Bundesgerichtshof Urteil, 13. Nov. 2008 - IX ZR 69/07
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger beauftragte als Mitglied einer Erbengemeinschaft die beklagten Rechtsanwälte, einen Anspruch auf Rückübertragung eines in Dresden gelegenen , durch das "Gesetz über den Aufbau der Städte in der DDR und der Hauptstadt Deutschlands, Berlin" in Volkseigentum überführten Grundstücks zu verfolgen. Die zuständige Behörde lehnte im Jahre 1997 sowohl die Rückübertragung des Grundstücks als auch die Zahlung einer Entschädigung ab. Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens erhob der durch die Beklagten vertretene Kläger am 8. April 1999 Klage vor dem Verwaltungsgericht Dresden. Im Verhandlungstermin vom 24. April 2002 regte das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die Aussichtslosigkeit des Klagebegehrens die Rücknahme der Klage an. Der Kläger lehnte nach Rücksprache mit dem Beklagten zu 1, der das Mandat federführend betreute, eine Klagerücknahme ab. Gegen das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 25. April 2002 legten die Beklagten für den Kläger Nichtzulassungsbeschwerde ein. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss vom 13. Januar 2003 unter Hinweis auf eine seit dem Jahre 1994 geübte Rechtsprechung zurück.
- 2
- Mit vorliegender Klage verlangt der Kläger von den Beklagten Ersatz der in den Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Dresden und vor dem Bundesverwaltungsgericht entstandenen Gerichtskosten und Anwaltsgebühren über 24.545,67 €. Die Beklagten, die einen Pflichtverstoß in Abrede stellen, erheben die Einrede der Verjährung. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 22.898,87 € stattgegeben. Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Mit der von dem erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgen sie ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 3
- Die Revision der Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage.
I.
- 4
- Das Berufungsgericht, das von einer anwaltlichen Pflichtverletzung der Beklagten ausgeht, hat ausgeführt, der Schadensersatzanspruch des Klägers sei nicht verjährt. Die Verjährung bestimme sich im Streitfall nach § 51b BRAO, weil die Primärverjährung vor dem 15. Dezember 2004 eingetreten sei; die Verjährung eines sekundären Schadensersatzanspruchs richte sich folglich ebenfalls nach dieser Vorschrift. Der Anwalt, der eine aussichtslose Klage erhebe, unterliege einer aus dem Anwaltsvertrag folgenden Hinweispflicht, dass er einen Fehler gemacht habe. Unterlasse der Anwalt diesen Hinweis, beginne die Sekundärverjährung mit Ablauf der Primärverjährung. Ausgehend von der Erhebung der verwaltungsgerichtlichen Klage am 8. April 1999 sei die Primärverjährung im April 2002 abgelaufen. Sekundärverjährung sei folglich erst im April 2005 und damit nach der am 28. Januar 2005 erfolgten Klagezustellung eingetreten.
- 5
- Der Einwand der Beklagten, erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 24. April 2002 und damit nach Ablauf der Primärverjährung von der möglichen Unrichtigkeit ihrer Beratung erfahren zu haben, dringe nicht durch. Bei gewissenhafter Prüfung hätten die Beklagten schon vor Klageerhebung zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass eine verwaltungsgerichtliche Klage keinen Erfolg verspreche. Dieses pflichtwidrige Unterlassen dürfe ihnen nicht zum Vorteil gereichen. Andernfalls käme es zu einer umso größeren Privilegierung des Rechtsanwalts, je weniger er seinen anwaltlichen Beratungsund Prüfungspflichten genüge. Der pflichtwidrig arbeitende Anwalt könne dann stets erfolgreich einwenden, ihm sei die Fehlberatung seines Mandanten nicht bewusst gewesen, weshalb die Sekundärverjährung nie zu laufen beginne.
II.
- 6
- Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Die von den Beklagten erhobene Verjährungseinrede greift, wie die Revision mit Recht rügt, durch, weil die Verjährungsfrist des § 51b BRAO sowohl im Blick auf einen Primär - als auch einen Sekundäranspruch abgelaufen ist.
- 7
- 1. § 51b BRAO, der durch das Verjährungsanpassungsgesetz mit Wirkung vom 15. Dezember 2004 aufgehoben wurde, ist im Streitfall noch anzuwenden. Die danach maßgebliche dreijährige Verjährungsfrist war im Zeitpunkt der Klageerhebung abgelaufen.
- 8
- a) Die Regelung des § 51b BRAO ist gemäß Art. 229 § 12 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB weiter anzuwenden, falls der primäre Schadensersatzanspruch vor dem 15. Dezember 2004 entstanden ist. Bestimmt sich die Verjährung des Primäranspruchs nach § 51b BRAO, so gilt diese Vorschrift auch für den Sekundäranspruch, weil er lediglich ein Hilfsrecht und unselbständiges Nebenrecht des primären Regressanspruchs bildet (vgl. BGH, Urt. v. 7. Februar 2008 - IX ZR 149/04, WM 2008, 946, 948 Rn. 30, 33; Zugehör in: Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung 2. Aufl. Rn. 1265; Fahrendorf in: Rinsche/Fahrendorf/Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts 7. Aufl. Rn. 947; Mansel/Budzikiewicz NJW 2005, 321, 325 f).
- 9
- b) Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist mit Erhebung der Klage vor dem Verwaltungsgericht Dresden am 8. April 1999 entstanden. Der Kostenschaden verwirklicht sich bereits durch die Erhebung einer aussichtslosen Klage , weil damit ein erster Teil des Schadens in Form der Gerichtskosten entsteht , für die der Kläger als Zweitschuldner haftet (BGH, Urt. v. 7. Februar 1995 - X ZR 32/93, NJW 1995, 2039, 2041; Urt. v. 21. Juni 2001 - IX ZR 73/00, NJW 2001, 3543, 3545, insoweit in BGHZ 148, 156 ff nicht abgedruckt). Da der Anspruch vor dem 15. Dezember 2004 begründet wurde, richtet sich die Verjährung nach § 51b BRAO. Die dreijährige Verjährungsfrist war gerechnet von der am 8. April 1999 bewirkten Klageerhebung bereits am 9. April 2002 und damit - selbst wenn man von einer alsbaldigen Zustellung (§ 167 ZPO) ausginge - lange vor der hier am 23. Dezember 2004 erfolgten Klageeinreichung abgelaufen. In der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden liegt keine einen neuen Primäranspruch auslösende Pflichtwidrigkeit der Beklagten, sondern lediglich ein auf der ursprünglichen rechtlichen Fehleinschätzung beruhendes weiteres Versäumnis, das - in unverjährter Zeit - die Anknüpfung für eine Sekundärhaftung bilden kann.
- 10
- 2. Der Eintritt der Verjährung kann entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts nicht unter dem Gesichtspunkt eines Sekundäranspruchs abgelehnt werden.
- 11
- a) Für den Anwalt kann sich bei der Wahrnehmung des Mandats ein begründeter Anlass ergeben zu prüfen, ob er dem Mandanten durch einen Fehler einen Schaden zugefügt hat. Unterlässt er die erforderliche Überprüfung seines eigenen Verhaltens oder erkennt er dabei nicht seinen Fehler und gibt er infolgedessen nicht den erforderlichen Hinweis auf § 51b BRAO, kann dies den Sekundäranspruch auslösen (BGHZ 94, 380, 386). Der Sekundäranspruch setzt also eine neue, schuldhafte Pflichtverletzung voraus. Die den Regressfall auslösende Pflichtwidrigkeit kann nicht gleichzeitig die Nichterfüllung einer Pflicht zur Aufdeckung des Primäranspruchs darstellen. Der Sekundäranspruch entsteht vielmehr nur, wenn eine weitere Pflichtwidrigkeit zu einer Zeit begangen wird, zu der der Regressanspruch noch durchgesetzt werden kann, also insbesondere noch nicht verjährt ist (BGHZ aaO S. 387; BGH Urt. v. 10. Oktober 1985 - IX ZR 153/84, NJW 1986, 581, 583; v. 14. Dezember 2000 - IX ZR 332/99, NJW 2001, 826, 828; v. 7. Februar 2008 aaO Rn. 34).
- 12
- b) Nach Erhebung der Klage am 8. April 1999 war für die Beklagten mangels neuer tatsächlicher oder rechtlicher Gesichtspunkte jedenfalls bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 24. April 2002 keine Veranlassung gegeben, ihre Rechtsauffassung zu überprüfen. Da der Sekundäranspruch eine neue, eigenständige Pflichtwidrigkeit des Rechtsanwalts voraussetzt , war er bis zum Ablauf der Verjährungsfrist am 9. April 2002 nicht entstanden. Der im Anschluss an das Berufungsgericht vertretenen Auffassung der Revisionserwiderung, während des laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens habe eine wenigstens halbjährliche Wiedervorlage- und Kontrollpflicht bestanden , kann nicht gefolgt werden. Mangels eines konkreten verfahrensbezogenen Anlasses war der Beklagte auch nicht gehalten, mit Rücksicht auf im Zeitraum zwischen der Klageerhebung und der mündlichen Verhandlung veröffentlichte , dem Anspruch des Klägers möglicherweise entgegenstehende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seine Rechtsauffassung zu überprüfen. Der Sekundäranspruch kann - was das Berufungsgericht verkannt hat - nicht aus der Nichterfüllung einer Pflicht zur Aufdeckung des Primäranspruchs hergeleitet werden, weil andernfalls mit dem Primäranspruch zugleich der Sekundäranspruch ausgelöst würde (BGHZ aaO). Vielmehr beruht die eingetretene Verjährung nicht auf einem Verhalten des Anwalts und kann ihm nicht als Verletzung seines Auftrags zugerechnet werden, wenn für ihn - wie im Streitfall - während des Verjährungslaufs kein verfahrensbezogener Anlass bestand , eine durch seine Pflichtwidrigkeit verursachte Schädigung des Mandanten zu erkennen und diesem die Durchsetzung des Regressanspruchs zu ermöglichen (BGHZ aaO S. 388).
- 13
- 3. Infolge Entscheidungsreife (§ 563 Abs. 3 ZPO) kann das Revisionsgericht in der Sache entscheiden. Die Klage ist wegen Ablaufs der Verjährungsfrist auf die von den Beklagten erhobene Einrede abzuweisen.
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 02.02.2006 - 29 O 405/04 -
OLG Köln, Entscheidung vom 28.03.2007 - 17 U 49/06 -
moreResultsText
Annotations
Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.