Bundesgerichtshof Urteil, 30. März 2012 - V ZR 86/11

published on 30/03/2012 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 30. März 2012 - V ZR 86/11
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Landgericht Erfurt, 10 O 1622/08, 26/11/2009
Thüringer Oberlandesgericht, 7 U 1003/09, 23/03/2011

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 86/11 Verkündet am:
30. März 2012
Weschenfelder,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. März 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 23. März 2011 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Mit notariellem Vertrag vom 31. August 2006 verkaufte die Beklagte ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück an die Klägerin zum Preis von 730.000 € unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. Im Zeitpunkt der Überga- be war die Abdichtung der Terrasse, die das Dach des Anbaus mit Schwimmbad und Garage bildet, mangelhaft. Dies war der Beklagten bei Vertragsschluss bekannt, weil wiederholt Feuchtigkeitsschäden in dem Anbau aufgetreten waren. Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten Zahlung von 33.546 € nebst Zinsen für die Beseitigung der Schäden, gestützt auf die Behauptung , diese seien vor dem Verkauf übertüncht worden. Dagegen hat die Beklagte vorgetragen, ihr Ehemann habe die Klägerin ausdrücklich auf die sichtbaren Schäden hingewiesen. Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat das Urteil des Landgerichts nach erneuter Beweisaufnahme geändert und der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, will die Beklagte die Zurückweisung der Berufung der Klägerin erreichen, hilfsweise die Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

Entscheidungsgründe:

I.

2
Das Berufungsgericht meint, die Beklagte habe den Mangel arglistig verschwiegen und könne sich aus diesem Grund gemäß § 444 BGB nicht auf den Ausschluss der Sachmängelhaftung berufen. Die behauptete Aufklärung über den Mangel habe sie als Verkäuferin zu beweisen; dies sei ihr nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gelungen.

II.

3
Die zulässige Revision hat Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die Berufung der Beklagten auf den Ausschluss der Sachmängelhaftung gemäß § 444 BGB ausgeschlossen ist.
4
1. Das Berufungsgericht meint in Anlehnung an die Kommentierung von Weidenkaff (in Palandt, BGB, 70. Aufl., § 444 Rn. 4; anders nunmehr die 71. Aufl., aaO), der Verkäufer trage die Beweislast für die Erfüllung der Aufklä- rungspflicht. Dies entspricht nicht der Rechtsprechung des Senats, nach der im Rahmen von § 444 BGB der Käufer die fehlende Aufklärung behaupten und beweisen muss. Den Verkäufer trifft lediglich die sekundäre Darlegungslast, weil es sich um eine negative Tatsache handelt. Deshalb muss der Käufer nur die von dem Verkäufer in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Weise spezifizierte Aufklärung ausräumen (Urteil vom 12. November 2010 - V ZR 181/09, BGHZ 188, 43 Rn. 12 mwN). Zu unterscheiden ist die Beweislastverteilung hinsichtlich der Aufklärungspflicht von derjenigen für die Behauptung, der Käufer habe unabhängig von dem Verkäufer Kenntnis von dem Mangel erlangt (§ 442 Abs. 1 Satz 1 BGB). Nur insoweit trägt der Verkäufer die Beweislast (Senat, Beschluss vom 12. Februar 2004 - V ZR 247/03, NJW 2004, 1167, 1168).
5
2. Gemessen an diesen Grundsätzen macht die Beklagte zu Recht geltend , dass sie die Aufklärung hinreichend dargelegt hat. Entgegen der Auffassung der Kläger lässt sich nicht sicher feststellen, ob das Berufungsgericht die fehlende Aufklärung als bewiesen angesehen hat. Hierauf deuten zwar einzelne Passagen der ausführlichen Beweiswürdigung hin; an anderer Stelle heißt es aber, die Aufklärung sei "jedenfalls bei diesem Beweisergebnis nicht sicher nachgewiesen". Eindeutig ergibt sich aus der Einleitung der Beweiswürdigung und der abschließenden Zusammenfassung, dass das Berufungsgericht insgesamt von einem non liquet ausgegangen ist.

III.

6
Das Urteil kann danach keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil sich das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Überzeu- gung darüber gebildet hat, ob die Klägerin die von der Beklagten behauptete Aufklärung ausgeräumt hat. Aus diesem Grund kann der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden.

IV.

7
Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, sich mit den weiteren Angriffen der Revision auseinanderzusetzen. Das gilt insbesondere für die Rüge, dass es die von der Beklagten behauptete mangelbedingte Herabsetzung des Kaufpreises um 20.000 € (von 750.000 € auf 730.000 €) als nicht bewiesen angesehen hat, ohne die Zeugenaussage des Ehemanns der Klägerin in seine Überlegungen einzubeziehen. Dieser hat nämlich eine solche Reduzierung bestätigt, als Grund aber - anders als die Beklagte - eine "Schwarzzahlung" von 10.000 € vor der Tür des Notars angegeben. Möglicherweise könnte sich nach beiden Versionen erklären lassen, warum der Notar, von dessen Aussage sich das Berufungsgericht maßgeblich hat leiten lassen, von einer Kaufpreisabrede von zunächst 750.000 € keine Kenntnis hatte. Krüger RiBGH Dr. Lemke ist infolge Schmidt-Räntsch Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Karlsruhe, den 2. April 2012 Der Vorsitzende Krüger Brückner Weinland
Vorinstanzen:
LG Erfurt, Entscheidung vom 26.11.2009 - 10 O 1622/08 -
OLG Jena, Entscheidung vom 23.03.2011 - 7 U 1003/09 -
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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Verkäufer nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sac
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Annotations

Auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, kann sich der Verkäufer nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat.

(1) Die Rechte des Käufers wegen eines Mangels sind ausgeschlossen, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel kennt. Ist dem Käufer ein Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, kann der Käufer Rechte wegen dieses Mangels nur geltend machen, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat.

(2) Ein im Grundbuch eingetragenes Recht hat der Verkäufer zu beseitigen, auch wenn es der Käufer kennt.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.