferung auf Grund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt wurden,
5.
Verträge zur Lieferung alkoholischer Getränke, deren Preis bei Vertragsschluss vereinbart wurde, die aber frühestens 30 Tage nach Vertragsschluss geliefert werden können und deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat,
6.
Verträge zur Lieferung von Ton- oder Videoaufnahmen oder Computersoftware in einer versiegelten Packung, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,
7.
Verträge zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten mit Ausnahme von Abonnement-Verträgen,
8.
Verträge zur Lieferung von Waren oder zur Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, insbesondere Dienstleistungen im Zusammenhang mit Aktien, mit Anteilen an offenen Investmentvermögen im Sinne von § 1 Absatz 4 des Kapitalanlagegesetzbuchs und mit anderen handelbaren Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Geldmarktinstrumenten,
9.
Verträge zur Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Beförderung von Waren, Kraftfahrzeugvermietung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie zur Erbringung weiterer Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht,
10.
Verträge, die im Rahmen einer Vermarktungsform geschlossen werden, bei der der Unternehmer Verbrauchern, die persönlich anwesend sind oder denen diese Möglichkeit gewährt wird, Waren oder Dienstleistungen anbietet, und zwar in einem vom Versteigerer durchgeführten, auf konkurrierenden Geboten basierenden transparenten Verfahren, bei dem der Bieter, der den Zuschlag erhalten hat, zum Erwerb der Waren oder Dienstleistungen verpflichtet ist (öffentlich zugängliche Versteigerung),
11.
Verträge, bei denen der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen; dies gilt nicht hinsichtlich weiterer bei dem Besuch erbrachter Dienstleistungen, die der Verbraucher nicht ausdrücklich verlangt hat, oder hinsichtlich solcher bei dem Besuch gelieferter Waren, die bei der Instandhaltung oder Reparatur nicht unbedingt als Ersatzteile benötigt werden,
12.
Verträge zur Erbringung von Wett- und Lotteriedienstleistungen, es sei denn, dass der Verbraucher seine Vertragserklärung telefonisch abgegeben hat oder der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde, und
13.
notariell beurkundete Verträge; dies gilt für Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen nur, wenn der Notar bestätigt, dass die Rechte des Verbrauchers aus § 312d Absatz 2 gewahrt sind.

(3) Das Widerrufsrecht besteht ferner nicht bei Verträgen, bei denen dem Verbraucher bereits auf Grund der §§ 495, 506 bis 513 ein Widerrufsrecht nach § 355 zusteht, und nicht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen dem Verbraucher bereits nach § 305 Absatz 1 bis 6 des Kapitalanlagegesetzbuchs ein Widerrufsrecht zusteht.

(1) Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind Verträge,

1.
die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist,
2.
für die der Verbraucher unter den in Nummer 1 genannten Umständen ein Angebot abgegeben hat,
3.
die in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder durch Fernkommunikationsmittel geschlossen werden, bei denen der Verbraucher jedoch unmittelbar zuvor außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers persönlich und individuell angesprochen wurde, oder
4.
die auf einem Ausflug geschlossen werden, der von dem Unternehmer oder mit seiner Hilfe organisiert wurde, um beim Verbraucher für den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu werben und mit ihm entsprechende Verträge abzuschließen.
Dem Unternehmer stehen Personen gleich, die in seinem Namen oder Auftrag handeln.

(2) Geschäftsräume im Sinne des Absatzes 1 sind unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, und bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt. Gewerberäume, in denen die Person, die im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelt, ihre Tätigkeit dauerhaft oder für gewöhnlich ausübt, stehen Räumen des Unternehmers gleich.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.