Bundesgerichtshof Urteil, 05. Juli 2001 - III ZR 11/00

bei uns veröffentlicht am05.07.2001

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 11/00
Verkündet am:
5. Juli 2001
F i t t e r e r
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
------------------------------------
BGB § 839 Fe, H, I

a) Zum "Gebrauch eines Rechtsmittels" im Sinne des § 839 Abs. 3
BGB gehört es nicht, daß der Bauherr, der gegen eine Baustillegungsverfügung
Widerspruch eingelegt hat, wegen dessen aufschiebender
Wirkung die bereits begonnenen Bauarbeiten fortsetzt.

b) Stützt der Kläger einen Amtshaftungsanspruch darauf, daß sein
Bauvorhaben trotz einer erteilten Baugenehmigung stillgelegt worden
ist, so muß das Gericht, das die Stillegung für rechtmäßig hält,
weil die erteilte Baugenehmigung rechtswidrig gewesen sei, auch
prüfen, ob der Amtshaftungsanspruch sich aus dem Erlaß der Baugenehmigung
herleiten läßt (Fortführung der Grundsätze des Senatsurteils
vom 20. November 1986 - III ZR 206/85 = BGHR BGB
§ 839 Abs. 1 Streitgegenstand 1).
BGH, Urteil vom 5. Juli 2001 - III ZR 11/00 - OLG Braunschweig
LG Göttingen
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Juli 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 15. Dezember 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Kläger sind Miteigentümer eines mit einem Einkaufszentrum bebauten Grundstücks im Gebiet der beklagten Stadt. Seit Mitte 1993 planten sie, eine zwischen diesem Einkaufszentrum und einem benachbarten Geschäftshaus bestehende Baulücke zu schließen. Das zu überbauende Gelände bestand aus mehreren Grundstücken. Mit Schreiben vom 15. Dezember 1993 erklärte das Stadtplanungsamt der Beklagten, das Vorhaben sei nach erster
Prüfung bauplanungsrechtlich zulässig. Wegen eventuell einzuhaltender Abstände und beizubringender Baulasten wurde in dem Schreiben um eine Kontaktaufnahme mit dem Bauordnungsamt gebeten. Am 27. April 1994 reichte der Architekt den Bauantrag ein. Darauf forderte das Bauordnungsamt mit Schreiben vom 18. Mai 1994 fehlende Bauvorlagen an und wies darauf hin, daß die Eintragung einer Baulast gemäß § 4 Abs. 1 NBauO (in der hier einschlägigen Fassung der Bekanntmachung vom 11. Juni 1986 GVBl. 157) erforderlich sei. Nach weiteren, in Abstimmung mit dem Bauamt vorgenommenen Planänderungen erteilte die Beklagte am 8. Dezember 1994 die Teilbaugenehmigung für die Rohbaumaßnahmen. Daraufhin vergaben die Kläger verbindliche Bauaufträge für das Vorhaben; die Bauarbeiten wurden am 9. Januar 1995 begonnen. Nachdem die Kläger im Januar 1995 auf Aufforderung des Bauordnungsamtes weitere Planungsunterlagen eingereicht hatten, verfügte der zuständige Stadtbaurat am 27. Januar 1995 gegenüber dem Architekten zunächst telefonisch einen sofortigen Baustopp, weil die erforderliche Vereinigungsbaulast nach § 4 Abs. 1 NBauO nicht vorliege. Eine schriftliche Baueinstellungsverfügung folgte am 31. Januar 1995. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Notwendigkeit einer Vereinigungsbaulast ergebe sich aus den von dem Architekten im Januar 1995 eingereichten Ergänzungsunterlagen.
Die Kläger legten mit Schreiben vom 6. Februar 1995 gegen die Baustillegungsverfügung Widerspruch ein und beantragten gleichzeitig, auf die Baulast gemäß § 92 Abs. 3 NBauO zu verzichten. Am 23. März 1995 hob die Beklagte die Stillegungsverfügung wieder auf, nachdem die Kläger die Baulast beigebracht hatten. Am 5. Mai 1995 wurde die Baugenehmigung erteilt. Anfang Mai 1995 nahmen die Kläger die Bauarbeiten wieder auf. Das Bauvorhaben wurde Anfang 1996 fertiggestellt.

Die Kläger halten die Baustillegungsverfügung, hilfsweise die Teilbaugenehmigung für rechtswidrig und nehmen die Beklagte auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung in Anspruch. Sie tragen vor, wegen der durch die Stillegung bewirkten Verzögerung habe der ursprünglich vorgesehene Mieter den bereits abgeschlossenen Mietvertrag gekündigt; das Objekt habe nur zu ungünstigeren Bedingungen anderweitig vermietet werden können. Außerdem seien ihnen, den Klägern, erhebliche Mehraufwendungen durch die Beibringung der Baulasten entstanden. Die Kläger haben ihren Schaden auf 1.798.156,10 DM nebst Zinsen beziffert und hilfsweise die Feststellung begehrt , daß die Beklagte verpflichtet sei, den ihnen aus dem Erlaß der Teilbaugenehmigung vom 8. Dezember 1994 sowie der Baustillegungsverfügung vom 27. Januar 1995 entstandenen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen, soweit dieser Schaden nicht anderweitig, insbesondere durch Inanspruchnahme des Architekten, gedeckt werde. Die Beklagte hat eine Pflichtwidrigkeit sowie deren Ursächlichkeit für den Schaden bestritten. Sie beruft sich ferner darauf , daß die Kläger im Hinblick auf den Suspensiveffekt des von ihnen erhobenen Widerspruchs nicht gehindert gewesen seien, die Bauarbeiten trotz der Stillegungsverfügung fortzusetzen, da diese nicht mit der Anordnung des Sofortvollzuges versehen gewesen sei.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihren Haupt- und Hilfsantrag weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Die Begründung, mit der das Berufungsgericht den Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG), soweit dieser auf den Erlaß der Stillegungsverfügung vom 27./31. Januar 1995 gestützt wird, verneint hat, ist nicht tragfähig. Das Berufungsgericht lastet den Klägern an, sie hätten die faktische Möglichkeit des Weiterbaus nach Erlaß der Stillegungsverfügung nicht genutzt. Hierin erblickt das Berufungsgericht eine schuldhafte Rechtsmittelversäumung im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB oder ein zum völligen Wegfall des Schadensersatzanspruchs führendes Mitverschulden im Sinne des § 254 Abs. 1 BGB.
1. Der Amtshaftungsanspruch kann hier indessen nicht bereits an § 839 Abs. 3 BGB scheitern. Die Kläger hatten nämlich mit Einlegung des Widerspruchs von dem ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsbehelf gegen die Stillegung Gebrauch gemacht. Die weitere Frage, ob sie mit Rücksicht auf die aufschiebende Wirkung dieses Widerspruchs gehalten waren, die Bautätigkeit faktisch fortzuführen, ist keine solche des Primärrechtsschutzes. Vielmehr ist der Revision darin beizupflichten, daß die Ausnutzung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs durch schlicht faktisches Weiterbauen nicht als
"Rechtsmittel" angesehen werden kann. Zutreffend weist die Revision weiter darauf hin, daß es auch nicht zum Gebrauch des Rechtsbehelfs des Widerspruchs gehört, über die Herbeiführung von dessen aufschiebender Wirkung hinaus einen drohenden Schaden durch ganz erhebliche eigene Aufwendungen zu mindern, zumal dann, wenn - wie hier - aus der Sicht des Bauherrn mit der Möglichkeit gerechnet werden mußte, daß sich das Bauvorhaben endgültig als rechtswidrig erwies und die damit verbundenen Aufwendungen nutzlos waren. Daher verdient auch die weitere Erwägung der Revision Zustimmung, daß es, um dem Vorrang des Primärrechtsschutzes zur Geltung zu verhelfen, nicht geboten ist, dem Geschädigten aufzuerlegen, unter faktischer Ausnutzung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs erhebliche und risikobehaftete Aufwendungen zur Schadensvermeidung zu machen. Sachgerecht läßt sich die vorliegende Problemstellung vielmehr allenfalls unter dem Gesichtspunkt einer Obliegenheit erfassen, Aufwendungen zur Schadensminderung zu tätigen (§ 254 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 BGB). Dies räumt auch die Revisionserwiderung ein.
2. Ein etwaiges Mitverschulden der Kläger könnte indessen nicht zum Totalverlust des Anspruchs führen. Mit der Einstellung der Bauarbeiten hatten sich die Kläger gerade so verhalten, wie es die Beklagte mit ihrer Stillegungsverfügung bezweckt hatte. Mit dieser Verfügung wurde die Funktion der ursprünglichen Teilbaugenehmigung als Verläßlichkeitsgrundlage für die Durchführung der Bauarbeiten aus der Sicht der Kläger zumindest nachhaltig beeinträchtigt. Hätten sie also gleichwohl weitergebaut, so hätten sie sich, falls sich im weiteren Verfahren herausgestellt hätte, daß die Stillegungsverfügung rechtmäßig und die Teilbaugenehmigung rechtswidrig gewesen war, bei der Geltendmachung eines auf die Rechtswidrigkeit der Genehmigung gestützten
Amtshaftungsanspruchs ihrerseits dem Einwand mitwirkenden Verschuldens ausgesetzt gesehen. Es gelten insoweit ähnliche Grundsätze, wie sie der Senat für die Fortsetzung von Bauarbeiten trotz eines Nachbarwiderspruchs entwickelt hat (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 21. Juni 2001 - III ZR 313/99; zur Veröffentlichung vorgesehen; ferner Senatsurteil vom 16. Januar 1997 - III ZR 117/95 = WM 1997, 375, 393, insoweit in BGHZ 134, 268 nicht abgedruckt , und dazu Schlick in Rinne/Schlick NVwZ-Beilage II/2000 S. 28). Deswegen ist hier zu Lasten der Beklagten an das Vorliegen eines anspruchsmindernden Mitverschuldens der Kläger ein strenger Maßstab anzulegen.
3. Auch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Stillegungsverfügung sei für den Schaden deswegen nicht ursächlich geworden, weil sie bereits am 23. März 1995 wieder aufgehoben worden sei, die Bauarbeiten hingegen erst Anfang Mai wieder aufgenommen worden seien, vermag den Senat nicht zu überzeugen. Es steht fest, daß die Bauarbeiten wegen des Baustopps zunächst eingestellt wurden. Die Frage, ob sie früher als tatsächlich geschehen, hätten wieder aufgenommen werden können, ist dementsprechend nicht eine solche der (adäquaten) Kausalität, sondern allenfalls wiederum eine solche des Mitverschuldens, und zwar unter dem Gesichtspunkt, daß die Kläger es unterlassen haben können, durch den rechtzeitigen Weiterbau gegen ihre Schadensminderungspflicht zu verstoßen, wobei in diesem Zusammenhang der oben beschriebene strenge Maßstab nicht gelten würde.
4. Nach alledem bedarf es nunmehr der Klärung der Frage, ob die Stillegungsverfügung tatsächlich rechtswidrig gewesen ist und ob gegebenenfalls den dafür verantwortlichen Amtsträger ein Verschulden trifft. Diese Frage hat
das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - bewußt offengelassen.

II.


1. Das Berufungsgericht hat sich außerstande gesehen, über einen Amtshaftungsanspruch der Kläger gegen die Beklagte wegen des Erlasses der Teilbaugenehmigung vom 8. Dezember 1994 zu entscheiden. Es hält insoweit die Berufung der Kläger gemäß § 519 Abs. 3 ZPO für unzulässig, da die Kläger in ihrer Berufungsbegründung das landgerichtliche Urteil, soweit es einen solchen Anspruch verneint hatte, nicht angegriffen hätten.
2. Die insoweit unbeschränkt zulässige Revision (§ 547 ZPO) ist ebenfalls begründet.
Die hier zu beurteilende Fallkonstellation ähnelt derjenigen, die dem Senatsurteil vom 20. November 1986 (III ZR 206/85 = BGHR BGB § 839 Abs. 1 Streitgegenstand 1) zugrunde gelegen hatte. Dort hat der Senat folgenden Rechtssatz aufgestellt: Leitet der Kläger einen Amtshaftungsanspruch daraus her, daß die Rücknahme eines ihm erteilten Bauvorbescheides rechtswidrig sei, so muß das Gericht, das die Rücknahme für rechtmäßig hält, weil der erteilte Vorbescheid rechtswidrig gewesen sei, auch prüfen, ob der Amtshaftungsanspruch sich aus dem Erlaß des Vorbescheids herleiten läßt. In dem gleichen Verhältnis wie in jenem Senatsurteil die Rücknahme zum Bauvorbescheid steht hier die Stillegung zu der Teilbaugenehmigung. Hier wie dort umfaßt der Lebenssachverhalt, aus dem die Kläger ihre Ansprüche gegen die Be-
klagte herleiten, sowohl den Ursprungsbescheid als auch den späteren Verwaltungsakt , durch den die Rechtsfolgen des Ursprungsbescheides beseitigt werden sollten. Die Stillegung läßt sich nur unter Berücksichtigung von Funktion und Folgen des ursprünglichen Verwaltungsaktes zutreffend beurteilen. Unter diesen Umständen ist die Frage, ob die Ursprungsgenehmigung oder aber die Stillegung rechtswidrig war und deshalb eine Amtspflichtverletzung darstellte, lediglich eine solche der rechtlichen Würdigung des gesamten der Klage zugrundeliegenden Lebenssachverhaltes. Die Frage einer etwaigen Rechtswidrigkeit des Ursprungsbescheides konnte nur dann entscheidungserheblich werden, wenn man die Stillegung für rechtmäßig gehalten hätte, weil die ursprüngliche Baugenehmigung rechtswidrig gewesen war. Deswegen waren die Kläger nicht gehindert, sich in der Berufungsbegründung darauf zu beschränken , aus ihrer Sicht die Rechtswidrigkeit der Stillegung (und damit inzidenter die Rechtmäßigkeit der Ursprungsgenehmigung) darzulegen. Erwies sich diese Annahme als unzutreffend, mußte das Berufungsgericht von Amts wegen prüfen, ob sich der Amtshaftungsanspruch aus dem möglicherweise rechtswidrigen Ursprungsbescheid herleiten ließ.

III.


Das Berufungsurteil kann nach alledem insgesamt keinen Bestand haben. Die Sache ist vielmehr an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, welches nunmehr über Grund und Höhe des Anspruchs neu zu entscheiden haben wird.
Rinne Wurm Kapsa Dörr Galke

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 254 Mitverschulden


(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 839 Haftung bei Amtspflichtverletzung


(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Ansp

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 34


Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder g

Zivilprozessordnung - ZPO | § 547 Absolute Revisionsgründe


Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Ges

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Bundesgerichtshof Urteil, 21. Juni 2001 - III ZR 313/99

bei uns veröffentlicht am 21.06.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 313/99 Verkündet am: 21. Juni 2001 F r e i t a g Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ------------

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(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 313/99
Verkündet am:
21. Juni 2001
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
------------------------------------
Zur Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Baugenehmigung für ein Vorhaben
, bei dem die Gefahr besteht, daß es unzumutbaren Belästigungen
oder Störungen durch Geruchsimmissionen ausgesetzt ist (hier: geplante
Wohnbebauung, die an einen bestandsgeschützten Rindermastbetrieb
heranrückt).
BGH, Urteil vom 21. Juni 2001 - III ZR 313/99 - OLG Dresden
LG Chemnitz
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Schlick, Dörr und Galke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 8. Oktober 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Kläger beabsichtigten, zwei in der Gemarkung E. im Gebiet der beklagten Stadt belegene Grundstücke mit einer Wohnanlage in Form eines VierSeiten -Hofes und zwei Einfamilienhäusern zu bebauen. Das zuständige Bauamt der beklagten Stadt hatte dem Voreigentümer am 27. Oktober 1993 einen Bauvorbescheid erteilt, wonach das gesamte Projekt aus baurechtlicher Sicht genehmigungsfähig sei. Daraufhin erwarben die Kläger im Januar 1994 Teilflächen der zu bebauenden Flurstücke. Am 10. Mai 1994 erteilte die Beklagte ih-
nen eine Teilungsgenehmigung und am 6. Juni 1994 eine Teilbaugenehmigung für den Vier-Seiten-Bauernhof bis Oberkante Fundament einschließlich Teilfreigabebescheinigung. Die Baugenehmigung folgte am 10. Juni 1994. Nachdem die Beklagte den Klägern am 4. Juli 1994 die Baufreigabe für die Häuser I und II bis Unterkante Decke Erdgeschoß erteilt hatte, begannen die Kläger unverzüglich mit den Bauarbeiten. Auch von der am 20. Oktober 1994 erteilten Baufreigabe für die Häuser I und II bis Oberkante Decke I. Obergeschoß machten die Kläger Gebrauch.
Nördlich an das Baugelände grenzt ein im Eigentum des Landkreises F. als Rechtsnachfolger des Landkreises Fl. stehendes Grundstück, das an den Betreiber einer seit DDR-Zeiten bestehenden Rindermastanlage verpachtet ist. Diese umfaßt drei Ställe für etwa 300 bis 500 Rinder und einen Güllebehälter mit 2.500 m³ Fassungsvermögen. Das Bauvorhaben der Kläger ist von der Anlage etwa 50 bis 100 m entfernt. Der Rechtsvorgänger des Landkreises F. legte am 30. Juni 1994 gegen die Baugenehmigung Widerspruch ein und beantragte am 10. Oktober 1994 die Herstellung von dessen aufschiebender Wirkung. Diesem Antrag gab das Verwaltungsgericht Ch. mit Beschluß vom 14. November 1994, den Klägern am 18. November 1994 zugestellt, statt. Daraufhin untersagte die Beklagte mit Bescheid vom 22. November 1994 die Fortführung der - bereits weit fortgeschrittenen - Bauarbeiten und ordnete die sofortige Vollziehbarkeit dieses Bescheides an. Die Bauarbeiten wurden daraufhin eingestellt. Gegen den Bescheid legten die Kläger am 28. November 1994 Widerspruch ein. Ihre gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Ch. erhobene Beschwerde wurde durch das Sächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluß vom 3. Juli 1995 zurückgewiesen.
Auf den Widerspruch des Nachbarn hob das Regierungspräsidium Ch. mit Bescheid vom 24. Januar 1996 die Baugenehmigungen auf. Hiergegen legten die Kläger kein Rechtsmittel ein.
Sie nehmen nunmehr die Beklagte aus Amtshaftung und aus anderen Rechtsgründen auf Ersatz des durch das fehlgeschlagene Vorhaben verursachten Schadens in Anspruch.
Die Beklagte hat bestritten, daû ihre Amtsträger rechtswidrig gehandelt hätten, und hat unter anderem eingewendet, die Kläger müûten sich vorrangig an die planenden Architekten halten.
Beide Vorinstanzen haben die Klage, mit der die Kläger zuletzt noch Zahlung von 2.860.766,90 DM nebst Zinsen und die Feststellung begehrt haben , daû die Beklagte zum Ersatz sämtlichen weiteren Schadens verpflichtet sei, abgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihre Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Als Grundlagen für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch hat das Berufungsgericht zutreffend die Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) und eine Haftung nach § 1 StHG-DDR in Betracht gezogen.


a) Die Amtsträger des Bauamts der beklagten Stadt hatten gegenüber den Klägern als geschützten "Dritten" die Amtspflicht, ihnen die hier in Rede stehenden begünstigenden Bauverwaltungsakte (Bauvorbescheid, Teilbaugenehmigungen und Teilfreigabebescheinigungen) nicht zu erteilen, wenn und soweit diese gegen die einschlägigen bauplanungsrechtlichen oder bauordnungsrechtlichen Vorschriften verstieûen. Dabei ist es unerheblich, daû die Kläger beim Erlaû des Vorbescheides noch nicht Eigentümer der Grundstücke waren; die gegenüber dem seinerzeitigen antragstellenden Grundstücksmiteigentümer wahrzunehmenden Amtspflichten galten auch zugunsten der Kläger als seiner Rechtsnachfolger (st. Rspr.; vgl. z.B. Senatsurteile BGHZ 122, 317, 321 f; vom 23. September 1993 - III ZR 139/92 = NJW 1994, 130, 131; vom 6. Juli 2000 - III ZR 340/98, für BGHZ 144, 394 vorgesehen = NJW 2000, 2996).

b) Die Erteilung eines solchermaûen rechtswidrigen (positiven) Bauverwaltungsaktes konnte zugleich einen Anspruch nach § 1 Abs. 1 StHG-DDR in der Fassung des Einigungsvertrages (Anlage II B Kapitel III Sachgebiet B Abschnitt III BGBl. 1990 II S. 885, 1168) begründen (vgl. Senatsurteil BGHZ 142, 259, 273). Das StHG ist zwar inzwischen in Sachsen durch das Rechtsbereinigungsgesetz vom 17. April 1998 (SächsGVBl. S. 151) aufgehoben worden; dies betrifft aber nicht solche Rechtsverhältnisse, die - wie hier - zum Stichzeitpunkt bereits entstanden waren. Zu Recht hat das Berufungsgericht etwaige Ansprüche nach dem StHG nicht bereits daran scheitern lassen, daû das an sich erforderliche Vorverfahren (§§ 5 f) nicht durchgeführt worden war. Die Beklagte hatte sich nämlich geweigert, nach § 5 Abs. 3 StHG über Grund und Höhe des Schadensersatzanspruchs zu entscheiden und einen entsprechenden
Bescheid zu erteilen; in einem solchen Fall kann und muû der Betroffene unmittelbar Klage beim Zivilgericht erheben (Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 5. Aufl. 1998 S. 489; OVG Greifswald NJ 1997, 273; OLG Jena OLGR 1999, 131, 132).
2. In rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung hat das Berufungsgericht das zu bebauende Areal dem unbeplanten Innenbereich der beklagten Stadt zugeordnet und es als Dorfgebiet eingestuft. Bedenken hiergegen werden weder von der Revision noch von der Revisionserwiderung erhoben. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens der Kläger richtete sich somit nach § 34 BauGB i.V.m. §§ 5, 15 BauNVO 1990. Als entscheidender Gesichtspunkt , der der Zulässigkeit des Vorhabens entgegenstehen konnte, kam in Betracht , daû die von den Klägern zu errichtenden Wohnbauten unzumutbaren Belästigungen und Störungen ausgesetzt sein konnten, die von dem benachbarten Rindermastbetrieb ausgingen (§ 15 Abs. 1 Satz 2 zweite Alternative BauNVO).
3. Die Maûstäbe, die an die Zulässigkeit des konkreten Vorhabens der Kläger anzulegen sind (vgl. dazu vor allem BVerwG NVwZ 1993, 1184), hat das Berufungsgericht zutreffend wie folgt festgestellt: Bei der Beurteilung, in welchem Umfang Lärm- und Geruchsimmissionen aus dem landwirtschaftlichen Betrieb von einem mit Wohngebäuden bebauten Grundstück der Kläger hingenommen werden müûten, ist zunächst darauf abzustellen, daû in Dorfgebieten der Schutz des Wohnens grundsätzlich geringer ist als in Wohngebieten. Der Arbeitslärm von Maschinen und Fahrzeugen, die üblichen Gerüche von Ställen, Dungstätten, Güllegruben und Siloanlagen sind als typische Begleiterscheinungen landwirtschaftlicher Betriebe in einem Dorfgebiet innerhalb gewisser
Toleranzgrenzen nicht als unzulässige Störung anzusehen. Anderenfalls würde das Dorfgebiet nicht mehr Standort landwirtschaftlicher Betriebe sein können, was es nach der Funktionsbestimmung des § 5 Abs. 1 BauNVO gerade sein soll. Die Reichweite des maûgeblichen Rücksichtnahmegebots, das das Maû der zumutbaren Beeinträchtigungen, die im vorliegenden Falle in der Geruchsbelästigung bestehen, bestimmt, ist deshalb im wesentlichen von der normativ vorgesehenen Privilegierung landwirtschaftlicher Betriebe im Dorfgebiet geprägt. Dieser Privilegierung ist bei der Lösung des Konfliktes bei der an landwirtschaftliche Betriebe heranrückenden Wohnbebauung hinreichend Rechnung zu tragen. Für eine hohe Zumutbarkeitsgrenze hinsichtlich der Beeinträchtigung des Wohnbauvorhabens der Kläger spricht, daû der vom Landkreis F. verpachtete Betrieb sich als ein im Dorfgebiet zulässiger landwirtschaftlicher Betrieb darstellt und die - unstreitig seit Jahren bestehende und betriebene - Rindermastanlage in ihrer derzeitigen Lage, Gestaltung und Ausstattung eine genehmigungsfreie Altanlage und der Güllebehälter als an sich genehmigungsbedürftige Anlage gemäû § 67 a BImSchG ordnungsgemäû angezeigt und daher im Ergebnis bestandsgeschützt sind. In diesem Umfang ist, soweit auf der Grundlage des bisherigen Umfeldes die immissionsschutzrechtlichen Bedingungen eingehalten werden, der Betrieb vor weiteren Auflagen geschützt. Daher hat eine sich annähernde, geplante und empfindsame Bebauung auf ihn Rücksicht zu nehmen. Das Grundstück der Kläger ist situationsbelastet. Bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze kommt es nicht auf das Empfinden des individuell Betroffenen, sondern auf das eines verständigen Durchschnittsmenschen in vergleichbarer Lage an. Damit ergibt sich zugleich, daû Maûstab für die Zumutbarkeit von Nachteilen und Belästigungen deren Ortsüblichkeit ist. Auch die bei der Bebauung eines Grundstücks vorgefundenen Vorbelastungen unterhalb der Gefahrenschwelle einschlieûlich einer Zunahme, die bereits in
der ortsüblichen Situation erkennbar angelegt und voraussehbar war, können die Erheblichkeitsschwelle in der Weise beeinflussen, daû der neu Hinzukommende die vorgefundene Belastung hinnehmen muû. Ebenso trifft es zu, daû die Kläger bewuût eine Wohnbebauung in diese vorbelastete Situation stellen wollten und deshalb ihrerseits geringere Abwehrrechte gegen Immissionen des Rindermastbetriebes hatten.
4. Das Berufungsgericht hat sich nach der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme auûerstande gesehen, positive Feststellungen in der einen oder in der anderen Richtung zu treffen, nämlich entweder, daû das Bauvorhaben der Kläger unzumutbaren Geruchsbelästigungen ausgesetzt sei, oder daû es von solchen Belästigungen verschont bleibe. Dieses "non liquet" hat es zu Lasten der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Kläger gehen lassen. Die hiergegen gerichtete Verfahrensrüge der Revision greift durch.

a) Ob unzumutbare Belästigungen oder Störungen vorliegen, ergibt sich aus den Anforderungen, die das Bundes-Immissionsschutzgesetz an die emittierende Anlage stellt. Die Rindermastanlage ist somit so zu betreiben, daû schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, und daû nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaû beschränkt werden (§ 22 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG). Schädliche Umwelteinwirkungen sind Immissionen , die nach Art, Ausmaû oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 Abs. 1 BImSchG). Der Maûstab der erheblichen Belästigung oder des erheblichen Nachteils liegt dabei unterhalb der Grenze, von der ab Immissionen durch Gerüche eine Gesundheitsgefahr darstellen
oder die Nutzung eines Grundstücks in einer Weise einschränken, die mit der Gewährung privatnützigen Eigentums nicht mehr zu vereinbaren sind (BVerwGE 88, 210, 213). Ob Belästigungen im Sinne des Immissionsschutzrechts erheblich sind, richtet sich nach der konkreten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Rechtsgüter, die sich ihrerseits nach der bebauungsrechtlichen Situation und nach den tatsächlichen oder planerischen Vorbelastungen bestimmen (BVerwG NVwZ 1993, 1184, 1185). Dieser Vorbelastung kommt hier eine besondere Bedeutung deswegen zu, weil die Rindermastanlage nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die nähere Umgebung der zu bebauenden Grundstücke wesentlich prägt.

b) Zutreffend legt das Berufungsgericht weiter dar, daû es bislang keine verbindlichen Vorschriften zur Beurteilung der Frage gibt, ob eine Geruchsimmission im beschriebenen Sinne unzumutbar ist. Die vom gerichtlichen Sachverständigen zur Grundlage seiner Bewertung gemachte Geruchsimmissionsrichtlinie des Landes Sachsen ("GIRL" - Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landesentwicklung zur Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen vom 16. März 1993, SächsABl. S. 514) ist keine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift im Sinne der §§ 48, 51 BImSchG, da sie nicht nach den dort vorgesehen besonderen Verfahrensvorschriften von der Bundesregierung erlassen worden ist (vgl. Hansmann NVwZ 1999, 1158, 1160). Dies schlieût es indessen nicht aus, sie als Hilfsmittel für die Ermittlung der Geruchsbelästigungen heranzuziehen, zumal sie inzwischen auch in den meisten anderen Bundesländern umgesetzt ist und angewandt wird (Koch, Immissionsschutz 1997, S. 6 ff; vgl. zur GIRL im allgemeinen auch Gablenz, ZMR 2000, 499, 500 ff; Perschau UPR 1998, 248, 249 ff). Die abweichende Auffassung des Berufungsgerichts im Anschluû an Säch-
sOVG SächsVBl. 1998, 292, die GIRL sei für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Geruchsbeeinträchtigungen nicht heranzuziehen, läût nicht erkennen, daû das Berufungsgericht die erforderliche Sachkunde für eine etwaige Verwerfung der GIRL besitzt; die bloûe Bezugnahme auf jene Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts reicht dafür nicht aus. Im übrigen befaût sich das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vorrangig mit der rechtlichen Qualität der GIRL und begründet deren angeblich fehlende Eignung für die Ermittlung von Immissionsgrenzwerten lediglich mit dem nicht näher belegten Hinweis darauf, daû sie "durch gewichtige Kreise sachverständiger Personen" abgelehnt werde. Diese Begründung übernimmt das Berufungsgericht ohne eigene sachkundige Prüfung.

c) Im vorliegenden Fall stellte der extrem geringe Abstand zwischen dem Rindermastbetrieb und der von den Klägern geplanten Wohnbebauung, die bis auf 50 m an ihn heranrücken sollte, bereits für sich genommen ein gewichtiges Indiz dafür dar, daû mit unzumutbaren Geruchsbelästigungen gerechnet werden muûte. Auf diesen Gesichtspunkt hatten sowohl das Regierungspräsidium bei der Widerspruchsentscheidung als auch das in deren Vorfeld eingeschaltete Staatliche Umweltfachamt Ch. sowie das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht im Verfahren des einstweiligen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes wesentlich abgestellt. Auch das vom Berufungsgericht eingeholte gerichtliche Sachverständigengutachten gelangt zum gleichen Ergebnis.

d) Demgegenüber hält das von der Beklagten vorgelegte Privatgutachten , das auf einem anderen methodischen Ansatz beruht als das gerichtliche, nämlich auf der Verwerfung der GIRL, das Wohnbauvorhaben der Kläger unter
immissionsschutzrechtlichen Gesichtspunkten insgesamt für genehmigungsfähig. Bei einer vergleichenden Würdigung beider Gutachten hat das Berufungsgericht nicht den Eindruck gewinnen können, daû dem Privatgutachten ein geringerer Erkenntniswert zukäme als dem gerichtlichen. Im Bewuûtsein der Unwägbarkeiten von Immissionsprognosen hat das Berufungsgericht sich sodann einen eigenen Eindruck durch Augenscheinseinnahme verschafft und dabei eine unzumutbare Beeinträchtigung nicht festgestellt.

e) Den Erkenntniswert jener Ortsbesichtigung hat das Berufungsgericht indessen selbst - zutreffend - dahin relativiert, daû ein einziger Termin für eine Augenscheinseinnahme nur einen unvollkommenen Anhalt geben konnte, zumal die Rindermastanlage nicht vollständig belegt war und sich überdies im Sommerbetrieb befand.

f) Zwar unterliegt ein Sachverständigengutachten wie jedes andere Beweismittel der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO); der Tatrichter ist daher nicht gehindert, von einem gerichtlichen Gutachten abzuweichen und einem Privatgutachten den Vorrang zu geben. Da der Sachverständige aber dem Richter gerade die Sachkunde vermitteln soll, die diesem selbst auf einem Spezialgebiet fehlt, muû der Richter prüfen, ob er seine Zweifel an dem Gutachten ohne jede weitere sachverständige Hilfe zur Grundlage des Urteils machen kann. Will er dem Gutachten nicht folgen, so muû er seine abweichende Überzeugung begründen, und diese Begründung muû erkennen lassen, daû die Beurteilung nicht von einem Mangel an Sachkunde beeinfluût ist (vgl. Senatsbeschluû vom 22. Dezember 1992 - III ZR 173/91 = BGHR ZPO § 286 Abs. 1 Sachverständigenbeweis 12; BGH, Urteil vom 21. Januar 1997 - VI ZR 86/96 = NJW 1997, 1446). Hat der Tatrichter die erforderliche Sachkunde
nicht, so muû er notfalls ein weiteres Gutachten nach § 412 ZPO einholen (vgl. BGH, Urteile vom 12. Januar 2001 - V ZR 420/99 - zur Veröffentlichung vorgesehen ; vom 9. Mai 1989 - VI ZR 268/88 = NJW 1989, 2948, 2949). Vorhandene weitere Aufklärungsmöglichkeiten müssen deshalb genutzt werden, wenn sie sich anbieten und Erfolg versprechen. Dies gilt auch dann, wenn der Tatrichter meint, keiner der Sachverständigen habe mehr überzeugt als der andere, so daû keinem der Vorzug zu geben sei. Dies mag im Einzelfall ein vertretbares Ergebnis der vorzunehmenden Beweiswürdigung sein. Diese muû aber erkennen lassen, daû die widersprechenden Ansichten der Sachverständigen gegeneinander abgewogen worden sind und daû sich nach Herausarbeitung der abweichenden Standpunkte keine weiteren Aufklärungsmöglichkeiten ergeben haben (BGH, Urteil vom 23. September 1986 - VI ZR 261/85 = BGHR ZPO § 412 Gutachten, widersprechende 1). Das Fehlen derartiger weiterer Aufklärungsmöglichkeiten hat das Berufungsgericht indessen nicht festgestellt. Insbesondere kann es nicht ausgeschlossen werden, daû es Personen oder Institute gibt, die über Forschungsmethoden verfügen, welche denjenigen der beiden widerstreitenden Sachverständigen überlegen sind, etwa auf Immissionsschutz spezialisierte Universitätsinstitute.
5. Die aufgezeigten Rechts- und Verfahrensfehler, die darin bestehen, daû die erforderliche Sachkunde des Berufungsgerichts für eine etwaige Verwerfung der GIRL nicht hinreichend dargelegt ist und daû die Voraussetzungen für eine "non liquet"-Entscheidung nicht festgestellt sind, nötigen zur Aufhebung des Berufungsurteils. Denn die Klageabweisung erweist sich auch nicht mit anderer Begründung als richtig. Insbesondere kommt - entgegen der Auffassung des Landgerichts - hier eine anderweitige Ersatzmöglichkeit in Form eines Schadensersatzanspruchs gegen die planenden Architekten (§ 839 Abs. 1
Satz 2 BGB, § 3 Abs. 3 StHG) nicht in Betracht. Eine zum Schadensersatz verpflichtende Vertragsverletzung der Architekten ist nämlich nicht erkennbar. Zwar schuldeten die Architekten eine genehmigungsfähige Planung. Die Bewältigung schwieriger immissionsschutzrechtlicher Belange konnte indessen von ihnen nicht verlangt werden (vgl. Senatsbeschluû vom 29. März 1990 - III ZR 145/88 = BGHR BGB § 839 Abs. 1 Satz 2, Bauunternehmer 1, betreffend einen Bauunternehmer). Ihren vertraglichen Pflichten sind die Architekten - nach dem dem Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachvortrag der Kläger - hier dadurch in ausreichendem Maûe nachgekommen, daû sie die Bauherren auf die bauplanungsrechtlichen, insbesondere immissionsschutzrechtlichen Probleme hingewiesen und angeregt hatten, speziell zur Klärung dieser Fragen einen Bauvorbescheid einzuholen.
6. Sollten die somit vorzunehmenden weiteren Prüfungen zu dem Ergebnis führen, daû die GIRL entgegen der bisherigen Auffassung des Berufungsgerichts doch eine taugliche Grundlage für die Ermittlung der Geruchsimmissionen bildet, so wird zu prüfen sein, ob eine Amtspflichtwidrigkeit bei der Erteilung der hier in Rede stehenden Bauverwaltungsakte nicht bereits darin bestehen konnte, daû die Amtsträger der Bauaufsichtsbehörde die GIRL bei ihren Entscheidungen unberücksichtigt gelassen haben. Sie war nämlich aufgrund ihres Einführungserlasses von den sächsischen Behörden zu beachten (Hansmann aaO). Im Amtshaftungsrecht ist anerkannt, daû externe Amtspflichten auch durch Verwaltungsvorschriften begründet werden können (Ossenbühl aaO S. 42 f m.w.N.). Jedoch wird, auch wenn eine Amtspflichtverletzung oder ein Haftungstatbestand nach dem StHG festgestellt werden sollte, ein mitwirkendes Verschulden der Kläger zu prüfen sein, und zwar hinsichtlich derjenigen Aufwendungen, die sie in Kenntnis des Nachbarwiderspruchs getä-
tigt haben. Zwar entfällt ein einmal begründetes schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand einer erteilten Baugenehmigung nicht schon ohne weiteres völlig mit der Anfechtung dieser Genehmigung durch einen Dritten; indessen wird ab dem Vorliegen von Drittanfechtungen grundsätzlich eine gröûere Eigenverantwortung des Bauherrn unter dem Gesichtspunkt des § 254 BGB oder des § 2 StHG anzunehmen sein. Ist zulässigerweise Widerspruch eingelegt, verbunden mit dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, so hat der Bauherr die Möglichkeit der Rechtswidrigkeit der ihm erteilten Genehmigung jedenfalls dann ernsthaft in Betracht zu ziehen, wenn Anfechtungsgründe vorgebracht werden, deren Richtigkeit nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen ist. Setzt der Bauherr in einer solchen Situation sein Vorhaben entsprechend der Genehmigung fort, ohne die Entscheidung des Gerichts über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwarten, so nimmt er das in der Drittanfechtung liegende Risiko bewuût auf sich (Senatsurteil vom 16. Januar 1997 - III ZR 117/95 - WM 1997, 375, 393; insoweit in BGHZ 134, 268 nicht abgedruckt).
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(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen,

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat;
5.
wenn die Entscheidung auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind;
6.
wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.