Bundesgerichtshof Urteil, 14. Feb. 2007 - IV ZR 54/04

bei uns veröffentlicht am14.02.2007
vorgehend
Landgericht Saarbrücken, 12 O 463/01, 28.05.2003
Landgericht Saarbrücken, 5 U 404/03, 21.01.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 54/04 Verkündetam:
14.Februar2007
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
AHaftpflichtVB (AHB) §§ 3, 5
Zum Inhalt der Rechtsschutzverpflichtung des Versicherers in der Architektenhaftpflichtversicherung.
BGH, Urteil vom 14. Februar 2007 - IV ZR 54/04 - OLG Saarbrücken
LG Saarbrücken
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Februar 2007

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 21. Januar 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger ist Architekt und nimmt die Beklagte aus der bei ihr unterhaltenen Berufshaftpflichtversicherung auf Deckungsschutz in Anspruch. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) in der bei Prölss/Martin (VVG 26. Aufl. S. 1155 ff.) abgedruckten Fassung zugrunde.
2
Der Zweckverband T. Rheinland-Pfalz (TBA) beauftragte den Kläger mit der Planung und Bauleitung für die Errichtung eines Büro- und Sozialgebäudes einschließlich Garage. Nach Abschluss der Arbeiten traten an den Außenmauern der Garage Risse auf, weil die Mauern dem Druck des von außen angefüllten Erdreichs nicht standhielten. Die TBA machte den Kläger hierfür verantwortlich und forderte ihn zur Mängelbeseitigung auf. Die Beklagte beauftragte die A. - I. A. GmbH (AIA) mit der Bearbeitung des Schadensfalles. Ihr gegenüber gab der Kläger den von der TBA beauftragten Statiker als Mitverantwortlichen an. Ein im Auftrag des Statikers erstattetes Gutachten vom 22. Mai 1996 wies die alleinige Verantwortung für den Mangel dem Kläger zu. Dieser erhob dagegen mit Schreiben vom 26. Juli 1996 Einwendungen und reichte dem Sachverständigen weitere Unterlagen ein. Das Ergänzungsgutachten vom 12. September 1996 kam zu dem Ergebnis, dass zunächst der Statiker wegen fehlerhafter Tragwerksplanung , aber auch der Kläger in seiner Funktion als Bauleiter für den Mangel verantwortlich ist.
3
Am 30. Juli 1996 schrieb der Kläger - ohne die AIA davon zu unterrichten - an die TBA: "Die Vorlage der anfallenden Kosten für die aufgetretenen Schadensfälle durch die TBA war aus versicherungstechnischen Gründen erforderlich und wird begrüßt. Damit verbunden war meine Zustimmung, dass diese Kosten mit den Honorarforderungen verrechnet werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir damit ein volles Schuldanerkenntnis aussprechen. Erst das abschließende Gutachten und die Aussage der Versicherungsexperten werden die Gewichtung der Schuldübernahme klären. Wir gehen davon aus, dass hier der Statiker mit in die Verantwortung einbezogen wird."
4
Die TBA verrechnete die Mängelbeseitigungskosten mit Honorarforderungen aus anderen Bauvorhaben. Zweck der Verrechnungsabrede war nach Darstellung des Klägers ein Einbehalt im Sinne eines Stillhalteabkommens bis zur abschließenden Klärung der Haftungsfrage.
5
Die TBA forderte die AIA mehrfach erfolglos unter Klageandrohung auf, die Haftung dem Grunde nach anzuerkennen. Dem Kläger gegenüber vertrat die AIA in Schreiben vom 22. Januar und 3. Februar 1998 die Auffassung, sie halte den Statiker für hauptverantwortlich, den Kläger treffe jedoch ein mit einem Drittel zu bewertendes Mitverschulden; sie empfahl eine Kostenbeteiligung in Höhe von 10.000 DM. Die TBA erhob Klage, die dem Kläger am 11. März 1998 zugestellt wurde. Mit Schreiben vom selben Tag übermittelte der Kläger die Klageschrift und die das schriftliche Vorverfahren anordnende Verfügung des Vorsitzenden der AIA mit der Bitte um kurzfristige Entscheidung. Diese antwortete mit Schreiben vom 24. März 1998, in dem sie Kostenschutz zusagte und den Kläger aufforderte, die Klageforderung in Höhe von 10.000 DM anzuerkennen und Rechtsanwälte zu mandatieren. Mangels rechtzeitiger Verteidigungsanzeige wurde am 31. März 1998 ein Versäumnisurteil erlassen. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde in Höhe von 10.000 DM zurückgenommen. Im Übrigen bestritt der Rechtsanwalt des Klägers (damaligen Beklagten) zunächst Grund und Höhe des Anspruchs. Später machte er geltend, die Forderung sei bereits vor Klagerhebung durch Aufrechnung gegen die Honorarforderungen des Klägers erloschen gewesen. Dem widersprach die TBA unter Hinweis auf das Schreiben des Klägers vom 30. Juli 1996 mit der Begründung, bei der Verrechnungsabrede habe es sich lediglich um ein Stillhalteabkommen bis zur Klärung der Streitfrage gehandelt. Da der Rechtsanwalt des Klägers auf seinem Standpunkt beharrte, erklärte die TBA schließlich die Aufrechnung. Dar- aufhin wurde der Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
6
Beklagte Die hält der auf Zahlung von 22.798,38 € gerichteten Klage neben Einwendungen zur Schadenshöhe insbesondere Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung entgegen. Der Kläger habe durch die Verrechnungsabrede und die Zustimmung zur Erledigungserklärung der TBA im Haftpflichtprozess gegen das Anerkenntnis- und Befriedigungsverbot nach § 5 Nr. 5 AHB und durch die nicht rechtzeitige Mitteilung an die AIA über die Verrechnung und sein Schreiben vom 30. Juli 1996 an die TBA gegen die Informationsobliegenheit nach § 5 Nr. 3 AHB verstoßen.
7
Das Oberlandesgericht hat die gegen das klagabweisende Urteil des Landgerichts eingelegte Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt er den Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe:


8
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Beklagte ist unter keinem Gesichtspunkt wegen Obliegenheitsverletzung von der Leistungspflicht frei.
9
I. 1. Das Oberlandesgericht ist im Gegensatz zum Landgericht der Ansicht, die Beklagte sei nicht schon deshalb von der Leistungspflicht frei, weil der Kläger durch seine Zustimmung zur Erledigungserklärung der TBA im Haftpflichtprozess gegen das Anerkenntnisverbot des § 5 Nr. 5 AHB verstoßen habe. Übereinstimmende Erledigungserklärungen hätten grundsätzlich nur prozessbeendende, aber keine materiell-rechtliche Wirkung und hinderten einen neuen Rechtsstreit über die Klageforderung regelmäßig nicht. Der Kläger sei davon ausgegangen, die Schadensersatzforderung habe wegen der vorprozessual erfolgten Verrechnung bereits bei Klagerhebung nicht mehr bestanden. Da die Klage deshalb von Anfang an unbegründet gewesen und - anders als bei Aufrechnung erst im Prozess - die Frage der Berechtigung des Schadensersatzanspruchs auch bei einseitiger Erledigungserklärung der TBA nicht mehr habe geklärt werden können, habe er durch die Zustimmung zur Erledigungserklärung hinsichtlich des erledigten Teils der Klage unter keinem denkbaren Gesichtspunkt prozessuale Nachteile in Kauf genommen. Unter diesen Umständen fehle es an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass er mit der Erledigungserklärung zugleich seine volle Verantwortlichkeit für den der TBA entstandenen Schaden habe anerkennen wollen.
10
2. Diese Beurteilung ist rechtlich nicht zu beanstanden und wird auch von der Revisionserwiderung nicht angegriffen.
11
Davon abgesehen konnte die Erledigungserklärung unter dem Gesichtspunkt der Obliegenheitsverletzung schon vom Ansatz her keine dem Kläger nachteiligen Rechtsfolgen auslösen. Die Führung des Haftpflichtprozesses ist keine Obliegenheit des Versicherungsnehmers, sondern gemäß § 3 II Nr. 1 und 3, § 5 Nr. 4 und 7 AHB Inhalt der Hauptleistungspflicht des Versicherers zur Abwehr unberechtigter Ansprüche. Diese Rechtsschutzverpflichtung hat der Senat im Urteil vom 30. September 1992 (BGHZ 119, 276, 281) wie folgt beschrieben: "Will er (der Versicherer) den Anspruch bestreiten, so muss er alles tun, was zu dessen Abwehr notwendig ist; er allein trägt die aus der Prüfung und Abwehr folgende Arbeitslast und Verantwortung. Demgemäß hat er im Haftpflichtprozess die Interessen des Versicherten so zu wahren, wie das ein von diesem beauftragter Anwalt tun würde. Weil grundsätzlich sein Abwehrinteresse dem des Versicherten entspricht, ist das im Regelfall unproblematisch. Wegen des umfassend versprochenen Rechtsschutzes gilt das aber sogar dann, wenn eine Kollision zwischen den Interessen des Versicherten und denen des Versicherers einmal nicht zu vermeiden ist. In diesem Fall muss der Versicherer seine eigenen Interessen hintanstellen. Nur diese weite Auslegung des Leistungsversprechens kann den mit der Haftpflichtversicherung bezweckten Schutz gewährleisten."
12
Diese Auffassung vom Inhalt der Rechtsschutzverpflichtung hat der Senat durch Urteil vom 7. Februar 2007 bestätigt (IV ZR 149/03 unter II 1, zur Veröffentlichung bestimmt).
13
Die Beklagte hatte ihre so beschriebene Rechtsschutzverpflichtung in mehrfacher Hinsicht verletzt. Die von ihr mit der Schadensbearbeitung beauftragte AIA hatte zwar richtig erkannt, dass der Kläger dem Grunde nach für den Schaden ersatzpflichtig ist. Unter Verkennung der Rechtslage hatte sie den Kläger jedoch angewiesen, seine Haftung gegenüber der TBA nur in Höhe von einem Drittel anzuerkennen. Im Außenverhältnis zur TBA haftete der Kläger mit dem Statiker aber als Gesamtschuldner in voller Höhe (vgl. BGH, Urteile vom 4. März 1971 - VII ZR 204/69 - BauR 1971, 265 unter IV und vom 4. Juli 2002 - VII ZR 66/01 - NJW-RR 2002, 1531 unter III). Diese falsche Beratung des Klägers war ersichtlich die Hauptursache dafür, dass es überhaupt zu einem Prozess gekommen ist. Die AIA hätte vielmehr - wie ein vom Kläger beauftragter Anwalt - das von der TBA vorprozessual verlangte Anerkenntnis dem Grunde nach abgeben müssen. Die Beklagte hatte ihre Rechtsschutzverpflichtung weiterhin dadurch verletzt, dass sie den Kläger im Schreiben vom 24. März 1998 aufforderte, zur Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen im Haftpflichtprozess selbst einen Rechtsanwalt zu beauftragen und ihre Weisungen zu befolgen. Die Führung des Haftpflichtprozesses ist aber Inhalt der Hauptleistungspflicht des Versicherers. Die Versicherungsbedingungen gestatten es ihm nicht, die mit der Abwicklung der Haftpflichtverbindlichkeiten verbundenen Mühen, Kosten und Risiken einseitig auf den Versicherungsnehmer abzuwälzen (BGHZ 119, 276, 282 und BGHZ 15, 154, 159; Senatsurteil vom 7. Februar 2007 aaO). Das aber hatte die Beklagte durch die Anweisung der AIA vom 24. März 1998 getan. Führt der Versicherungsnehmer aufgrund einer solchen vertragswidrigen Weisung des Versicherers den Haftpflichtprozess selbst, ist der Versicherer wie bei einer ausdrücklichen Ablehnung des Deckungsschutzes an das Ergebnis des Haftpflichtprozesses gebunden und kann sich wegen fehlerhafter oder weisungswidriger Prozessführung nicht auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung berufen (vgl. Senatsurteil vom 7. Februar 2007 aaO).
14
II. 1. Das Berufungsgericht hält die Beklagte aber deshalb für leistungsfrei , weil der Kläger sie entgegen § 5 Nr. 3 AHB nicht rechtzeitig über sein Schreiben vom 30. Juli 1996 und die in der Folgezeit von der TBA vereinbarungsgemäß vorgenommene Verrechnung ihrer Schadensbeseitigungskosten mit seinen Honorarforderungen informiert hat.
15
Der Kläger habe mit seinem Schreiben vom 30. Juli 1996 aus der maßgeblichen Sicht der TBA als Empfängerin ein Anerkenntnis dem Grunde nach abgegeben und damit dem Verbot des § 5 Nr. 5 Satz 1 AHB zuwidergehandelt, ohne vorherige Zustimmung des Versicherers einen Haftpflichtanspruch ganz oder zum Teil anzuerkennen oder zu befriedigen. Dass der Kläger sein Schreiben ebenfalls als Anerkenntnis verstanden habe, zeige der letzte Absatz seines im Haftpflichtprozess eingereichten Schriftsatzes vom 7. Januar 1999. Dennoch sei zweifelhaft, ob die Beklagte sich nach Treu und Glauben auf die Obliegenheitsverletzung berufen dürfe, weil sie den Kläger, ohne das Schreiben zu kennen, nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage angewiesen habe, im Haftpflichtprozess eine Teilverantwortung in Höhe von 10.000 DM anzuerkennen. Der Zweck der Obliegenheit sei aufgrund der Besonderheit, dass vor der Entscheidung des Versicherers keine der Parteien von dem Anerkenntnis Gebrauch gemacht habe, trotz der Obliegenheitsverletzung erreicht worden.
16
Diese Frage bedürfe jedoch letztlich keiner Entscheidung, weil die Beklagte sich zu Recht auf die Verletzung der Informationsobliegenheit des § 5 Nr. 3 AHB berufen habe. Danach sei der Versicherungsnehmer unter anderem verpflichtet, dem Versicherer alle Tatumstände mitzuteilen , welche auf den Schadenfall Bezug haben. Zu diesen Tatumständen habe die mit dem Schreiben vom 30. Juli 1996 zwischen dem Kläger und der TBA getroffene und anschließend durchgeführte Verrechnungsabrede gehört. Aus dem Schreiben ergebe sich auch für einen juristischen Laien, dass zwischen den Parteien nur die Frage der vorrangigen Haftung des Statikers streitig gewesen sei, die übrigen Voraussetzungen für die Einstandspflicht des Klägers dagegen stillschweigend übereinstimmend als erfüllt angesehen worden seien. Bereits Ende 1996, spätestens aber nach Klageandrohung durch die TBA Anfang 1998 habe der Kläger die Beklagte über die absprachegemäße Verrechnung informieren müssen. Seine Behauptung, die TBA habe die Verrechnung in Übereinstim- mung mit ihm als bloßes Stillhalteabkommen oder Einbehalt und nicht als Verrechnung im Rechtssinne verstanden, treffe nicht zu. Die Obliegenheitsverletzung sei nicht folgenlos geblieben, weil die Beklagte den Kläger in Unkenntnis der bereits erfolgten Befriedigung der Schadensersatzansprüche durch Verrechnung im Haftpflichtprozess angewiesen habe , die Forderung in Höhe von 10.000 DM anzuerkennen. Dadurch habe die TBA zu Unrecht einen Zahlungstitel erwirkt. Selbst wenn sie von diesem freiwillig keinen Gebrauch gemacht habe, seien Folgen für den Umfang der Leistungspflicht der Beklagten durch die Belastung des Klägers mit einem Drittel der Prozesskosten entstanden.
17
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im entscheidenden Punkt nicht stand.
18
a) Sollte das Schreiben des Klägers vom 30. Juli 1996 ein Anerkenntnis der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach enthalten, könnte die Beklagte sich darauf nach Treu und Glauben nicht berufen, weil sie, ohne das Schreiben zu kennen, zu derselben Einschätzung der Sachund Rechtslage gekommen ist wie der Kläger. Die vom Berufungsgericht insoweit geäußerten Zweifel an der Leistungsfreiheit greifen durch.
19
b) Soweit das Berufungsgericht Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Informationsobliegenheit nach § 5 Nr. 3 AHB annimmt, ist ihm schon deshalb nicht zuzustimmen, weil das Schreiben des Klägers vom 30. Juli 1996 und die dem entsprechende Verrechnung der Forderungen nicht als Anerkenntnis dem Grunde nach zu werten sind. Die gegenteilige Auslegung des Berufungsgerichts ist von Rechtsfehlern beeinflusst. Es hat nicht hinreichend beachtet, dass der übereinstimmende Parteiwille jeder, insbesondere einer davon abweichenden Auslegung vorgeht (BGH, Ur- teile vom 18. Juli 2003 - V ZR 187/02 - NJW 2003, 3205 unter II 1 a aa und vom 7. Dezember 2001 - V ZR 65/01 - NJW 2002, 1038 unter II 3 b m.w.N.). Das Berufungsgericht hätte deshalb zunächst der Frage nachgehen müssen, was die TBA und der Kläger mit der Verrechnungsabrede bezweckt hatten.
20
Aus dem unstreitigen Prozessstoff ergibt sich, dass damit kein Anerkenntnis dem Grunde nach verbunden war, sondern dass die Verrechnung unter dem Vorbehalt der abschließenden Klärung der Sach- und Rechtslage und der Stellungnahme des Haftpflichtversicherers stand. Die TBA hatte sich weder vorgerichtlich noch im Haftpflichtprozess auf ein Anerkenntnis berufen. In der Klage hatte sie nicht nur zur Höhe vorgetragen , sondern auch dazu, wegen welcher Fehler der Kläger dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet sei. In der Folgezeit stritten die Parteien etwa sechs Monate lang über Grund und Höhe des Anspruchs. Erst im Schriftsatz vom 1. Oktober 1998 berief sich der damalige Beklagtenanwalt darauf, die Forderung sei schon vor Klagerhebung durch Aufrechnung zum Erlöschen gebracht worden. Dem trat die TBA sogleich entgegen. Sie habe gegenüber den Honorarforderungen keine Aufrechnung erklärt. Vielmehr hätten die Parteien vereinbart, dass die Schadensbeseitigungskosten zunächst von der TBA bezahlt werden und durch die Honorarforderungen nicht beglichen, sondern mit diesen nur "verrechnet" werden sollten. Die Parteien seien sich darüber einig gewesen , dass diese Verrechnung die gegenseitigen Forderungen nicht zum Erlöschen bringe, sondern es sich dabei lediglich um ein gegenseitiges Stillhalteabkommen handele, bis die Streitfrage geklärt sei. Diese Vereinbarung habe der (dortige) Beklagte mit dem Schreiben vom 30. Juli 1996 bestätigt. Mangels außergerichtlicher Klärung sei Klage erhoben worden. Da der Kläger die Verrechnungsabrede nach seinem Vortrag ebenso verstanden hat, ist für eine davon abweichende Auslegung kein Raum. Dass sein späterer Prozessbevollmächtigter dies im Verlauf des Haftpflichtprozesses anders bewertet hat, ändert daran nichts.
21
Diese Vereinbarung war nicht nur wirtschaftlich vernünftig, sondern auch rechtlich korrekt und nicht geeignet, die Interessen der Beklagten zu beeinträchtigen. Gemäß dem in der Haftpflichtversicherung geltenden Trennungsprinzip sollte die abschließende Klärung der Schadensersatzpflicht dem Haftpflichtprozess vorbehalten werden. Das musste der Kläger der Beklagten nicht mitteilen. Zur Klärung im Haftpflichtprozess hätte es auch kommen können, wenn die Beklagte bedingungsgemäß den Prozess im Namen des Klägers geführt und selbst einen Anwalt beauftragt hätte (§ 3 II Nr. 3, § 5 Nr. 4 und 7 AHB). Das sinnvolle Bemühen der TBA und des Klägers um eine Klärung der Streitfragen im Haftpflichtprozess wurde nur durch das prozesstaktisch vermeintlich kluge, in Wirklichkeit aber verfehlte Prozessverhalten des damaligen Beklagtenanwalts durchkreuzt. Daraus kann die Beklagte schon deshalb nichts zum Nachteil des Klägers herleiten, weil sie die Prozessführung vertragswidrig einseitig auf ihn abgewälzt hatte.
22
III. Da es zu einem Haftpflichtprozess nicht mehr kommen wird, ist die bisher nicht festgestellte Höhe des Schadensersatzanspruchs im vorliegenden Verfahren zu klären. Die Schadensersatzpflicht dem Grunde nach hatte die Beklagte bereits anerkannt, wie sich aus ihrem Schreiben vom 24. März 1998 ergibt.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 28.05.2003 - 12 O 463/01 -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 21.01.2004 - 5 U 404/03-40 -

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in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
_____________________
AHaftpflichtVB (AHB) § 3, § 5

a) Die Abwehr unberechtigter Ansprüche (Rechtsschutzverpflichtung) ist Hauptleistungspflicht
des Haftpflichtversicherers; sie umfasst nach den AHB die Führung
des Haftpflichtprozesses auf seine Kosten einschließlich der Auswahl und
Beauftragung des Anwalts.

b) Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer rechtzeitig unmissverständlich
zu erklären, ob er den bedingungsgemäß geschuldeten Rechtsschutz gewährt.

c) Zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Vereinbarung, mit der die Abwehr
des Anspruchs dem Versicherungsnehmer übertragen wird.
BGH, Urteil vom 7. Februar 2007 - IV ZR 149/03 - OLG Nürnberg
LG Nürnberg-Fürth
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal
-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung vom
7. Februar 2007

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 16. Juni 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin hat gegen die Versicherungsnehmerin des beklagten Haftpflichtversicherers Schadensersatzansprüche erhoben. Mit der Klage macht sie diese Schadensersatzansprüche und den Anspruch der Versicherungsnehmerin auf Deckungsschutz aus zwei von dieser bei der Beklagten unterhaltenen Betriebshaftpflichtversicherungen mit einer Deckungssumme von insgesamt 11 Mio. DM geltend. Den Verträgen liegen Allgemeine Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) zugrunde, die den vom GDV empfohlenen Musterbedingungen - Stand Juni 1997 - entsprechen (abgedruckt bei Littbarski, Haftpflichtversicherung S. 22 ff.).
2
Die Klägerin stellt Kolben für Automotoren her, die sie unter anderem an die V. AG und die A. AG liefert. Ab Juni 1999 beauftragte sie die Versicherungsnehmerin der Beklagten, die H. Metallveredelung GmbH (HMV), die Kolben durch einen Waschvorgang auf die anschließend von ihr selbst vorzunehmende Graphitbeschichtung vorzubereiten. Am 23. Dezember 1999 meldete die V. AG der Klägerin Motorschäden wegen defekter Kolben aus der Produktionszeit von Mitte Oktober bis Mitte November 1999. Die V. AG nahm die Klägerin wegen der Kosten für den Rückruf von Fahrzeugen und Reparaturen in Höhe von circa 39 Mio. DM in Anspruch.
3
Mit Schreiben vom 9. Februar 2000 meldete die Klägerin bei der HMV Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe an mit der Begründung, Ursache des Schadens sei ein fehlerhafter Waschvorgang, der zur Ablösung der Graphitschicht geführt habe. Die HMV leitete das Schreiben an die Beklagte weiter. Diese erbat von der HMV mit Schreiben vom 16. Februar 2000 nähere Auskünfte zum Schadenshergang. Abschließend fragte sie, weshalb der Erstbeitrag erst am 6. Dezember 1999 ausgeglichen worden sei, obwohl der Versicherungsschein bereits Anfang Oktober zugegangen sei. Ferner wies sie darauf hin, dass der Schaden an den Kolben als Bearbeitungsschaden nach § 4 I Nr. 6 b AHB nicht gedeckt sei. Am 30. März 2000 trat die HMV ihre Ansprüche auf Versicherungsschutz gegen die Beklagte an die Klägerin ab. Anfang April 2000 übersandte die HMV den Entwurf der gegen sie beabsichtigten Schadensersatzklage an die Beklagte. Mit Schreiben vom 10. April 2000 erbat diese von der HMV weitere Auskünfte und kündigte die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Schadensursache an. Weiter wies sie darauf hin, dass für Lieferungen zwischen Erhalt des Versicherungsscheins und Zahlung des Erstbeitrags am 6. Dezember 1999 kein Versicherungsschutz bestehe. Hinsichtlich anderer Lieferungen bestehe Deckungsschutz nur unter der auflösenden Bedingung, dass die HMV nur deshalb für den Schaden hafte, weil sie die Klägerin in der Qualitätssicherungsvereinbarung vom Juni 1999 von der Untersuchungs- und Rügepflicht nach § 377 HGB befreit habe. Der Ausschluss für Bearbeitungsschäden wurde erneut erwähnt. Schließlich wurde die HMV gefragt, ob sie mit einem Anwalt zusammenarbeite, den sie auch in dieser Sache beauftragen möchte. Am 8. Mai 2000 wurde der HMV die angekündigte Klage zugestellt, die sie der Beklagten mit Schreiben vom 11. Mai 2000 zuleitete. Gleichzeitig teilte sie mit, bisher noch keinen Anwalt beauftragt zu haben, und stellte die Frage nach Unterstützung durch die Beklagte. Diese versprach mit Schreiben vom 16. Mai 2000 "bestmögliche Unterstützung" , die Untersuchungen durch den Sachverständigen würden noch laufen. Weiter heißt es, es sei allerdings unbedingt erforderlich, dass die HMV zur Wahrung der Fristen einen Anwalt mit der Vertretung ihrer rechtlichen Interessen beauftrage. Sie solle mitteilen, welchem Rechtsanwalt sie das Mandat erteilt habe, damit eine Kontaktaufnahme möglich sei. Am 17. und 31. Mai 2000 telefonierte der Sachbearbeiter der Beklagten mit dem Geschäftsführer der HMV. Der Inhalt der Gespräche ist streitig.
4
Da die HMV sich nicht anwaltlich vertreten ließ, erging am 29. Mai 2000 im schriftlichen Verfahren Versäumnisurteil, das beiden Parteien am 6. Juni 2000 zugestellt und nach Ablauf der Einspruchsfrist rechtskräftig wurde. Von der Zustellung des Versäumnisurteils informierte die HMV die Beklagte nicht. Die HMV wurde zur Zahlung eines Teilbetrages von 1.116.799 DM nebst Zinsen verurteilt. Ferner wurde festgestellt, dass sie jeden weiteren Schaden zu ersetzen habe, den die V. AG und die A. AG gegen die Klägerin wegen der Ablösung der Graphitbeschichtung der Kolben geltend mache. Aufgrund des Versäumnisurteils ließ die Klägerin die Ansprüche der HMV gegen die Beklagte auf Auszahlung der Versicherungssumme pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Dadurch erfuhr die Beklagte vom Erlass des Versäumnisurteils. Mit Schreiben vom 24. Juli 2000 versagte sie den Versicherungsschutz wegen Obliegenheitsverletzung nach § 6 i.V. mit § 5 Nr. 3 AHB mit der Begründung, die HMV habe entgegen ihrer Ankündigung keinen Anwalt mit der Abwehr der Ansprüche beauftragt und sie nicht von der Zustellung des Versäumnisurteils unterrichtet.
5
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung der vollen Deckungssumme von 11 Mio. DM, hilfsweise die Feststellung, dass die Beklagte ihrer Versicherungsnehmerin wegen des Schadensfalles Deckungsschutz aus beiden Versicherungsverträgen zu gewähren habe. Die Klägerin meint, aufgrund der Abtretung der Versicherungsansprüche vom 30. März 2000 und des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses könne sie die Beklagte unmittelbar auf Zahlung in Anspruch nehmen.
6
Die Beklagte bestreitet die Verursachung des Schadens durch die HMV und beruft sich im Übrigen auf das Abtretungsverbot in § 7 Nr. 3 AHB und weist darauf hin, dass der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss die Versicherungsansprüche nur in Höhe des Zahlungsanspruchs im Versäumnisurteil erfasse. Sie sei, wie im Ablehnungsschreiben vom 24. Juli 2000 ausgeführt, wegen Obliegenheitsverletzung von der Leistungspflicht frei. Die Hinnahme des Versäumnisurteils stelle zudem ein Anerkenntnis dar, das nach § 6 i.V. mit § 5 Nr. 5 AHB zur Leis- tungsfreiheit führe. Der Versicherungsschutz sei im Übrigen nach § 4 I Nr. 1 AHB ausgeschlossen, weil die Freistellung der Klägerin von der Untersuchungs- und Rügepflicht nach § 377 HGB die Haftung der HMV über den gesetzlichen Umfang hinaus erweitert habe. In der die Produkthaftpflicht einschließenden Versicherung mit der Endnummer 095 bestehe wegen verspäteter Zahlung der Erstprämie kein Versicherungsschutz. Schließlich sei sie wegen Versäumung der Frist des § 12 Abs. 3 VVG leistungsfrei.
7
Das Landgericht hat dem Zahlungsantrag in Höhe von 1.116.779 DM nebst Zinsen und dem hilfsweise gestellten Feststellungsantrag mit Ausnahme solcher Ansprüche stattgegeben, die Schäden an den von der HMV bearbeiteten Kolben selbst betreffen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin die geltend gemachten Ansprüche in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe:


8
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
9
Das I. Oberlandesgericht hält die Beklagte wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung nach § 6 i.V. mit § 5 Nr. 3 und 5 AHB für leistungsfrei.
10
Die HMV habe die Weisung der Beklagten gemäß § 5 Nr. 3 AHB nicht beachtet, als sie das Versäumnisurteil vom 29. Mai 2000 gegen sich ergehen und nachfolgend habe rechtskräftig werden lassen. Darin liege zugleich ein Verstoß gegen das Anerkenntnisverbot nach § 5 Nr. 5 AHB. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Beklagte die HMV angewiesen habe, kein Versäumnisurteil gegen sich ergehen zu lassen. Die Beklagte habe Versicherungsschutz nicht verweigert, sondern im Schreiben vom 16. Mai 2000 ausdrücklich bestmögliche Unterstützung zugesagt. Das weisungswidrige Verhalten der HMV, nämlich Nichteinschalten eines Rechtsanwalts, Nichtanzeige der Verteidigungsbereitschaft und Rechtskräftigwerdenlassen des Versäumnisurteils, verliere seine Eigenschaft als Obliegenheitsverletzung entgegen der Ansicht der Klägerin nicht deshalb, weil die Beklagte abweichend von § 3 II AHB die Prozessführung vollständig auf die HMV übertragen hätte. Sie habe der HMV lediglich die Auswahl des Rechtsanwalts überlassen, um dem von ihr für möglich gehaltenen Vorwurf zu entgehen, durch die Wahl eines möglicherweise ungeeigneten Rechtsanwalts zu einem denkbaren existenzbedrohenden Prozessverlust beigetragen zu haben.
11
Das II. hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat, wie die Revision zutreffend ausführt, den Inhalt der Leistungspflicht der Beklagten einerseits und der Obliegenheiten der HMV andererseits verkannt.
12
1. a) Die Leistungspflicht der Beklagten umfasst - wie allgemein in der Haftpflichtversicherung - nach § 3 II Nr. 1 AHB die Prüfung der Haftpflichtfrage , die Abwehr unberechtigter Ansprüche sowie den Ersatz der Entschädigung, welche der Versicherungsnehmer aufgrund eines von dem Versicherer abgegebenen oder genehmigten Anerkenntnisses, eines von ihm geschlossenen oder genehmigten Vergleichs oder einer richterlichen Entscheidung zu zahlen hat. Die Abwehr unberechtigter Ansprüche (Rechtsschutzverpflichtung) ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ebenso wie die Befriedigung begründeter Haftpflichtansprüche eine mit dieser gleichrangige Hauptleistungspflicht des Versicherers und nicht nur eine untergeordnete Nebenpflicht (BGHZ 119, 276, 281; Urteile vom 21. Januar 1976 - IV ZR 123/74 - VersR 1976, 477 unter I und vom 20. Februar 1956 - II ZR 6/55 - VersR 1956, 186 unter 2). Der Versicherer hat nicht das Recht, die mit der Abwicklung der Haftpflichtverbindlichkeiten verbundenen Mühen und Kosten auf den Versicherten abzuwälzen (BGHZ 15, 154, 159). Den Inhalt der Rechtsschutzverpflichtung hat der Senat in dem Urteil in BGHZ (119 aaO) wie folgt beschrieben: "Will er (der Versicherer) den Anspruch bestreiten, so muss er alles tun, was zu dessen Abwehr notwendig ist; er allein trägt die aus der Prüfung und Abwehr folgende Arbeitslast und Verantwortung. Demgemäß hat er im Haftpflichtprozess die Interessen des Versicherten so zu wahren, wie das ein von diesem beauftragter Anwalt tun würde. Weil grundsätzlich sein Abwehrinteresse dem des Versicherten entspricht, ist das im Regelfall unproblematisch. Wegen des umfassend versprochenen Rechtsschutzes gilt das aber sogar dann, wenn eine Kollision zwischen den Interessen des Versicherten und denen des Versicherers einmal nicht zu vermeiden ist. In diesem Fall muss der Versicherer seine eigenen Interessen hintanstellen. Nur diese weite Auslegung des Leistungsversprechens kann den mit der Haftpflichtversicherung bezweckten Schutz gewährleisten."
13
umfassende Die Verantwortlichkeit des Versicherers für die Abwehr des Haftpflichtanspruchs ergibt sich insbesondere für den Fall des Rechtsstreits unmissverständlich aus weiteren Klauseln der Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (z.T. anders in der Vermögensschaden -Haftpflichtversicherung, vgl. Voit/Knappmann in Prölss/ Martin, VVG 27. Aufl. AVBVermögen/WB § 5 Rdn. 3 § 1 Rdn. 1). Nach § 3 II Nr. 3 AHB führt der Versicherer den Rechtsstreit im Namen des Versicherungsnehmers auf seine Kosten. Den Versicherungsnehmer trifft die Obliegenheit, die Prozessführung dem Versicherer zu überlassen, dem von dem Versicherer bestellten oder bezeichneten Anwalt Vollmacht und alle von diesem oder dem Versicherer für nötig gehaltenen Aufklärungen zu geben (§ 5 Nr. 4 AHB). Zur Disposition über den Haftpflichtanspruch durch Anerkenntnis oder Befriedigung ist der Versicherungsnehmer ohne vorherige Zustimmung des Versicherers nicht berechtigt (§ 5 Nr. 5 AHB). Nach § 5 Nr. 7 AHB gilt der Versicherer als bevollmächtigt, alle zur Beilegung oder Abwehr des Anspruchs ihm zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des Versicherungsnehmers abzugeben (vgl. dazu Senatsurteil vom 11. Oktober 2006 - IV ZR 329/05 - VersR 2006, 1676 unter II 2 c). Wird gegen den Versicherungsnehmer ein Anspruch gerichtlich geltend gemacht, hat er dies dem Versicherer nur unverzüglich anzuzeigen (§ 5 Nr. 2 Abs. 4 AHB), alles Weitere ist Sache des Versicherers, insbesondere die Auswahl und Beauftragung des Rechtsanwalts auf seine Kosten (vgl. BGH, Urteil vom 21. Februar 1963 - II ZR 71/61 - VersR 1963, 421 unter III).
14
b) Der Versicherer, der seiner so beschriebenen Rechtsschutzverpflichtung nicht nachkommt, verhält sich vertragswidrig.
15
aa) Ist der Versicherer von seiner Leistungsfreiheit überzeugt und lehnt er den Deckungsschutz vorbehaltlos ab, lässt er dem Versicherungsnehmer konkludent zur Regulierung freie Hand und gibt seine umfassende Dispositionsbefugnis über das Haftpflichtverhältnis auf (BGHZ 119, 276, 282). Die Gefahr, bei dieser freien Entscheidung die Deckungspflicht unrichtig zu beurteilen, kann er nicht auf den Versicherungsnehmer abwälzen. Er kann nicht gleichzeitig einerseits sich seiner vertraglichen Hauptpflicht entledigen, den Versicherungsnehmer von der Führung und den Folgen des Haftpflichtprozesses zu befreien, und andererseits dennoch in Anspruch nehmen, an das Ergebnis des notgedrungen vom Versicherungsnehmer allein geführten Haftpflichtprozesses nicht gebunden zu sein. Nach Leistungsablehnung hat der Versicherungsnehmer auch keine Obliegenheiten mehr zu erfüllen (BGHZ 107, 368, 370 f.; BGH, Urteile vom 7. November 1966 - II ZR 12/65 - VersR 1967, 27 unter III und vom 21. Februar 1963 aaO; Prölss in Prölss/Martin , aaO § 6 Rdn. 33).
16
bb) Hat der Versicherer ernsthafte Anhaltspunkte für seine Leistungsfreiheit , kann er aber wegen noch unklarer Sachlage darüber nicht abschließend befinden, muss er sich entscheiden, ob er Deckungsschutz gewährt oder nicht, und seine Entscheidung dem Versicherungsnehmer bekannt geben. Der Versicherer kann seiner Rechtsschutzverpflichtung in einer solchen Lage auch dadurch genügen, dass er den Rechtsschutz übernimmt unter dem Vorbehalt, die Deckung je nach dem Ausgang des Haftpflichtprozesses abzulehnen (BGH, Urteile vom 20. September 1978 - IV ZR 57/77 - VersR 1978, 1105 unter I und vom 7. November 1966 aaO).
17
Dagegen cc) stellt es keine ordnungsgemäße Erfüllung der Rechtsschutzverpflichtung dar, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber leistungsbefreiende Umstände ins Feld führt, den Versicherungsnehmer aber im Unklaren darüber lässt, ob er Deckungsschutz erhält. Seine Entscheidung darüber hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer unverzüglich, spätestens aber dann mitzuteilen , wenn er die Anzeige von der gerichtlichen Geltendmachung des Haftpflichtanspruchs nach § 5 Nr. 2 Abs. 4 AHB erhalten hat. Der Versicherer weiß, dass jedenfalls ab diesem Zeitpunkt dringender Handlungsbedarf besteht, weil dem Versicherungsnehmer allein wegen Fristablaufs Rechtsnachteile in Gestalt eines Vollstreckungsbescheids oder Versäumnisurteils drohen. Deshalb hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer rechtzeitig unmissverständlich zu erklären, ob er den bedingungsgemäß geschuldeten Rechtsschutz gewährt, gegebenenfalls unter dem Vorbehalt, später je nach dem Ausgang des Haftpflichtprozesses Leistungsfreiheit geltend zu machen. Gibt der Versicherer eine solche Erklärung nicht ab, nimmt er seine Pflicht zur Abwehr des Anspruchs nicht wahr und gibt damit zugleich seine Dispositionsbefugnis über das Haftpflichtverhältnis auf. Er ist deshalb, solange er seiner Rechtsschutzverpflichtung nicht bedingungsgemäß nachkommt, so zu behandeln, als habe er dem Versicherungsnehmer zur Regulierung freie Hand gelassen. Der Versicherungsnehmer ist demgemäß auch nicht mehr obliegenheitsgebunden. Die Versicherungsbedingungen gestatten es dem Versicherer nicht, sich einer klaren Entscheidung über seine Verpflichtung zum Rechtsschutz zu enthalten, den Versicherungsnehmer darüber im Ungewissen zu lassen und die Arbeits- und Kostenlast sowie das Risiko des Prozessverlustes einseitig auf ihn abzuwälzen, sich aber gleichwohl vorzubehalten , an die Regulierungsentscheidung des Versicherungsnehmers nicht gebunden zu sein, ihn an seinen Obliegenheiten festzuhalten und sich über die vertraglich vereinbarten Obliegenheiten hinaus wegen mangelhafter oder weisungswidriger Prozessführung auf Leistungsfreiheit zu berufen.
18
c)DenParteien des Versicherungsvertrages ist es allerdings nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit nicht verwehrt, nach Erhebung des Anspruchs auf Deckungsschutz von den Bedingungen abweichende Vereinbarungen darüber zu treffen, wie die Leistungspflicht des Versicherers erfüllt werden soll. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Versicherer nach Treu und Glauben gehalten ist, seine überlegene Sach- und Rechtskenntnis nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers auszunutzen. Die Abwehrfunktion der Haftpflichtversicherung ist unter den Versicherungsnehmern nicht immer genügend bekannt (Littbarski, Haftpflichtversicherung Vorbemerkungen Rdn. 48). Insbesondere ist für den Versicherungsnehmer nur schwer durchschaubar, was die Abwehrverpflichtung im Einzelnen bedeutet. Gewährt der Versicherer Versicherungsschutz , will er aber die Abwehr des Anspruchs (ganz oder teilweise) in die Hand des Versicherungsnehmers legen, hat er darüber aufzuklären, dass die Gewährung von Rechtsschutz nach dem Vertrag Sache des Versicherers ist, er den Prozess zu führen und den Anwalt auszuwählen, zu beauftragen und zu bezahlen hat (vgl. zu Vereinbarungen über die Leistungspflicht in der Berufsunfähigkeitsversicherung die Senatsurteile vom 7. Februar 2007 - IV ZR 244/03 - zur Veröffentlichung vorgesehen - und vom 12. November 2003 - IV ZR 173/02 - VersR 2004, 96 unter II 1 b). Nur so ist der Versicherungsnehmer in der Lage, verantwortlich darüber zu entscheiden, auf welche Beschränkungen seiner vertraglichen Rechte er sich einlassen will. Übernimmt der Versicherungsnehmer vereinbarungsgemäß die Prozessführung, gilt für eine Verletzung von Sorgfaltspflichten dann nicht das Recht der Obliegenheiten, sondern das allgemeine Schadensersatzrecht (Voit/Knappmann in Prölss/Martin, aaO § 5 AHB Rdn. 2). Denn insoweit hat er sich nur verpflichtet, die Aufgabe des Versicherers zu übernehmen.
19
Die 2. Beklagte hat ihre Pflicht zur Abwehr des Haftpflichtanspruchs in grober Weise verletzt und ist deshalb so zu behandeln, als habe sie der HMV freie Hand zur Regulierung gelassen. Demgemäß ist sie an das rechtskräftige Versäumnisurteil gebunden und kann sich nicht auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung nach § 6 i.V. mit § 5 Nr. 3 und Nr. 5 AHB berufen. Auch der Vorwurf, die HMV habe in kollusivem Zusammenwirken mit der Klägerin die Beklagte vorsätzlich geschädigt , ist nicht berechtigt.
20
a) Die HMV hatte ihre Obliegenheiten zur Anzeige des Versicherungsfalles und der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs rechtzeitig und vollständig erfüllt. Sie hatte damit alles getan, damit die Beklagte ihrer Verpflichtung nachkommen konnte, einen Rechtsanwalt auszuwählen und zu beauftragen und den Prozess im Namen der HMV zu führen. Diese wäre auf Verlangen der Beklagten gehalten gewesen, dem Anwalt Vollmacht und die nötige Aufklärung zu erteilen. Im Schreiben vom 8. Mai 2000, dem die Klageschrift beigefügt war, hat die HMV in laienhafter Weise um Unterstützung, also für die Beklagte erkennbar um Deckungsschutz gebeten. Beim Telefongespräch vom 17. Mai 2000 hat der Geschäftsführer der HMV den Sachbearbeiter der Beklagten, den Zeugen de J. , erneut um Rechtsschutz gebeten, wie dessen Aussage vor dem Oberlandesgericht zu entnehmen ist.
21
b) Diesem Ersuchen gegenüber hat sich die Beklagte pflichtwidrig verhalten. Sie hat sich bei der Betriebs-/Produkthaftpflichtversicherung ersichtlich zu Unrecht auf Leistungsfreiheit wegen verspäteter Zahlung des Erstbeitrags berufen (dazu unten III. 1.). Weiterhin hat sie sich ersichtlich zu Unrecht auf Leistungsfreiheit nach § 4 I Nr. 1 AHB wegen der Befreiung der Klägerin von der Untersuchungs- und Rügepflicht nach § 377 HGB berufen (dazu unten III. 2.). Im Schreiben vom 16. Mai 2000 hat die Beklagte zwar bestmögliche Unterstützung zugesagt, die HMV aber bedingungswidrig angewiesen, selbst einen Anwalt mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen zu beauftragen. Die bestmögliche und allein vertragsgemäße Unterstützung hätte darin bestanden, dass die Beklagte den Anwalt beauftragt und die Prozessführung übernimmt. Bei dem Telefongespräch vom 17. Mai 2000 hat der Geschäftsführer der HMV den Sachbearbeiter der Beklagten gefragt, wie sich aus dessen Zeugenaussage ergibt, ob nicht die Beklagte den Rechtsanwalt bestellen und einen Spezialisten benennen könne. Dies hat der Zeuge mit der Begründung abgelehnt, er habe einen solchen auch nicht nennen können. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Zeuge, Abteilungsleiter der Beklagten und selbst Rechtsanwalt, dazu nicht in der Lage gewesen ist. Diese erneute Weigerung der Beklagten, selbst einen Anwalt zu beauftragen oder auch nur zu benennen, schließt es aus, darin ein Angebot auf Abschluss einer Vereinbarung zu sehen, die Auswahl des Anwalts der HMV zu überlassen. Die Beklagte hat vielmehr wie schon im Schreiben vom 16. Mai 2000 die Auswahl und die Beauftragung des Anwalts vertragswidrig einseitig der HMV zugeschoben. Der Zeuge de J. hat dies damals selbst so gesehen. In seinem Aktenvermerk vom 19. Juni 2000 über das Gespräch vom 17. Mai 2000 ist nicht von einer einvernehmlichen Regelung die Rede, sondern von einer "Entscheidung" der Beklagten, mit der der Geschäftsführer der HMV "nicht ganz glücklich" gewesen sei, sie also nur notgedrungen hingenommen hat. Auch das Berufungsgericht stellt kein Einvernehmen fest, sondern spricht von Weisungen der Beklagten und wertet die Nichteinschaltung eines Anwalts als weisungswidriges Verhalten der HMV. Fehlt es schon an einer Vereinbarung , kommt es nicht mehr darauf an, dass die Beklagte sich darauf mangels der gebotenen Aufklärung (s.o. unter II 1 c) nicht zum Nachteil der HMV berufen könnte.
22
c) Dieses Verhalten der Beklagten legt es nahe, darin schon eine verschleierte Ablehnung des Deckungsschutzes zu sehen mit den sich daraus ergebenden Folgen. So hat es der Geschäftsführer der HMV nach seinen Bekundungen auch verstanden.
23
Jedenfalls aber hat die Beklagte in einem Zeitpunkt, in dem dringender Handlungsbedarf bestand, der HMV nicht unmissverständlich erklärt , ob sie ihre Rechtsschutzverpflichtung erfüllt oder dies ablehnt. Sie hat damit die Arbeits- und Kostenlast und das Risiko des Prozessverlustes einseitig auf die HMV abgewälzt. Den Weg, sich gleichwohl wegen weisungswidriger Prozessführung auf Leistungsfreiheit berufen zu können , konnte sie sich damit nicht frei halten.
24
III. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen ganz oder teilweise als richtig dar.
25
1. Die Beklagte beruft sich zu Unrecht auf Leistungsfreiheit wegen verspäteter Zahlung der Erstprämie in der Betriebs-/Produkthaftpflichtversicherung , bei der der Versicherungsfall vor Zahlung der Erstprämie eingetreten sein soll. Das Landgericht hat die Berufung auf Leistungsfreiheit mit Recht an der fehlenden Belehrung scheitern lassen. Der Versicherungsantrag stammt vom 17. Dezember 1998, ab 1. Januar 1999 hatte die Beklagte unstreitig vorläufige Deckung zugesagt. Der Versicherungsschein ist erst mit Schreiben vom 4. Oktober 1999 übersandt worden. Die Rechnung selbst enthält nicht einmal einen Hinweis darauf, bis wann die Erstprämie zu zahlen ist, naturgemäß deshalb auch keine Belehrung über die Folgen verspäteter Zahlung. Im Versicherungsschein ist nur die übliche erweiterte Einlösungsklausel enthalten, wonach der Versicherungsschutz erst mit Zahlung der Erstprämie beginnt. Sollte also der materielle Versicherungsschutz aus dem Hauptvertrag erst mit Zahlung der Erstprämie, wie üblich, beginnen, endete auch die vorläufige Deckung erst in diesem Zeitpunkt. Eine Belehrung darüber, welche Rechtsfolgen eine verspätete Prämienzahlung für die vorläufige Deckung hat, ist nicht erteilt worden. Deshalb kann sich die Beklagte, wie ihrem Sachbearbeiter hätte bekannt sein müssen, nicht auf Leistungsfreiheit nach § 38 Abs. 2 VVG berufen (st. Rsp. des Senats, zuletzt Urteil vom 26. April 2006 - IV ZR 248/04 - VersR 2006, 913 unter II 2; zum Beginn des materiellen Versicherungsschutzes erst mit Zahlung der Erstprämie BGHZ 47, 352, 354 und Senatsurteil vom 25. Januar 1995 - IV ZR 328/93 - VersR 1995, 409 unter 2 b aa). Die vorläufige Deckung endete nicht schon mit dem formellen Versicherungsbeginn, also dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses.
26
2. Die Beklagte hält sich zu Unrecht nach § 4 I Nr. 1 AHB für leistungsfrei , weil die HMV die Klägerin von der Untersuchungs- und Rügepflicht nach § 377 HGB befreit hat und dadurch eine über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht hinausgehende Zusage gemacht habe. Das Waschen der Kolben ist ein reiner Werkvertrag. Darauf sind die §§ 377, 381 Abs. 2 HGB nicht anzuwenden (BGH, Urteile vom 9. Oktober 2001 - X ZR 58/00 - CR 2002, 93 unter II 2 und 3 und vom 4. Februar 1992 - X ZR 105/90 - NJW-RR 1992, 626 unter I 2). Auch dies hätte der Sachbearbeiter der Beklagten ohne weiteres feststellen können.
27
3. Die Beklagte ist auch nicht nach § 12 Abs. 3 VVG leistungsfrei. Die Klägerin klagt in zulässiger Weise auf Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten (vgl. Senatsurteil vom 15. November 2000 - IV ZR 223/99 - VersR 2001, 90 unter 2 a). Diese rechtzeitig erhobene Klage hat die Frist gewahrt (siehe dazu auch Voit/Knappmann, aaO § 156 Rdn. 1 und Langheid in Römer/Langheid, VVG 2. Aufl. § 156 Rdn. 1). Dem Landgericht ist auch in diesem Punkt zuzustimmen.
28
4. Die Abtretungserklärung der HMV vom 30. März 2000 enthält kein verbotenes Anerkenntnis, sondern beschreibt nur den Haftungsgrund , wie das Landgericht auf S. 20 seines Urteils zutreffend ausgeführt hat.
29
IV. Im Übrigen ist die Sache mangels ausreichender Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entscheidungsreif und deshalb zurückzuverweisen.
30
Antrag Zum der Klägerin auf Zahlung in Höhe der vollen Deckungssumme wird auf Folgendes hingewiesen:
31
Auf Zahlung kann die Klägerin die Beklagte nur in Anspruch nehmen , wenn sie durch Pfändung und Überweisung oder Abtretung an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist, also Haftpflichtanspruch und Versicherungsanspruch sich bei ihr in einer Hand vereinigt haben (vgl. Senatsurteile vom 13. Februar 1980 - IV ZR 39/78 - VersR 1980, 522 unter I; vom 12. März 1975 - IV ZR 102/74 - VersR 1975, 655 unter 1 und vom 17. März 2004 - IV ZR 268/03 - VersR 2004, 634 unter II 2).
32
1. Das ist hier hinsichtlich des Zahlungsausspruchs des Versäumnisurteils im Haftpflichtprozess i.V. mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Fall. Der Feststellungsausspruch des Versäumnisurteils im Haftpflichtprozess ist nicht vollstreckungsfähig, kann also nicht zu einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss führen.
33
2. Die Abtretung vom 30. März 2000 verstößt gegen das Abtretungsverbot des § 7 Nr. 3 AHB. Die Ablehnung des Deckungsschutzes mit Schreiben vom 24. Juli 2000 ist keine endgültige Feststellung des Versicherungsanspruchs, um den allein es geht (Senatsurteil vom 26. März 1997 - IV ZR 137/96 - VersR 1997, 1088 unter 5 c). Das Abtretungsverbot kann nicht durch gewillkürte Prozessstandschaft umgangen werden. Ob die Berufung der Beklagten auf das Abtretungsverbot rechtsmissbräuchlich ist, lässt sich noch nicht abschließend beurteilen.
34
Das Abtretungsverbot scheitert nicht an § 354a HGB, weil es sich bei dem Anspruch auf Deckungsschutz in der Haftpflichtversicherung nicht um eine Geldforderung handelt (vgl. MünchKomm-HGB/Karsten Schmidt, § 354a Rdn. 6).
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch

Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 19.10.2001 - 9 O 11050/00 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 16.06.2003 - 8 U 3959/01 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 66/01 Verkündet am:
4. Juli 2002
Heinzelmann,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Beauftragt ein Bauherr in selbständigen Verträgen einen Architekten und einen
Statiker mit Planungsleistungen, so ist der Statiker regelmäßig nicht Erfüllungsgehilfe
des Bauherrn in dessen Vertragsverhältnis mit dem Architekten.
BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 – VII ZR 66/01 - OLG Frankfurt am Main
LG Frankfurt am Main
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Juli 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Hausmann, Dr. Wiebel, Dr. Kuffer und Prof. Dr. Kniffka

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Streithelfers der Klägerin wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. Dezember 2000 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von dem beklagten Landschaftsarchitekten Schadensersatz. Sie beauftragte den Beklagten 1991 im Zuge der Dachbegrünung eines Bürgergemeinschaftshauses mit der Planung, der Auftragsvergabe und der Bauüberwachung. 1992 traten Schäden an den DSB-Trägern (Dreieckstrebenbau -Träger) im Dachbereich über dem Foyer und dem Jugendraum auf. Die Klägerin beauftragte den Streithelfer mit statischen Untersuchungen. Dieser stellte fest, die Dachkonstruktion sei in allen Bereichen überlastet und die Be-
grünung müsse reduziert werden. Im Rahmen seiner Untersuchungen trug er in einen Plan für die verschiedenen Bereiche des Daches handschriftlich die nach seiner Berechnung jeweils zulässige Zusatzlast ein, die er für den Bereich über dem Saal mit 114 kp/qm ermittelte. Die Klägerin leitete diesen Plan an den Beklagten weiter. Dieser errechnete daraus die nach seiner Ansicht zulässige Substrathöhe für die Begrünung und trug sie in den Plan ein. Anhand dieser Angaben wurde die Dachbegrünung reduziert. Im Bereich über dem Saal fehlte eine Angabe, weil der Beklagte meinte, eine Reduzierung sei dort aufgrund der Angaben des Streithelfers nicht erforderlich. Anfang 1996 kam es zu einem weiteren Schaden an einem Brettschichtholzbalken im Saal. Die Klägerin hat den Beklagten wegen beider Schäden auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Nach rechtskräftig gewordenem Teilurteil streiten die Parteien jetzt noch um den Ersatz des Schadens aus dem zweiten Schadensfall in Höhe von 66.787,21 DM. Der Statiker ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten. Das Landgericht hat der Klage insoweit stattgegeben; das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Streithelfers der Klägerin.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung anzuwenden (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht führt aus, nach den Feststellungen des Sachverständigen H. betrage die statisch zulässige Traglast des Daches 150 kp/qm. Da sie durch das Eigengewicht des Dachaufbaus und die Schneelast bereits erreicht sei, führe jede weitere Belastung zu einer Überschreitung der statischen Belastungsgrenze. Die in den Plan eingetragene Angabe des Streithelfers für den Saalbereich von zusätzlichen 114 kp/qm überschreite die statisch zulässige Traglast um 76 %. Der Beklagte habe diese Angabe als verbindliche Vorgabe ansehen dürfen. Er hafte nicht deshalb, weil er die Vorgaben des Streithelfers seinerseits nicht korrekt umgesetzt habe. Eine Mitverursachung aufgrund der vom Sachverständigen H. festgestellten Überschreitung um weitere 13 % könne wegen der im Holz und in den Verbindungsmitteln vorhandenen Sicherheit ausgeschlossen werden. Selbst wenn man eine gewisse Mitverursachung unterstelle, treffe den Beklagten kein Verschulden; es trete jedenfalls hinter dem völlig überwiegenden Verschulden des Streithelfers zurück.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Revision rügt zu Recht, die Beurteilung des Berufungsgerichts über den Verursachungsbeitrag des Beklagten beruhe auf nicht tragfähigen Feststellungen. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht von der Feststellung des Sachverständigen H. aus, daß auf dem Dach des Bürgergemeinschaftshauses aus statischen Gründen keine Zusatzlast und damit keine Begrünung aufgebracht werden durfte. Infolge dessen hat die Angabe des Streit-
helfers der Klägerin, das Dach über dem Saal könne mit zusätzlichen 114 kp/qm belastet werden, zu einer Überschreitung der Belastbarkeit um 76 % geführt. Dabei ist der Sachverständige H. in seinem Gutachten für jeden Zentimeter Schütthöhe von einer Belastung von zusätzlich 14,1 kp/qm ausgegangen, so daß die Schütthöhe auf dem Dach über dem Saal nach der, wenn auch schon im Ansatz fehlerhaften, Berechnung des Streithelfers höchstens 8,1 cm hätte betragen dürfen. Die weitere Feststellung des Berufungsgerichts, die Berechnung des Sachverständigen H., wonach die vom Beklagten nicht reduzierte Schüttung auf dem Saaldach zu einer die Berechnung des Streithelfers der Klägerin um höchstens 13 % übersteigenden Menge geführt habe, beruht auf Verfahrensfehlern. Die Revision rügt zu Recht, die Klägerin und ihr Streithelfer hätten eine tatsächlich vorhandene Schütthöhe von 12 cm auf diesem Dachteil behauptet und zu Beweis gestellt; die Zeugen hätten dies bestätigt. Mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts ist daher zugunsten der Revision von einer Schütthöhe von 12 cm über dem Saal auszugehen. Dann betrug die Belastung des Saaldachs in diesem Bereich 12 x 14,1 kp/qm = 169,2 kp/qm statt 114 kp/qm. Unter Berücksichtigung der zulässigen Traglast von insgesamt 150 kp/qm ergab sich eine Gesamtbelastung von nicht nur 264 kp/qm, sondern von 319,2 kp/qm und damit eine Überschreitung von nicht bloß 76 %, sondern von 112,8 %. Diese Mehrbelastung kann unter Berücksichtigung der Größe des Saaldachs für die Beurteilung der Mitursächlichkeit des Beklagten für den eingetretenen Schaden entscheidungserheblich sein. Mit dieser verfahrensfehlerhaft getroffenen Feststellung zur Mitursächlichkeit des Beklagten ist daher zugleich die Auffassung des Berufungsgerichts, den Beklagten treffe an der durch ihn verursachten Überschreitung kein Verschulden, ohne tragfähige Grundlage.

III.

Danach kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben. Es ist aufzuhe- ben. Nach Zurückverweisung der Sache wird das Berufungsgericht zunächst festzustellen haben, ob die mangelhafte Umsetzung der Angaben des Streithelfers der Klägerin durch den Beklagten für den 1996 eingetretenen Schaden mitursächlich geworden ist. Es wird dabei auch die weiteren Rügen der Revision zur Beweiswürdigung zu beachten haben. Sollte das Berufungsgericht eine Mitursächlichkeit des Beklagten feststellen , so wird dieser darzulegen und zu beweisen haben, daß ihn daran kein Verschulden trifft (§ 282 BGB). Soweit das Berufungsgericht anzunehmen scheint, die Klägerin müsse sich ein Mitverschulden ihres Streithelfers anrechnen lassen, ist dies nach den bisherigen Feststellungen nicht zutreffend. Der vom Bauherrn beauftragte Statiker ist regelmäßig nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn in dessen Vertragsverhältnis mit dem Architekten (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1971 - VII ZR 204/69, BauR 1971, 265, 267, 269). Hat die Klägerin
mit dem Statiker und mit dem Architekten selbständige Verträge abgeschlossen , so haftet jeder von beiden nur für die Erfüllung der von ihm in seinem Vertrag übernommenen Verpflichtungen. Bislang fehlen Feststellungen des Berufungsgerichts , daß der Streithelfer der Klägerin ausnahmsweise als deren Erfüllungsgehilfe gehandelt habe. Ullmann Hausmann Wiebel Kuffer Kniffka

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 187/02 Verkündet am:
18. Juli 2003
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO (2002) §§ 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2, 544 Abs. 6 Satz 1

a) Ein Berufungsurteil beruht auf der Verletzung rechtlichen Gehörs, wenn nicht
ausgeschlossen werden kann, daß das Berufungsgericht bei Berücksichtigung
des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte.

b) Eine Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Berufungsgericht führt nicht zur
Zulassung der Revision, wenn sich nach einer rechtlichen
Überprüfung in dem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren das Berufungsurteil
aus anderen Gründen als richtig darstellt.

c) Ist die Revision wegen der Verletzung rechtlichen Gehörs zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zugelassen, so
ist die Überprüfung des Berufungsurteils in dem Revisionsverfahren, als das das
Beschwerdeverfahren gemäß § 544 Abs. 6 Satz 1 ZPO fortgesetzt wird, nicht auf
die Gesichtspunkte beschränkt, die für die Zulassung der Revision maßgebend
waren.
BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 - V ZR 187/02 - Kammergericht
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Juli 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und
Dr. Schmidt-Räntsch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 2. Mai 2002 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 23 des Landgerichts Berlin vom 8. November 2000 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte trat seit Mitte 1990 als Rechtsnachfolgerin der LiberalDemokratischen Partei Deutschlands (LDPD) und der National-Demokratischen Partei Deutschlands (NDPD) auf. Sie nutzte zwischen dem 3. Oktober 1990 und dem 31. Dezember 1991 elf Grundstücke, die zuvor als Volkseigentum in Rechtsträgerschaft jeweils einer dieser Parteien gestanden hatten. Während dieser Zeit vereinnahmte die Beklagte 1.258.519,44 DM aus der Vermietung
der Grundstücke. Ein Teil der Mieten wurde auf ein Konto der Beklagten bei der Berliner Bank gezahlt, das unter treuhändischer Verwaltung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben stand. Ferner ersparte die Beklagte durch Eigennutzung der Grundstücke Mietzahlungen in Höhe weiterer 517.616,13 DM. Dem standen von ihr aufgewandte Verwaltungskosten für die Grundstücke in Höhe von mindestens 1.081.741 DM gegenüber.
In einem Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Berlin nahm die Beklagte die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben auf Wiederzurverfügungstellung bestimmter Vermögenswerte wegen eines vermeintlichen Erwerbs nach materiell-rechtsstaatlichen Grundsätzen in Anspruch. Beigeladene dieses Rechtsstreits war auch die Klägerin, vertreten durch die Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen in der früheren DDR. Unter Einbeziehung der Beigeladenen schlossen die Beklagte und die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben in dem Verwaltungsstreitverfahren am 11. Dezember 1995 einen Prozeßvergleich. In dessen Präambel wird ausgeführt, daß "unterschiedliche Rechtsauffassungen darüber (bestehen), welche Vermögensgegenstände von der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands/des Bundes Freier Demokraten (LDPD) und der National-Demokratischen Partei Deutschlands nach materiell-rechtsstaatlichen Grundsätzen ... erworben wurden und diesen daher wieder zur Verfügung zu stellen sind." Weiter bestehe Streit darüber, ob die Beklagte "vermögensrechtlich Rechtsnachfolgerin der LDPD und NDPD geworden" sei. Außerdem gebe es unterschiedliche Auffassungen über die Frage , ob und ggf. in welcher Höhe die Beklagte "Altvermögen der LDPD und NDPD für Zwecke in Anspruch genommen hat, für die sie nur Neuvermögen hätte einsetzen dürfen." Die Beteiligten seien sich in dem Ziel einig, "beste-
hende Ungewißheit im Wege dieses Vergleichs endgültig zu beseitigen ...". Im Anschluß daran wurde unter § 1 Satz 1 des Vergleichs vereinbart:
"Gegenstand dieses Vergleichs ist das am 7. Oktober 1989 vorhandene und seither an die Stelle dieses Vermögens getretene Vermögen der LDPD und NDPD."
Nach § 2 des Vergleichs wurden der LDPD, die sich ihrerseits zur Übertragung auf die Beklagte verpflichtete, zwei Grundstücke sowie ein Geldbetrag von 4,8 Mio. DM wieder zur Verfügung gestellt. Auf die Wiederzurverfügungstellung aller anderen "Vermögenswerte des Altvermögens von LDPD und NDPD" verzichtete die Beklagte unter § 3 des Vergleichs. Als Gegenstand des Verzichts sind u.a. die Forderungen aus dem für die Mietzahlungen bestimmten Bankkonto der Beklagten bei der Berliner Bank aufgeführt. In § 4 Abs. 1 des Vergleichs ist festgehalten, daß zwar unterschiedliche Auffassungen wegen der "Verwendung des Altvermögens" nach dem 7. Oktober 1989 bestünden, die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben jedoch auch gegen die Beklagte "keine Regreßansprüche wegen des endgültigen Abflusses von Altvermögenswerten" geltend mache. Der "Verzicht" soll sich nicht auf solches Vermögen beziehen, auf das LDPD, NDPD und die Beklagte "noch eine Zugriffsmöglichkeit" haben.
Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt die Klägerin von der Beklagten ! Zahlung von 694.394,54 DM (= 355.038,29 bzw. ersparten Mieten unter Abzug der unstreitigen Verwaltungskosten ergeben. Sie ist der Auffassung, der vor dem Verwaltungsgericht geschlossene Prozeßvergleich habe ihre nun geltend gemachten zivilrechtlichen Ansprüche
nicht erfaßt; es seien lediglich die Auswirkungen der treuhänderischen Verwaltung durch die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben auf das LDPD- und NDPD-Vermögen sowie deren teilweise Beendigung geregelt worden. Außerdem sei sie an dem Vergleich auch nicht beteiligt gewesen. Die Klage ist in erster Instanz ohne Erfolg geblieben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Kammergericht der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision , mit der die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg.

I.


Das Berufungsgericht bejaht einen Anspruch der Klägerin aus § 988 BGB. Als unentgeltliche Besitzerin sei die Beklagte zur Nutzungsherausgabe verpflichtet. Der Anspruch sei durch den Vergleich vom 11. Dezember 1995 nicht ausgeschlossen. Als früheres Volkseigentum seien die Grundstücke nun Teil des Bundesfinanzvermögens. Damit könnten sie nicht Gegenstand des Vergleichs sein, der nach § 1 nur das Altvermögen der früheren DDR-Parteien erfaßt habe. Zu diesem zählten die betreffenden Grundstücke nicht, weil die früheren DDR-Parteien nie deren Eigentümer gewesen seien, sondern lediglich die Rechtsträgerschaft erhalten hätten. Forderungen aus dem Bundesfinanzvermögen seien nicht geregelt worden. Auch die Erwähnung des Kontos, auf
dem die Beklagte Mieteinnahmen aus den Grundstücken angesammelt habe, in § 3 des Vergleichs führe zu keinem anderen Ergebnis, weil zuvor klargestellt worden sei, daß sich der Verzicht nur auf das Altvermögen beziehe.
Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

II.


1. Der Senat kann das angefochtene Urteil nach Maßgabe des Revisionsrechts in vollem Umfang überprüfen; er ist nicht auf die Gründe beschränkt, die Anlaß waren, der Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten stattzugeben.

a) Mit der Nichtzulassungsbeschwerde hat die Beklagte zu Recht eine Mißachtung ihres Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) beanstandet.
aa) Entgegen der Darstellung in dem angefochtenen Urteil haben die Parteien in der Berufungsinstanz nicht "ausschließlich" darüber gestritten, ob der Klageanspruch Gegenstand der abschließenden Regelung im Vergleich vom 11. Dezember 1995 sei und daher nicht mehr geltend gemacht werden könne. Das Berufungsgericht hat nicht beachtet, daß die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben, weitere von der Klageforderung abzuziehende Kosten geltend gemacht, hilfsweise aufgerechnet und einen - jeder Auslegung vorgehenden (vgl. Senat, Urt. v. 7. Dezember 2001, V ZR 65/01, NJW 2002, 1038, 1039 m.w.N.) - übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien vorgetragen hat. Diesen Teil ihres Verteidigungsvorbringens aus dem ersten Rechtszug
brauchte die Beklagte vor dem Berufungsgericht nicht ausdrücklich zu wiederholen. Die Beklagte ist nämlich im ersten Rechtszug schon deshalb erfolgreich gewesen, weil nach der Auslegung des Landgerichts durch den Vergleich auch die Klageforderung ausgeschlossen war. Die Klägerin wandte sich mit ihrer Berufung gegen diese Interpretation, während die Beklagte sich darauf beschränken konnte, das Urteil zu verteidigen. Auf das weitere Verteidigungsvorbringen der Beklagten kam es hiernach zunächst nicht mehr an, womit es aber noch nicht - gegen alle Vernunft - fallengelassen war. Da die Beklagte in der Berufungserwiderung auf ihr Vorbringen aus erster Instanz Bezug genommen hat, ist die Nichtberücksichtigung ihres Vorbringens aus dem ersten Rechtszug als Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu qualifizieren (vgl. BVerfGE 46, 315, 319 f; 60, 305, 311; 70, 288, 295; BVerfG, NJW 1992, 495; auch BVerfG, NJWRR 1995, 828).
bb) Das Berufungsurteil beruht auch auf dieser Verletzung des rechtlichen Gehörs. Diese Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts , schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß das Gericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (BVerfGE 7, 95, 99; 60, 247, 250; 62, 392, 396; 89, 381, 392 f). Damit steht es im Einklang, wenn die Verletzung rechtlichen Gehörs , die im Zivilprozeß nicht zu den absoluten Revisionsgründen zählt (MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 547 Rdn. 22; Musielak /Ball, ZPO, 3. Aufl., § 547 Rdn. 19; teilw. a.A. aber Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 21. Aufl., § 551 Rdn. 19), hier als Verfahrensfehler angesehen wird, bei dem für die Ursächlichkeit der Rechtsverletzung allein die Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung des Berufungsgerichts genügt (MünchKommZPO /Wenzel, aaO, § 547 Rdn. 22; Musielak/Ball, aaO, § 547 Rdn. 19). Im vor-
liegenden Fall kann diese Möglichkeit zwar - weil die vierjährige Verjährungsfrist des § 197 BGB a.F. nicht für den hier geltend gemachten Anspruch auf Nutzungsersatz aus § 988 BGB gilt (vgl. Senat, Urt. v. 18. Juli 2003, V ZR 205/02, zur Veröffentlichung vorgesehen) - für die übergangene Verjährungseinrede ausgeschlossen werden. Auf der Grundlage der hier maßgeblichen rechtlichen Sicht des Berufungsgerichts (vgl. BVerwG, Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 16) gilt das aber nicht für das Vorbringen der Beklagten zu angeblichen Gegenforderungen und zu dem gemeinsamen umfassenden Abgeltungswillen.

b) Die Verletzung eines Verfahrensgrundrechts führt nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zur Zulassung der Revision, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (vgl. Senat, Beschl. v. 27. März 2003, V ZR 291/02, NJW 2003, 1943, 1946 zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
aa) Hieraus folgt allerdings nicht, daß der Senat in dem Revisionsverfahren , als das das Beschwerdeverfahren gemäß § 544 Abs. 6 Satz 1 ZPO fortgesetzt wird, bei der Überprüfung des Berufungsurteils auf die Gesichtspunkte beschränkt wäre, die für die Zulassung der Revision maßgebend waren. Auch dann, wenn die Revisionsinstanz erst durch eine erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde eröffnet wird, richtet sich der Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung nach den allgemeinen Regeln, insbesondere aus § 557 ZPO. Dies wird durch die Systematik des Gesetzes bestätigt, das zwischen der Nichtzulassungsbeschwerde und dem Revisionsverfahren klar trennt (vgl. MünchKomm-ZPO/Wenzel, aaO, § 544 Rdn. 18). So gibt § 544 Abs. 6 Satz 3
ZPO, der den Beginn der Revisionsbegründungsfrist an die Zustellung der Entscheidung über die Zulassung der Revision knüpft, dem Revisionskläger Gelegenheit , seine Angriffe im Hinblick auf die nun eröffnete volle Überprüfung des Berufungsurteils - wenn notwendig - neu vorzutragen (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 544 Rdn. 16). Ergibt sich der Zulassungsgrund aus einem Verfassungsverstoß des Berufungsgerichts, so gilt nichts anderes. Das Revisionsgericht hat die Rechtssache nicht etwa allein unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen. Anders als im Verfahren der Verfassungsbeschwerde , das einer Überprüfung auf Verfassungsverstöße dient und dessen Prüfungsintensität entsprechend eingeschränkt ist, haben sich die Fachgerichte vielmehr mit jeder Rechtsbeeinträchtigung zu befassen (BVerfG, NJW 2003, 1924, 1926).
bb) Auf Grund der weitergehenden Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts ist der Senat zudem im Verfahren der Nichtzulassungbeschwerde selbst nach Feststellung eines Verfassungsverstoßes nicht an einer Prüfung des einfachen Gesetzesrechts gehindert. Gelangt das Revisionsgericht daher bei Prüfung einer Nichtzulassungsbeschwerde zu dem Ergebnis, daß sich das Berufungsurteil trotz der Gehörsverletzung in der Vorinstanz im Ergebnis als richtig darstellt, weil im Fall richtiger Anwendung des formellen und des materiellen Rechts auch bei Beachtung des übergangenen Vorbringens kein anderes Urteil hätte ergehen können, so sind die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nicht gegeben. Die bisher unterbliebene Berücksichtigung und Erwägung des Vorbringens wurde dann in der Revisionsinstanz nachgeholt und die Verletzung des rechtlichen Gehörs auf diese Weise geheilt (vgl. BVerfGE 5, 22, 24; 62, 392, 397). Zugleich steht fest, daß die Frage der Gehörsverletzung keine Entscheidungserheblichkeit erlangen kann, weil selbst bei
einer Zulassung der Revision, dieses Rechtsmittel nach § 561 ZPO nicht zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils führen könnte (vgl. BVerwGE 15, 24, 26; 52, 33, 42; BVerwG, NVwZ-RR 2000, 233, 234; MünchKommZPO /Wenzel, aaO, § 561 Rdn. 8). Ist eine Frage nicht entscheidungserheblich, so kann sie auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Zulassung der Revision eröffnen (vgl. BGH, Beschl. v. 19. Dezember 2002, VII ZR 101/02, NJW 2003, 831; auch Senat, Beschl. v. 25. Juli 2002, V ZR 118/02, NJW 2002, 3180, 3181). Indessen kann das Berufungsurteil im vorliegenden Fall auch mit einer anderen Begründung keinen Bestand haben.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin von der Beklagten nicht gemäß § 988 BGB die Herausgabe der aus den fraglichen elf Grundstücken gezogenen Nutzungen verlangen. Zwar sind die Grundstücke seit dem 3. Oktober 1990 gemäß Art. 22 Abs. 1 Satz 1 des Einigungsvertrages als Finanzvermögen Eigentum der Klägerin, und die Beklagte hat den Besitz an diesen Grundstücken auch unentgeltlich erlangt (vgl. Senat, Urt. v. 20. Februar 1998, V ZR 319/96, NJW 1998, 1709, 1710). Ferner zählen zu den von ihr gezogenen Nutzungen nach § 99 Abs. 3 BGB die hier herausverlangten Mieteinnahmen sowie nach §§ 100, 818 Abs. 2 BGB auch der Wertersatz für die durch die Eigennutzung erlangten Gebrauchsvorteile. Gleichwohl steht der Klägerin nach den im Prozeßvergleich vom 11. Dezember 1995 getroffenen Vereinbarungen der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Das abweichende Verständnis des Berufungsgerichts beruht auf einer fehlerhaften Auslegung des Prozeßvergleichs und bindet daher den Senat nicht.

a) Die tatrichterliche Auslegung eines Prozeßvergleichs unterliegt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht jedenfalls hinsichtlich der Beachtung der anerkannten Auslegungsgrundsätze, der gesetzlichen Auslegungsregeln, der Denkgesetze und der Erfahrungssätze (vgl. BGH, Urt. v. 11. Mai 1995, VII ZR 116/94, NJW-RR 1995, 1201, 1202; Urt. v. 13. Dezember 1995, XII ZR 194/93, NJW 1996, 838, 839). Für den vorliegenden Fall ergeben sich aus dem Umstand, daß der Prozeßvergleich in einem Verwaltungsstreitverfahren abgeschlossen wurde und - zumindest in seinen wesentlichen Teilen - als öffentlichrechtlicher Vertrag zu qualifizieren ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 106 Rdn. 5) keine Besonderheiten. Insbesondere gelten die Auslegungsgrundsätze des Zivilrechts über § 62 Satz 2 VwVfG auch für öffentlichrechtliche Verträge (vgl. BVerwGE 84, 257, 264). Einer Prüfung nach den hiernach maßgebenden Grundsätzen hält die Auslegung des Berufungsgerichts nicht stand.
aa) Entscheidend für das Verständnis des Berufungsgerichts ist die Überlegung, daß die fraglichen elf Grundstücke als Eigentum des Volkes und bloßer Rechtsträgerschaft der LDPD und der NDPD niemals Vermögen dieser Parteien waren und daher - insbesondere wegen der Festlegung des Vergleichsgegenstandes (§ 1 des Prozeßvergleichs) - von dem Vergleich nicht erfaßt sein könnten. Hierbei ist nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht bei seiner Auslegung an den von den Parteien gewählten Wortlaut der Vereinbarungen anknüpft (BGHZ 121, 13, 16; BGH, Urt. v. 11. September 2000, II ZR 34/99, NJW 2001, 144; Urt. v. 27. März 2001, VI ZR 12/00, NJW 2001, 2535). Das Berufungsgericht hat jedoch nicht hinreichend den allgemein anerkannten Auslegungsgrundsatz beachtet, daß bei Erklärungen, die sich an Angehörige eines bestimmten Verkehrskreises richten, nicht das allgemein-
sprachliche Verständnis der Aussagen entscheidend ist, sondern das in dem maßgeblichen Fachkreis verkehrsübliche Verständnis (vgl. BGH, Urt. v. 23. Juni 1994, VII ZR 163/93, NJW-RR 1994, 1108, 1109; Urt. v. 12. Dezember 2000, XI ZR 72/00, NJW 2001, 1344, 1345 m.w.N.). Hier wurde der Prozeßvergleich zwischen - zudem noch speziell beratenen - Beteiligten geschlossen, die auf dem Gebiet der Vermögensangelegenheiten der politischen Parteien der früheren DDR besonders fachkundig waren. Dies gilt namentlich für die Parteien des durch den Prozeßvergleich beendeten Verwaltungsstreitverfahrens, nämlich die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben und die hiesige Beklagte als vermeintliche Rechtsnachfolgerin zweier politischer Parteien der früheren DDR. Soweit daher in dem Prozeßvergleich von dem "Vermögen" der LDPD und der NDPD gesprochen wird, ist mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, daß dieser Begriff im Sinne der einschlägigen §§ 20 a, 20 b PartG-DDR Verwendung finden sollte.
bb) Entsprechend dem Regelungszweck einer möglichst vollständigen Erfassung und Einziehung des Partei- und Organisationsvermögens für gemeinnützige Aufgaben (vgl. Toussaint, in Kimme, Offene Vermögensfragen, § 20 b PartG-DDR Rdn. 1) ist für die §§ 20 a, 20 b PartG-DDR von einem wirtschaftlichen Vermögensbegriff auszugehen (vgl. Berger, RVI, § 20 b PartGDDR Rdn. 39). Danach zählen zwar Grundstücke, die im Volkseigentum standen und einer Partei nur in Rechtsträgerschaft überlassen worden waren, als fremdes Eigentum nicht zu deren Vermögen. Anderes gilt aber für den tatsächlichen Besitz, der einer Partei an solchen Grundstücken verblieben ist. Er stellt nach der maßgeblichen wirtschaftlichen Sicht einen Vermögenswert dar, der der Partei zuzurechnen ist (Senat, Urt. v. 9. Januar 1998, V ZR 263/96, WM 1998, 987, 988; auch Urt. v. 20. Februar 1998, aaO, 711 für das Recht
zum Besitz; Berger, RVI, § 20 b PartG-DDR Rdn. 40, 42; ders., Die treuhänderische Verwaltung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR, 1998, S. 132 f; Toussaint, in Kimme, aaO, § 20 b PartG-DDR Rdn. 64). Soweit das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang ausführt, der Besitz sei unerheblich, weil er allein das Ziehen von Nutzungen nicht rechtfertige, wird verkannt, daß der Besitz jedenfalls die tatsächliche Nutzung ermöglicht und ihm deshalb ein Vermögenswert nicht abgesprochen werden kann. Nach alledem hat das Berufungsgericht für seine Auslegung einen zu engen Vermögensbegriff zugrunde gelegt. Damit ist, weil sich für eine Begrenzung der Regelungen des Vergleichs auf Grundstücke, die im Eigentum der LDPD oder der NDPD standen, auch im übrigen kein Hinweis findet, dem Ergebnis der Auslegung des Berufungsgerichts die Grundlage entzogen.

b) Die fehlerhafte Auslegung des Berufungsgerichts zwingt nicht zu einer Zurückverweisung der Sache (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da die hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen und weitere relevante Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat den Prozeßvergleich selbst auslegen (vgl. Senat, Urt. v. 12. Februar 1997, V ZR 250/96, NJW 1998, 1219). Dies führt zu dem Ergebnis, daß der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Nutzungsherausgabe nicht mehr zustehen.
aa) Wird - wie geboten - der fachsprachliche Vermögensbegriff der §§ 20 a, 20 b PartG-DDR zugrunde gelegt, so folgt bereits aus dem Wortlaut des Vergleichs die Einbeziehung auch der Ansprüche auf Herausgabe der Nutzungen von Grundstücken, die bis zum 2. Oktober 1990 in Rechtsträgerschaft der Parteien standen. Da die hier betroffenen elf Grundstücke ersichtlich schon am 7. Oktober 1989 zum derart bestimmten Parteivermögen zählten,
also nach § 20 b Abs. 2 PartG-DDR "Altvermögen" waren, werden Ansprüche auf Nutzungsherausgabe bereits in der Präambel des Vergleichs durch den Hinweis angesprochen, daß unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen, ob und ggf. in welcher Höhe die Beklagte Altvermögen der Parteien unberechtigt "in Anspruch genommen hat." Hieran anknüpfend stellt die Vereinbarung des Vergleichsgegenstandes unter § 1 Satz 1 klar, daß nach dem Willen der am Vergleich Beteiligten das Altvermögen von LDPD und NDPD insgesamt und mithin unter Einschluß der Nutzungen des Rechtsträgervermögens in den Prozeßvergleich einbezogen ist.
bb) Dies findet durch die Vereinbarung unter § 3 Abs. 1 des Prozeßvergleichs seine Bestätigung. Im Anschluß an den Verzicht der Beklagten auf die Wiederzurverfügungstellung weiterer Vermögenswerte aus dem Altvermögen der Parteien in Satz 1 dieser Klausel, stellt Satz 2 klar, daß "hierunter" auch die Forderungen der Beklagten u.a. aus dem Bankkonto fallen, auf dem ein Teil der Mieteinnahmen aus den zuvor in Rechtsträgerschaft überlassenen Grundstücken hinterlegt war. Auch nach der Systematik des Vergleichs gingen demnach die Beteiligten davon aus, daß das zum Vergleichsgegenstand gemachte Altvermögen die Nutzungen aus dem Rechtsträgervermögen umfaßte. Das hiervon abweichende Verständnis des Berufungsgerichts führt demgemäß auch zu einem denkgesetzwidrigen Ergebnis. Die Beklagte müßte nämlich, obwohl sie mit dem Guthaben des genannten Bankkontos einen Teil der gezogenen Nutzungen verloren - und nur zur Begleichung ihres unter § 2 des Vergleichs geregelten Zahlungsanspruchs zurückerhalten - hat, den entsprechenden Betrag nochmals an die Klägerin herausgeben.
cc) Zudem spricht die beiderseitige Interessenlage für eine Einbezie- hung der Nutzungen aus dem Rechtsträgervermögen beider Parteien in den Vergleich. Die Beteiligten haben im zweiten Absatz der Vergleichspräambel ihr gemeinsames Ziel, die "bestehende Ungewißheit" über ihre Streitpunkte "endgültig zu beseitigen" klar zum Ausdruck gebracht. Da sich aus dem vorstehenden Absatz der Präambel ergibt, daß Streit auch wegen der Inanspruchnahme des Altvermögens und damit auch wegen der Nutzung der früheren Rechtsträgergrundstücke durch die Beklagte bestand, wäre es mit dem Interesse an einer umfassenden Bereinigung nicht zu vereinbaren, wenn die streitgegenständlichen Ansprüche von dem Vergleich unberührt blieben.
dd) Demnach unterfallen die streitgegenständlichen Nutzungen - soweit sie nicht bereits durch die Überlassung des unter § 3 des Vergleiches angesprochenen Bankguthabens ausgeglichen sind - als "Verwendung des Altvermögens" der Regelung unter § 4 Abs. 1 des Vergleichs. Hinsichtlich der verbleibenden Beträge wurde unter § 4 Abs. 1 Satz 2 ein Erlaß vereinbart; denn "Regreßansprüche wegen des endgültigen Abflusses von Altvermögenswerten" sollten gegen die Beklagte nicht geltend gemacht werden. Der von dem Erlaß in Satz 4 ausgenommene Fall, daß die Beklagte auf das Vermögen "noch eine Zugriffsmöglichkeit" hat, liegt nicht vor und wird von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Er setzt, wie schon die Wortwahl zeigt, voraus, daß der betreffende Teil des Altvermögens - insbesondere auf treuhänderisch verwalteten Konten - noch gegenständlich vorhanden ist. Demgemäß führt die Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen in ihrem Bericht über das Vermögen u.a. der LiberalDemokratischen Partei Deutschlands und der National-Demokratischen Partei Deutschlands aus (BT-Drucks. 13/5376, S. 205), daß der Beklagten unter Ein-
beziehung von "Einnahmen aus Altvermögen" in Höhe von 12.339.000 DM und nach Abzug noch vorhandener Geldbestände unter treuhänderischer Verwaltung in Höhe von 4.440.000 DM ein Betrag von 17.292.000 DM erlassen wurde (krit. deshalb Berger, aaO, S. 188 "erhebliche vermögensmäßige Privilegierung"

).



c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Vergleich auch hinsichtlich der Vereinbarungen über die Herausgabe der Nutzungen wirksam zustande gekommen.
aa) Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, daß Ansprüche auf Nutzungsherausgabe nicht Gegenstand des Verwaltungsstreitverfahrens waren , das durch den Prozeßvergleich vom 11. Dezember 1995 beendet worden ist. Dieser Umstand berührt indessen die Wirksamkeit des Prozeßvergleiches nicht. Auch bei Abschluß eines Prozeßvergleichs im Verwaltungsstreitverfahren sind die Parteien nach § 106 VwGO nicht auf Vereinbarungen über den Streitgegenstand beschränkt, sondern können insbesondere zivilrechtliche Ansprüche - wie hier die Ansprüche aus § 988 BGB - zum Gegenstand des Prozeßvergleichs machen (vgl. Dolderer, in: Sodan/Ziekow, NKVwGO, § 106 Rdn. 17 f; Kopp/Schenke, aaO, § 106 Rdn. 5).
bb) Die am Abschluß des Vergleichs beteiligte Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben konnte zudem im eigenen Namen über die Ansprüche der Klägerin auf Nutzungsherausgabe verfügen, insbesondere einen (teilweisen) Erlaß mit der Beklagten vereinbaren. Hierbei bedarf es keiner Entscheidung über die Frage, ob diese Ansprüche als Nutzungen des Parteivermögens ebenfalls zu den durch § 20 b Abs. 2 PartG-DDR erfaßten Vermö-
genswerten zählen (vgl. Berger, RVI, § 20 b PartG-DDR Rdn. 39) und daher nach der Maßgabenregelung der Anlage II Kapitel II Sachgebiet A Abschnitt III des Einigungsvertrages der treuhänderischen Verwaltung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben und damit auch ihrer Verfügungsbefugnis unterliegen (vgl. Toussaint, in Kimme, aaO, § 20 b PartG-DDR Rdn. 126). Die Befugnis der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben , im eigenen Namen über die fraglichen Ansprüche zu verfügen, besteht nämlich auch dann, wenn diese dem Finanzvermögen des Bundes nach Art. 22 Abs. 1 des Einigungsvertrages zugeordnet werden. In diesem Fall sind die Klägerin und die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben als Mitgläubigerinnen nach § 432 BGB anzusehen (vgl. Senat, Urt. v. 9. Januar 1998, aaO). Zwar kann ein Mitgläubiger allein keinen Erlaß mit der Folge des Erlöschens der gesamten Forderung vereinbaren (vgl. Staudinger /Noack, BGB [1999], § 432 Rdn. 46), anderes gilt aber dann, wenn ein Mitgläubiger insbesondere auf Grund erteilter Befugnis mit Wirkung für den anderen Mitgläubiger handeln kann (vgl. Staudinger/Noack, BGB [1999], § 432 Rdn. 43). Von einer solchen der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben durch die Klägerin erteilten Befugnis ist auszugehen, nachdem die Verwaltung und Verwertung der ehemals in Rechtsträgerschaft stehenden Vermögensgegenstände der Parteien und verbundenen Organisationen mit Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 30. Dezember 1991 (vgl. dazu Schneider, in: Rodenbach/Söfker/Lochen, InVorG, § 25 Rdn. 35) der damaligen Treuhandanstalt - jetzt Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben - übertragen worden ist.
3. Da mithin der geltend gemachte Anspruch der Klägerin schon durch die Vereinbarungen im Rahmen des Prozeßvergleichs ausgeschlossen ist,
kommt es auf das von dem Berufungsgericht übergangene Vorbringen nicht mehr an.

III.


Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Krüger Klein RiBGH Dr. Schmidt-Räntsch ist wegen Ortsabwesensheit an der Unterschriftsleistung gehindert. Karlsruhe, den 25.07.2003 Gaier Wenzel

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 65/01 Verkündet am:
7. Dezember 2001
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: nein
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird der Gegenstand der Auflassung von den Beteiligten versehentlich falsch bezeichnet
, so finden die allgemeinen Regeln zur rechtlichen Behandlung einer
Falschbezeichnung ("falsa demonstratio non nocet") Anwendung. Die Auflassung ist
danach nur hinsichtlich des Objekts erklärt worden, auf das sich der übereinstimmende
Wille erstreckte, während für den durch die Erklärungen äußerlich umschriebenen
Gegenstand nur scheinbar eine Einigung vorliegt, es insoweit aber in Wirklichkeit
an einer Auflassung fehlt.
BGH, Urt. v. 7. Dezember 2001- V ZR 65/01 - OLG Dresden
LG Bautzen
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Dezember 2001 durch die Richter Tropf, Schneider, Prof. Dr. Krüger,
Dr. Klein und Dr. Gaier

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 16. Januar 2001 aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bautzen vom 12. Mai 1999 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Beklagte verurteilt wird, den Veränderungsnachweis Nr. 16 des Staatlichen Vermessungsamtes B. zu genehmigen und der Berichtigung des Grundbuches dahin zuzustimmen , daß die Stadt W. als Eigentümerin des im Veränderungsnachweis mit Flurstück Nr. 64/4 bezeichneten Grundstücks eingetragen wird.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Beklagte.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger ist Eigentümer zweier nebeneinander liegender Grundstücke (Flurstücke Nr. 64/2 und Nr. 66/2) in der Innenstadt von W. (Sachsen). Das
benachbarte Grundstück (Flurstück Nr. 64/1), eingetragen im Grundbuch von W. Blatt 543 unter lfd. Nr. 4 des Bestandsverzeichnisses, stand im Eigentum der Stadt W. Eine etwa 20 m² groûe, an seine Anwesen grenzende Teilfläche dieses Grundstücks nutzte mit Zustimmung der Stadt W. allein der Kläger. Grundlage hierfür soll nach den Behauptungen des Klägers ein 1989 zwischen ihm und der Stadt W. mündlich geschlossener und später in privatschriftlicher Form bestätigter Tauschvertrag gewesen sein. Danach habe er, der Kläger, der Stadt W. eine 8 m² groûe Teilfläche des Flurstücks 64/2 überlassen und von dieser im Gegenzug die etwa 20 m² groûe Teilfläche des Flurstücks 64/1 erhalten. Dieser angebliche Geländetausch wurde jedoch weder im Liegenschaftskataster noch im Grundbuch gewahrt.
Am 1. November 1995 schlossen die Stadt W. und der Beklagte einen notariell beurkundeten Kaufvertrag. In der Urkunde wird als Kaufgegenstand das "im Grundbuch von W. Blatt 543 eingetragene Grundstück, Flurstück 64/1 (lfd. Nr. 4) mit einer Gröûe von 633 m²" genannt. Als Kaufpreis wurden 250.000 DM vereinbart, wovon 31.650 DM "auf den Grund und Boden" entfallen sollten. Die Urkunde enthält überdies die Einigung der Erschienenen hinsichtlich des Übergangs des Eigentums an dem Kaufgegenstand. Nach der Beurkundung erhielt der Beklagte von der Stadt W. eine Kopie der Katasterkarte , auf der u.a. das Flurstück 64/1 dargestellt war. In Abänderung des zuvor geschlossenen Kaufvertrages vereinbarten die Vertragsparteien mit notarieller Urkunde vom 6. Februar 1996 ein Rücktrittsrecht zugunsten des Beklagten für den Fall von Finanzierungsschwierigkeiten.
Vor Vertragsschluû hatte der Beklagte gemeinsam mit dem Bürgermeister der Stadt W. das Anwesen besichtigt. Zu diesem Zeitpunkt war von dem
Kläger die Hoffläche der ihm gehörenden Grundstücke und die von ihm für Parkplätze genutzte Teilfläche des Nachbargrundstücks bereits einheitlich mit roten Steinen gepflastert worden. Dagegen bestand das Pflaster der übrigen Hoffläche des Grundstücks der Stadt W. aus grauen, bogenförmig verlegten Natursteinen. Am Rand der von ihm genutzten Teilfläche hatte der Kläger zur Abgrenzung von dem verbleibenden Grundstück der Stadt W. im Anschluû an eine auf der Grenze verlaufende halbhohe Mauer zwei massive Steinpoller setzen lassen.
Der inzwischen als Eigentümer des Flurstücks Nr. 64/1 eingetragene Beklagte nahm die von dem Kläger genutzte Teilfläche im Sommer 1998 in Besitz.
Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte sei nicht Eigentümer dieser Teilfläche geworden. Kaufobjekt habe nur das Grundstück sein sollen, wie es sich bei der Besichtigung tatsächlich dargestellt habe. Er hat von dem Beklagten die Auflassung der näher umschriebenen Teilfläche an die Stadt W. verlangt , hilfsweise die Auflassung an sich selbst und weiter hilfsweise die Feststellung , daû ihm an der Teilfläche ein Nutzungsrecht zustehe. Das Landgericht hat der Klage im Hauptantrag stattgegeben. Ein erstes Urteil des Oberlandesgerichts , das die Verurteilung im wesentlichen bestätigt hat, ist von dem Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen wegen Verletzung des Beklagten in seinem Grundrecht aus Art. 78 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung aufgehoben worden. Nach Zurückverweisung der Sache durch den Verfassungsgerichtshof hat der Kläger weitere Hilfsanträge gestellt, mit denen er die Verurteilung des Beklagten zur Bewilligung der Eintragung der Stadt W., hilfsweise seiner selbst, als Eigentümer der noch zu vermessenden bzw. nach nicht
bestandskräftigem Veränderungsnachweis bereits vermessenen Teilfläche erstrebt. In einem zweiten Urteil hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die - zugelassene - Revision des Klägers, mit der er seine Anträge weiterverfolgt und mit zusätzlichen Hilfsanträgen von dem Beklagten die Genehmigung des Veränderungsnachweises hinsichtlich der umstrittenen Teilfläche, weiter hilfsweise dessen Zustimmung zur Abmessung und Abschreibung einer Fläche von ca. 20 m² entsprechend dem Veränderungsnachweis , sowie jeweils die Bewilligung zu seiner Eintragung als Eigentümer des Teilgrundstücks verlangt. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet und führt - mit klarstellender Maûgabe - zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

I.


Das Berufungsgericht hält den Kläger zwar für befugt, einen etwaigen Anspruch der Stadt W. im Wege gewillkürter Prozeûstandschaft geltend zu machen. Die Klage sei jedoch nicht begründet, weil weder die Voraussetzungen eines Grundbuchberichtigungsanspruchs nach § 894 BGB noch die eines Bereicherungsanspruchs nach § 812 BGB erfüllt seien. Die Stadt W. habe dem Beklagten nämlich das gesamte Flurstück Nr. 64/1 verkauft und übereignet und
nicht etwa nur eine durch die "natürlichen Grenzen" umschriebene Teilfläche dieses Grundstücks. Allerdings sei eine Falschbezeichnung auch bei Grundstücksgeschäften unschädlich, hier hätten die Vertragsparteien aber nichts von der Vertragsurkunde Abweichendes gewollt. Nach der Aussage des Zeugen S. habe bei der Besichtigung des Anwesens das streitige Teilstück keine Rolle gespielt und sei nicht in die Überlegungen einbezogen worden. Die Vertragsparteien hätten keinen besonderen rechtsgeschäftlichen Willen gehabt, sondern sich einfach vorgestellt, daû das Grundstück "im Ganzen" verkauft werden solle. Auch die Vertragsauslegung ergebe keinen von dem Wortlaut der Vertragsurkunde abweichenden Inhalt des Vertrages. Wer ein Grundstück kaufe, könne regelmäûig davon ausgehen, daû der tatsächliche Grenzverlauf und nicht die natürlichen Grenzen maûgeblich seien. Auch juristischen Laien sei bekannt, daû nicht die natürlichen Grenzmarken verbindlich seien. Der zwischen dem Kläger und der Stadt W. formunwirksam vereinbarte Tausch der Grundstücksflächen könne keine Bedeutung erlangen, weil die Vertragsparteien daran bei Vertragsschluû nicht gedacht hätten. Unerheblich sei auch die Nutzung der Teilfläche durch den Kläger, wie schon der Vergleich mit der Einräumung eines bloûen Nutzungsrechts oder einer irrtümlichen Überbauung zeige. Aus den weiteren Umständen habe sich für den Beklagten ebenfalls nicht ergeben, daû das Grundstück nur teilweise habe verkauft werden sollen. Insbesondere sei der Kaufpreis offenbar nach der Fläche des gesamten Grundstücks errechnet worden. Schlieûlich ergebe auch eine ergänzende Vertragsauslegung nicht, daû die streitige Teilfläche von dem Verkauf ausgenommen sei.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.


1. Das Berufungsgericht bejaht allerdings zu Recht die Prozeûführungsbefugnis des Klägers. Der Kläger kann einen nur der Stadt W. als Eigentümerin des betroffenen Grundstücks zustehenden Grundbuchberichtigungsanspruch im Wege der gewillkürten Prozeûstandschaft geltend machen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes darf ein Kläger im Prozeû ein fremdes Recht aufgrund einer ihm von dem Berechtigten erteilten Ermächtigung im eigenen Namen verfolgen, sofern er hieran ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat (s. nur BGHZ 100, 217, 218 m.w.N.) Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn ein Grundbuchberichtigungsanspruch, der nicht selbständig abtretbar ist, geltend gemacht werden soll (Senat, Urt. v. 2. Oktober 1987, V ZR 182/86, NJW-RR 1988, 126, 127). Vorliegend ist die Ermächtigung des Klägers in schlüssiger Weise durch die von der Stadt W. in der Vereinbarung vom 30. September 1998 erklärte Abtretung erfolgt (vgl. Senat, Urt. v. 2. Oktober 1987, aaO). Unter den gegebenen Umständen ist das Berufungsgericht zutreffend von einem eigenen Interesse des Klägers ausgegangen, den Anspruch auf Grundbuchberichtigung gegenüber dem Beklagten geltend zu machen. Dieses Interesse des Klägers ist auch schutzwürdig, insbesondere wird der Beklagte durch die gewählte Art der Prozeûführung nicht unbillig benachteiligt.
2. Der von dem Kläger gestellte Hauptantrag bedarf allerdings einer interessengerechten Auslegung. In Anbetracht der inzwischen veränderten Umstände ist der Hauptantrag dahin zu verstehen, daû der Kläger die Genehmi-
gung des nun vorliegenden Veränderungsnachweises durch den Beklagten erstrebt (vgl. Senat, Urt. v. 21. Februar 1986, V ZR 246/84, NJW 1986, 1867, 1868 zur Auslegung eines vergleichbaren Antrages bei fehlender Zulässigkeit), und der Antrag im übrigen auf die Zustimmung des Beklagten zur Eintragung der Stadt W. als Eigentümerin der umstrittenen Teilfläche im Wege der Grundbuchberichtigung gerichtet ist (vgl. Senat, Urt. v. 17. November 2000, V ZR 294/99, nicht veröffentlicht, Umdruck S. 6). Während des anhängigen Rechtsstreits ist nämlich die Abvermessung der umstrittenen Teilfläche erfolgt und Gegenstand eines Veränderungsnachweises geworden. Damit ist zwar dem Kläger die an sich für eine Verurteilung erforderliche Bezeichnung nach Maûgabe des § 28 GBO (vgl. Senat, BGHZ 37, 233, 242) noch nicht möglich. Der Veränderungsnachweis bildet aber die Grundlage der Grundstücksabschreibung (§ 2 Abs. 3 GBO) und erlaubt es, durch entsprechende Bezugnahme das noch nicht abgeschriebene Grundstück übereinstimmend mit dem (künftigen) Inhalt des Grundbuchs festzulegen, weil das Grundbuchamt bei der Abschreibung die Angaben im Veränderungsnachweis übernimmt. Auch in einem solchen Fall wird daher dem Zweck des § 28 GBO genügt, die Eintragung bei dem richtigen Grundstück zu sichern (Senat, BGHZ 90, 323, 327 f; Urt. v. 21. Februar 1986, aaO; Urt. v. 24. April 1987, V ZR 228/85, NJW-RR 1988, 266). Die hier erhobene Leistungsklage ist daher ausnahmsweise zulässig, wobei es unschädlich ist, daû der Beklagte den Veränderungsnachweis nicht genehmigt hat. Der Kläger ist nämlich nicht gehalten, zunächst allein die Genehmigung des Veränderungsnachweises zu erstreiten, sondern kann dieses Ziel mit der auf Verurteilung zur Eintragungsbewilligung gerichteten Klage verbinden (vgl. Senat, BGHZ 90, 323, 328).
3. Die Klage hat bereits mit diesem Hauptantrag Erfolg. Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht einen Grundbuchberichtigungsanspruch (§ 894 BGB) gegenüber dem Beklagten. Ein solcher Anspruch ist vielmehr gegeben, weil sich die am 1. November 1995 erklärte Auflassung nicht auf das gesamte Grundstück (Flurstück Nr. 64/1) erstreckte, sondern die nun im Streit befindliche Teilfläche (nach dem Veränderungsnachweis Flurstück Nr. 64/4) nicht deren Gegenstand war. Da der Beklagte insoweit mangels Auflassung kein Eigentum erworben hat (§ 925 Abs.1 Satz 1 BGB), ist dieses bei der Stadt W. verblieben, die ihrerseits das Eigentum mangels Eigentumsumschreibung (§ 26 Abs. 2 ZGB, § 873 Abs. 1 BGB) nicht an den Kläger verloren hatte. Damit stimmt die im Grundbuch dargestellte Rechtslage, die den Beklagten als Eigentümer des gesamten Flurstücks Nr. 64/1 ausweist, nicht mit der tatsächlichen Rechtslage überein.

a) Der Wortlaut der in der notariellen Urkunde vom 1. November 1995 erklärten Auflassung ist zweifelsfrei auf die Übereignung des gesamten Flurstücks Nr. 64/1 gerichtet. Allerdings finden die allgemeinen Regeln zur rechtlichen Behandlung einer Falschbezeichnung (falsa demonstratio) auch dann Anwendung, wenn die Beteiligten den Gegenstand der Auflassung versehentlich falsch bezeichnen. Die Auflassung ist dann hinsichtlich des Objekts erklärt worden, auf das sich der übereinstimmende Wille erstreckte, während für den durch die Erklärungen äuûerlich umschriebenen Gegenstand nur scheinbar eine Einigung vorliegt, es insoweit aber in Wirklichkeit an einer Auflassung fehlt (RGZ 46, 225, 227 f; Senat, Urt. v. 8. Juni 1965, V ZR 197/62, DNotZ 1966, 172, 173; Urt. v. 25. November 1977, V ZR 102/75, WM 1978, 194, 196; vgl. auch RGZ 133, 279, 281; Senat, Urt. v. 23. Juni 1967, V ZR 4/66, LM § 256 ZPO Nr. 83; Urt. v. 21. Februar 1986, aaO; Urt. v. 17. November 2000,
V ZR 294/99, nicht veröffentlicht, Umdruck S. 5 f; OLG Nürnberg, DNotZ 1966, 542, 544; OLG Hamm, NJW-RR 1992, 152, 153; Staudinger/Pfeifer, BGB [1995], § 925 Rdn. 68; MünchKomm-BGB/Kanzleiter, 3. Aufl., § 925 Rdn. 22; Soergel/Stürner, BGB, 12. Aufl., § 925 Rdn. 37; Hagen/Brambring, Der Grundstückskauf , 7. Aufl., 2000, Rdn. 1a).

b) All das verkennt das Berufungsgericht nicht grundsätzlich, meint aber, ein von dem Wortlaut der Urkunde abweichender Wille der Vertragsparteien lasse sich nicht feststellen. Dies ist von Rechtsfehlern beeinfluût. Die Revision rügt zu Recht, daû sich das Berufungsgericht mit dem festgestellten Sachverhalt und den Beweisergebnissen nicht umfassend auseinandergesetzt hat. Durch ein zu enges Verständnis des gemäû § 133 BGB maûgeblichen wirklichen Willens hat sich das Berufungsgericht den Blick auf den entscheidungserheblichen Tatsachenstoff verstellt.
aa) Nach § 133 BGB ist der wirkliche - möglicherweise ungenau oder sogar unzutreffend geäuûerte - Wille des Erklärenden als eine sogenannte innere Tatsache zu ermitteln (vgl. BGH, Urt. v. 26. Oktober 1983, IVa ZR 80/82, NJW 1984, 721). Wird der tatsächliche Wille des Erklärenden bei Abgabe einer empfangsbedürftigen Willenserklärung festgestellt, und hat der andere Teil die Erklärung ebenfalls in diesem Sinne verstanden, dann bestimmt dieser Wille den Inhalt des Rechtsgeschäfts, ohne daû es auf Weiteres ankommt (BGH, Urt. v. 26. Oktober 1983, aaO). Es ist insbesondere nicht erforderlich, daû sich der Erklärungsempfänger den wirklichen Willen des Erklärenden zu eigen macht. Ausreichend ist vielmehr, daû er ihn erkennt und in Kenntnis dieses Willens das Geschäft abschlieût (Senat, Urt. v. 20. November 1992, V ZR 122/91, NJW-RR 1993, 373; BGH, Urt. v. 13. Februar 1989, II ZR 179/88,
NJW-RR 1989, 931, 932). Haben alle Beteiligten eine Erklärung übereinstimmend in demselben Sinn verstanden, so geht der wirkliche Wille des Erklärenden dem Wortlaut vor (Senat, Urt. v. 20. November 1987, V ZR 171/86, NJWRR 1988, 265; Urt. v. 20. November 1992, aaO; BGH, Urt. v. 26. Oktober 1983, aaO; vgl. auch MünchKomm-BGB/Mayer-Maly/Busche, 4. Aufl., § 133 Rdn. 14), und auch eine abweichende Auslegung kommt nicht in Frage (Senat, Urt. v. 14. Februar 1997, V ZR 32/96, WM 1997, 777, 778; Urt. v. 13. November 1998, V ZR 216/97, NJW 1999, 486, 487).
bb) Das Berufungsgericht stellt jedoch nicht auf den solchermaûen nach § 133 BGB maûgeblichen wirklichen Willen ab, sondern richtet seine Feststellungen auf einen gemeinsamen "besonderen rechtlichen Willen" der Vertragsparteien , der gegenüber dem wirklichen Willen offensichtlich dadurch qualifiziert sein soll, daû sich die Vertragsparteien bei der Besichtigung des Kaufobjekts "besondere Vorstellungen über die 'natürliche Grenze' des Grundstücks gemacht haben" müssen. Es läût dabei auûer acht, daû sich das von den B eteiligten bei Abgabe der Auflassungserklärungen gemeinsam Gewollte nicht etwa nur aus deren aktuellen Vorstellungen oder - wie das Berufungsgericht an anderer Stelle ausführt - den "gemachten Gedanken" bei einer vorangegangenen Besichtigung des Anwesens erschlieût. Heranzuziehen sind vielmehr alle Umstände, die zur Aufdeckung oder Aufhellung des Parteiwillens dienlich sein können, damit das Gericht auf dieser Grundlage seine Überzeugung von dem wirklichen Willen bilden kann (vgl. BGHZ 20, 109, 110 f; BGH, Urt. v. 26. Oktober 1983, aaO).

c) Das angefochtene Urteil kann hiernach keinen Bestand haben. Der Senat kann aber gemäû § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO in der Sache abschlieûend
entscheiden, weil der Sachverhalt geklärt ist und die weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts ausreichen, um dem Senat das Nachholen der von dem Berufungsgericht versäumten zwingenden Schluûfolgerungen zu ermöglichen (vgl. Senat, Urt. v. 14. Dezember 1990, V ZR 223/89, NJW 1991, 1180, 1181; Urt. v. 27. September 1991, V ZR 55/90, NJW 1992, 183, 184).
aa) Das Berufungsgericht stellt fest, daû die Stadt W. mit der Übereignung der umstrittenen Teilfläche an den Beklagten ihre eigenen Interessen miûachtet hätte, weil dieses Areal im Wege des Tausches Eigentum des Klägers habe werden sollen. Dies läût Rechtsfehler nicht erkennen, ist insbesondere von der Aussage des Zeugen S., des Bürgermeisters der Stadt W., gedeckt. Da es keinen Hinweis dafür gibt, daû die Verkäuferin abweichend von dem Regelfall nicht das Vernünftige wollte (vgl. BGHZ 134, 325, 329), ist aus diesem Umstand zu schlieûen, daû ihr Wille bei Erklärung der Auflassung nicht dahin ging, dem Beklagten das Eigentum auch an der von dem Kläger genutzten Teilfläche zu verschaffen. Dieser Schluûfolgerung steht nicht entgegen, daû sich, wie das Berufungsgericht feststellt, der Bürgermeister der Stadt W. bei der Besichtigung des Anwesens und wohl auch die bei der Beurkundung als Vertreterin handelnde Zeugin B. keine Vorstellungen von dem genauen Grenzverlauf machten, also keine (aktuelle) Kenntnis von dem gegenüber der Darstellung im Liegenschaftskataster abweichenden Kauf- und Auflassungsgegenstand hatten. Für den die Verkäuferin nach § 51 Abs. 1 Satz 2 SächsGemO vertretenden Bürgermeister stand, wie er selbst als Zeuge bekundet hat, auûer Frage, daû ungeachtet der Rechtslage an dem Flächentausch mit dem Kläger festgehalten werden sollte, die fragliche Teilfläche also nicht mehr zur Disposition der Verkäuferin stand. Mithin war, auch ohne daû er sich dies bei der Besichtigung nochmals vergegenwärtigte, sein Wille nicht auf die Übereignung
der umstrittenen Teilfläche an den Beklagten gerichtet. Daû die Willensrichtung der bei Erklärung der Auflassung mit Einzelvollmacht (§ 59 Abs. 2 SächsGemO ) handelnden Zeugin B. eine andere war, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Falls die Willensrichtung der nach Weisung handelnden Zeugin überhaupt maûgeblich sein sollte (vgl. BGHZ 51, 141, 147 für den Geschäftswillen bei arglistiger Täuschung des Vollmachtgebers), war für sie - wie sie bekundet hat - doch klar, daû die fragliche Fläche dem Kläger "gehört" und damit nicht Gegenstand des Geschäfts mit dem Beklagten sein konnte.
bb) Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ist ferner zu schlieûen , daû der Beklagte diesen Willen der Verkäuferin erkannte und sich in dessen Kenntnis mit ihr über den Eigentumsübergang einigte. Durch die der Beurkundung vorangehende Besichtigung des Anwesens hatte sich der Beklagte über den Gegenstand des Kaufvertrages und der Eigentumsverschaffung informiert. Auch das Berufungsgericht geht davon aus, daû die Besichtigung nicht nur den Zweck hatte, den Beklagten über den Zustand des Grundstücks zu unterrichten, sondern ihm auch dessen Lage und ungefähre Gröûe vermitteln sollte. Hierbei war aber, wie das Berufungsgericht weiter feststellt, die Nutzung der umstrittenen Teilfläche durch den Kläger "visuell erkennbar". Überdies hatte sich der Kläger nicht nur auf die offensichtliche Nutzung beschränkt, sondern das Areal durch die einheitliche, deutlich zu unterscheidende Pflasterung für jedermann ersichtlich in seine Grundstücke einbezogen und durch die massiven Poller zum verbleibenden Nachbargrundstück abgegrenzt. Die aufwendige und erkennbar dauerhaft gewollte bauliche Gestaltung vermittelte den Eindruck, die Fläche zähle zum Grundstückseigentum des Klägers. Auf dieser Grundlage ging nicht nur der Zeuge S. davon aus, daû "jeder normale Mensch" das durch Pflaster und Poller abgegrenzte "andere Grundstück" erkannte.
Vielmehr war auch der über die Hintergründe, insbesondere über den Flächentausch , nicht informierten Zeugin B. klar, daû die fragliche Fläche dem Kläger "gehörte" und nicht verkauft werden sollte. Es gibt keinen Hinweis darauf , daû der Beklagte, der in gleicher Weise wie die Zeugin informiert war und sich wie diese bei der Besichtigung Kenntnis von dem Gegenstand des beabsichtigten Geschäfts verschaffen wollte, eine andere Vorstellung gewonnen hatte. Tritt wie hier einem Erwerbsinteressenten bei der Besichtigung des Objekts aufgrund der tatsächlichen Situation klar vor Augen, welche Flächen Teil eines Nachbargrundstücks sind, so kann er ohne weitere Anhaltspunkte nicht davon ausgehen, daû ihm der Veräuûerer weitergehendes Eigentum ve rschaffen kann und will, als sich das Grundstück nach seiner Umgrenzung in der Natur darstellt (vgl. Soergel/Stürner, aaO, § 925 Rdn. 37; MünchKommBGB /Kanzleiter, 3. Aufl., § 925 Rdn. 22; Lutter, AcP 164 [1964], 122, 140; auch OLG Oldenburg, Recht 1920, Nr. 1220; OLG Hamm, aaO). Eine solche zweifelsfreie Zuordnung wird allerdings nicht möglich sein, soweit der Interessent lediglich nicht auf der Grenze stehende Grenzeinrichtungen vorfindet, die den richtigen Grenzverlauf nur ungenau wiedergeben (vgl. MünchKommBGB /Säcker, 3. Aufl., § 912 Rdn. 15), jedoch unerkannt bleiben oder wegen Geringfügigkeit hingenommen werden. Gleiches gilt im Falle eines Überbaus, der nach § 912 BGB geduldet werden muû. Geht es aber wie hier um eine gröûere zusammenhängende Fläche, deren Inbesitznahme als Eigentum durch den Nachbarn dem Grundstückseigentümer weder verborgen bleibt, noch regelmäûig von ihm geduldet wird, so kann ein Interessent im Zweifel nur davon ausgehen, daû dieser Bereich nicht mehr zum Eigentum des Veräuûerers zählt und daher auch nicht übereignet werden soll.
Der Kenntnis des Beklagten steht die von dem Berufungsgericht in anderem Zusammenhang erörterte Frage der Bemessung des Kaufpreises nicht entgegen. Zwar ergibt sich auf der Grundlage eines - von der Verkäuferin als angemessen erachteten - Kaufpreises von 50 DM/m² bei der Grundfläche von 633 m², die in der notariellen Urkunde bei der Beschreibung des Objekts für das gesamte Flurstück Nr. 64/1 genannt wird, genau der Betrag von 31.650 DM, der als Kaufpreisanteil für "Grund und Boden" vereinbart worden ist. Daraus folgt aber nicht, daû die Beteiligten auch die dem Kläger überlassene Teilfläche einbeziehen wollten. Nachdem sie davon ausgingen, daû das verbliebene Anwesen dem Flurstück Nr. 64/1 entsprach, war es nur folgerichtig , die hierfür in dem Liegenschaftskataster vermerkte Grundfläche auch der Preisermittlung zugrunde zu legen. Eigenständige Bedeutung für die Bestimmung des Vertragsgegenstandes kann diese Angabe mithin nicht erlangt haben. Die Unmaûgeblichkeit des Kaufpreises folgt im übrigen auch daraus, daû - was das Berufungsgericht nicht beachtet hat - die tatsächliche Grundfläche des Flurstücks Nr. 64/1 unstreitig nicht nur 633 m², sondern 645 m² betrug. Hätte der von der Stadt W. zur Ermittlung des Kaufpreises hinzugezogene Sachverständige mithin die Grundstücksgröûe nicht aus den vorhandenen Unterlagen übernommen, sondern selbst ermittelt, so könnten sich die genannten 633 m² nur durch die Berücksichtigung eines Tauschs der Teilflächen zwischen der Stadt W. und dem Kläger ergeben, also wiederum keine Einbeziehung des umstrittenen Areals in das Geschäft mit dem Beklagten begründen.
cc) An dem geschilderten Willen der Verkäuferin und an der Kenntnis des Beklagten hiervon hat sich bis zur Erklärung der Auflassung nichts geändert. Insbesondere kann der Beklagte nicht aufgrund der Katasterkarte eine
andere Vorstellung gewonnen haben, weil ihm deren Kopie erst nach der Beurkundung vom 1. November 1995 und damit erst nach der Auflassung ausgehändigt wurde. Die nachfolgende Abänderung zuvor getroffener Vereinbarungen durch die notarielle Urkunde vom 6. Februar 1996 kann insoweit keine Bedeutung erlangen, weil sie die Auflassungserklärungen nicht zum Gegenstand hatte und diese durch den Hinweis auf das unveränderte Bestehenbleiben der "übrigen Vertragsvereinbarungen" unberührt lieû (vgl. Soergel/Stürner, aaO, § 925 Rdn. 37).

d) Die von dem Berufungsgericht weiter vorgenommene Auslegung des objektiven Erklärungswertes aus der Sicht des Erklärungsempfängers (vgl. BGH, Urt. v. 8. September 1997, II ZR 55/96, NJW 1998, 384, 385) bleibt danach ohne Bedeutung. Gegenüber dem übereinstimmend Gewollten kommt eine abweichende Auslegung nicht in Betracht (Senat, Urt. v. 14. Februar 1997 und Urt. v. 13. November 1998, beide aaO).
4. Der Beklagte kann gegen den Berichtigungsanspruch nicht einwenden , daû ihm ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung der umstrittenen Teilfläche zustehe. Zwar vermag eine solche Verpflichtung den Einwand unzulässiger Rechtsausübung zu begründen (vgl. Senat, Urt. v. 28. Juni 1974, V ZR 131/72, NJW 1974, 1651), die Stadt W. schuldete aber dem Beklagten jedenfalls insoweit keine Eigentumsverschaffung, weil die vorstehenden Überlegungen zur Falschbezeichnung bei Erklärung der Auflassung wegen der Identität von Auflassungs- und Kaufgegenstand in gleicher Weise auch für den zugrundeliegenden Kaufvertrag gelten. Insbesondere ist eine versehentliche Falschbezeichnung auch im Rahmen des § 313 BGB unschädlich (vgl. Senat, BGHZ 87, 150, 153 m.w.N.; Hagen, DNotZ 1984, 267, 283 ff).

III.


Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO.
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