Bundesgerichtshof Urteil, 13. Juli 2004 - KZR 30/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem inzwischen beendeten Franchiseverhältnis. Die Beklagte betreibt bundesweit eine Kette von Optik-Einzelhandelsgeschäften mit - im Jahre 1999 - rund 150 eigenen Filialbetrieben und 90 weiteren Einzelhandelsgeschäften, die von Franchisenehmern der Beklagten betrieben werden. Die Klägerin und ihr Rechtsvorgänger waren vom 15. August 1989 bis Ende Februar 2000 als Franchisenehmer der Beklagten Inhaber eines Apollo-Optik-Fachgeschäfts in W.. Der nach einem von der Beklagten vorformulierten und bundesweit im wesentlichen gleichlautend verwendeten Vertragsmuster abgeschlossene Franchisevertrag sieht, soweit hier von Interesse, folgende Regelungen vor: 6. Weitere Leistungen von Apollo 6.1 Apollo berät den Partner regelmäßig in Fragen des Einkaufs und Verkaufs, des Apollo-optik-Fachgeschäft-Angebotes und in Organisationsfragen. Während der Vertragsdauer werden Vertreter von Apollo den Partner von Zeit zu Zeit, spätestens vierteljährlich, besuchen und ihn dabei in geschäftlichen Angelegenheiten beraten und unterstützen. 6.2 Apollo berät den Partner auf Wunsch bei der Beschaffung von Mitarbeitern anhand der erforderlichen Qualifikationsmerkmale. 6.3 Apollo betreut den Partner hinsichtlich der Geschäftsentwicklung und des systemgerechten Betriebsablaufes und gibt Vorteile, Ideen und Verbesserungen zur Erreichung optimaler Geschäftserfolge an den Partner weiter. ...Die für die Franchisebetriebe benötigten Waren wurden von den Franchisenehmern im eigenen Namen bei Lieferanten eingekauft. Hierfür überließ
die Beklagte ihren Franchisenehmern sogenannte Rabattstaffeln, in denen nach Abnahmemenge gestaffelte Preisnachlässe auf die jeweiligen Listenpreise der bei Apollo gelisteten Lieferanten von Brillengläsern und anderem optischen Zubehör aufgeführt waren. Grundlage dieser Rabattstaffeln waren Rabattvereinbarungen , die die Beklagte sowohl für ihre eigenen Filialen als auch für die Franchisenehmer mit den einzelnen Lieferanten getroffen hatte. Die dabei ausgehandelten Rabatte wurden auf Veranlassung der Beklagten jedoch nicht in voller Höhe in die Rabattstaffeln aufgenommen und an die Franchisenehmer weitergegeben ; vielmehr ließ sich die Beklagte von den Lieferanten für Wareneinkäufe ihrer Franchisenehmer sogenannte Differenzrabatte in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem für die eigenen Filialen ausgehandelten Rabattsatz (im Höchstfall: 52 % der Listenpreise) und den niedrigeren Rabattsätzen, die die Lieferanten den Franchisenehmern der Beklagten einzuräumen hatten (im Höchstfall: 38 % des Listenpreises), auszahlen. Die Franchisenehmer wurden nicht darüber unterrichtet, daß die Beklagte für die eigenen Filialen mit den Lieferanten höhere Rabattsätze vereinbart hatte und daß sie sich für Einkäufe ihrer Franchisenehmer bei den gelisteten Lieferanten von diesen Differenzrabatte auszahlen ließ. Sichere Kenntnis hiervon erlangten die Klägerin und andere Franchisenehmer der Beklagten erst im Frühjahr 1999. Nachdem es zu Differenzen zwischen den Parteien gekommen war, sprach die Beklagte am 26. November 1999 die Kündigung des Franchisevertrages aus. Die Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien ist seit Ende Februar 2000 beendet. Die Klägerin hat die Beklagte, soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse, im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Rechnungslegung über die vereinnahmten Differenzrabatte in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat die Stufenklage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der insoweit vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Stufenklage weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin Auskunft über die Differenzrabatte und sonstige Einkaufsvorteile zu erteilen, die ihr aufgrund von Einkäufen der Klägerin bei Apollo-Lieferanten zugeflossen sind. I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe weder ein vertraglicher noch ein gesetzlicher Anspruch auf Herausgabe der von der Beklagten vereinnahmten Differenzrabatte und folglich auch kein vorbereitender Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch zu. Ob vertragliche Ansprüche schon am Schriftformerfordernis des § 34 GWB a.F. scheiterten, könne dahinstehen. Den vertraglichen Regelungen sei jedenfalls keine Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren zu entnehmen. Insbesondere könne die Klägerin einen Anspruch auf Weitergabe sämtlicher Einkaufsvorteile nicht aus der Regelung in Abschnitt 6.3 des Vertrages herleiten. Die finanziellen Vorteile, die die Beklagte aus ihrer Geschäftsbeziehung zu den Lieferanten ziehe, gehörten nicht zu den nach dieser Vertragsbestimmung an die Franchisenehmer weiterzugebenden Vorteilen. Aus dem Regelungszusammenhang der Abschnitte 4 bis 6 des Franchisevertrages ergebe sich viel-mehr, daß Abschnitt 6 nur die Teilhabe der Franchisenehmer an solchen Entwicklungen meine, die sich während der Durchführung des Vertrages in Bereichen ergäben, in denen die Beklagte die in Abschnitt 6 genannten Beratungsund Betreuungsleistungen erbringe. Vorstellbar seien in diesem Zusammenhang etwa die Information über neue Werbeideen oder über aktuelle Entwicklungen des Käuferverhaltens sowie die Weitergabe von Erkenntnissen zur Überwindung von Schwachstellen der betrieblichen Organisation. Da eine abweichende Auslegung nicht vertretbar erscheine, könne Abschnitt 6 des Franchisevertrages auch nicht gemäß § 5 AGBG in einem anderen Sinne ausgelegt werden. Auskunfts- und Zahlungsansprüche hinsichtlich der Differenzrabatte stünden der Klägerin auch nicht aus Auftrag oder Geschäftsführung ohne Auftrag , aus Kommissionsrecht, aus ungerechtfertigter Bereicherung oder unter Schadensersatzgesichtspunkten zu. II. Diese Beurteilung greift die Revision mit Erfolg an. 1. Vertragliche Ansprüche der Klägerin scheitern nicht bereits am Schriftformerfordernis des § 34 GWB a.F. Das gilt unabhängig davon, ob der Franchisevertrag dem Schriftformerfordernis genügt. Denn der Beklagten wäre es jedenfalls nach § 242 BGB verwehrt, sich auf einen etwaigen Mangel der Schriftform zu berufen (Senatsurt. v. 20.5.2003 - KZR 27/02, WuW/E DE-R 1170, 1171 f. - Preisbindung durch Franchisegeber II). 2. Nach Abschnitt 6.3 der Franchiseverträge hat die Klägerin Anspruch auf Weitergabe sämtlicher Einkaufsvorteile und damit auch der Teile der Lieferantenrabatte , die der Beklagten als "Differenzrabatte" aus Wareneinkäufen der Klägerin bei den Apollo-Lieferanten zugeflossen sind. Die Regelung in Nr. 6.3 des Franchisevertrages ist dahin auszulegen, daß die Beklagte Einkaufsvorteile
in Gestalt von Preisnachlässen der gelisteten Lieferanten in vollem Umfang an ihre Franchisenehmer weiterzugeben hat (BGH WuW/E DE-R 1170, 1172 f.). 3. Zur vollständigen Weitergabe der Einkaufsvorteile an die Franchisenehmer wäre es erforderlich gewesen, diese über die mit den Lieferanten tatsächlich ausgehandelten Rabatte für Wareneinkäufe der Franchisenehmer in Kenntnis zu setzen und es zugleich zu unterlassen, die Lieferanten zu veranlassen , den Apollo-Franchisenehmern jeweils nur geringere als die ausgehandelten Preisnachlässe einzuräumen und die Differenz zu den ausgehandelten Rabatten an die Beklagte abzuführen. Diese Vertragspflicht hat die Beklagte vorsätzlich dadurch verletzt, daß sie die gelisteten Lieferanten veranlaßte, in den Rabattstaffeln für ihre Franchisenehmer jeweils nur geringere als die tatsächlich vereinbarten Rabattsätze anzugeben, und daß sie sich ohne Wissen ihrer Franchisenehmer die jeweilige Differenz von den Lieferanten selbst auszahlen ließ. Dieses Verhalten stellt eine schuldhafte positive Vertragsverletzung dar, durch die die Beklagte sich ihren Franchisenehmern gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht hat. Diese können daher im Wege des Schadensersatzes verlangen, so gestellt zu werden, wie wenn die Beklagte ihrer Pflicht zur vollständigen Weitergabe der Einkaufsvorteile genügt hätte. Soweit die Beklagte für Wareneinkäufe der Klägerin bei den gelisteten Lieferanten Differenzrabatte vereinnahmt hat, steht der Klägerin mithin ein Anspruch auf Schadensersatz in Geld zu. Da der Klägerin die Höhe der von der Beklagten jeweils vereinnahmten Differenzrabatte und etwaiger sonstiger Einkaufsvorteile nicht bekannt ist, hat ihr die Beklagte nach § 242 BGB hierüber Auskunft zu erteilen (BGH WuW/E DE-R 1170, 1173). Dem von der Klägerin darüber hinaus geltend gemachten Anspruch auf "Rechenschaft" über die von der Beklagten vereinnahmten Differenzrabatte
kommt neben dem Auskunftsanspruch keine eigenständige Bedeutung zu (BGH WuW/E DE-R 1170, 1173). III. Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben, soweit die Stufenklage in den Vorinstanzen erfolglos geblieben ist. Die Sache ist hinsichtlich des auf der ersten Stufe geltend gemachten Auskunftsanspruchs zur Endentscheidung reif, da weitere Feststellungen hierzu nicht in Betracht kommen. Über den Auskunftsanspruch ist daher unter Abänderung des klageabweisenden Urteils erster Instanz im Sinne der Klägerin zu entscheiden. Im übrigen ist die Entscheidung über die Stufenklage dem Berufungsgericht zu überlassen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben wird. Hirsch Goette Ball Bornkamm Raum
Annotations
(1) Hat ein Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift dieses Teils, gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder eine Verfügung der Kartellbehörde verstoßen und dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt, kann die Kartellbehörde die Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils anordnen und dem Unternehmen die Zahlung eines entsprechenden Geldbetrags auferlegen.
(2) Absatz 1 gilt nicht, soweit der wirtschaftliche Vorteil abgeschöpft ist durch
- 1.
Schadensersatzleistungen, - 2.
Festsetzung der Geldbuße, - 3.
Anordnung der Einziehung von Taterträgen oder - 4.
Rückerstattung.
(3) Wäre die Durchführung der Vorteilsabschöpfung eine unbillige Härte, soll die Anordnung auf einen angemessenen Geldbetrag beschränkt werden oder ganz unterbleiben. Sie soll auch unterbleiben, wenn der wirtschaftliche Vorteil gering ist.
(4) Die Höhe des wirtschaftlichen Vorteils kann geschätzt werden. Der abzuführende Geldbetrag ist zahlenmäßig zu bestimmen.
(5) Die Vorteilsabschöpfung kann nur innerhalb einer Frist von bis zu sieben Jahren seit Beendigung der Zuwiderhandlung und längstens für einen Zeitraum von fünf Jahren angeordnet werden. § 33h Absatz 6 gilt entsprechend. Im Falle einer bestandskräftigen Entscheidung im Sinne des § 33b Satz 1 oder einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung im Sinne des § 33b Satz 2 beginnt die Frist nach Satz 1 erneut.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.