Bundesgerichtshof Urteil, 27. Jan. 2015 - II ZR 350/13

bei uns veröffentlicht am27.01.2015
vorgehend
Landgericht Hamburg, 329 O 36/12, 25.01.2013
Hanseatisches Oberlandesgericht, 11 U 69/13, 27.09.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I I ZR 3 5 0 / 1 3 Verkündet am:
27. Januar 2015
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Januar 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und
die Richterin Caliebe sowie die Richter Dr. Drescher, Born und Sunder

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 27. September 2013 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin zeichnete am 17. November 2005 eine Beteiligung an der Beklagten als atypisch stille Gesellschafterin nach dem Anlagemodell Classic in Höhe von 25.000 € zuzüglich eines Agios in Höhe von 1.500 €.
2
Mit ihrer Klage hat die Klägerin zunächst im Wege des Schadensersatzes Rückabwicklung ihrer Beteiligung mit der Begründung verlangt, sie sei bei ihrem Beitritt nicht hinreichend aufgeklärt worden, weil der Emissionsprospekt der Beklagten erhebliche Fehler aufweise und auch die Aufklärung durch den Anlagevermittler fehlerhaft gewesen sei.
3
Gegen das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts hat sie Berufung eingelegt, nach der Erklärung des Widerrufs ihrer Beitrittserklärung ihre Klage erweitert und hilfsweise die Verurteilung der Beklagten begehrt, das Auseinandersetzungsguthaben der Klägerin zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs am 5. April 2013 zu errechnen und zu bezahlen.
4
Das Berufungsgericht hat die Beklagte auf die Berufung der Klägerin unter Abweisung des hinsichtlich des Stichtags weitergehenden Hilfsbegehrens verurteilt, der Klägerin die Höhe des Auseinandersetzungsguthabens zum Zeitpunkt des Zugangs der Widerrufserklärung am 10. April 2013 mitzuteilen. Die gegen die Abweisung des Hauptbegehrens gerichtete Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
6
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
7
Die Klage sei mit den Hauptanträgen schon deshalb unbegründet, weil der Klägerin ein Anspruch auf Rückabwicklung der atypisch stillen Beteiligung unabhängig von der Frage des Vorliegens von Prospektfehlern oder einem an- derweitigen Aufklärungsverschulden grundsätzlich nicht zustehe. Bei der Beklagten handele es sich um eine mehrgliedrige atypisch stille Gesellschaft, auf die die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft wie bei einer Publikumsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG mit der Folge anzuwenden seien , dass der einzelne Gesellschafter gegen die Gesellschaft grundsätzlich nur einen etwaigen Abfindungsanspruch geltend machen könne.
8
Die Klägerin könne ihr Rückabwicklungsbegehren auch nicht mit Erfolg auf den Widerruf der Beteiligung stützen. Unabhängig von der Frage, ob überhaupt ein Widerrufsrecht bestanden habe und es rechtzeitig ausgeübt worden sei, führe auch der Widerruf nur zu einer Beendigung der Beteiligung ex nunc; dies gelte sogar für Haustürgeschäfte.
9
Die hilfsweise erhobene Stufenklage sei dagegen überwiegend begründet. Stichtag für das Auskunftsbegehren sei allerdings nicht das Datum der Widerrufserklärung , sondern deren Zugang. Es sei von dem Vorliegen einer Haustürsituation auszugehen und der Widerruf sei wirksam, weil die Widerrufsbelehrung fehlerhaft sei.
10
II. Die Revision der Klägerin ist begründet.
11
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass zwischen den Parteien kein bloß zweigliedriges Gesellschaftsverhältnis zustande gekommen ist, sondern die Klägerin einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft in Form einer Publikumsgesellschaft beigetreten ist, bei der nach Invollzugsetzung für den Fall etwaiger anfänglicher Mängel die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft Anwendung finden, ist zwar aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wie der Senat für die vorliegende Beteiligungsgestaltung bereits entschieden hat (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2014 - II ZR 376/13 Rn. 11 f. unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 19. November 2013 - II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 Rn. 17 ff.; Urteil vom 19. November 2013 - II ZR 320/12, juris, Rn. 14 ff.). Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es für die Annahme eines mehrgliedrigen stillen Gesellschaftsverhältnisses allein auf die Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen ankommt und es entgegen der Auffassung der Revision nicht erforderlich ist, dass im Gesellschaftsvertrag das Wort „mehrgliedrig“ ausdrücklich aufgeführt wird, wie es in der Entscheidung des Senats vom 19. November 2013 - II ZR 383/12 (BGHZ 199, 104 Rn. 18) der Fall war.
12
Den Regelungen des zwischen den Anlegern und der Beklagten hier vereinbarten atypisch stillen Gesellschaftsvertrags (im Folgenden: GV) hat das Berufungsgericht mit Recht das Vorliegen eines mehrgliedrigen Innenverbands entnommen. So werden insbesondere nach den §§ 7, 8 GV Gesellschaftsbeschlüsse in Gesellschafterversammlungen oder im schriftlichen Beschlussverfahren gefasst, wobei die Beklagte als Geschäftsinhaberin je volleingezahlte zehn Euro ihres Grundkapitals eine Stimme hat (§ 7 Nr. 3 GV). Nach § 6 Nr. 1 Satz 1 GV steht die Geschäftsführung zwar allein der Geschäftsinhaberin zu. Für im Einzelnen aufgeführte, über den laufenden Betrieb hinausgehende Maßnahmen bedarf die Beklagte aber eines zustimmenden Gesellschaftsbeschlusses nach § 7 GV. Die Gesellschaft hat weiter einen Anlageausschuss, der die Geschäftsführung der Geschäftsinhaberin überwacht und dessen (drei) Mitglieder durch Gesellschaftsbeschluss gewählt werden (§ 9 GV). Ferner hat nach § 16 Nr. 4 GV die Kündigung eines stillen Gesellschafters (oder der Geschäftsinhaberin ) nicht die Auflösung der atypisch stillen Gesellschaft insgesamt, sondern lediglich das Ausscheiden des betroffenen Gesellschafters zur Folge. Der Umstand, dass die stillen Gesellschafter sich von vornherein mit unterschiedlichen Laufzeiten an der Gesellschaft beteiligen und ihr Gesellschaftsverhältnis unabhängig von den anderen Gesellschaftern gesondert beenden können, führt entgegen der Ansicht der Revision nicht zur Annahme bloß zweigliedriger Gesellschaftsverhältnisse.
13
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts schließt die Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft aber einen Anspruch der Klägerin auf Ersatz von Vermögensschäden, die ihr - nach ihrem Vorbringen - durch pflichtwidriges Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen im Zusammenhang mit ihrem Beitritt zur Gesellschaft entstanden sind, nicht von vornherein aus. Auch bei Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft kann, wie der Senat in den Entscheidungen vom 19. November 2013 ausgeführt hat, der Anleger, der sich an einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft beteiligt hat, das stille Gesellschaftsverhältnis unter Berufung auf den (behaupteten) Vertragsmangel durch sofort wirksame Kündigung beenden und unter Anrechnung des ihm bei Beendigung seines (fehlerhaften) Gesellschaftsverhältnisses gegebenenfalls zustehenden Abfindungsanspruchs von dem Geschäftsinhaber Ersatz eines darüber hinausgehenden Schadens verlangen, wenn dadurch die gleichmäßige Befriedigung etwaiger Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter nicht gefährdet ist (BGH, Urteil vom 19. November 2013 - II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 Rn. 28 ff.).
14
3. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Klägerin nach diesen Grundsätzen ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zusteht, hat das Berufungsgericht von seinem abweichenden Rechtsstandpunkt aus nicht geprüft. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann die Abweisung der Klage mit den Hauptanträgen daher keinen Bestand haben. Sie stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
15
Da in der Erklärung eines Gesellschafters, seinen Beitritt mit rückwirkender Kraft beseitigen zu wollen, in der Regel sein Wille zum Ausdruck kommt, die Bindung an die Gesellschaft und die Mitgesellschafter jedenfalls mit sofortiger Wirkung zu beenden (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1974 - II ZR 27/73, BGHZ 63, 338, 344 f.; Urteil vom 16. Dezember 2002 - II ZR 109/01, BGHZ 153, 214, 223), kann auch im vorliegenden Fall bereits in der Klageerhebung eine Kündigung des (stillen) Gesellschaftsverhältnisses durch die Klägerin gesehen werden. Dass die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch nicht unter Anrechnung eines etwaigen Abfindungsguthabens berechnet hat, rechtfertigt eine (vollständige) Abweisung der Klage nicht, weil der Geschädigte nicht ohne weiteres an eine von ihm ursprünglich gewählte Art der Schadensberechnung gebunden ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2011 - VI ZR 17/11, NJW 2012, 50 Rn. 4 mwN) und der Klägerin daher Gelegenheit gegeben werden muss, ihr Klagevorbringen an die in den Vorinstanzen nicht erörterten rechtlichen Vorgaben der Senatsentscheidungen vom 19. November 2013 anzupassen.
16
Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts und des Vorbringens der Parteien kann auch nicht angenommen werden, dass einem über einen Abfindungsanspruch hinausgehenden Schadensersatzbegehren der Klägerin zur Sicherung etwaiger Abfindungs- oder Auseinandersetzungsansprüche der Mitgesellschafter der Erfolg zu versagen wäre. Ob und in welcher Höhe solche (hypothetischen) Ansprüche der anderen stillen Gesellschafter bestehen und aus dem Vermögen der Beklagten befriedigt werden können, steht nicht fest und müsste gegebenenfalls die Beklagte darlegen und beweisen, wenn sie sich einem Schadensersatzanspruch der Klägerin gegenüber darauf berufen wollte, dieser sei wegen einer Gefährdung der Abfindungsund Auseinandersetzungsansprüche der übrigen stillen Gesellschafter zumindest gegenwärtig nicht oder nicht in voller Höhe durchsetzbar. Im Übrigen wäre selbst für den Fall des Bestehens eines solchen Hindernisses das auf Zahlung eines bestimmten Schadensersatzbetrages gerichtete Leistungsbegehren der Klägerin dahin auszulegen, dass jedenfalls die Feststellung des Bestehens eines Schadensersatzanspruchs in dieser Höhe begehrt wird. Sofern die sonstigen Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs gegeben sind, stünde der Umstand, dass das Vermögen der Beklagten im Zeitpunkt der Entscheidung zur Befriedigung etwaiger (hypothetischer) Abfindungsoder Auseinandersetzungsansprüche und des Schadensersatzanspruchs nicht ausreichte, einer Feststellung seines Bestehens nicht entgegen.
17
III. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die bislang offen gebliebenen Feststellungen zu den tatsächlichen Voraussetzungen des von der Klägerin mit ihren Hauptanträgen geltend gemachten Schadensersatzanspruchs treffen kann. Soweit die Klägerin neben Aufklärungspflichtverletzungen im Rahmen des mit dem Vermittler geführten Beratungsgesprächs auch fehlerhafte oder unvollständige Angaben im Emissionsprospekt geltend gemacht hat, wird auf die Beschlüsse des Senats vom 23. September 2014 - II ZR 314/13, juris Rn. 14 ff. und II ZR 317/13, juris Rn. 14 ff. hingewiesen.
Bergmann Caliebe Drescher Born Sunder
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 25.01.2013 - 329 O 36/12 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 27.09.2013 - 11 U 69/13 -

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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 561 Revisionszurückweisung


Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

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1. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass zwischen den Parteien kein bloß zweigliedriges Gesellschaftsverhältnis zustande gekommen ist, sondern die Klägerin einer mehrgliedrigen stillen Gesellschaft in Form einer Publikumsgesellschaft beigetreten ist, bei der nach Invollzugsetzung für den Fall etwaiger anfänglicher Mängel die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft Anwendung finden, ist zwar aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wie der Senat für eine in den wesentlichen Vertragsbestimmungen übereinstimmende Beteiligungsgestaltung in den am 19. November 2013 verkündeten Entscheidungen im Einzelnen begründet hat (BGH, Urteil vom 19. November 2013 - II ZR 383/12, BGHZ 199, 104 Rn. 17 ff.; Urteil vom 19. November 2013 - II ZR 320/12, juris, Rn. 14 ff.). Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen , dass es für die Annahme eines mehrgliedrigen stillen Gesellschaftsverhältnisses allein auf die Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen ankommt und es entgegen der Auffassung der Revision nicht erforderlich ist, dass im Gesellschaftsvertrag das Wort „mehrgliedrig“ ausdrücklich aufgeführt wird, wie es in der Entscheidung des Se- nats vom 19. November 2013 - II ZR 383/12 (BGHZ 199, 204 Rn. 18) der Fall war.
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a) Im vorliegenden Fall richten sich die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und der Beklagten sowie den übrigen stillen Gesellschaftern nach dem im Emissionsprospekt Stand 2001/2002 (Anlage K 2) abgedruckten atypisch stillen Gesellschaftsvertrag (im Folgenden: GV). Nach der von der Beklagten verwendeten, vom Kläger am 19. Dezember 2002 unterzeichneten „Bei- trittserklärung (Zeichnungsschein) als atypisch stiller Gesellschafter“ erklärt der Beitretende, dass für seine Beteiligung der im Prospekt abgedruckte atypisch stille Gesellschaftsvertrag gilt (Anlage K 1). In der Beitrittserklärung ist ferner vorgesehen, dass der „Antrag“ des Beitretenden vom Vorstand der Beklagten angenommen wird. Durch den von allen stillen Gesellschaftern mit ihrer Beitrittserklärung als verbindlich anerkannten stillen Gesellschaftsvertrag ist somit durch vertragliche Vereinbarung ein Gesellschaftsverhältnis zwischen allen stillen Gesellschaftern und der Beklagten zustande gekommen. Der Beitritt des einzelnen stillen Gesellschafters zu dieser Gesellschaft ist dabei, wie bei Publikumsgesellschaften üblich (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 1975 - II ZR 120/74, WM 1976, 15 f.; Urteil vom 14. November 1977 - II ZR 95/76, WM 1978, 136, 137), in der Weise erfolgt, dass die Beklagte die dazu erforderlichen Willenserklärungen auch im Namen der bereits beigetretenen stillen Gesellschafter abgegeben hat. Die insoweit erforderliche Ermächtigung der Beklagten ergibt sich daraus, dass sich die stillen Gesellschafter durch Unterzeichnung der Beitrittserklärung in Verbindung mit § 1 Nr. 3 GV ausdrücklich damit einverstanden erklärt haben, dass sich weitere atypisch stille Gesellschafter an dem Handelsgewerbe der Beklagten beteiligen.
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a) Im vorliegenden Fall richten sich die Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger und der Beklagten sowie den übrigen stillen Gesellschaftern nach dem im Emissionsprospekt (Anlage K 1) abgedruckten atypisch stillen Gesellschaftsvertrag (im Folgenden: GV). Nach der von der Beklagten verwendeten, vom Kläger unterzeichneten „Beitrittserklärung (Zeichnungsschein) als atypisch stiller Gesellschafter“ erklärt der Beitretende, dass für seine Beteiligung der im Prospekt abgedruckte atypisch stille Gesellschaftsvertrag gilt (Anlage K 2 und 3). In der Beitrittserklärung ist ferner vorgesehen, dass der „Antrag“ des Beitretenden vom Vorstand der Beklagten angenommen wird. Durch den von allen stillen Gesellschaftern mit ihrer Beitrittserklärung als verbindlich anerkannten stillen Gesellschaftsvertrag ist somit durch vertragliche Vereinbarung ein Gesellschaftsverhältnis zwischen allen stillen Gesellschaftern und der Beklagten zustande gekommen. Der Beitritt des einzelnen stillen Gesellschafters zu dieser Gesellschaft ist dabei, wie bei Publikumsgesellschaften üblich (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 1975 - II ZR 120/74, WM 1976, 15 f.; Urteil vom 14. November 1977 - II ZR 95/76, WM 1978, 136, 137), in der Weise erfolgt, dass die Beklagte die dazu erforderlichen Willenserklärungen auch im Namen der bereits beigetretenen stillen Gesellschafter abgegeben hat. Die insoweit erforderliche Ermächtigung der Beklagten ergibt sich daraus, dass sich die stillen Gesellschafter durch Unterzeichnung der Beitrittserklärung in Verbindung mit § 1 Nr. 3 GV ausdrücklich damit einverstanden erklärt haben, dass sich weitere atypisch stille Gesellschafter an dem Handelsgewerbe der Beklagten beteiligen.

Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

4
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Kläger von den Beklagten Ersatz des ihm tatsächlich entstandenen Schadens verlangen kann und er nicht an die von ihm ursprünglich gewählte fiktive Abrechnung auf der Basis der vom Sachverständigen geschätzten Kosten gebunden ist. Wie der erkennende Senat für den - hier nicht gegebenen - Fall eines wirtschaftlichen Totalschadens entschieden hat, ist der durch einen Verkehrsunfall Geschädigte , der seinen Fahrzeugschaden mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers zunächst auf der Grundlage des vom Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungsaufwands abrechnet, an diese Art der Abrechnung nicht ohne Weiteres gebunden. Er kann - im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Schadensabrechnung und der Verjährung - die höheren Kosten einer nunmehr tatsächlich durchgeführten Reparatur des beschädigten Fahrzeugs verlangen, sofern sich nicht aufgrund der konkreten Umstände des Regulie- rungsgeschehens etwas Abweichendes ergibt (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 2006 - VI ZR 249/05, BGHZ 169, 263, 265 ff.). Für den vorliegenden Fall kann nichts anderes gelten. Eine Bindung an die ursprünglich gewählte Abrechnung auf der Grundlage der vom Sachverständigen geschätzten Kosten besteht grundsätzlich auch dann nicht, wenn der Geschädigte - wie hier - zunächst fiktiv auf Reparaturkostenbasis abrechnet, später jedoch zur konkreten Schadensabrechnung übergeht und nunmehr Ersatz der tatsächlich angefallenen Kosten verlangt (Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., 3. Kap., Rn. 38).

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

14
III. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten verneint.
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III. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten verneint.