Bundesgerichtshof Urteil, 29. Mai 2009 - V ZR 201/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Mit notariellem Vertrag vom 2. November 2005 kauften die Kläger von dem Beklagten ein Baugrundstück. Der Vertrag enthält hierzu folgende, von dem Beklagten in vielen Verträgen verwendete vorformulierte Bestimmungen: „§ 4 Kaufpreis … In dem Kaufpreis sind die Kosten der Ver- und Entsorgungsleitungen für Schmutzwasser sowie Gas, Strom und Telekom bis an die Grundstücksgrenze bzw. zu dem Hausanschlußschacht auf dem Grundstück des Käufers, die Kosten der straßenbaulichen Erschließung und der Ausgleichsmaßnahme nach dem Bundesnaturschutzgesetz sowie die Vermessungskosten enthalten. … § 5 Kosten der Erschließung Die Vertragsparteien sind darüber einig, dass die Erschließung nicht die Herstellung der Hausanschlüsse für Schmutzwasser, Gas (..), Strom (..) und Telekom erfaßt. Die Durchführung der Netz- und Hausanschlüsse und die Bezahlung ist Sache des Käufers. Dies gilt ebenso für den Beitrag der Anschlußleitung/ Hausanschluß für Frischwasser gemäß Verbandsatzung des Wasserbeschaffungsverbandes Mittelschwansen. Der Notar belehrte die Parteien ausführlich über die Kostenverteilung.“
- 2
- Den Klägern wurden von dem Elektroversorgungsunternehmen und dem Wasserbeschaffungsverband mit der Abrechnung der Hausanschlüsse auch Baukostenzuschüsse nach den einschlägigen Verordnungen über die Versorgungsbedingungen in Höhe von 526,18 € und 1.083,59 € in Rechnung gestellt.
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- Sie verlangen von dem Beklagten die Erstattung dieser Beträge. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben; das Landgericht hat die Berufung nach Durchführung einer - hinsichtlich der Zeugenaussagen nicht protokollierten - Beweisaufnahme zurückgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 4
- Das Berufungsgericht entnimmt dem Kaufvertrag im Wege der Auslegung eine Pflicht des Beklagten, den Klägern die verauslagten Baukostenzuschüsse zu erstatten. Diese Zuschüsse seien Teil der Kosten für die Erstellung des Leitungsnetzes, die nach § 4 des Vertrages der Beklagte zu tragen habe. Auf die Kläger entfielen nach § 5 des Vertrages als Hausanschlusskosten nur die für die Herstellung der Leitungen auf ihrem Grundstück entstehenden Kosten.
- 5
- Zweifel bei der Auslegung der nicht eindeutigen Vertragsklauseln, die auch durch die durchgeführte Beweisaufnahme nicht ausgeräumt worden seien, gingen nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Beklagten, da es sich um vorformulierte Bestimmungen handele, die der Beklagte bereits zuvor in einer Vielzahl von Kaufverträgen verwendet habe.
II.
- 6
- Das angefochtene Urteil unterliegt schon deswegen der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil das Berufungsgericht - wie die Revision zu Recht rügt - die Aussagen der von ihm vernommenen Zeugen entgegen § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO nicht protokolliert hat. Damit fehlt es an der für eine revisionsrechtliche Prüfung notwendigen Feststellung eines Teils der tatsächlichen Grundlagen (BGHZ 40, 84, 86; BGH, Urt. v. 21. April 1993, XII ZR 126/91, NJW-RR 1993, 1034; Beschl. v. 24. Juni 2003, VI ZR 309/02, NJW 2003, 3057). Der Senat kann nicht prüfen, ob die Aussagen der Zeugen von dem Berufungsgericht rechtsfehlerfrei berücksichtigt worden sind.
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- 1. Nach § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO ist die Aussage eines Zeugen zu protokollieren. Es genügt nicht, dass - wie hier - lediglich in das Protokoll aufgenommen wird, der Zeuge habe sich zur Sache geäußert (vgl. BGH, Urt. v. 11. Juli 2001, VIII ZR 215/00, NJW 2001, 3269, 3270). Eine Protokollierung war auch nicht entbehrlich. Es liegt weder ein Fall von § 161 Abs. 1 ZPO vor, noch ist ersichtlich, dass die Aussagen der schon in erster Instanz vernommenen Zeugen ohne jede Abweichung geblieben wären, so dass eine erneute Protokollierung hätte unterbleiben können (§ 160 Abs. 3 Nr. 4 Halbs. 2 ZPO).
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- 2. Eine Verletzung der Protokollierungspflicht hat nur dann nicht die Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Folge, wenn sich der Inhalt der Zeugenaussagen aus dem Urteil selbst klar ergibt und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Zeuge bei der Vernehmung weitere Erklärungen abgegeben hat, die erheblich sein könnten. Allerdings muss sich die Wiedergabe der Aussagen dann deutlich von deren Würdigung abheben und den gesamten Inhalt der Bekundungen erkennen lassen (BGHZ 40, 84, 86; BGH, Urt. v. 19. September 1986, I ZR 179/84, NJW 1987, 1200, 1201; Beschl. v. 24. Juni 2003, VI ZR 309/02, aaO). Daran fehlt es hier. Die Aussagen der Zeugen finden nur im Zusammenhang mit ihrer Würdigung Erwähnung, und das zudem offensichtlich nur auszugsweise.
III.
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- Für die erneute Befassung des Berufungsgerichts mit der Sache weist der Senat auf folgendes hin.
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- 1. Auch bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die grundsätzlich nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn so auszulegen sind, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der beteiligten Kreise verstanden werden (Senat, Urt. v. 8. November 2002, V ZR 78/02, VIZ 2003, 240, 241), ist der Auslegung die Prüfung vorgeschaltet, ob die Vertragsklausel von den Parteien übereinstimmend in einem bestimmten Sinn verstanden worden ist (Senat, Urt. v. 22. März 2002, V ZR 405/00, NJW 2002, 2102, 2103). Ist das der Fall, geht der übereinstimmende Wille der objektiven Auslegung vor (BGHZ 113, 251, 259; Senat, Urt. v. 22. März 2002, V ZR 405/00, aaO). Anlass für eine solche Prüfung besteht hier deswegen, weil es sich um einen notariell beurkundeten Vertrag handelt, bei dem es nicht fern liegt, dass beide Parteien eine möglicherweise nicht ohne weiteres zu verstehende Vertragsbestimmung übereinstimmend so verstanden haben, wie sie von dem Notar erläutert worden ist.
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- Das Berufungsgericht wird daher zunächst zu prüfen haben, ob auf Grund der von dem Beklagten behaupteten Erläuterung durch den Notar anzunehmen ist, dass die Parteien die Regelungen der §§ 4 und 5 des Vertrages übereinstimmend verstanden haben. Für eine solche Annahme reicht es aus, wenn eine Partei ihren Willen äußert und die andere Partei dies erkennt und in Kenntnis dessen den Vertrag abschließt (Senat, Urt. v. 20. November 1992, V ZR 122/91, NJW-RR 1993, 373). So kann es sein, wenn die Beweiswürdigung ergibt, dass der Notar den Klägern erläutert hat, dass § 5 des Vertrages so zu verstehen sei, dass die Käufer die Kosten nicht nur der Hausanschlüsse, sondern auch für die erstmalige Erstellung der Leitungen entstehenden Kosten zu tragen hätten, die den Grundstückseigentümern von den Versorgungsträgern als Beiträge oder als Baukostenzuschüsse auferlegt würden. Die von dem Beklagten gewollte Kostenverteilung wäre dann Vertragsinhalt geworden, auch wenn die Kläger sich dieses Verständnis nicht zu Eigen gemacht haben.
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- 2. Lässt sich kein übereinstimmender Wille feststellen, geht dies insoweit zu Lasten desjenigen, der sich auf das übereinstimmende Verständnis der Vertragsklausel berufen hat. Die Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB kommt nicht zum Tragen.
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- Es ist stattdessen der Vertragsinhalt im Wege der Auslegung zu bestimmen. Dabei ist § 305 c Abs. 2 BGB nicht schon dann anzuwenden, wenn Streit über die Auslegung besteht. Die Norm kommt vielmehr erst zur Anwendung, wenn nach Ausschöpfung der für die Auslegung von AGBen in Betracht kommenden Methoden ein nicht behebbarer Zweifel bleibt und mindestens zwei Auslegungen rechtlich vertretbar sind (BGHZ 112, 65, 68 f.; BGH, Urt. v. 9. Juli 2003, IV ZR 74/02, NJW-RR 2003, 1247, 1248; Urt. v. 15. November 2006, VIII ZR 166/06, NJW 2007, 504, 506). Gegen diese Grundsätze hat das Berufungsgericht verstoßen, indem es von vornherein von einer „gebotene(n) eingeschränkte(n), verbraucherfreundlichsten Auslegung nach § 305 c Abs. 2 BGB“ ausgegangen ist.
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- 3. Im Rahmen der Auslegung kann auch zu prüfen sein, ob eine Vertragsklausel gegen das Transparenzgebot verstößt, etwa unter dem Gesichtspunkt, ob sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen zu fordern ist (BGHZ 136, 394, 401).
Vorinstanzen:
AG Eckernförde, Entscheidung vom 31.07.2007 - 6 C 85/07 -
LG Kiel, Entscheidung vom 12.09.2008 - 8 S 125/07 -
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Annotations
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
(1) Das Protokoll enthält
- 1.
den Ort und den Tag der Verhandlung; - 2.
die Namen der Richter, des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und des etwa zugezogenen Dolmetschers; - 3.
die Bezeichnung des Rechtsstreits; - 4.
die Namen der erschienenen Parteien, Nebenintervenienten, Vertreter, Bevollmächtigten, Beistände, Zeugen und Sachverständigen und im Falle des § 128a den Ort, von dem aus sie an der Verhandlung teilnehmen; - 5.
die Angabe, dass öffentlich verhandelt oder die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden ist.
(2) Die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung sind aufzunehmen.
(3) Im Protokoll sind festzustellen
- 1.
Anerkenntnis, Anspruchsverzicht und Vergleich; - 2.
die Anträge; - 3.
Geständnis und Erklärung über einen Antrag auf Parteivernehmung sowie sonstige Erklärungen, wenn ihre Feststellung vorgeschrieben ist; - 4.
die Aussagen der Zeugen, Sachverständigen und vernommenen Parteien; bei einer wiederholten Vernehmung braucht die Aussage nur insoweit in das Protokoll aufgenommen zu werden, als sie von der früheren abweicht; - 5.
das Ergebnis eines Augenscheins; - 6.
die Entscheidungen (Urteile, Beschlüsse und Verfügungen) des Gerichts; - 7.
die Verkündung der Entscheidungen; - 8.
die Zurücknahme der Klage oder eines Rechtsmittels; - 9.
der Verzicht auf Rechtsmittel; - 10.
das Ergebnis der Güteverhandlung.
(4) Die Beteiligten können beantragen, dass bestimmte Vorgänge oder Äußerungen in das Protokoll aufgenommen werden. Das Gericht kann von der Aufnahme absehen, wenn es auf die Feststellung des Vorgangs oder der Äußerung nicht ankommt. Dieser Beschluss ist unanfechtbar; er ist in das Protokoll aufzunehmen.
(5) Der Aufnahme in das Protokoll steht die Aufnahme in eine Schrift gleich, die dem Protokoll als Anlage beigefügt und in ihm als solche bezeichnet ist.
(1) Feststellungen nach § 160 Abs. 3 Nr. 4 und 5 brauchen nicht in das Protokoll aufgenommen zu werden,
- 1.
wenn das Prozessgericht die Vernehmung oder den Augenschein durchführt und das Endurteil der Berufung oder der Revision nicht unterliegt; - 2.
soweit die Klage zurückgenommen, der geltend gemachte Anspruch anerkannt oder auf ihn verzichtet wird, auf ein Rechtsmittel verzichtet oder der Rechtsstreit durch einen Vergleich beendet wird.
(2) In dem Protokoll ist zu vermerken, dass die Vernehmung oder der Augenschein durchgeführt worden ist. § 160a Abs. 3 gilt entsprechend.