Bundesgerichtshof Urteil, 15. Dez. 2004 - IV ZR 393/02

bei uns veröffentlicht am15.12.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 393/02 Verkündet am:
15. Dezember 2004
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und
Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2004

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 17. Oktober 2002 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten eine höhere V ersorgungsrente.
Er ist am 6. Dezember 1934 geboren und war im öffe ntlichen Dienst bei einem Dienstherrn beschäftigt, der an der beklagten Versorgungsanstalt beteiligt ist. Seit dem 2. Dezember 1991 bezog er von der Beklagten eine Versorgungsrente. Weil er zu Rentenbeginn geschieden und zu diesem Zeitpunkt auch keine der sonstigen Alternativen des § 41 Abs. 2c Satz 1 Buchst. a der Satzung der VBL in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (im folgenden: VBLS a.F.) gegeben war, legte die Beklagte im Rahmen der Rentenberechnung zum einen bei der Ermittlung des fiktiven Nettoarbeitsentgelts die (für den Kläger ungünstige) Steuerklasse I/0 zugrunde. Zum anderen berücksichtigte sie vom Kläger

in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegte Zeiten, die nicht zugleich Umlagemonate sind, gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa VBLS a.F. nur zur Hälfte (Halbanrechnung).
Am 25. Mai 1992 heiratete der Kläger wieder, teilt e der Beklagten diesen Umstand aber erst mit bei ihr am 2. Mai 2001 eingegangenem Schreiben mit. Die Beklagte paßte daraufhin mit Wirkung ab dem 1. Juni 2001 - dem auf die Mitteilung folgenden Monat - die Versorgungsrente unter Zugrundelegung der Steuerklasse III/0 an.
Die für die Berücksichtigung der Steuerklasse maßg eblichen Satzungsbestimmungen lauteten in ihrer jeweils maßgeblichen Fassung wie folgt: § 55a VBLS a.F.: "... (2) § 41 Abs. 2a bis 2c ist mit der Maßgabe anzuwenden, daß...
b) die bisher maßgebende Steuerklasse zugrunde zu legen sind. War bisher die Steuerklasse I/0 maßgebend, ist auf vorherigen Antrag vom Beginn der neu berechneten Versorgungsrente an die Steuerklasse III/0 zugrunde zu legen, wenn eine der Voraussetzungen des § 41 Abs. 2c Satz 1 Buchst. a eingetreten ist. ..."

§ 56 VBLS a.F.: "(1) Werden nach dem Tag des Beginns der Versorgungsrente ... die Versorgungsbezüge der Versorgungsempfänger des Bundes infolge von Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse ... allgemein erhöht oder vermindert, wird das gesamtversorgungsfähige Entgelt zu demselben Zeitpunkt und in dem gleichen Ausmaß angepaßt ... . Die Versorgungsrente ist, ausgehend von dem nach Satz 1 angepaßten Entgelt, unter Beibehaltung der bisherigen gesamtversorgungsfähigen Zeit und - vorbehaltlich des Absatzes 2 - der bisher zu berücksichtigenden Bezüge, ... - im übrigen nach den für die Erstberechnung geltenden Vorschriften - neu zu errechnen. § 41 Abs. 2a bis 2c ist mit der Maßgabe anzuwenden, daß...
b) die bisher maßgebende Steuerklasse zugrunde zu legen sind. War bisher die Steuerklasse I/0 maßgebend, ist auf vorherigen Antrag vom Anpassungszeitpunkt an die Steuerklasse III/0 zugrunde zu legen, wenn eine der Voraussetzungen des § 41 Abs. 2c Satz 1 Buchst. a eingetreten ist. ..." § 41 VBLS a.F.: "(2c) Das fiktive Nettoarbeitsentgelt ist dadurch zu errechnen , daß von dem gesamtversorgungsfähigen Entgelt
a) bei einem am Tag des Beginns der Versorgungsrente ... nicht dauernd getrennt lebenden verheirateten Versorgungsberechtigten sowie bei einem Versorgungsrentenberechtigten , der an diesem Tag Anspruch auf Kindergeld oder eine entsprechende Leistung für mindestens ein Kind hat, der Betrag , der an diesem Tag als Lohnsteuer nach Steuerklasse III/0 zu zahlen wäre,


b) bei allen übrigen Versorgungsrentenberechtigten der Betrag , der am Tag des Beginns der Versorgungsrente als Lohnsteuer nach Steuerklasse I/0 zu zahlen wäre, ... abgezogen werden. ..." Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte müsse der Rentenberechnung ab dem ersten auf die Eheschließung folgenden Anpassungszeitpunkt und damit für den Zeitraum 1. Mai 1993 bis 31. Mai 2001 die günstigere Steuerklasse zugrundelegen und verlangt entsprechende Feststellung. Außerdem hält er in Anlehnung an den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2000 (VersR 2000, 835 = NJW 2000, 3341) die Halbanrechnung ab dem 1. Januar 2001 für unzulässig und begehrt Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ab diesem Zeitpunkt die vollen, nicht im öffentlichen Dienst zurückgelegten Rentenversicherungszeiten zu berücksichtigen, bis eine neue, die Regelung der Vordienstzeiten ändernde Satzung wirksam werde.
Während das Landgericht dem die Vordienstzeiten be treffenden Antrag stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen hat, hat das Berufungsgericht ihr insgesamt den Erfolg versagt. Der Kläger verfolgt mit seiner Revision beide Feststellungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklag te sei nicht verpflichtet , bei der Rentenberechnung ab 1. Januar 2001 die Vordienstzeiten in vollem Umfang zu berücksichtigen. Der Kläger gehöre nicht zu den vom Beschluß des Bundesverfassungsgerichts betroffenen jüngeren Versichertengenerationen.
Ebenfalls ohne Erfolg begehre der Kläger die Berec hnung seines fiktiven Arbeitsnettoentgelts rückwirkend ab 1. Mai 1993 unter Zugrundelegung der Steuerklasse III/0. Zwar könne die Beklagte Änderungen der tatsächlichen Voraussetzungen von Steuerklassen nicht auf die Fälle der Neuberechnung und Anpassung beschränken. Vielmehr müsse eine günstigere Steuerklasse ab dem 1. des auf den Eingang der entsprechenden Mitteilung folgenden Monats berücksichtigt werden. Das Erfordernis eines vorherigen Antrags halte aber einer Inhaltskontrolle stand. Das Klageziel sei auch unter schadensrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu erreichen , da eine nebenvertragliche Informations- und Belehrungspflicht der Beklagten insoweit nicht bestehe.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in vollem Umf ang stand.
1. Soweit sich die Revision unter Bezug auf den Be schluß des Bundesverfassungsgerichts vom 22. März 2000 (aaO) gegen die Anrechnung von Vordienstzeiten nur zur Hälfte wendet, hat der Senat in seinem Urteil vom 26. November 2003 (IV ZR 186/02 - VersR 2004, 183 unter 2 c und d) klargestellt, daß die Bedenken des Bundesverfassungsgerichts nicht diejenigen Rentnergenerationen betreffen, die vor dem 1. Januar

2001 Rentenempfänger geworden sind. Auch für die Generation des Klägers des vorliegenden Verfahrens, der seit Dezember 1991 Rente bezieht , ist nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts davon auszugehen, daß verfassungsrechtlich etwa bedenkliche Folgen einer Halbanrechnung noch im Rahmen einer bei der Regelung einer komplizierten Materie zulässigen Generalisierung bleiben und deshalb hinzunehmen sind.
Die Beklagte hat die Satzung der Zusatzversorgungs kasse mit Wirkung ab 1. Januar 2001 grundlegend geändert (vgl. BAnz. 2003 Nr. 1). Nach der Neuregelung kommt es auf Vordienstzeiten überhaupt nicht mehr an; vielmehr wird eine Betriebsrente auf der Grundlage von Versorgungspunkten gezahlt, für die das zusatzversorgungspflichtige Entgelt, eine soziale Komponente und Bonuspunkte maßgebend sind (§§ 35 ff. VBLS n.F.). Aufgrund der Übergangsregelung des § 75 Abs. 1 und 2 VBLS n.F. werden Versorgungsrenten nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Satzungsrecht für die am 31. Dezember 2001 Versorgungsrentenberechtigten als Besitzstandsrenten weitergezahlt und entsprechend § 39 der Neufassung jährlich um 1% vom Jahr 2002 an erhöht. Der Kläger macht nicht geltend und es ist auch nicht ersichtlich , daß er danach im wirtschaftlichen Ergebnis schlechter stünde als Rentenberechtigte, für die das neue Satzungsrecht gilt. Andererseits fehlt auch nach der Neufassung jede Grundlage für seine weitergehenden Forderungen.
2. Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Steuerklasse halten den Angriffen der Revision stand. Das Berufungsgericht hat dem auf Berücksichtigung der Steuerklasse III/0 bei der Berechnung der Ver-

sorgungsrente für den Zeitraum 1. Mai 1993 bis 31. Mai 2001 gerichteten Feststellungsbegehren zu Recht nicht entsprochen.

a) Die Satzung der Beklagten enthält - entgegen de n Bedenken der Revision - nach ständiger Rechtsprechung des Senats Allgemeine Geschäftsbedingungen in Form Allgemeiner Versicherungsbedingungen und ist damit einer Überprüfung anhand des AGBG (bzw. der §§ 305 ff. BGB) grundsätzlich zugänglich. Trotz des Vorliegens einer Gruppenversicherung ist der Kläger - anders als die Revisionserwiderung meint - als Versicherter in den Schutzbereich dieser Vorschriften einbezogen (vgl. z.B. BGHZ 142, 106 ff.).

b) Ein den streitentscheidenden Klauseln zur Steue rklasse innewohnender Überrumpelungseffekt im Sinne von § 3 AGBG ist nicht gegeben. Sie enthalten keine Regelung, die von den Erwartungen des Vertragspartners - bzw. des begünstigten Dritten - deutlich abweicht und mit der dieser den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht.
Daß sich die Eheschließung positiv auf die Versorg ungsrentenhöhe auswirken kann, ist schon deswegen nicht überraschend, weil sie auch beim Berufstätigen die steuerrechtlich anzusetzende Steuerklasse und damit das zur Verfügung stehende Nettoeinkommen erheblich (positiv ) beeinflußt - was als allgemein bekannt vorauszusetzen ist. Den Rentenberechnungen der Beklagten ist darüber hinaus bei aufmerksamer Durchsicht zu entnehmen, daß ein Steuerabzug berücksichtigt wird, welcher Steuerklasse er entnommen ist und auf welcher Klausel der Satzung das beruht.

Ebenso wenig kann das Antragserfordernis den Versi cherten überraschen. Es liegt auf der Hand, daß die Veränderung der familiären Verhältnisse der Beklagten mitgeteilt werden muß, um von ihr berücksichtigt werden zu können. Der Antrag des § 56 Abs. 1 Satz 4 VBLS ist formlos möglich, kann deshalb auch mündlich gestellt werden (Gilbert/ Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes § 56 Anm. 6) und ist darum regelmäßig in der Mitteilung zu sehen.
Auch daß die Klauseln einen "vorherigen" Antrag ve rlangen und dadurch vor dem Antrag liegende Zeiträume von einer Beeinflussung durch die Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse ausnehmen, ist nicht gemäß § 3 ABGB unwirksam. Es ist nicht ungewöhnlich, daß Leistungen erst ab einer Antragstellung bzw. einem vergleichbaren Zeitpunkt gewährt werden. Verwiesen sei z.B. auf Pflege- (vgl. KassKomm/ Seewald, § 19 SGB IV Rdn. 4) oder Arbeitslosengeld (das gemäß §§ 117 Abs. 1 Nr. 2, 122 SGB III eine "vorherige" Arbeitslosmeldung voraussetzt ). Dem durchschnittlichen Versicherten ist das bekannt. Er ist deshalb zumindest gehalten, die entsprechenden Satzungsbestimmungen nachzulesen.

c) Das in §§ 55a Abs. 2 Satz 2, 56 Abs. 1 Satz 4 V BLS a.F. enthaltene Erfordernis eines vorherigen Antrags hält auch einer Inhaltskontrolle gemäß § 9 Abs. 1 AGBG stand. Insbesondere benachteiligt es den Versicherten nicht unangemessen, denn die Beklagte versucht damit nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben durch einseitige Vertragsgestaltung mißbräuchlich eigene Interessen auf Kosten der Versi-

cherten durchzusetzen, ohne von vornherein auch deren Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihnen einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. BGHZ 141, 137, 147; 147, 279, 282; Senatsurteil vom 21. Februar 2001 - IV ZR 11/00 - VersR 2001, 576 unter 3 b).
Dabei braucht nicht abschließend geklärt zu werden , ob die einen selbständigen Regelungsteil darstellende Bestimmung in §§ 55a, 56 VBLS a.F., daß Änderungen der Voraussetzungen für d ie Steuerklassen nur bei einer Neuberechnung oder Anpassung berücksichtigt werden können, unwirksam ist - was das Berufungsgericht annimmt und wofür einiges spricht. Denn die Beklagte hat abweichend davon die Rente des Klägers ab dem auf die Mitteilung folgenden Monat nach der günstigeren Steuerklasse berechnet.
Das Erfordernis des vorherigen Antrags kann zwar z u nicht unerheblichen finanziellen Nachteilen auf Seiten der Versicherten führen, wenn der Antrag (aus welchen Gründen auch immer) verspätet gestellt wird. Gerade für die Verheiratung ist ein zumindest zeitnaher Antrag bei der Beklagten regelmäßig möglich. Der daher ohnehin nur in Ausnahmefällen denkbare, vom Versicherten nicht zu vertretende und für ihn nicht unerhebliche Nachteil wird aber jedenfalls dadurch aufgewogen, daß die günstigere Steuerklasse nicht wieder verloren gehen kann. War nämlich die Rente einmal unter Berücksichtigung der Steuerklasse III/0 berechnet , wird diese Steuerklasse auch bei späterem Wegfall der tatsächlichen Voraussetzungen hierfür (z.B. Scheidung) weiter zugrunde gelegt. Denn die Satzung sah eine Rückänderung zur Steuerklasse I/0 nicht vor (Gilbert/Hesse, aaO § 55a Anm. 11). Das verkennt die Revision.


d) Schließlich dringt die Revision auch nicht mit dem Einwand durch, die Beklagte habe den Kläger so zu stellen, als ob sie ihn über das Erfordernis des vorherigen Antrags belehrt und er dementsprechend die Wiederverheiratung mitgeteilt habe. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, besteht keine dahingehende Hinweis- und Belehrungspflicht der Beklagten. Die Regelung ist ausreichend klar und verständlich. Der Versicherte, der sich über die Auswirkungen veränderter Familienverhältnisse informieren will, wird durch die Überschriften ("Neuberechnung" bzw. "Anpassung") auf §§ 55a, 56 VBLS a.F. aufmerksam. Beim aufmerksamen Lesen stößt er dann auf deren Abs. 2 Satz 2 bzw. Abs. 1 Satz 4, die das Erfordernis eines vorherigen Antrags eindeutig formulieren. Dem verständigen Versicherten ist es weiter zumutbar, den Verweisungen auf § 41 Abs. 2c Satz 1 Buchst. a VBLS a.F. nachzugehen , wo die die Steuerklasse positiv beeinflussenden Tatbestände nachvollziehbar aufgezählt sind.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Wendt Felsch

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Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 117 Grundsatz


(1) Die besonderen Leistungen sind anstelle der allgemeinen Leistungen insbesondere zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung, einschließlich Berufsvorbereitung, sowie der wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung zu erbringen,

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 19 Leistungen auf Antrag oder von Amts wegen


Leistungen in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie in der sozialen Pflegeversicherung werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abw

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Bundesgerichtshof Urteil, 26. Nov. 2003 - IV ZR 186/02

bei uns veröffentlicht am 26.11.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 186/02 Verkündet am: 26. November 2003 Fritz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja _________

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 186/02 Verkündet am:
26. November 2003
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
VBLS a.F. § 42 Abs. 2
Die Anwendung des in § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa VBLS a.F.
vorgesehenen Halbanrechnungsgrundsatzes bei der Berechnung der Zusatzversorgungsrente
verstößt für Versicherte, die bis zum 31. Dezember 2000 versorgungsberechtigt
geworden sind, auch nach diesem Stichtag nicht gegen Art. 3
Abs. 1 GG, §§ 9 AGBG, 307 BGB.
BGH, Urteil vom 26. November 2003 - IV ZR 186/02 - OLG Karlsruhe
LG Karlsruhe
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und
die Richterin Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlung vom
26. November 2003

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 2. Mai 2002 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten eine höhere Zusatzrente mit Wirkung ab 1. Januar 2001.
Er ist 1934 geboren und war im öffentlichen Dienst bei einem Dienstherrn beschäftigt, der an der beklagten Versorgungsanstalt beteiligt ist. Seit 1. Oktober 1991 bezieht der Kläger eine Zusatzversorgungsrente von der Beklagten. Nach § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa ihrer Satzung (im folgenden: VBLS) in der für die Berechnung der Rentenhöhe des Klägers maßgebenden Fassung berücksichtigte die Beklagte für den Faktor der gesamtversorgungsfähigen Zeit, von dem die Höhe ihrer Zusatzrente abhängt, außer den Umlagemonaten, in denen ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes mit Umlagezahlungen an die

Beklagte für die Altersversorgung des bei ihm beschäftigten Klägers beigetragen hat, darüber hinaus andere Zeiten, die (über die Umlagemonate hinaus) der gesetzlichen Rente des Klägers zugrunde liegen, nur zur Hälfte (sog. Halbanrechnungsgrundsatz). Andererseits war nach der seinerzeit geltenden Satzung bei der Berechnung der Versorgungsrente grundsätzlich von der vollen Höhe der an den Kläger gezahlten gesetzlichen Rente auszugehen; diese wurde durch die von der Beklagten gewährte Zusatzversorgung lediglich insoweit aufgestockt, wie die gesetzliche Rente hinter der nach der Satzung berechneten Gesamtversorgung zurückblieb (§ 40 Abs. 1 VBLS a.F.). Das Bundesverfassungsgericht hat in der Halbanrechnung von Vordienstzeiten bei voller Berücksichtigung der gesetzlichen Rente einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gesehen, der nur bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden könne (VersR 2000, 835 = NJW 2000, 3341). Der Kläger hat daher beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ab 1. Januar 2001 seine vollen, nicht im öffentlichen Dienst zurückgelegten Rentenversicherungszeiten zu berücksichtigen, bis eine neue, die Regelung der Vordienstzeiten ändernde Satzung in Kraft trete.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Die Revision bleibt ohne Erfolg.

1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts gehören Berechtigte, die - wie der Kläger - am 31. Dezember 2000 schon Renten von der Beklagten bezogen haben, nicht zu dem Personenkreis, für den das Bundesverfassungsgericht die streitige Regelung beanstandet hat. Selbst wenn man aber annehme, daß auch für diese Gruppe von Rentenberechtigten die Halbanrechnung unzulässig und die Satzung insoweit unwirksam sei, könne die Klage keinen Erfolg haben. Denn es stehe eine Grundentscheidung der beteiligten Sozialpartner in Frage, die jedenfalls hier nicht vom Gericht im Wege ergänzender Auslegung eines lückenhaft gewordenen Vertrages geschlossen werden könne. Die Beklagte könne ihr Grundleistungsangebot nicht selbst gestalten, sondern müsse ein von den Sozialpartnern ausgehandeltes Ergebnis umsetzen, das notwendig kompromißhafte Züge trage und deshalb einer Auslegung unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit kaum zugänglich sei. Die vom Kläger geforderte zusätzliche Leistung sei, wenn man ihre finanziellen Auswirkungen auf die Beklagte abschätze, nicht etwa nur als Abrundung ihres Angebots zu werten, sondern erschüttere die Beklagte in ihrer wirtschaftlichen Substanz. Deshalb müsse als mögliche Neuregelung auch in Betracht gezogen werden, daß Vordienstzeiten bei der Berechnung der von der Beklagten gezahlten Zusatzrente überhaupt nicht mehr berücksichtigt werden könnten.
Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht lag der Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vom 1. März 2002 vor, der das bisherige Gesamtversorgungssystem der Beklagten durch ein an den Grundsatz der Betriebstreue anknüpfendes Punktemodell ersetzt; Vor-

dienstzeiten werden - abgesehen vom Bestandsschutz - nicht mehr be- rücksichtigt (vgl. Gilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, 37. Ergl. August 2002 Teil C Anl. 5). Im Hinblick darauf hat das Berufungsgericht keinen Anlaß gesehen, die Satzung etwa wegen Untätigkeit der Sozialpartner ergänzend auszulegen.
2. Dem ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen.

a) Am 19. September 2002 hat die Beklagte ihre Satzung mit Wirkung ab 1. Januar 2001 geändert. Nach der Übergangsregelung in § 75 Abs. 2 der Neufassung werden die nach bisherigem Satzungsrecht gezahlten Versorgungsrenten grundsätzlich als Besitzstandsrenten weitergezahlt und entsprechend § 39 der Neufassung jährlich um 1% vom Jahr 2002 an erhöht. Die vom Kläger geforderte volle Anrechnung der Vordienstzeiten ist nach wie vor nicht vorgesehen.

b) Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 22. März 2000, auf den sich der Kläger stützt, die Verfassungsbeschwerde einer 1921 geborenen Rentnerin, die seit Anfang 1983 Leistungen von der Beklagten erhielt und im Ausgangsverfahren erfolglos deren Erhöhung wegen Unwirksamkeit von Satzungsbestimmungen verlangt hatte , nicht zur Entscheidung angenommen. Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die volle Berücksichtigung ihrer Sozialversicherungsrente bei der Bestimmung der Höhe der Zusatzversorgung einerseits, aber die nur halbe Berücksichtigung von Zeiten vor Aufnahme ihrer Tätigkeit im öffentlichen Dienst bei der Bemessung der gesamtversorgungsfähigen Zeit andererseits gewandt hatte, hat das Bundesverfassungsgericht die Regelung in § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa VBLS a.F.

zwar im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG beanstandet, eine Verletzung von Grundrechten der Beschwerdeführerin aber "(noch) nicht" festgestellt. Die Ungleichbehandlung sei zwar gravierend, halte sich derzeit jedoch noch im Rahmen einer zulässigen Generalisierung. Der Satzungsgeber sei wegen der hochkomplizierten Materie zu gewissen Vereinfachungen gezwungen. Dabei dürfe er Ungleichbehandlungen in Kauf nehmen, solange davon nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betroffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv sei. Das treffe auf die Rentnergeneration der Beschwerdeführerin zu, wie das Bundesverfassungsgericht feststellt. Für die jüngeren Versichertengenerationen sei ein bruchloser Verlauf der Erwerbsbiographie im öffentlichen Dienst angesichts stark gestiegener Teilzeitarbeit und einer stärkeren Diskontinuität des Erwerbslebens allerdings nicht mehr in hinreichender Weise typisch. Angesichts dieser Entwicklung könne die Benachteiligung der Rentner durch volle Anrechnung der in Vordienstzeiten erworbenen Rentenansprüche bei nur hälftiger Berücksichtigung dieses Teils ihrer Lebensarbeitszeit im Rahmen der Berechnung der gesamtversorgungsfähigen Dienstzeit nicht länger als bis zum Ablauf des Jahres 2000 hingenommen werden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Beklagte durch die Entscheidung BVerfGE 98, 365 = VersR 1999, 600 ohnehin zu einer grundlegenden Änderung ihrer Satzung gezwungen.

c) Dieser Beschluß des Bundesverfassungsgerichts mag bei den Rentenempfängern der Beklagten die Erwartung geweckt haben, ihnen stehe vom Jahr 2001 an eine höhere Rente zu, wie sie sich bei voller Berücksichtigung der Vordienstzeiten aus der früher geltenden Fassung der VBLS ergeben würde. Der Kläger des vorliegenden Verfahrens gehört jedoch nicht zu jenen jüngeren Versichertengenerationen, für die die an-

gegriffene Halbanrechnung nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr hinnehmbar ist. Das Bundesverfassungsgericht hat die Halbanrechnung trotz verfassungsrechtlicher Bedenken noch als zulässige Typisierung und Generalisierung im Rahmen einer komplizierten Materie angesehen, weil ein bruchloser Verlauf der Erwerbsbiographie im öffentlichen Dienst erst für die jüngeren Versichertengenerationen nicht mehr hinreichend typisch sei. Bis zum Ablauf des Jahres 2000 könne die Halbanrechnung aber noch hingenommen werden. Mithin ist das Bundesverfassungsgericht davon ausgegangen, daß alle Versicherten, die vor Ablauf des Jahres 2000 Rentner bei der Beklagten geworden sind, noch zu denjenigen Generationen zählen, für die ein bruchloser Verlauf der (bei Rentenbeginn abgeschlossenen) Erwerbsbiographie als typisch angesehen werden kann. Der Kläger bezieht bereits seit 1. Oktober 1991 eine Zusatzrente von der Beklagten. Für ihn und für die Generation, der er angehört, ist die Halbanrechnung der Vordienstzeiten also noch hinzunehmen.
Die Unterscheidung, die das Bundesverfassungsgericht zwischen der Rentnergeneration der dortigen Beschwerdeführerin einerseits und den jüngeren Versichertengenerationen andererseits trifft, verlöre ihren Sinn, wenn auch Personen, die vor dem Stichtag schon Rentner bei der Beklagten waren, nach dem Stichtag als Angehörige der jüngeren Versichertengeneration hätten gelten sollen. Daß auch die Beschwerdeführerin (und nicht nur die am Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nicht beteiligten jüngeren Versichertengenerationen) vom Stichtag an einen Anspruch auf Änderung der sie benachteiligenden, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Satzungsbestimmungen gehabt hätte, ist nicht ersichtlich.


d) Der Senat folgt dem Bundesverfassungsgericht darin, daß die Anwendung des § 42 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa VBLS bei der Berechnung der Versorgungsrente für solche Versicherte, die - wie der Kläger – bis zum 31. Dezember 2000 versorgungsberechtigt geworden sind, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Damit liegt auch kein Verstoß gegen §§ 9 AGBG, 307 BGB vor. Dabei kann auf sich beruhen, ob den Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zur Ungleichbehandlung der von der Halbanrechnung betroffenen Versichertengruppe trotz der Kritik der Beklagten in jedem Punkte zu folgen ist (vgl. auch Hebler, ZTR 2000, 337 ff.). Denn mit dem Bundesverfassungsgericht ist der Senat der Auffassung, daß - ist mit der Halbanrechnung eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Versicherten verbunden, die ihr ganzes Berufsleben im öffentlichen Dienst verbracht haben - sich die Ungleichbehandlung jedenfalls im Rahmen einer zulässigen Typisierung und Generalisierung einer komplizierten, eine sehr große Gruppe von Versicherten betreffenden Materie hielt. Diese Ungleichbehandlung hat ein Versicherter, der bis zum Ablauf des Jahres 2000 Zusatzrentenempfänger geworden ist, nicht zuletzt auch im Interesse der Erhaltung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Versorgungsträgers hinzunehmen, selbst wenn für die Zukunft eine andere, eine die Ungleichbehandlung für zukünftige Rentenempfänger vermeidende Regelung zu treffen ist.

e) Der Kläger wird auch gegenüber Versicherten, deren Rente sich nach der ab 1. Januar 2001 geltenden Neufassung der VBLS richtet, nicht in rechtlich erheblicher Weise benachteiligt. Nach unwidersprochenem Vortrag der Beklagten ist das Niveau der von ihr in Zukunft aufgrund ihrer neuen Satzung zu leistenden Versorgungsrenten generell niedriger als bisher; den Berechtigten wird daneben eine ergänzende Altersvor-

sorge angeboten, die aus eigenen Beiträgen aufgebaut werden muß. Daß der Kläger trotz der dynamisierten Besitzstandsrente, die er nach § 75 Abs. 2 VBLS n.F. erhält, wirtschaftlich im Ergebnis schlechter stehe als Berechtigte, deren Versorgungsrente nach neuem Satzungsrecht ohne Rücksicht auf Vordienstzeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes berechnet wird, ist von ihm weder dargetan noch ersichtlich. Der in der Halbanrechnung von Vordienstzeiten vom Bundesverfassungsgericht gesehene Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist für die Zukunft ausgeräumt. Im Hinblick darauf stehen Rentenempfängern alten Rechts wie dem Kläger über die Wahrung ihres Besitzstandes hinaus auch nach dem 31. Dezember 2000 keine weitergehenden Ansprüche aus Gründen der Gleichbehandlung zu.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Wendt Dr. Kessal-Wulf

Leistungen in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, nach dem Recht der Arbeitsförderung sowie in der sozialen Pflegeversicherung werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt. Leistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung werden von Amts wegen erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die gesetzliche Unfallversicherung nichts Abweichendes ergibt.

(1) Die besonderen Leistungen sind anstelle der allgemeinen Leistungen insbesondere zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung, einschließlich Berufsvorbereitung, sowie der wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung zu erbringen, wenn

1.
Art oder Schwere der Behinderung oder die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben die Teilnahme an
a)
einer Maßnahme in einer besonderen Einrichtung für Menschen mit Behinderungen oder
b)
einer sonstigen, auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen ausgerichteten Maßnahme
unerlässlich machen oder
2.
die allgemeinen Leistungen die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlichen Leistungen nicht oder nicht im erforderlichen Umfang vorsehen.
In besonderen Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen können auch Aus- und Weiterbildungen außerhalb des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung gefördert werden.

(2) Leistungen im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich werden von anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder anderen Leistungsanbietern nach den §§ 57, 60, 61a und 62 des Neunten Buches erbracht.