Bundesgerichtshof Urteil, 27. Juni 2008 - V ZR 15/07

bei uns veröffentlicht am27.06.2008
vorgehend
Landgericht Bielefeld, 8 O 622/00, 20.09.2005
Oberlandesgericht Hamm, 34 U 159/05, 10.11.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 15/07 Verkündet am:
27. Juni 2008
Weschenfelder,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat mit Zustimmung der Parteien im
schriftlichen Verfahren aufgrund der bis zum 6. Juni 2008 eingereichten Schriftsätze
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein,
Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 34. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 10. November 2006 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 20. September 2005 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird. Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin betreibt einen Flugplatz; der Beklagte ist Anwohner. Sein Grundstück liegt ca. 600 m östlich der Start- und Landebahn und wird bei Starts in Richtung Osten regelmäßig überflogen. Mit einem von dem Beklagten erstrittenen zweitinstanzlichen Urteil vom 8. November 1990 wurde der Klägerin untersagt , pro Tag mehr als 30 Startvorgänge von Motorflugzeugen und Motorseglern in östlicher Richtung zuzulassen; außerdem wurde sie verurteilt, näher bestimmte Ruhezeiten von derartigen Startvorgängen freizuhalten. Die dagegen gerichtete Revision der Klägerin hat der Senat nicht angenommen (Beschl. v. 14. Mai 1992, V ZR 1/91).
2
Am 28. November 1994 erteilte die zuständige Bezirksregierung auf Antrag der Klägerin eine frühere Genehmigungen ersetzende "Genehmigung zur Erweiterung der Anlage und zum weiteren unbefristeten Betrieb des Verkehrslandeplatzes". Anders als in vorherigen Genehmigungsverfahren waren der Antrag und die Pläne zuvor ausgelegt und der Öffentlichkeit Gelegenheit gegeben worden, Einwendungen vorzubringen. Ein förmliches Planfeststellungsverfahren wurde jedoch nicht durchgeführt. Die inzwischen bestandskräftige Genehmigung schränkt die Zahl der Startvorgänge in östlicher Richtung nicht ein; Ruhezeiten sieht sie für bestimmte nach Ziel, Zweck und Dauer bezeichnete Flüge vor. Luftfahrzeuge, die erhöhten Schallschutzanforderungen genügen, sind von den Beschränkungen ausgenommen.
3
Gestützt auf die neue Genehmigung, ihre öffentlich-rechtliche Betriebspflicht und einen behaupteten Rückgang der Lärmemissionen beantragt die Klägerin die Abänderung des Urteils vom 8. November 1990, und zwar in erster Linie dahingehend, dass sie seit Rechtshängigkeit der Klage berechtigt ist, den Verkehrslandeplatz ohne weitere Einschränkungen im Rahmen der Genehmigung zu betreiben. Mehrere Hilfsanträge zielen darauf, die weiter gehenden Unterlassungspflichten aus dem Ersturteil auf zweimotorige und nicht den erhöhten Schallschutzanforderungen genügende Flugzeuge zu beschränken. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat das Urteil vom 8. November 1990 aufgehoben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision will der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht hält die Abänderungsklage in entsprechender Anwendung von § 323 ZPO für zulässig. Es meint, der Hauptantrag sei auf die vollständige Aufhebung des Ersturteils gerichtet und in diesem Umfang auch begründet, weil die Verurteilung der Klägerin nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage an die zwischenzeitlich eingetretene Änderung der für sie maßgeblichen Verhältnisse anzupassen sei. Das folge allerdings nicht aus der öffentlich-rechtlichen Betriebspflicht der Klägerin, die in dem Ersturteil bereits berücksichtigt sei und deshalb nicht zu einer die Rechtskraft durchbrechenden Abänderung führen könne. Die Klägerin habe auch nicht bewiesen, dass die Beeinträchtigung des Beklagten aufgrund geänderter Verhältnisse an der Start- und Landebahn und geräuschärmerer Flugzeugmotoren auf ein Maß zurückgegangen sei, das sich nach der dem Ersturteil zugrunde liegenden Gesamtabwägung als unwesentlich darstelle. Die Genehmigung vom 28. November 1994 habe jedoch eine veränderte Tatsachengrundlage geschaffen, die in dem Ersturteil noch nicht habe berücksichtigt werden können. Da die Öffentlichkeit an dem Verfahren beteiligt worden sei, komme der Genehmigung die Ausschlusswirkung der §§ 11 LuftVG, 14 BImSchG zu. Davon seien nicht nur privatrechtliche Ansprüche auf Einstellung des genehmigten Betriebs, sondern auch die in dem Ersturteil zuerkannten Ansprüche zur Abwehr benachteiligender Einwirkungen erfasst. Die in § 14 Satz 1 Hs. 2 BImSchG vorgesehene Umwandlung in einen Anspruch auf Schutzvorkehrungen ändere daran nichts. Denn die insofern abschließende Regelung in der Genehmigung schließe die zeitliche und zahlenmäßige Beschränkung der Startvorgänge auch als Schutzvorkehrung aus.
5
Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

II.

6
1. Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, weil die auf Abänderung des rechtskräftigen Urteils vom 8. November 1990 gerichtete Klage unzulässig ist und nicht in eine - zulässige - Vollstreckungsabwehrklage umgedeutet werden kann. Zur Begründung nimmt der Senat auf sein Urteil vom 14. März 2008 (V ZR 16/07, teilweise abgedruckt in NJW 2008, 1446 ff.) Bezug.
7
2. Für die von der Klägerin - trotz Kenntnis dieser Entscheidung - angeregte Anpassung des Tenors des rechtskräftigen Urteils vom 8. November 1990 ist somit kein Raum.

III.

8
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
LG Bielefeld, Entscheidung vom 20.09.2005 - 8 O 622/00 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 10.11.2006 - 34 U 159/05 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 27. Juni 2008 - V ZR 15/07

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 27. Juni 2008 - V ZR 15/07

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Juni 2008 - V ZR 15/07 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 323 Abänderung von Urteilen


(1) Enthält ein Urteil eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen, kann jeder Teil die Abänderung beantragen. Die Klage ist nur zulässig, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung d

Luftverkehrsgesetz - LuftVG | § 11


Die Vorschrift des § 14 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gilt für Flugplätze entsprechend.

Referenzen

(1) Enthält ein Urteil eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen, kann jeder Teil die Abänderung beantragen. Die Klage ist nur zulässig, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt.

(2) Die Klage kann nur auf Gründe gestützt werden, die nach Schluss der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht möglich ist oder war.

(3) Die Abänderung ist zulässig für die Zeit ab Rechtshängigkeit der Klage.

(4) Liegt eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse vor, ist die Entscheidung unter Wahrung ihrer Grundlagen anzupassen.

Die Vorschrift des § 14 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gilt für Flugplätze entsprechend.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.