Bundesgerichtshof Urteil, 24. Okt. 2007 - IV ZR 209/03

published on 24/10/2007 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 24. Okt. 2007 - IV ZR 209/03
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Amtsgericht Köln, 135 C 214/02, 14/01/2003
Landgericht Köln, 23 S 24/03, 13/08/2003

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 209/03 Verkündetam:
24.Oktober2007
Fritz
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtin
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Oktober 2007

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 13. August 2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger unterhielt bei der Beklagten ab dem 1. November 1995 eine Rentenversicherung mit einer Laufzeit von fünf Jahren. Gegen Zahlung einer Einmalprämie von 75.476 DM waren ihm eine lebenslange Jahresrente von 7.755,52 DM ab 1. November 2000, wahlweise eine Kapitalzahlung von 85.879 DM und eine Beteiligung an den Überschüssen versprochen. Der Kläger machte zum 1. November 2000 von seinem Kapitalwahlrecht Gebrauch. Die Abrechnung der Beklagten weist eine Gesamtvergütung von 103.355,80 DM aus. Darin sind Zinsen in Höhe von 30.942,92 DM enthalten, aber zu Lasten des Klägers auch ein Abzug von 3.063,12 DM (= 1.566,15 €) für Abschluss- und Verwaltungskosten.
2
Der Kläger meint, die Beklagte habe keinen Anspruch auf diesen Abzug. Die Abschlusskostenverrechnungsklausel in § 13 Abs. 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) sei identisch mit der vom Bundesgerichtshof im Urteil vom 9. Mai 2001 (BGHZ 147, 354) wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot für unwirksam erklärten Bestimmung (dort § 15 der Allgemeinen Bedingungen für die Lebensversicherung

).


3
Die Beklagte weist darauf hin, dass es hier - anders als in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall - nicht um die bei der Kündigung oder Beitragsfreistellung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile gehe. Der Vertrag sei vielmehr vereinbarungsgemäß bis zum Ende durchgeführt worden. Jedenfalls ergebe sich ihr Anspruch auf Verrechnung der Abschluss- und Verwaltungskosten bei Unwirksamkeit von § 13 Abs. 1 AVB nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung.
4
Der Kläger verfolgt mit der Revision den in den Vorinstanzen abgewiesenen Antrag auf Zahlung von 1.566,15 € weiter.

Entscheidungsgründe:


5
Die Revision ist nicht begründet.
6
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Beklagte sei zum Abzug der Abschluss- und Verwaltungskosten berechtigt gewesen, weil ihr ein entsprechender Anspruch gegen den Kläger zustehe. Der Anspruch ergebe sich zwar nicht aus § 13 Abs. 1 AVB, weil diese Bestimmung wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam sei. Sie entspreche § 15 der Allgemeinen Bedingungen für die Lebensversicherung, die Gegenstand der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. Mai 2001 (aaO) gewesen seien. Ob die Beklagte die unwirksame Klausel nach § 172 Abs. 2 VVG wirksam ersetzt habe, könne offen bleiben. Der An- spruch der Beklagten ergebe sich nach den Regeln der ergänzenden Vertragsauslegung. Es sei allgemein bekannt, dass beim Abschluss und der Verwaltung von Versicherungsverträgen wie bei jedem anderen Finanzprodukt Kosten anfielen. Darauf werde der Versicherungsnehmer auch in § 15 AVB hingewiesen, der unter anderem die Deckung der Abschluss - und Verwaltungskosten aus den Prämien und den Kapitalerträgen vorsehe. Weiter sei zu berücksichtigen, dass der vom Bundesgerichtshof beanstandete Transparenzmangel sich nicht ausgewirkt habe. Der Vertrag sei nicht vorzeitig beendet worden, so dass der Kläger die damit verbundenen erheblichen wirtschaftlichen Nachteile nicht habe hinnehmen müssen. Die Höhe des Abzugs sei nicht zu beanstanden.
7
2. Das Berufungsgericht hat richtig entschieden. § 13 Abs. 1 AVB ist wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam. Die entstandene Vertragslücke ist zu schließen, weil die Abschlusskostenverrechnungsklausel die Leistungspflicht der Beklagten und ihre Rechnungslegung betrifft. Die Lückenausfüllung ist im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahingehend vorzunehmen, dass die Beklagte die (nicht bezifferten) Abschlusskosten mit der eingezahlten Prämie verrechnen durfte und es hierbei verbleibt, weil der Vertrag vereinbarungsgemäß bis zum Ablauf durchgeführt wurde. Ob die Mittel für die Prämienzahlung aus einer früheren Versicherung bei der Beklagten oder einer anderen Quelle stammten, ist unerheblich, weil es sich um den Abschluss eines neuen Vertrages handelte.
8
Dies folgt aus der Grundsatzentscheidung des Senats vom 12. Oktober 2005 zur Klauselersetzung in der Lebensversicherung (BGHZ 164, 297). Der Senat hat dort mit ausführlicher Begründung dargelegt , dass die durch die Unwirksamkeit der Abschlusskostenverrechnungsklausel entstandene Vertragslücke sachgerecht im Wege der er- gänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist. Diese Auslegung führt zu dem Ergebnis, dass es bei vereinbarungsgemäßer Durchführung des Vertrages bei der Verrechnung der einmaligen Abschlusskosten nach dem Zillmerungsverfahren bleibt und nur bei vorzeitiger Beendigung der Beitragszahlung Korrekturen beim Rückkaufswert oder der beitragsfreien Versicherungssumme vorzunehmen sind (aaO S. 318 bis 320). Der Senat hat insbesondere dazu Stellung genommen, weshalb die Belastung des Versicherungsnehmers mit Abschlusskosten nicht nur aufsichtsrechtlich und rechnungsmäßig vorgeschrieben ist, sondern auch den vertragsrechtlichen Beziehungen zugrunde liegt. Entsprechendes gilt für die sonstigen mit dem Betrieb eines Versicherungsunternehmens verbundenen Aufwendungen, hier die nicht im Einzelnen genannten, im Abzugsbetrag von 1.566,15 € enthaltenen Verwaltungskosten (vgl. § 43 RechVersV).
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Dr. Franke
Vorinstanzen:
AG Köln, Entscheidung vom 14.01.2003 - 135 C 214/02 -
LG Köln, Entscheidung vom 13.08.2003 - 23 S 24/03 -
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(1) Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung ist der Versicherer verpflichtet, für eine nach Beginn der Versicherung eingetretene Berufsunfähigkeit die vereinbarten Leistungen zu erbringen. (2) Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, s

(1) Die gesamten Personal- und Sachaufwendungen des Unternehmens zuzüglich der kalkulatorischen Mietaufwendungen für die eigengenutzten Grundstücke und Bauten sind folgenden Funktionsbereichen zuzuordnen: 1. Regulierung von Versicherungsfällen, Rückk
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(1) Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung ist der Versicherer verpflichtet, für eine nach Beginn der Versicherung eingetretene Berufsunfähigkeit die vereinbarten Leistungen zu erbringen.

(2) Berufsunfähig ist, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann.

(3) Als weitere Voraussetzung einer Leistungspflicht des Versicherers kann vereinbart werden, dass die versicherte Person auch keine andere Tätigkeit ausübt oder ausüben kann, die zu übernehmen sie auf Grund ihrer Ausbildung und Fähigkeiten in der Lage ist und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht.

(1) Die gesamten Personal- und Sachaufwendungen des Unternehmens zuzüglich der kalkulatorischen Mietaufwendungen für die eigengenutzten Grundstücke und Bauten sind folgenden Funktionsbereichen zuzuordnen:

1.
Regulierung von Versicherungsfällen, Rückkäufen und Rückgewährbeträgen;
2.
Abschluß von Versicherungsverträgen;
3.
Verwaltung von Versicherungsverträgen;
4.
Verwaltung von Kapitalanlagen.
Aufwendungen, die diesen Funktionsbereichen nicht zugeordnet werden können, sind unter dem Posten "Sonstige Aufwendungen" auszuweisen. Die den Funktionsbereichen 1 bis 3 zugerechneten Aufwendungen sind von den Schaden- und Unfallversicherungsunternehmen zusätzlich im Hinblick auf § 51 Abs. 4 Nr. 1 Satz 3 auf das selbst abgeschlossene Versicherungsgeschäft, untergliedert nach den dort genannten Versicherungszweiggruppen, Versicherungszweigen und Versicherungsarten, und auf das in Rückdeckung übernommene Versicherungsgeschäft aufzuteilen. Die Zuordnung der Aufwendungen auf die Funktionsbereiche und Versicherungszweige ist, soweit sie nicht direkt zurechenbar sind, grundsätzlich nach der Inanspruchnahme des Betriebsbereiches für den Funktionsbereich oder Versicherungszweig vorzunehmen.

(2) Als Abschlußaufwendungen sind die durch den Abschluß eines Versicherungsvertrages anfallenden Aufwendungen auszuweisen, auch soweit sie bei den Lebensversicherungsunternehmen und Pensions- und Sterbekassen rechnungsmäßig gedeckt sind. Die Abschlußaufwendungen umfassen sowohl

1.
die unmittelbar zurechenbaren Aufwendungen, wie insbesondere
a)
die Abschlußprovisionen und Zusatzprovisionen für die Policenausfertigung sowie die Arbeits- und Überweisungsprovisionen für das Beteiligungsgeschäft,
b)
die Courtagen an die Versicherungsmakler,
c)
die Aufwendungen für die Anlegung der Versicherungsakte, für die Aufnahme des Versicherungsvertrags in den Versicherungsbestand und für die ärztlichen Untersuchungen im Zusammenhang mit dem Abschluß von Versicherungsverträgen, als auch
2.
die mittelbar zurechenbaren Aufwendungen, wie insbesondere
a)
die allgemeinen Werbeaufwendungen,
b)
die Sachaufwendungen, die im Zusammenhang mit der Antragsbearbeitung und Policierung anfallen.

(3) Die Verwaltungsaufwendungen umfassen insbesondere die Aufwendungen für:

1.
den Beitragseinzug einschließlich der entsprechenden Provisionen;
2.
die Bestandsverwaltung einschließlich der entsprechenden Provisionen;
3.
die Schadenverhütung und -bekämpfung;
4.
die Gesundheitsfürsorge zugunsten der Versicherungsnehmer;
5.
die Bearbeitung der
a)
Beitragsrückerstattung;
b)
passiven Rückversicherung und Retrozession.

(4) Von den Bruttoaufwendungen für den Versicherungsbetrieb sind die erhaltenen Provisionen und Gewinnbeteiligungen aus dem in Rückdeckung gegebenen Versicherungsgeschäft abzuziehen und gesondert auszuweisen. Hierzu gehören auch die vom Rückversicherer geleistete anteilige Erstattung der dem Vorversicherer entstandenen originalen Aufwendungen für den Versicherungsbetrieb sowie die erhaltenen Aufbauprovisionen und anderen Aufbauzuschüsse.

(5) Schaden- und Unfallversicherungsunternehmen haben die Abschlußaufwendungen und Verwaltungsaufwendungen zusammengefaßt unter dem Posten "Bruttoaufwendungen für den Versicherungsbetrieb" auszuweisen. Im Anhang sind diese Posten jedoch gesondert anzugeben.