Bundesgerichtshof Urteil, 28. Juli 2005 - III ZR 3/05

published on 28/07/2005 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 28. Juli 2005 - III ZR 3/05
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 3/05
Verkündet am:
28. Juli 2005
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 145, § 611 Abs. 1, TKV § 15, Abs. 1 Satz 1

a) Zwischen dem Inhaber eines Telefonanschlusses, von dem aus ein Mehrwertdienst
angewählt wird, und dem Verbindungsnetz- sowie dem Plattformbetreiber
kommt kein Vertrag über die Erbringung von Verbindungsleistungen
zustande, wenn die Mitwirkung des Betreibers an der Herstellung
der Verbindung nach außen nicht deutlich wird.

b) Ein Entgeltanspruch wird in diesen Fällen auch nicht durch § 15 Abs. 1
Satz 1 TKV begründet.
BGH, Urteil vom 28. Juli 2005 - III ZR 3/05 - LG Potsdam
AG Brandenburg
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der bis zum 23. Juni
2005 eingereichten Schriftsätze im schriftlichen Verfahren durch den Vorsitzenden
Richter Schlick und die Richter Dr. Wurm, Streck, Dörr und Dr.
Herrmann

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 9. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsrechtszugs hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Klägerin verlangt von dem Beklagten aus ihren Anga ben zufolge abgetretenem Recht der T. GmbH & Co. KG die Zahlung von Entgelten für die Herstellung von Fernmeldeverbindungen zu Mehrwertdienstenummern im April und Oktober 2002.
Der Beklagte ist Inhaber eines Telefonanschlusses der D. T. AG. Die Zedentin stellt als sogenannter Verbindungsnetzbetreiber Verbindungen aus Teilnehmernetzen in andere Telekommunikationsnetze her. Ferner ist sie als sogenannter Plattformbetreiber Inhaber der Zuteilung von Mehrwert-
dienstenummern. Sie stellt ihrerseits die Rufnummern den Diensteanbietern zur Verfügung und leitet die aus dem Netz der D. T. AG oder anderer Telekommunikationsunternehmen kommenden Anrufe beziehungsweise Interneteinwahlen an die Betreiber der Mehrwertdienste weiter.
Die Klägerin behauptet, vom Anschluß des Beklagten aus se ien verschiedene Mehrwertdienste über das Netz und die Plattform der T. GmbH & Co. KG in Anspruch genommen worden. Sie ist der Ansicht, die Zedentin könne die hierfür angefallenen Verbindungsentgelte beanspruchen, da mit der Anwahl einer Mehrwertdienstenummer ein Vertrag des Anschlußinhabers auch mit dem Verbindungsnetz- und dem Plattformbetreiber zustande komme.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Hiergege n richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe


Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I.


Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidu ng ausgeführt , die Zedentin sei nicht Vertragspartner des Beklagten geworden. Der Anschlußinhaber stehe mit seinem Teilnehmernetzbetreiber, der ihm den Netzzugang zur Verfügung stelle, in vertraglichen Beziehungen. Hinzu trete ein wei-
teres Vertragsverhältnis mit dem Anbieter von Mehrwertdiensten, wenn ein solcher angewählt werde. Demgegenüber stelle sich die Leistung eines Dritten, der in die Verbindung zwischen dem Anschluß und dem Mehrwertdienst eingeschaltet sei, selbst dann als diejenige einer Hilfsperson dar, wenn der Nutzer wisse, daß die Verbindung zum Mehrwertdienst über einen Verbindungsnetzund einen Plattformbetreiber zustande komme.

II.


Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Zwischen dem Beklagten und der T. GmbH & Co. KG ist kein Vertrag über die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen zustande gekommen.

a) Ein Vertrag setzt zwei inhaltlich korrespondierende, auf dieselben Rechtsfolgen gerichtete Willenserklärungen voraus. Willenserklärungen können auch schlüssig abgegeben werden. Deshalb kann ein Vertrag, wie die Revision insoweit zutreffend hervorhebt, auch dadurch zustande kommen, daß ein Anbieter im Wege der sogenannten Realofferte seine Leistung bereit hält und ein Nutzer das Angebot mit deren Inanspruchnahme konkludent annimmt (z.B.: BGH, Urteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 95/03 - NJW-RR 2004, 928, 929 m.w.N.). Dies gilt insbesondere für Verträge über die Versorgung mit Elektrizität , Gas, Wasser und Fernwärme oder für die Personenbeförderung im Massenverkehr , aber auch für Verträge über Telekommunikationsdienstleistungen. Ein Mehrwertdiensteanbieter gibt durch die Bereithaltung seiner Leistung im
Telekommunikationsnetz eine Realofferte ab. Diese nimmt der Anschlußnutzer regelmäßig zumindest schlüssig durch die Anwahl einer bestimmten - zumeist mit den Ziffernfolgen 0190 oder 0900 beginnenden - Nummer am Telefongerät oder am Computer an. Aus diesem Grund tritt neben den als Dauerschuldverhältnis zu qualifizierenden Telefondienstvertrag mit dem Teilnehmernetzbetreiber ein weiteres Rechtsverhältnis mit dem Anbieter eines Mehrwertdienstes hinzu, wenn der Nutzer einen solchen Dienst anwählt (Senatsurteile BGHZ 158, 201, 203 f und vom 22. November 2001 - III ZR 5/01 - NJW 2002, 361, 362; vgl. auch Härting ITRB 2003, 103, 104).

b) Ein Vertrag über die Erbringung von Verbindungsle istungen kommt jedoch, zumindest in Fallgestaltungen wie der vorliegenden, zwischen dem Anschlußnutzer (gegebenenfalls im Namen des Anschlußinhabers) und dem Verbindungsnetz - und Plattformbetreiber nicht zustande. Es dürfte bereits an der Abgabe einer Realofferte fehlen, wenn, wie hier, die Mitwirkung des Betreibers an der Herstellung der Verbindung zwischen dem Anschluß des Nutzers und dem Mehrwertdienst nach außen nicht deutlich wird. Jedenfalls ist der Anwahl einer Mehrwertdienstenummer nicht der objektive Erklärungswert zu entnehmen , daß der Nutzer nicht nur mit dem Mehrwertdiensteanbieter, sondern auch mit dem Verbindungsnetz- und Plattformbetreiber eine (entgeltliche) vertragliche Beziehung begründen will. Dies scheitert bereits daran, daß dieser aus Sicht eines objektiven Dritten bei vernünftiger Betrachtung der bekannten oder erkennbaren Umstände (vgl. hierzu z.B. BGHZ 36, 30, 33; BGH, Urteil vom 12. März 1992 - IX ZR 141/91 - NJW 1992, 1446 f; Bamberger/Roth/Wendtland , BGB, § 133 Rn. 27) nicht Adressat einer Willenserklärung ist. Dem durchschnittlich verständigen und informierten Telefon- und Internetnutzer ist, wovon auch ein objektiver Dritter auszugehen hat, die Leistungskette zwischen dem
Teilnehmernetzbetreiber und dem Mehrwertdiensteanbieter nicht bekannt, sofern er nicht - etwa im Wege des sogenannten call-by-call-Verfahrens - gezielt einen bestimmten Verbindungsnetzbetreiber auswählt. Ihm ist deshalb entgegen der Ansicht der Revision nicht bewußt, daß die Verbindung zu dem Mehrwertdienst durch zwischengeschaltete Leistungserbringer hergestellt wird.
Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß sich a m Ergebnis selbst dann nichts ändern würde, wenn der durchschnittliche Anschlußnutzer mit der Einbeziehung von Verbindungsnetz- und Plattformbetreibern in die Verbindungskette rechnete. Auch dann ließe sich der Anwahl des Mehrwertdienstes nicht die Erklärung des Nutzers entnehmen, mit dem Verbindungsnetz- oder Plattformbetreiber einen Vertrag über die Herstellung einer Telekommunikationsverbindung schließen zu wollen. Für den Anschlußnutzer stellen sich, wie für einen objektiven Dritten erkennbar ist, diese Betreiber als bloße Hilfspersonen dar, deren Leistungen zur Erbringung des Mehrwertdienstes technisch notwendig sind. Offen bleiben kann, ob sich der Mehrwertdiensteanbieter dieser Verbindungsleistungen bedient oder ob der Teilnehmernetzbetreiber zur Erfüllung seiner Pflichten aus dem Telefondienstleistungsvertrag darauf zurückgreift. In beiden Fällen sind der Verbindungsnetz- und der Plattformbetreiber aus Sicht des Nutzers Erfüllungsgehilfen eines Dritten. Hierfür spricht insbesondere , daß in dem Preis für die Inanspruchnahme des Mehrwertdienstes das Entgelt für die Leistungen des Verbindungsnetz- und des Plattformbetreibers bereits enthalten ist. Schuldet der Kunde gegenüber einem Vertragspartner das Entgelt auch für Leistungen eines Dritten, liegt am nächsten der Schluß, daß diese Bestandteil der Pflichten des Vertragspartners sind und der Dritte dessen Erfüllungsgehilfe ist. Stellt sich im Rahmen einer Leistungsbeziehung ein Beteiligter, hier der Verbindungs- und Plattformbetreiber, aus Sicht
einer Partei als Erfüllungsgehilfe des Vertragspartners dar, geht ihr erkennbarer Wille im Zweifel nicht dahin, auch mit dem weiteren Beteiligten einen Vertrag zu schließen.
Gegen einen Vertragsschluß zwischen dem Anschlußnutzer und dem Verbindungsnetz- beziehungsweise Plattformbetreiber spricht auch die Interessenlage , die bei der Auslegung von Willenserklärungen zu berücksichtigen ist (z.B.: BGHZ 21, 319, 328; 109, 19, 22; BGH, Urteil vom 9. Juli 2001 - II ZR 228/99 - NJW 2002, 747, 748 m.w.N.). Es liefe, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, den erkennbaren Interessen des Nutzers zuwider, neben den vertraglichen Beziehungen zu dem Mehrwertdiensteanbieter und dem Teilnehmernetzbetreiber weitere Vertragsverhältnisse mit dem Verbindungsnetz - und dem Plattformbetreiber zu begründen. Der Anschlußinhaber würde auf diese Weise für ein und dieselbe Leistung den Entgeltansprüchen zusätzlicher Gläubiger ausgesetzt werden, obgleich er insoweit bereits den erstgenannten Vertragspartnern verpflichtet ist. Auch wenn er im Ergebnis nur einmal zu zahlen hat, würden die Rechtsverhältnisse durch die Vermehrung der Gläubigerzahl unübersichtlich und wären Streitigkeiten über die Tilgungswirkung von Leistungen und über Einwendungen des Kunden vorprogrammiert. Demgegenüber sind Verbindungsnetz- und Plattformbetreiber zur Wahrung ihrer Interessen nicht auf Ansprüche gegenüber dem Endkunden angewiesen, da sie die von ihnen erbrachten Leistungen je nach Gestaltung der entsprechenden Verträge gegenüber dem Mehrwertdiensteanbieter oder dem Teilnehmernetzbetreiber oder gegenüber beiden geltend machen können.
2. Entgegen der Ansicht der Revision kann die Zedentin auch aus § 15 Abs. 1 Satz 1 TKV keinen Anspruch herleiten. Nach dieser Bestimmung hat der
Teilnehmernetzbetreiber dem Kunden, vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung , auch die Entgelte in Rechnung zu stellen, die durch die Auswahl anderer Anbieter von Netzdienstleistungen entstehen. Diese Bestimmung begründet keinen Anspruch des anderen Anbieters. Sie enthält vielmehr eine Regelung für den Fall, daß eine Entgeltforderung entstanden ist (vgl. die Begründung zu § 14 des TKV-Entwurfs = § 15 TKV, BR-Drucks. 551/97 S. 34). Hieran fehlt es mangels Vertragsschlusses zwischen der Zedentin und dem Beklagten.
Schlick Wurm Streck
Dörr Herrmann
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3 Referenzen - Gesetze

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(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.
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published on 22/11/2001 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL III ZR 5/01 Verkündet am: 22. November 2001 F r e i t a g Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB
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Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.