Bundesgerichtshof Urteil, 28. Nov. 2002 - VII ZR 136/00

published on 28/11/2002 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 28. Nov. 2002 - VII ZR 136/00
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 136/00 Verkündet am:
28. November 2002
Heinzelmann,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Der Gläubiger ist nicht verpflichtet, die Kosten für die Sanierung eines Bauwerkes
vorprozessual durch ein Privatgutachten zu ermitteln. Es genügt, wenn er die Kosten
schätzt und für den Fall, daß der Schuldner die Kosten bestreitet, ein Sachverständigengutachten
als Beweismittel anbietet.
BGH, Urteil vom 28. November 2002 - VII ZR 136/00 - OLG Jena
LG Gera
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. November 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die
Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Haß, Dr. Wiebel und Bauner

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts vom 26. Januar 2000 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

I.

Der Kläger hat aus abgetretenem Recht von den Beklagten Schadensersatz jeweils in Höhe von 30 % für den angeblich erforderlichen Aufwand zur Beseitigung der Schäden an dem Produktionsgebäude der L. GmbH verlangt. Den Anspruch gegen die Beklagte zu 2 stützt der Kläger auf einen Bauvertrag, den Anspruch gegen die Beklagte zu 1 auf unerlaubte Handlung.

II.

Der Kläger ist Eigentümer eines Gewerbegrundstückes in P., auf dem die L. GmbH in dem dort errichten Produktionsgebäude Leiterplatten herstellt. Der Kläger ist der Geschäftsführer der L-GmbH. Die Beklagte zu 2 führte die Rohbauarbeiten für das im Jahre 1993 errichtete Produktionsgebäude aus. Die Gemeinschuldnerin führte im Jahre 1994 auf dem Nachbargrundstück Abbrucharbeiten durch. Nach dem Vortrag des Klägers soll die Beklagte zu 2 durch mangelhafte Arbeiten und die Gemeinschuldnerin durch die Abbrucharbeiten auf dem Nachbargrundstück zu den Schäden an dem Gebäude beigetragen haben. Die L-GmbH hat ihre angeblichen Ansprüche gegen die Beklagten an den Kläger abgetreten.

III.

1. Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe den als Schaden geforderten erforderlichen Sanierungsaufwand nicht ausreichend dargelegt. 2. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers mit der Begründung zurückgewiesen, die Klageforderung sei der Höhe nach nicht hinreichend substantiiert. Der Kläger hat mit seiner am 29. März 2000 eingegangenen Revision seinen Zahlungsantrag aus der Vorinstanz angekündigt. 3. Das Verfahren ist aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin durch Beschluß vom 19. Oktober 2001 gegenüber der Gemeinschuldnerin unterbrochen worden. Nach der Un-
terbrechung des Verfahrens hat der Kläger die Klagforderung nebst Zinsen zur Insolvenztabelle angemeldet. Nachdem die Beklagte zu 1 als Insolvenzverwalterin die Forderung im ersten Prüfungstermin vorläufig bestritten hatte, hat der Kläger die Insolvenzverwalterin mehrfach unter Fristsetzung vergeblich zu einer endgültigen Entscheidung aufgefordert. Mit Schriftsatz vom 15. Juli 2002 hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers der Insolvenzverwalterin die Erklärungsfrist letztmalig bis zum 17. Juli 2002 verlängert und die Aufnahme des Verfahrens nach fruchtlosem Ablauf der Frist angekündigt. Nachdem die Insolvenzverwalterin die Frist verstreichen ließ, ohne die Erklärung abzugeben, hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers im Revisionsverfahren die Aufnahme des Verfahrens erklärt und beantragt, unter Aufhebung des Berufungsurteils die Forderung des Klägers gegenüber der Beklagten zu 1 in Höhe von 125.164,23 nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zur Insolvenztabelle festzustellen. Gegenüber der Beklagten zu 2 verfolgt der Kläger den Zahlungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Revision des Klägers hat Erfolg, sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

II.


Die Aufnahme des Verfahrens durch den Kläger und seine Klageänderung sind zulässig: 1. Gemäß § 179 Abs. 1 InsO ist der Gläubiger berechtigt, die Feststellung seiner Forderung zur Insolvenztabelle zu betreiben, wenn der Insolvenzverwalter die Forderung bestritten hat. Die Insolvenzverwalterin hat die Forderung wirksam im Sinne des § 179 Abs. 1 InsO bestritten. Ein vorläufiges Bestreiten der Forderung steht einem endgültigen Bestreiten im Sinne des § 179 Abs. 1 InsO gleich, wenn der Gläubiger den Insolvenzverwalter unter Fristsetzung vergeblich aufgefordert hat, zu erklären, ob er das Bestreiten als endgültig aufrecht erhalten will. Diese Voraussetzung liegt hier vor. 2. Gemäß § 180 Abs. 2 InsO kann der Gläubiger, wenn zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig ist, die Feststellung nur durch Aufnahme des Rechtsstreites betreiben. Der Rechtsstreit war in der Revisionsinstanz anhängig, als das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet worden ist, so daß der Kläger befugt ist, das Verfahren gegenüber der Beklagten zu 1 aufzunehmen und den ursprünglichen Zahlungsantrag entsprechend der geänderten Verfahrenslage anzupassen.

III.

1. Das Berufungsgericht hat die Klage mit folgenden Erwägungen abgewiesen :
a) Der Vortrag des Klägers zur Höhe der Ansprüche sei unsubstantiiert, so daß der Haftungsgrund und die jeweiligen Haftungsanteile der Beklagten dahinstehen könnten.
b) Der Vortrag des Klägers zum Sanierungsaufwand in Höhe von 80.000 DM sei unzureichend. Die Beklagten hätten die Position als nicht nachvollziehbar bestritten. Die Schadensposition habe der Kläger dem Gutachten aus dem Beweisverfahren entnommen. Der Gutachter habe den Betrag als Grobschätzung bezeichnet und nicht begründet. Der Sachverständige habe ferner ausgeführt, daß die Sanierungskosten erst nach einem Sanierungsplan festgestellt werden könnten.
c) Die übrigen Schadensbeträge habe der Kläger mit "Mannstunden" und Stundensätzen konkretisiert. Auf den Einwand der Beklagten, der Kläger habe die Stunden nicht den erforderlichen Arbeiten zugeordnet und die Erforderlichkeit der Stunden sowie die Höhe des Stundensatzes nicht begründet, habe der Kläger seinen Vortrag nicht ergänzt. Das vom Kläger vorgelegte Angebot der Firma L. sei nicht ausreichend, um die Erforderlichkeit der Kosten, der Stundenzahl und die Höhe des Stundensatzes plausibel zu erläutern.
d) Der Kläger wäre entgegen seiner Behauptung in der Lage gewesen, seinen Vortrag durch Kostenvoranschläge oder ein privates Sachverständigengutachten zu substantiieren. Es wäre dem Kläger auch zumutbar, die Kosten auf der Grundlage des erforderlichen Sanierungsplans zu ermitteln.
2. Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand:
a) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft die Frage offengelassen, aus welchem Schuldgrund die beiden Beklagten haften können, und den Vortrag des Klägers zur Höhe der gegen beide Beklagte verfolgten Schadensersatzansprüche insgesamt als unsubstantiiert angesehen. Die Würdigung des Vortrags zur Höhe des Schadens ist nur möglich, wenn der Schuldgrund feststeht, weil die Anforderungen an den Vortrag zur Höhe des Schadens maßgeblich durch die Anspruchsgrundlage mitbestimmt werden.
b) Der Gläubiger ist nicht verpflichtet, die Höhe der Sanierungskosten für das Bauwerk vorprozessual durch ein Privatgutachten zu ermitteln. Es genügt, wenn er die Kosten schätzt und für den Fall, daß der Schuldner die Kosten bestreitet , ein Sachverständigengutachten als Beweismittel anbietet (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 1999 - VII ZR 19/98, BauR 1999, 631 = ZfBR 1999, 193). Es können daher für den im Rahmen einer Sanierung anfallenden Aufwand auch weder ein ins einzelne gehender Sanierungsplan noch detaillierte Kostenvoranschläge gefordert werden.

IV.

Das Berufungsgericht wird die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen zum Schuldgrund der Ansprüche gegen die Beklagten nachzuholen haben. Anschließend wird es erneut würdigen müssen, ob der Vortrag des Klägers zur Höhe der einzelnen geltend gemachten Scha-
denspositionen nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen hinreichend substantiiert ist. Falls das Berufungsgericht den bisherigen Vortrag weiterhin für nicht ausreichend erachten sollte, ist es vor einer Entscheidung verpflichtet, dem Kläger durch einen konkreten richterlichen Hinweis nach § 139 ZPO ausreichend Gelegenheit zu geben, seinen Sachvortrag sachdienlich zu ergänzen. Die Hinweispflicht besteht grundsätzlich auch in Prozessen, in denen die Partei durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten wird (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - VII ZR 399/97, BGHZ 140, 365, 371 = BauR 1999, 635 = ZfBR 1999, 196). Dressler Thode Haß Wiebel Bauner
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(1) Verlangt der Besteller Nacherfüllung, so kann der Unternehmer nach seiner Wahl den Mangel beseitigen oder ein neues Werk herstellen.

(2) Der Unternehmer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.

(3) Der Unternehmer kann die Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.

(4) Stellt der Unternehmer ein neues Werk her, so kann er vom Besteller Rückgewähr des mangelhaften Werkes nach Maßgabe der §§ 346 bis 348 verlangen.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Ist eine Forderung vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden, so bleibt es dem Gläubiger überlassen, die Feststellung gegen den Bestreitenden zu betreiben.

(2) Liegt für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vor, so obliegt es dem Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen.

(3) Das Insolvenzgericht erteilt dem Gläubiger, dessen Forderung bestritten worden ist, einen beglaubigten Auszug aus der Tabelle. Im Falle des Absatzes 2 erhält auch der Bestreitende einen solchen Auszug. Die Gläubiger, deren Forderungen festgestellt worden sind, werden nicht benachrichtigt; hierauf sollen die Gläubiger vor dem Prüfungstermin hingewiesen werden.

(1) Auf die Feststellung ist im ordentlichen Verfahren Klage zu erheben. Für die Klage ist das Amtsgericht ausschließlich zuständig, bei dem das Insolvenzverfahren anhängig ist oder anhängig war. Gehört der Streitgegenstand nicht zur Zuständigkeit der Amtsgerichte, so ist das Landgericht ausschließlich zuständig, zu dessen Bezirk das Insolvenzgericht gehört.

(2) War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, so ist die Feststellung durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben.

(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.

(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.

(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.

(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.