Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juni 2001 - V ZR 123/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 3. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Rechtsvorgänger der Klägerin, H. S. und E. Sch. (im folgenden: Zedenten), beabsichtigten, in Bad D. ein Einkaufszentrum zu errichten. Hierzu kauften sie mit notariell beurkundetem Vertrag vom 19. Januar 1994 von der Beklagten mehrere teilweise mit landwirtschaftlichen Gebäuden bebaute Grundstücke. Der Gesamtkaufpreis von 800.000 DM war am 2. Februar 1994 fällig. Mit seiner Zahlung sollte der Besitz übergehen. Zur Sicherung des Anspruchs der Zedenten auf den Erwerb des Eigentums bewilligte und beantragte die Beklagte die Eintragung von Vormerkungen in das Grundbuch.
Ohne Zahlung geleistet zu haben, begannen die Zedenten mit dem geplanten Umbau. Bis zum Abschluß der Arbeiten im März 1995 und der Aufnahme des Betriebs des Zentrums investierten sie nach Behauptung der Klägerin etwa 4 Mio. DM.
Am 25. Juli 1994 änderten die Vertragsparteien die im Vertrag vom 19. Januar 1994 zur Fälligkeit des Kaufpreises getroffene Regelung. Fälligkeit sollte nunmehr 30 Tage nach der Mitteilung der Urkundsnotarin eintreten, daß die zugunsten der Zedenten bewilligten Vormerkungen in das Grundbuch eingetragen seien. Am 26. Juli 1995 änderten die Vertragsparteien den Kaufvertrag erneut. Fälligkeit des Kaufpreises trat hiernach in Höhe eines Teilbetrages von 270.000 DM am 10. August 1995 ein. Für die Zeit bis zu dem im Vertrag vom 19. Januar 1994 vereinbarten Übergang der Nutzungen und Lasten sollten die Zedenten "für die bereits außerhalb und unabhängig von den Notarverträgen durchgeführte Nutzung" ein Nutzungsentgelt zu bezahlen haben.
Am 14. November 1995 wurden die Vormerkungen eingetragen. Mit Schreiben vom 24. November 1995 forderte die Beklagte die Zedenten zur Zahlung von 270.000 DM auf. Mit Schreiben vom 4. März 1996 setzte sie ihnen hierzu Frist bis zum 21. März 1996 und erklärte, die Annahme des Kaufpreises nach Ablauf dieser Frist abzulehnen; das Nutzungsverhältnis gelte für diesen Fall als gekündigt. Die Zedenten bezahlten weiterhin nicht. Mit Anwaltsschreiben vom 1. April 1996 erklärten sie, das Vertragsverhältnis sei auch aus ihrer Sicht mit Wirkung zum 21. März 1996 beendet und befinde sich in der "Rückabwicklungsphase". Ihren auf die Baumaßnahmen zurückgehenden Anspruch auf Aufwendungsersatz haben sie an die Klägerin abgetreten.
Wegen der Aufwendungen zum Umbau des "Trockenwerks" zu einem Kaufhaus verlangt die Klägerin aus der abgetretenen Forderung von der Beklagten Zahlung von 1.500.000 DM. Die Beklagte hat das Bestehen der abgetretenen Forderung in Abrede gestellt und hilfsweise mit einem Anspruch auf Nutzungsvergütung aufgerechnet.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revison verfolgt sie ihren Antrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht verneint das Bestehen der abgetretenen Forderung. Es stellt fest, die Zedenten und die Beklagte hätten sich geeinigt, den Kaufvertrag nach den Regeln des Rücktrittsrechts abzuwickeln. Aus diesem lasse sich der geltend gemachte Anspruch jedoch nicht herleiten. Auch die Tatsache, daß der Besitz an den Grundstücken den Zedenten nicht aufgrund des Kaufvertrages, sondern aufgrund eines selbständigen Nutzungsvertrages überlassen worden sei, führe zu keinem anderen Ergebnis. Einem Anspruch auf Ausgleich der Wertsteigerung der Grundstücke durch die Baumaßnahmen der Zedenten unter dem Gesichtspunkt der Zweckverfehlung stehe entgegen, daß die Zedenten diese Maßnahmen zwar in der gemeinsamen Erwartung der Vertragsparteien ausgeführt hätten, die Zedenten würden das Eigentum an den Grundstücken erwerben, die Vertragsparteien jedoch keine von der Durchfüh-rung des Kaufvertrages unabhängige Zweckvereinbarung im Hinblick auf die Baumaßnahmen getroffen hätten.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II.
1. Die Revision erhebt gegen die Anwendung des Rücktrittsrechts auf die Abwicklung des Kaufvertrags zwischen den Zedenten und der Beklagten durch das Berufungsgericht keine Einwendungen. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich. Nicht zu beanstanden ist auch, daß das Berufungsgericht die Aufwendungen der Zedenten nicht als notwendige Verwendungen auf die von den Baumaßnahmen betroffenen Grundstücke wertet (§§ 347, 994 BGB).
2. Das Berufungsurteil geht jedoch insoweit fehl, als es einen Anspruch der Klägerin auf Ausgleich der Werterhöhung der Grundstücke durch die Baumaßnahmen der Zedenten nach § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative (condictio ob rem), § 818 Abs. 2 BGB verneint.
a) Die Zedenten haben die Baumaßnahmen als berechtigte Besitzer durchgeführt. Für das durch die "außerhalb und unabhängig von den Notarverträgen" erfolgte Überlassung des Besitzes begründete Rechtsverhältnis haben die Beklagte und die Zedenten am 26. Juli 1995 rückwirkend eine entgeltliche Regelung vereinbart. Auf dieses Rechtsverhältnis finden die Bestimmungen der
§§ 535 ff BGB Anwendung. Das Mietverhältnis sollte dadurch enden, daß die Zedenten das Eigentum an den Grundstücken erwerben.
Die Bebauung der Grundstücke diente jedoch nicht dazu, die Mietsache zu erhalten, wiederherzustellen oder zu verbessern. Sie sollte nicht der Beklagten , sondern den Zedenten zugute kommen und ihnen mit dem vereinbarten Eigentumserwerb verbleiben. § 547 BGB schließt daher einen bereicherungsrechtlichen Anspruch der Klägerin aus § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative, § 818 Abs. 2 BGB auf Ausgleich der Wertsteigerung, welche die Grundstücke durch die Baumaßnahmen erfahren haben, nicht aus (vgl. BGHZ 44, 321, 323; 108, 256, 261; Emmerich, JuS 1990, 143, 144).
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte die Erwartung der Zedenten, die mit der Durchführung der Baumaßnahmen verbundene Wertsteigerung der Grundstücke werde nach der Beendigung des vereinbarten Mietverhältnisses nicht der Beklagten, sondern den Zedenten zugute kommen, geteilt. Damit waren sich die Beklagte und die Zedenten darüber einig, daß die Beklagte die Bauleistung der Zedenten nur im Hinblick auf die erwartete Eigentumsübertragung erhielt. Dieser übereinstimmend verfolgte Zweck kann nicht mehr erreicht werden. Die Erwartung der Vertragsparteien ist gescheitert, seit feststeht, daß der Kaufvertrag vom 19. Januar 1994 nicht durchgeführt werden wird. Folglich hat die Beklagte den Wertzuwachs, den die Grundstücke durch die Baumaßnahmen der Beklagten erfahren haben, nach § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative, § 818 BGB auszugleichen (vgl. BGHZ 35, 356, 358; Senatsurt. v. 21. Dezember 1965, V ZR 108/63, WM 1966, 277 f; BGH, Urt. v. 12. April 1961, VIII ZR 152/60, WM 1961, 700, 701; v. 15. April
1965, II ZR 73/62, WM 1965, 795 f, und v. 10. Oktober 1969, VII ZR 145/69, NJW 1970, 136).
b) Das zwischen der Beklagten und den Zedenten für die Abwicklung des Kaufvertrages vereinbarte Recht der §§ 346 ff BGB steht diesem Anspruch nicht entgegen. Der Rechtsgrund der Bauleistung war weder der Kaufvertrag noch der Mietvertrag, sondern die gesondert getroffene Zweckvereinbarung. Zwar hatte sich die Beklagte durch den Kaufvertrag zur Grundstücksübertragung verpflichtet, jedoch war diese Verpflichtung nicht der Rechtsgrund der Bauleistung. Denn die Zedenten hatten den hierfür erforderlichen Besitz nicht aufgrund der kaufvertraglichen Verpflichtung, sondern "außerhalb und unabhängig" hiervon zur zweckbestimmten Nutzung (Durchführung von Baumaßnahmen ) eingeräumt bekommen. Nach dem Vertrag sollte der Besitz erst mit der vollständigen Bezahlung des Kaufpreises auf die Zedenten übergehen. An dieser Regelung haben die Vertragsparteien auch bei den Ä nderungen des Kaufvertrages noch festgehalten, obwohl die Zedenten zu dieser Zeit längst im Besitz der Kaufgrundstücke waren.
c) Die condictio ob rem wird auch nicht durch die Vorschriften der §§ 994 ff BGB ausgeschlossen. Zwar finden die Vorschriften der §§ 987 ff BGB nach gefestigter Rechtsprechung auch auf den bei Geltendmachung des Vindikationsanspruchs nicht mehr berechtigten Besitzer Anwendung (vgl. nur Senatsurt. v. 24. November 1995, V ZR 88/95, NJW 1996, 921 m.w.N.) und schließen die Anwendbarkeit des allgemeinen Bereicherungsrechts aus (vgl. Senatsurt. v. 29. September 1995, V ZR 130/94, NJW 1996, 52 ff). Dies gilt jedoch nicht für Bereicherungsansprüche wegen Baumaßnahmen auf fremdem Grund und Boden, die von einem berechtigten Besitzer in der begründeten Er-
wartung des späteren Eigentumserwerbs vorgenommen werden (vgl. BGHZ 44, 321, 323; 108, 256, 262; ferner Senat, BGHZ 10, 171, 177; Urt. v. 29. September 1995, V ZR 130/94, aaO, mit Besprechung Canaris, JZ 1996, 344, 347).
3. Zu einer abschließenden Entscheidung ist der Senat nicht in der Lage , weil das Berufungsgericht, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, zur Höhe der Wertsteigerung der Grundstücke durch die Baumaßnahmen der Zedenten keine Feststellungen getroffen hat. Dies ist nachzuholen.
4. Im Rahmen der Zurückverweisung hat der Senat von der ihm durch § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht.
Wenzel Tropf Schneider Klein Lemke
moreResultsText
Annotations
(1) Zieht der Schuldner Nutzungen entgegen den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft nicht, obwohl ihm das möglich gewesen wäre, so ist er dem Gläubiger zum Wertersatz verpflichtet. Im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts hat der Berechtigte hinsichtlich der Nutzungen nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
(2) Gibt der Schuldner den Gegenstand zurück, leistet er Wertersatz oder ist seine Wertersatzpflicht gemäß § 346 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 ausgeschlossen, so sind ihm notwendige Verwendungen zu ersetzen. Andere Aufwendungen sind zu ersetzen, soweit der Gläubiger durch diese bereichert wird.
(1) Der Besitzer kann für die auf die Sache gemachten notwendigen Verwendungen von dem Eigentümer Ersatz verlangen. Die gewöhnlichen Erhaltungskosten sind ihm jedoch für die Zeit, für welche ihm die Nutzungen verbleiben, nicht zu ersetzen.
(2) Macht der Besitzer nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit oder nach dem Beginn der in § 990 bestimmten Haftung notwendige Verwendungen, so bestimmt sich die Ersatzpflicht des Eigentümers nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag.
(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.
(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.
(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.
(1) Ist die Miete für die Zeit nach Beendigung des Mietverhältnisses im Voraus entrichtet worden, so hat der Vermieter sie zurückzuerstatten und ab Empfang zu verzinsen. Hat der Vermieter die Beendigung des Mietverhältnisses nicht zu vertreten, so hat er das Erlangte nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückzuerstatten.
(2) Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam.
(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.
(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.
(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.
Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.