vorgehend
Landgericht Aachen, 12 O 337/04, 26.01.2005
Oberlandesgericht Köln, 2 U 19/05, 05.10.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 258/05 Verkündetam:
14.Februar2007
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
_____________________
Vereinbart der Erblasser, nachdem er ein Grundstück schenkweise übertragen
hat, nachträglich ein volles Entgelt für dieses Grundstück und die daraus vom Erwerber
bereits gezogenen Nutzungen, steht dem Pflichtteilsberechtigten beim Erbfall
kein Ergänzungsanspruch wegen der ursprünglichen Schenkung zu.
BGH, Urteil vom 14. Februar 2007 - IV ZR 258/05 - OLG Köln
LG Aachen
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Februar 2007

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 5. Oktober 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist der nichteheliche Sohn des am 9. Oktober 2003 verstorbenen Erblassers. Dieser hat die Beklagte, seine Ehefrau, als Alleinerbin eingesetzt. Der Nachlass ist überschuldet. Der Kläger macht einen Anspruch aus §§ 2325, 2329 BGB gegen die Beklagte als Beschenkte geltend.
2
Erblasser Der hatte sein mit einem Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück durch notariellen Vertrag vom 3. August 1995 unter Vorbe- halt des Nießbrauchs sowie eines (von verschiedenen Voraussetzungen abhängigen) Widerrufsrechts der Beklagten "im Wege der Schenkung, also ohne jegliche Gegenleistung" übertragen. Am 5. Juni 1996 schloss der Erblasser mit der Beklagten einen notariellen Änderungsvertrag. Danach entfielen die vorbehaltenen Rechte des Erblassers; dafür sowie für die bereits vollzogene Eigentumsübertragung wurden Gegenleistungen der Beklagten vereinbart.
3
Der Kläger hält die nachträgliche Umwandlung der Schenkung in ein entgeltliches Geschäft jedenfalls ihm gegenüber für unwirksam. Davon abgesehen sei die Gegenleistung nur zum Schein vereinbart worden. Zumindest liege eine gemischte Schenkung vor.
4
Die Klage ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision führt zur Zurückverweisung der Sache.
6
I. Das Berufungsgericht hält es aufgrund der Vertragsfreiheit für zulässig, den Rechtsgrund einer bereits erbrachten Leistung nachträglich durch die Vereinbarung eines anderen Rechtsgrundes zu ersetzen. Zu diesem Zweck bedürfe es keiner Rückschenkung sowie einer erneuten, nunmehr entgeltlichen Übertragung. Einer solchen Änderung des Rechtsgrundes stünden schutzwürdige Interessen des Pflichtteilsberech- tigten nicht entgegen, selbst wenn die Gegenleistungen - wie hier - beim Erbfall nicht mehr im Vermögen des Erblassers vorhanden waren.
7
Mit Rücksicht auf den Änderungsvertrag von 1996 sei von einer in vollem Umfang entgeltlichen Übertragung des Grundstücks auszugehen. Der Erblasser und die Beklagte hätten die gegenseitigen Leistungen der Höhe nach jedenfalls vertretbar bewertet. Hinsichtlich des Grundstücks hätten sie sich auf eine "Wertschätzung" des von ihnen zu diesem Zweck beauftragten Architekten stützen können.
8
II. Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand.
9
1. Allerdings ist der Revision nicht zu folgen, soweit sie meint, für den Pflichtteilsergänzungsanspruch des Klägers komme es allein auf den Vertrag des Jahres 1995 an.
10
a) Dieser Vertrag stand zwar nicht unter dem Vorbehalt, dass der vereinbarte Rechtsgrund für die Grundstücksübertragung, nämlich Schenkung, nachträglich durch einen anderen Rechtsgrund ersetzt werden könne (zu solchen Fallgestaltungen vgl. BGH, Urteile vom 6. März 1985 - IVa ZR 171/83 - NJW-RR 1986, 164 unter III; vom 17. Juni 1992 - XII ZR 145/91 - NJW 1992, 2566 unter 2 b; OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 1518, 1519; Staudinger/Wimmer-Leonhardt, BGB [2005] § 516 Rdn. 45). Auch wenn ein solcher Vorbehalt nicht vereinbart worden ist, bestehen aber im Hinblick auf die Vertragsfreiheit grundsätzlich keine Bedenken gegen eine Vertragsänderung, durch die für eine bereits vollzogene Übertragung von Vermögensstücken ein anderer Rechtsgrund festgelegt wird (so auch Soergel/Mühl/Teichmann, BGB 12. Aufl. § 516 Rdn. 19; Soergel-Dieckmann, BGB 13. Aufl. § 2325 Rdn. 7; MünchKomm -BGB/Kollhosser, 4. Aufl. § 516 Rdn. 21; a.A. Staudinger/WimmerLeonhardt , aaO Rdn. 44). Damit ist freilich nichts dazu gesagt, ob und inwieweit ein solcher Änderungsvertrag Rückwirkungen entfaltet (zur Formbedürftigkeit des ursprünglichen Vertrags vgl. OLG Hamm NJW-RR 1995, 567 f.).
11
b) Auf die Beziehungen der Vertragsparteien zueinander kommt es im vorliegenden Fall nicht an, sondern darauf, ob der nachträglichen Änderung des Rechtsgrundes auch Wirkungen im Verhältnis zu Dritten zukommen. Nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist der Begriff der unentgeltlichen Verfügung in bestimmten Vorschriften der damals maßgebenden Fassung des Anfechtungsgesetzes im Sinne des Zwecks jener Vorschriften auszulegen, nämlich die vollstreckbaren Rechte von Gläubigern gegen die Folgen unentgeltlicher Vermögensübertragungen zu schützen. Deshalb könne die einmal wegen Unentgeltlichkeit gegebene Anfechtbarkeit einer Verfügung nicht nachträglich geheilt werden (BFHE 149, 204, 207 ff. = NJW 1988, 3174).
12
Diese Rechtsprechung ist auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch, der hier geltend gemacht wird, nicht übertragbar. Zwar sichert dieser Anspruch den Pflichtteilsberechtigten dagegen, dass sein Anspruch auf den ordentlichen Pflichtteil durch lebzeitige, den Nachlass mindernde Schenkungen des Erblassers umgangen wird (vgl. BGHZ 157, 178, 187). Das Gesetz schränkt aber die Verfügungsbefugnis des Erblassers zu dessen Lebzeiten nicht ein und schützt den Pflichtteilsberechtigten insbesondere nicht gegen die Übertragung von Vermögensgegenständen, für die der Erblasser ein Äquivalent erhält, selbst wenn dieses im Zeitpunkt des Erb- falls verbraucht ist. Der Schutz ist vielmehr auf Schenkungen beschränkt. Bei dem Beweis, es liege trotz behaupteter Einigung über eine angebliche Entgeltlichkeit des Geschäfts eine Schenkung vor, wird indessen nach der Rechtsprechung vermutet, dass der Erblasser und sein Vertragspartner sich in Wahrheit über eine unentgeltliche Zuwendung verständigt haben, wenn zwischen der Leistung des Erblassers und der vereinbarten Gegenleistung ein auffallendes, grobes Missverhältnis besteht (st. Rspr., vgl. BGHZ 59, 132, 136; 82, 274, 281 f.; Senatsurteil vom 17. April 2002 - IV ZR 259/01 - NJW 2002, 2469 unter 3 c m.w.N.).
13
Für den erst beim Erbfall entstehenden Anspruch des Pflichtteilsberechtigten (§ 2317 Abs. 1 BGB) kann also nicht unberücksichtigt bleiben , ob der Erblasser einen ursprünglich verschenkten Vermögensgegenstand einschließlich daraus vom Empfänger gezogener Vorteile zurückerhalten oder dafür nachträglich ein Entgelt vereinbart hat, das jedenfalls nicht in grobem Missverhältnis zu seiner Leistung steht. In solchen Fällen kann der Pflichtteilsberechtigte keinen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung erheben (Kornexl, ZEV 2003, 196, 197).
14
Dass c) der Pflichtteilsberechtigte auch nachträgliche Vereinbarungen über die Entgeltlichkeit von lebzeitigen Geschäften des Erblassers hinnehmen muss, solange zwischen Leistung und Gegenleistung kein auffallendes, grobes Missverhältnis besteht, entspricht höchstrichterlicher Rechtsprechung. Danach steht seit langem fest, dass der Erblasser seine Gegenleistung für ihm erbrachte Dienste auch nachträglich in den genannten Grenzen erhöhen kann (BGH, Urteil vom 15. März 1989 - IVa ZR 338/87 - NJW-RR 1989, 706 unter 1; RGZ 75, 325, 327; 94, 157, 159).
15
2. Das Berufungsgericht hat also mit Recht geprüft, ob das Grundstück infolge des Änderungsvertrages von 1996 in vollem Umfang entgeltlich übertragen worden ist. Seine Würdigung dazu ist jedoch nicht frei von Verfahrensfehlern.
16
Die von der Beklagten aufgrund des Änderungsvertrages zu entgeltenden Leistungen des Erblassers bestanden aus der Übertragung des Grundstücks sowie der Überlassung der daraus seit seiner Übertragung im Jahre 1995 von der Beklagten gezogenen Nutzungen. Der Kläger hat vorgetragen, das Grundstück sei erheblich mehr wert gewesen, als die Vertragsschließenden im Hinblick auf die von ihnen eingeholte Wertschätzung des Architekten angenommen hätten. Er hat dieser Schätzung nicht nur sein nachvollziehbares Misstrauen entgegengesetzt, sondern schon in erster Instanz innerhalb dazu nachgelassener Frist sachliche Einwände erhoben, die er in der Berufungsbegründung aufrechterhalten hat. Sein Antrag, ein gerichtliches Sachverständigengutachten einzuholen, hätte im Hinblick auf die - als Parteivortrag der Beklagten zu wertende - Wertschätzung des Architekten nur unberücksichtigt bleiben können, wenn der Tatrichter schon auf deren Grundlage zu einer zuverlässigen Beantwortung der Beweisfrage hätte gelangen können (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1993 - VI ZR 243/92 - NJW 1993, 2382 unter II 3 b). Der Architekt ist aber inzwischen verstorben und kann zu den Einwänden des Klägers nicht mehr angehört werden. Mit dem streitigen Verkehrswert des Grundstücks und den dazu vom Kläger erhobenen Einwänden haben sich die Vorinstanzen nicht auseinander gesetzt. Die Auffassung des Berufungsgerichts, auf den objektiven Wert des Grundstücks komme es nicht an, sondern nur auf die Vertretbarkeit des von den Vertragsparteien vereinbarten Entgelts, greift zu kurz. Vielmehr kann der Tatrichter das Vorliegen eines auffälligen, gro- ben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung und auch die weitere Frage, ob trotz eines solchen Missverhältnisses noch von vertretbaren Bewertungen der Vertragsparteien ausgegangen werden kann, in aller Regel sinnvoll erst prüfen, wenn er den Verkehrswert der Leistung und die dafür maßgebenden Gesichtspunkte kennt.
17
Deshalb muss die Sache zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zurückverwiesen werden. Die weiteren Verfahrensrügen hat der Senat geprüft; sie greifen aber nicht durch. Insoweit wird gemäß § 564 ZPO von einer Begründung abgesehen.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Aachen, Entscheidung vom 26.01.2005 - 12 O 337/04 -
OLG Köln, Entscheidung vom 05.10.2005 - 2 U 19/05 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 564 Keine Begründung der Entscheidung bei Rügen von Verfahrensmängeln


Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2325 Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen


(1) Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2329 Anspruch gegen den Beschenkten


(1) Soweit der Erbe zur Ergänzung des Pflichtteils nicht verpflichtet ist, kann der Pflichtteilsberechtigte von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks zum Zwecke der Befriedigung wegen des fehlenden Betrags nach den Vorschriften über die Heraus

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 2317 Entstehung und Übertragbarkeit des Pflichtteilsanspruchs


(1) Der Anspruch auf den Pflichtteil entsteht mit dem Erbfall. (2) Der Anspruch ist vererblich und übertragbar.

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Bundesgerichtshof Urteil, 17. Apr. 2002 - IV ZR 259/01

bei uns veröffentlicht am 17.04.2002

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 259/01 Verkündet am: 17. April 2002 Fritz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein __________________

Referenzen

(1) Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.

(2) Eine verbrauchbare Sache kommt mit dem Werte in Ansatz, den sie zur Zeit der Schenkung hatte. Ein anderer Gegenstand kommt mit dem Werte in Ansatz, den er zur Zeit des Erbfalls hat; hatte er zur Zeit der Schenkung einen geringeren Wert, so wird nur dieser in Ansatz gebracht.

(3) Die Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt. Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt. Ist die Schenkung an den Ehegatten erfolgt, so beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe.

(1) Soweit der Erbe zur Ergänzung des Pflichtteils nicht verpflichtet ist, kann der Pflichtteilsberechtigte von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks zum Zwecke der Befriedigung wegen des fehlenden Betrags nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Ist der Pflichtteilsberechtigte der alleinige Erbe, so steht ihm das gleiche Recht zu.

(2) Der Beschenkte kann die Herausgabe durch Zahlung des fehlenden Betrags abwenden.

(3) Unter mehreren Beschenkten haftet der früher Beschenkte nur insoweit, als der später Beschenkte nicht verpflichtet ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 259/01 Verkündet am:
17. April 2002
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
Ob die Übertragung eines Grundstücks in der ehemaligen DDR durch einen erst
nach dem 3. Oktober 1990 verstorbenen Erblasser im Hinblick auf Pflichtteilsergänzungsansprüche
als Schenkung zu beurteilen ist, richtet sich nach den Wertverhältnissen
bei Vollzug des Vertrages. Lag damals ein entgeltliches Geschäft
vor, kann daraus durch die Wertsteigerung des Grundstücks nach der deutschen
Einigung kein auch nur teilweise unentgeltliches Geschäft geworden sein.
BGH, Urteil vom 17. April 2002 - IV ZR 259/01 - OLG Brandenburg
LG Cottbus
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno und die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Ambrosius und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 17. April 2002

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 13. März 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten, seiner Schwester, die Ermittlung des Wertes eines Grundstücks. Es war der Beklagten von der Mutter der Parteien aufgrund eines vor dem Staatlichen Notariat am 28. März 1985 geschlossenen Vertrages übertragen worden. Die Mutter ist am 4. Dezember 1994 in W. bei C. gestorben. Die Beklagte war im gemeinschaftlichen Testament der Eltern als Alleinerbin nach dem Längstlebenden eingesetzt worden; der Vater ist vorverstorben.

Landgericht und Berufungsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat der Kläger im Hinblick auf das der Beklagten 1985 übertragene Grundstück in W. kein Pflichtteilsrecht und damit auch keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 BGB. Zwar sei gemäß Art. 235 § 1 EGBGB für die erbrechtlichen Verhältnisse das Bürgerliche Gesetzbuch maßgebend. § 2325 BGB schütze aber nur denjenigen, der im Zeitpunkt der Schenkung schon pflichtteilsberechtigt war. Das treffe auf den Kläger nicht zu, weil für ihn im Jahre 1985 § 396 Abs. 1 Nr. 2 des Zivilgesetzbuchs (ZGB) gegolten habe, wonach Kinder des Erblassers nur dann einen Pflichtteilsanspruch hatten, wenn sie unterhaltsberechtigt gegenüber dem Erblasser waren. Damals sei der Kläger aber wirtschaftlich schon von seiner Mutter unabhängig gewesen.
2. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht. Wie der Senat in BGHZ 147, 95, 96 ff. = NJW 2001, 2398; ZEV 2001, 238 m. Anm. Klingelhöffer ; BGH-Report 2001, 417 m. Anm. Pentz; JZ 2001, 1088 m. Anm. Kuchinke) entschieden hat, kommt es auch für die Pflichtteilsberechti-

gung gemäû Art. 235 § 1 EGBGB nicht auf das ZGB, sondern auf § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB an. Daû der Kläger 1985 nicht unterhaltsberechtigt gegenüber seiner Mutter war, ist daher ohne Bedeutung. Der Anspruch auf Pflichtteilsergänzung wird auch im Internationalen Privatrecht nach dem Erbstatut beurteilt (Soergel/Schurig, EGBGB 12. Aufl. Art. 25 Rdn. 44; MünchKomm/Birk, EGBGB 3. Aufl. Art. 25 Rdn. 228; Staudinger /Dörner, Stand Januar 2000 Art. 25 EGBGB Rdn. 186, 188).
3. Das Landgericht hatte die Klage mit anderer Begründung abgewiesen : Bei der Übertragung des Grundstücks habe es sich nicht um eine Schenkung gehandelt. Nach der notariellen Urkunde gewährte die Beklagte der Mutter "als Entgelt" ein lebenslanges, unentgeltliches Wohn-, Mitbenutzungs- und Pflegerecht, dessen Jahreswert mit ca. 1.200 Mark der DDR angegeben wurde; als Zeitwert des Grundstücks nennt die Urkunde einen Betrag von ca. 15.000 Mark der DDR. Das Landgericht hat allein das Wohn- und Mitbenutzungsrecht der Mutter, die bei Vertragsschluû 61 Jahre alt war, im Hinblick auf eine Lebenserwartung von damals noch 15 Jahren auf einen Wert von 18.000 Mark geschätzt. Daû der Zeitwert des Objekts 1985 tatsächlich höher gelegen habe, sei nicht dargetan. Damit übersteige die Gegenleistung den Zeitwert des übertragenen Anwesens.
Mit den dagegen gerichteten Angriffen des Klägers hat sich das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bisher nicht befaût. Das wird nach Zurückverweisung der Sache nachzuholen sein. Dazu gibt der Senat folgende Hinweise:


a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daû der vom Kläger geltend gemachte Wertermittlungsanspruch nach § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich nur ein Pflichtteilsrecht voraussetzt, nicht aber schon das Bestehen eines Pflichtteilsanspruchs, zu dessen Beurteilung die Auskunft dienen soll (BGHZ 28, 177, 179 f.; BGH, Urteil vom 4. Dezember 1980 - IVa ZR 46/80 - NJW 1981, 2051, 2052 unter 1). Allerdings reicht auch der Wertermittlungsanspruch des pflichtteilsberechtigten Nichterben nicht so weit, daû allein der begründete Verdacht einer unter § 2325 BGB fallenden Schenkung genügen würde, um eine Wertermittlung durch Sachverständigen auf Kosten des Nachlasses zu erreichen; vielmehr muû der Pflichtteilsberechtigte schon für den Wertermittlungsanspruch darlegen und beweisen, daû unter Berücksichtigung von Leistung und Gegenleistung eine zumindest gemischte Schenkung vorliegt (BGHZ 89, 24, 29 f., 32; BGH, Urteil vom 8. Juli 1985 - II ZR 150/84 - NJW 1986, 127 unter I 3; MünchKomm/Frank § 2314 Rdn. 12 m.w.N.; wenn der Pflichtteilsberechtigte die Kosten dagegen selbst übernimmt, genügen greifbare Anhaltspunkte für eine unentgeltliche Verfügung: BGH, Urteil vom 2. Juni 1993 - IV ZR 259/92 - NJW 1993, 2737 unter I 1).

b) Für die Frage, ob das Grundstück, das die Erblasserin der Beklagten übertragen hat, als eine zumindest gemischte Schenkung zum fiktiven, der Pflichtteilsergänzung unterliegenden Nachlaû gehört, kommt es auf die Wertverhältnisse beim Vollzug des Vertrages an (BGHZ 147, 95, 98; Senatsbeschluû vom 14. Dezember 1994 - IV ZA 3/94 - ZEV 1995, 335 = FamRZ 1995, 420). Hierzu hat das Berufungsgericht festgestellt , daû die am 28. März 1985 vor dem Staatlichen Notariat beurkun-

dete Übertragung des Grundstücks am 6. August 1985 durch Eintragung im Grundbuch vollzogen worden sei. Das hat das Berufungsgericht den Grundakten entnommen, die in der mündlichen Verhandlung zusammen mit den Vertretern der Parteien eingesehen wurden (GA II 251). Dabei hat das Berufungsgericht berücksichtigt, daû das Grundbuchblatt im Zuge der Neufassung des Grundbuchs im Jahre 1993 durch eine kreuzförmige Durchstreichung unbrauchbar gemacht worden ist. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich jedoch nicht um eine Rötung, wie sie in der Grundbuchverfügung in Fällen der Löschung von Rechten (zusätzlich neben dem nach § 46 GBO erforderlichen Löschungsvermerk ) vorgesehen ist.
Das läût Rechtsfehler nicht erkennen. Die Beklagte hatte zwar den Vortrag in der Berufungsbegründung des Klägers, sie sei erst am 12. Juli 1993 ins Grundbuch eingetragen worden, in ihrer Berufungserwiderung nicht ausdrücklich bestritten. In einem Vermerk des Liegenschaftsdienstes auf der vom Kläger in erster Instanz vorgelegten Urkunde des notariellen Übertragungsvertrages wird als Datum der Eintragung ins Grundbuch aber der 6. August 1985 angegeben. Das Berufungsgericht hat daher die Grundakten mit Recht beigezogen und mit den Parteien erörtert (§ 139 ZPO). Daraufhin hat der Kläger seinen Antrag geändert und den 6. August 1985 als Datum des Vollzugs der Schenkung übernommen.
Danach kommt es für das Vorliegen einer Schenkung auf die Wertverhältnisse im Jahre 1985 an.


c) Lag damals ein entgeltliches Geschäft vor, kann daraus durch die Wertsteigerung des Grundstücks nach der deutschen Einigung kein auch nur teilweise unentgeltliches Geschäft geworden sein.
Um dagegen eine ergänzungspflichtige Schenkung im Sinne von §§ 2325 ff. BGB annehmen zu können, bedarf es zunächst objektiv einer Bereicherung des einen Vertragspartners (zu übernommenen Lasten und Gegenleistungen vgl. BGHZ 107, 156, 159 ff.; BGH, Urteil vom 19. Januar 1999 - X ZR 42/97 - NJW 1999, 1626 unter I 2 b). Dabei sind sowohl das Grundstück als auch das Wohn-, Mitbenutzungs- und Pflegerecht der Erblasserin nach den Verhältnissen in der DDR im Jahre 1985 zu bewerten. Daû eine Schenkung schon deshalb ausscheide, weil ein solches Rechtsgeschäft nach § 282 Abs. 2 ZGB nicht von einer Bedingung oder einer Auflage abhängig gemacht werden konnte, ist entgegen der Ansicht des Landgerichts für die hier in Rede stehende Anwendung von § 2325 BGB nicht entscheidend. Auch wenn ein Rechtsgeschäft keine Gegenleistung im Rechtssinne vorsieht, die Zuwendung aber Geschäftsgrundlage für gleichwertige Leistungen des Empfängers ist, kann Entgeltlichkeit vorliegen (sog. kausale Verknüpfung, vgl. MünchKomm/Kollhosser, BGB 3. Aufl. § 516 Rdn. 16).
Unentbehrlich für die Annahme einer Schenkung ist eine dahingehende Einigung der Parteien (BGHZ 116, 178, 181). Wie das Landgericht mit Recht feststellt, bietet die notarielle Urkunde vom 28. März 1985 dafür keinen Anhalt. Die Einigung über eine zumindest teilweise Unentgeltlichkeit wird jedoch vermutet, wenn zwischen den Leistungen der einen und der anderen Seite objektiv ein auffälliges, grobes Miûverhältnis

besteht, das den Vertragsschlieûenden nicht verborgen geblieben sein kann; dabei ist allerdings unter Verwandten zu berücksichtigen, daû sie den ohnehin nur abzuschätzenden Wert ihrer Leistungen kaum je exakt kalkulieren; deshalb ist für die einzelnen Leistungen von Werten auszugehen , die bei verständiger, die konkreten Umstände berücksichtigender Beurteilung noch als vertretbar gelten können (BGH, Urteil vom 27. Mai 1981 - IVa ZR 132/80 - NJW 1981, 2458 unter I; Urteil vom 15. März 1989 - IVa ZR 338/87 - LM BGB § 2325 Nr. 23 unter 2 und 3; Urteil vom 1. Februar 1995 - IV ZR 36/94 - NJW 1995, 1349 unter 3 b). Obwohl der Kläger grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für eine der Pflichtteilsergänzung unterliegende Schenkung trägt, hat die an dem Rechtsgeschäft unmittelbar beteiligte Beklagte zunächst die seinerzeit für die Bewertung maûgebenden Vorstellungen der Beteiligten vorzutragen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 1996 - IV ZR 214/94 - ZEV 1996, 186 unter 2 b bb m.w.N.).

d) Falls das Geschäft schon damals jedenfalls zum Teil unentgeltlich war, weil der Beklagten voraussichtlich auch nach dem Tod der Mutter noch etwas von dem zugewandten Wert übrig blieb, kommt es für § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB nur auf diesen, aus der Sicht des Jahres 1985 und nach den damals in der DDR maûgebenden Verhältnissen zu bewertenden Anteil an (vgl. BGHZ 118, 49 ff.; 125, 395, 397).
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Ambrosius Felsch

(1) Der Anspruch auf den Pflichtteil entsteht mit dem Erbfall.

(2) Der Anspruch ist vererblich und übertragbar.

Die Entscheidung braucht nicht begründet zu werden, soweit das Revisionsgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 547.