vorgehend
Landgericht Hamburg, 415 O 137/04, 24.04.2006
Hanseatisches Oberlandesgericht, 6 U 114/06, 11.01.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 16/07 Verkündet am:
2. April 2009
Bürk
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. April 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 6. Zivilsenat, vom 11. Januar 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerinnen sind zu gleichen Teilen (25%) Transportversicherer der P. El. T. GmbH in H. (im Weiteren: Versenderin). Sie nehmen die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, wegen des Verlustes von Transportgut aus abgetretenem Recht der Warenempfängerin auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Die Versenderin veräußerte im September 2001 an die in Brüssel/ Belgien, Rue Victor Hugo 51 ansässige E. S. P. R. L. (im Weiteren: Empfängerin ) Festplatten und Speichermodule zum Gesamtpreis von 269.744,54 €. Mit der Beförderung des nach der Behauptung der Klägerinnen in 48 Paketen verpackten Gutes beauftragte die Versenderin die Beklagte. In den von der Versenderin im sogenannten EDI-Verfahren elektronisch hergestellten Frachtpapieren war in der Rubrik "Empfänger" folgende Eintragung enthalten: "Kontakt: A. E. à disposition Tel.: + Woluwenlan, 156, 1831 D Belgien". Unter der eingetragenen Anschrift hat eine Schwestergesellschaft der Beklagten (United Parcel Service Belgium N.V.) ihren Sitz, die dort ein Zustellcenter betreibt. Die Geschäftsadresse der Empfängerin wurde in den Frachtpapieren nicht genannt und war der Beklagten auch nicht bekanntgegeben worden.
3
Die Klägerinnen haben behauptet, die von der Beklagten am 14. September 2001 übernommenen 48 Pakete hätten die bestimmungsgemäße Empfängerin nicht erreicht. Es könne schon nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte das Gut bei ihrer Schwestergesellschaft in Diegem/Belgien abgeliefert habe. Sie, die Klägerinnen, hätten an die Insolvenzverwalterin der Empfängerin jeweils 69.055,81 € als Entschädigung für den Verlust der Ware gezahlt. Daraufhin habe die Insolvenzverwalterin die Ansprüche der Empfängerin gegen die Beklagte an die für die Klägerinnen als Vertreterin handelnde Assekuradeurin abgetreten.
4
Die Klägerinnen sind der Ansicht, die Beklagte könne sich nicht auf gesetzliche oder in ihren Beförderungsbedingungen vorgesehene Haftungsbeschränkungen berufen, da sie zu den näheren Umständen des Verlustes keinen Vortrag halten könne und selbst einräume, bei Standardsendungen keine Schnittstellenkontrollen vorzunehmen. Sie beanspruchen daher die Zahlung von jeweils 67.055,81 € (insgesamt 268.223,24 €) nebst Zinsen.
5
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, sie habe aus dem mit der Versenderin geschlossenen Beförderungsvertrag die Ablieferung der 48 für die Empfängerin bestimmten Pakete bei ihrer Schwestergesellschaft in Diegem/ Belgien geschuldet. Dort sei das Gut am 17. und 18. September 2001 vollständig angeliefert und später auch von der Empfängerin abgeholt worden. Jedenfalls müssten sich die Klägerinnen ein Mitverschulden der Versenderin wegen Unterlassens einer Wertdeklaration und eines Hinweises auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens zurechnen lassen.
6
Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an jede Klägerin 593,08 € nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung der Klägerinnen hat das Berufungsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben ; die Anschlussberufung der Beklagten hat es zurückgewiesen.
7
Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerinnen beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


8
I. Das Berufungsgericht hat eine unbeschränkte Haftung der Beklagten für den Verlust der streitgegenständlichen 48 Pakete aus Art. 17 Abs. 1, Art. 29 CMR angenommen. Dazu hat es ausgeführt:
9
Aufgrund der zutreffenden Tatsachenfeststellung des Landgerichts sei davon auszugehen, dass die Beklagte 47 der aus 48 Paketen bestehenden Sendung bei ihrem Schwesterunternehmen in Diegem angeliefert habe. Dieser Umstand stelle aber keine die Haftung ausschließende Ablieferung des Gutes dar. Der Hinweis in den Frachtpapieren, dass die Empfängerin telefonisch zu kontaktieren sei, habe sich allein an die Beklagte gerichtet. Damit habe die Versenderin deutlich gemacht, dass die bloße Anlieferung im Zustellcenter in Diegem noch keine Ablieferung des Gutes habe darstellen sollen. Die Ware habe dort vielmehr bis zu ihrer Abholung durch die Empfängerin gelagert werden sollen.
10
Eine tatsächliche Aushändigung des Gutes an die Empfängerin habe die insoweit beweisbelastete Beklagte nicht hinreichend dargetan. Sie habe mit ihrer Klageerwiderung lediglich "ins Blaue hinein" vorgetragen, dass die Empfängerin die streitgegenständlichen Pakete im Zustellcenter in Diegem abgeholt habe. Dem Beweisantritt der Beklagten "Zeugnis des Geschäftsführers der Empfängerin" habe daher nicht nachgegangen werden müssen.
11
Der von der Beklagten erhobene Mitverschuldenseinwand wegen Unterlassens einer Wertdeklaration greife nicht durch, da sich das in Rede stehende Unterlassen im Streitfall nicht schadensursächlich ausgewirkt habe.
12
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
13
1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Anlieferung von 47 der aus insgesamt 48 Paketen bestehenden Sendung bei der Schwestergesellschaft der Beklagten in Diegem/ Belgien habe keine haftungsbefreiende Ablieferung des Gutes an die bestimmungsgemäße Empfängerin gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR dargestellt.
14
a) Die bloße Ankunft des Gutes am Bestimmungsort führt nicht ohne weiteres zu einer Ablieferung i.S. von Art. 17 Abs. 1 CMR. Dafür ist vielmehr grundsätzlich erforderlich, dass der Frachtführer den Gewahrsam über das beförderte Gut aufgibt und den Empfänger mit dessen Willen und Einverständnis in die Lage versetzt, die tatsächliche Sachherrschaft über das Gut auszuüben (Koller, Transportrecht, 6. Aufl., Art. 17 CMR Rdn. 6; Thume/Thume, Kommentar zur CMR, 2. Aufl., Art. 17 Rdn. 21). Das Gut muss an den nach dem Frachtvertrag verfügungsberechtigten (Art. 12, 13 CMR) Empfänger - das war hier die in den elektronisch hergestellten Frachtpapieren benannte "A. E. S.P.R.L." - abgeliefert werden (BGH, Urt. v. 13.7.1979 - I ZR 108/77, VersR 1979, 1154; Urt. v. 13.7.2000 - I ZR 49/98, TranspR 2000, 409, 411 = VersR 2001, 261).
15
b) Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es ist im Wege einer tatrichterlichen Auslegung der zwischen der Versenderin und der Beklagten getroffenen Vereinbarungen zu der Annahme gelangt, dass die Beklagte ihre Ablieferungsverpflichtung aus dem mit der Versenderin geschlossenen Frachtvertrag nicht schon durch die Übergabe des Gutes an ihre belgische Schwestergesellschaft in Diegem erfüllt hat. Das Berufungsgericht hat maßgeblich darauf abgestellt, dass die Beklagte aufgrund des Hinweises in den Frachtpapieren, dass die Empfängerin telefonisch zu kontaktieren sei, verpflichtet war, die Empfängerin von der Ankunft des Gutes im Lager in Diegem in Kenntnis zu setzen. Dementsprechend konnte eine haftungsbefreiende Ablieferung der Ware frühestens mit einer Benachrichtigung der Empfängerin eintreten. Denn erst dadurch wurde diese in die Lage versetzt, von der Ankunft des Gutes in Belgien zu erfahren und es entgegenzunehmen. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass sie die Empfängerin von der Ankunft der Sendung im Lager ihrer Schwestergesellschaft in Diegem in Kenntnis gesetzt hat. Des Weiteren hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Beklagte aufgrund des Umstands , dass in den elektronisch hergestellten Frachtpapieren als Ablieferungsstelle die Anschrift ihrer belgischen Schwestergesellschaft angegeben war, nicht davon ausgehen konnte, die Empfängerin sei bereit gewesen, das von ihr nicht steuerbare Risiko eines Warenverlusts im Lager von UPS Belgien vor Benachrichtigung vom Wareneingang zu tragen. Die Absenderin habe - so das Berufungsgericht - mit dem Benachrichtigungshinweis in den Frachtpapieren deutlich gemacht, dass die bloße Anlieferung des Gutes in Diegem noch nicht zu einer haftungsbefreienden Ablieferung i.S. von Art. 17 Abs. 1 CMR führen würde, sondern dass die Ware dort bis zu ihrer Abholung habe gelagert werden sollen.
16
c) Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Die Revision macht demgegenüber vergeblich geltend, das Berufungsgericht habe bei seinen Feststellungen wesentlichen Vortrag der Beklagten unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG unberücksichtigt gelassen.
17
aa) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe bei seiner Auslegung der zwischen der Versenderin und der Beklagten getroffenen Vereinbarungen den Inhalt des Schreibens der Versenderin vom 1. Februar 2002 (Anl. K 9) an die Beklagte, in dem unter anderem darauf hingewiesen werde, dass die Ware im UPS-Center in Diegem zur Abholung durch den Kunden habe bereitgestellt werden sollen, außer Acht gelassen. Des Weiteren habe die Beklagte vorgetragen , es treffe nicht zu, dass die Telefonnummer der Empfängerin in den Frachtpapieren angegeben worden sei, um die Ablieferung abzusprechen. In den Frachtpapieren sei auch in der Rubrik "Versender" eine Telefonnummer (der Versenderin) genannt. Die Parteiangaben seien offensichtlich bei der Erstellung der im EDI-Verfahren elektronisch erzeugten Frachtpapiere automatisch um die jeweiligen Telefonnummern ergänzt worden, um der Beklagten nicht nur schriftliche, sondern auch telefonische Kommunikation zu ermöglichen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte (oder ihre belgische Schwestergesellschaft ) insoweit die Verpflichtung übernommen habe, die Empfängerin telefonisch über den Eingang des Gutes zu informieren, könnten der Angabe der Telefonnummer ersichtlich nicht entnommen werden. Die Beklagte habe zudem geltend gemacht, dass die Übernahme einer derartigen Nebenpflicht für sie zu keiner Zeit in Betracht gekommen wäre.
18
bb) Dieses Vorbringen verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Das Berufungsgericht hat sich insbesondere ausdrücklich mit dem Umstand auseinandergesetzt , dass in den elektronisch hergestellten Frachtpapieren die Anschrift des Zustellcenters von UPS Belgien als Ablieferungsadresse genannt ist. Ebenso hat sich das Berufungsgericht mit der Angabe der Telefonnummer in den Frachtpapieren befasst und ist dabei im Wege tatrichterlicher Würdigung zu seiner Annahme gelangt, dass die Versenderin mit dem Hinweis auf eine Kontaktaufnahme zur Empfängerin verdeutlicht habe, dass die Anlieferung des Gutes bei dem belgischen Schwesterunternehmen der Beklagten noch keine haftungsbefreiende Ablieferung darstellen sollte. Das Berufungsgericht hat maßgeblich darauf abgestellt, dass sich weder aus dem Vortrag der Beklagten noch aus den Umständen ihrer Beauftragung Anhaltspunkte für die Annahme ergeben , die Empfängerin sei bereit gewesen, das von ihr nicht beherrschbare Risiko eines Warenverlustes im Lager der Schwestergesellschaft der Beklagten in Belgien zu übernehmen. Die Revision zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht dabei entgegenstehenden Tatsachenvortrag der Beklagten unberücksichtigt gelassen hat. Es hat den von der Revision angeführten Umständen lediglich eine andere Bedeutung als die Revision beigemessen. Hierin liegt kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass dem Berufungsgericht bei seiner tatrichterlichen Würdigung der Sachverhaltsumstände Rechtsfehler unterlaufen sind.
19
Entgegen der Auffassung der Revision kann auch nicht angenommen werden, dass die Empfängerin (zumindest stillschweigend) mit der Ablieferung des Gutes im Zustellcenter in Diegem/Belgien einverstanden war. Die von der Revision angeführten Umstände reichen dafür nicht aus.
20
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber dagegen, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Beklagten, die Pakete seien von der rechtmäßigen Empfängerin bei ihrem Schwesterunternehmen in Diegem/Belgien abgeholt worden, mangels hinreichender Substantiierung bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt hat.
21
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe nicht hinreichend dargetan, dass die von ihr beförderten Pakete tatsächlich der Empfängerin ausgehändigt oder jedenfalls zur Übernahme angedient worden seien. Sie habe mit ihrer Klageerwiderung lediglich gänzlich unsubstantiiert vorgetragen, dass die Pakete "im folgenden durch die Empfängerin dort abgeholt worden seien; die Empfängerin habe die Pakete erhalten". Dieser Vortrag sei offenkundig "ins Blaue hinein" erfolgt, da er keinerlei Angaben enthalte, wann und zwischen welchen Personen die Übernahme stattgefunden habe. Die Beklagte habe auch keinerlei Empfangsbestätigungen vorgelegt. Bei dieser Sachlage stelle der Beweisantritt "Zeugnis des Geschäftsführers der Empfängerin" einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar, dem nicht nachzugehen sei. Hierauf sei die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 12. Oktober 2006 ausdrücklich hingewiesen worden.
22
b) Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, der in Rede stehende Beweisantritt der Beklagten habe nicht berücksichtigt werden müssen, ist rechtsfehlerhaft , weil sie die Beklagte in ihrem Verfahrensgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
23
aa) Die Vorschrift des Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht soll sicherstellen , dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in der unterlassenen Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichti- gung erheblicher Beweisanträge (vgl. BVerfGE 50, 32, 35; 60, 247, 249). Die Nichtberücksichtigung eines solchen Beweisangebots verstößt daher dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. BVerfGE 69, 141, 144; BVerfG, Kammerbeschl. v. 10.2.2009 - 1 BvR 1232/07, juris Tz. 21).
24
bb) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet. Die Nichterhebung des von der Beklagten angebotenen Zeugenbeweises durch das Berufungsgericht findet im Prozessrecht keine Stütze.
25
(1) Einem Beweisantritt braucht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings dann nicht nachgegangen zu werden, wenn die beweisbelastete Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufgestellt hat. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist jedoch große Zurückhaltung geboten. In der Regel wird sie nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte rechtfertigen können (BVerfG, Kammerbeschl. v. 10.2.2009 - 1 BvR 1232/07, juris Tz. 26; BGH, Urt. v. 25.4.1995 - VI ZR 178/94, NJW 1995, 2111, 2112). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts konnte der Beweisantritt der Beklagten aus diesem Grund nicht unbeachtet bleiben. Die Revision macht mit Recht geltend, dass das Berufungsgericht zu hohe Anforderungen an die Substantiierungslast der darlegungspflichtigen Beklagten gestellt hat.
26
Eine Partei genügt ihrer Darlegungslast, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Unerheblich ist dabei , wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder einer Schlussfolgerung aus Indizien beruht (BGH, Beschl. v. 9.2.2009 - II ZR 77/08, NJW 2009, 2137 Tz. 4 m.w.N.). Es ist dann Sache des Tatrich- ters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls Zeugen nach weiteren Einzelheiten zu befragen (BGH, Beschl. v. 21.5.2007 - II ZR 266/04, NJW-RR 2007, 1409 Tz. 8).
27
Diesen Anforderungen an die Substantiierungslast genügt das Vorbringen der Beklagten, die Empfängerin habe das Gut bei ihrer Schwestergesellschaft in Diegem abgeholt. Die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung dargelegt, aus welchen Gründen die Zustellinformationen nicht die Übergabe des Gutes an die Empfängerin, sondern die Ablieferung im UPS-Center in Diegem dokumentieren. Sie hat dazu vorgetragen, die unterlassene Dokumentation der Übergabe der Pakete an die Empfängerin sei auf die Vorgehensweise der Versenderin zurückzuführen. Diese habe es vorgezogen, die Anschrift des belgischen UPS-Centers als Lieferanschrift zu wählen. Dementsprechend sei die Zustellung dort vorgenommen und dokumentiert worden. Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass die Beklagte ihre Behauptung, die Empfängerin habe die Ware im UPS-Center in Diegem abgeholt, "offenkundig ins Blaue hinein" aufgestellt hat. Die Revision macht in diesem Zusammenhang auch mit Recht geltend, dass schon das Landgericht darauf hingewiesen hat, dass es unverständlich erscheint, dass erst Monate nach der erwarteten Lieferung ein Verlust reklamiert wurde, obwohl es sich um eine Sendung von ganz erheblichem Wert gehandelt und die Empfängerin Vorkasse geleistet hatte. Unter diesen Umständen durfte das Berufungsgericht den Beweisantritt der Beklagten nicht übergehen.
28
(2) Von der Erhebung zulässiger und rechtzeitig angetretener Beweise darf der Richter nur dann absehen, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder die Richtigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache bereits erwiesen ist. Bei der Zurückweisung eines Beweismittels als ungeeignet ist größte Zurückhaltung geboten. Es muss jede Möglichkeit ausgeschlossen sein, dass der übergangene Beweisantrag Sachdienliches ergeben könnte (BVerfG NJW 1993, 254, 255; BGH, Urt. v. 26.11.2003 - IV ZR 438/02, NJW 2004, 767, 769; Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., Vor § 284 Rdn. 10a). Das Berufungsgericht konnte nicht davon ausgehen, dass der Geschäftsführer der Empfängerin keinerlei sachdienliche Angaben zu der Frage machen kann, ob das Gut der Empfängerin übergeben worden ist.
29
III. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
30
Für das wiedereröffnete Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
31
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt ein Mitverschulden der Versenderin wegen Unterlassens eines Hinweises auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens in Betracht, das sich die Klägerinnen zurechnen lassen müssen. Die Gefahr eines besonders hohen Schadens ist nach der Rechtsprechung des Senats bei massenhafter Versendung von Paketen im Allgemeinen anzunehmen, wenn der Wert des einzelnen Pakets (vgl. BGH, Urt. v. 3.5.2007 - I ZR 98/05, TranspR 2007, 412, 414) 5.000 €, das heißt etwa den zehnfachen Betrag der Haftungshöchstgrenze gemäß Nr. 9.2 der Beförderungsbedingungen übersteigt, die die Beklagte ihren Beförderungsleistungen zugrunde legt (BGH, Urt. v. 15.12.2005 - I ZR 95/03, TranspR 2006, 210, 211; Urt. v. 3.5.2007 - I ZR 175/05, TranspR 2007, 414 Tz. 25). Ausweislich des Schreibens der Versenderin vom 1. Februar 2002 (Anl. K 9) befanden sich in drei Paketen Waren im Wert von 44.891,17 €, so dass von einem Warenwert in Höhe von 14.963,72 € pro Paket auszugehen ist. In zwei weiteren Paketen befanden sich Waren im Wert von 133.242,70 €, so dass von einem Warenwert in Höhe von 66.621,85 € pro Paket auszugehen ist.
32
Die Kausalität des Mitverschuldenseinwands nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB kann nur verneint werden, wenn der Frachtführer trotz eines Hinweises auf den ungewöhnlich hohen Wert des Gutes keine besonderen Maßnahmen ergriffen hätte (BGH, Urt. v. 1.12.2005 - I ZR 265/03, TranspR 2006, 208, 209; Urt. v. 11.9.2008 - I ZR 118/06, TranspR 2008, 362, 364). Trägt der Anspruchsteller hierzu nichts vor, ist im Regelfall davon auszugehen, dass der Frachtführer bei einem Hinweis auf den ungewöhnlich hohen Wert des Transportgutes entweder besondere Sicherungsmaßnahmen ergriffen oder den Transportauftrag abgelehnt hätte. Bei einem entsprechenden Sachvortrag des Anspruchstellers zur fehlenden Ursächlichkeit der unterlassenen Wertangabe obliegt es nach den allgemeinen Grundsätzen allerdings dem Frachtführer, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass der unterlassene Hinweis auf den ungewöhnlich hohen Wert des Gutes für den entstandenen Schaden zumindest mitursächlich war (BGH, Urt. v. 3.7.2008 - I ZR 205/06, TranspR 2008, 394 Tz. 20). Die Parteien haben im wiedereröffneten Berufungsverfahren Gelegenheit , hierzu ergänzend vorzutragen.
Bornkamm Pokrant Büscher
Bergmann Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 24.04.2006 - 415 O 137/04 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 11.01.2007 - 6 U 114/06 -

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wurde. Es ist dadurch aber nicht gehindert, neues, davon abweichendes Tatsachenvorbringen
der Parteien zu berücksichtigen und z u prüfen, da der
Rechtsstreit gemäß § 525 ZPO vor dem Berufungsgericht in den durch die Anträge
bestimmten Grenzen neu verhandelt wird.
CMR Art. 17 Abs. 2 und 5
Hält der Frachtführer, der im allgemeinen für eine ordnungsgemäße Ablieferung
des Gutes bei dem bestimmungsgemäßen Empfänger verantwortlich ist,
eine Mitwirkung des Versenders bei der Erfüllung seiner Verpflichtung durch
Vornahme bestimmter Sicherheitsmaßnahmen für erforderlich, so muß er dies
zum Gegenstand des Beförderungsvertrages machen. Die Nichtbefolgung eines
einseitigen Verlangens des Frachtführers begründet in der Regel weder
ein Verschulden des Versenders i.S. von Art. 17 Abs. 2 CMR noch eine Obliegenheitsverletzung
, die grundsätzlich zu einer Mithaftung nach Art. 17 Abs. 5
CMR führen kann.
BGH, Urt. v. 13. Juli 2000 - I ZR 49/98 - OLG Köln
LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Juli 2000 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann
und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Starck, Pokrant und Dr. Büscher

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 16. Januar 1998 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin, Transportversicherer der L. S. GmbH in Köln (im folgenden: Versicherungsnehmerin), nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht wegen des Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Versicherungsnehmerin verkaufte im August 1995 an die E. A. Trading Inc. eine Partie Schokoladenware zum Preis von 61.588,80 DM, welche die Käuferin an die Et. Ltd. (Empfängerin) in Moskau weiterveräußerte. Sie beauftragte die Beklagte zu festen Kosten mit der Beförderung der Ware von Saarwellingen nach Moskau. Die Beklagte übertrug die Durchführung des Transportes einem in Tallin/Estland ansässigen
Unternehmen, das seinerseits die Firma S. in Riga einschaltete; letztere betraute schließlich die M. MG in Riga mit der Transportdurchführung.
Der Fahrer der M. MG holte das Frachtgut am 10. August 1995 bei der Versicherungsnehmerin ab und brachte es am 16. August 1995 zu einem Zentrallager in Moskau, dessen Anschrift im Frachtbrief angegeben war. Von dort transportierte er das Gut am folgenden Tag auf Weisung eines Mannes, der sich ihm als "Nicolaj" und Vertreter der Empfängerin vorgestellt hatte, zu einer in einem anderen Stadtteil von Moskau gelegenen Entladestelle, wo "Nicolaj" die Ware auf einen anderen Lkw umladen ließ.
Die Klägerin hat behauptet, "Nicolaj" sei im Verhältnis zur rechtmäßigen Empfängerin nicht zur Entgegennahme der Ware berechtigt gewesen. Die Lieferung sei bei der Empfängerin niemals angekommen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 61.588,80 DM nebst Zinsen zu verurteilen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat hauptsächlich geltend gemacht, der Fahrer habe "Nicolaj" als berechtigten Vertreter der Empfängerin ansehen dürfen. Für ihn sei der Verlust des Gutes unvermeidbar gewesen, so daß eine Haftung nach Art. 17 Abs. 2 CMR entfalle.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Ihre Berufung ist erfolglos geblieben.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht eine Haftung der Beklagten gemäß Art. 17 Abs. 1 i.V. mit Art. 3 CMR angenommen. Die Voraussetzungen für einen Haftungsausschluß nach Art. 17 Abs. 2 CMR hat es verneint. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt:
Der Fahrer habe die Ware in Moskau unstreitig an "Nicolaj" abgeliefert. Die für die ordnungsgemäße Ablieferung des Gutes darlegungs- und beweispflichtige Beklagte habe nicht dargetan und unter Beweis gestellt, daß "Nicolaj" im Verhältnis zur rechtmäßigen Empfängerin zur Entgegennahme der Ware legitimiert gewesen sei. Demzufolge habe es sich bei der Übergabe der Ware an "Nicolaj" nicht um eine ordnungsgemäße Ablieferung i.S. von Art. 17 Abs. 1 CMR gehandelt; vielmehr liege ein Verlust des Gutes im Sinne der genannten Bestimmung vor.
Ein Haftungsausschluß nach Art. 17 Abs. 2 CMR, für dessen Voraussetzungen die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast trage, sei nicht gegeben. Ein Verschulden der Versicherungsnehmerin könne allenfalls angenommen werden, wenn der Vortrag der Beklagten zuträfe, sie habe die Versicherungsnehmerin "seit Jahren immer wieder dringend aufgefordert", bei Transporten der in Rede stehenden Art dem Empfänger vorab eine Frachtbriefkopie zu
übersenden und in den Frachtbrief die an den Frachtführer gerichtete Weisung aufzunehmen, daß das Frachtgut nur gegen Aushändigung der vorab übersandten Frachtbriefkopie seitens des Empfängers an diesen ausgeliefert werden dürfe. Für diese von der Klägerin bestrittene Behauptung habe die Beklagte jedoch keinen Beweis angetreten. Ein Haftungsausschluß wegen Unvermeidbarkeit des Verlustes, der nur angenommen werden könne, wenn auch ein besonders gewissenhafter Fahrer die Falschauslieferung bei Anwendung der äußersten ihm zumutbaren Sorgfalt nicht hätte vermeiden können, komme ebenfalls nicht in Betracht, da eine derartige Fallgestaltung nicht gegeben sei.
Schließlich sei die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten auch nicht gemäß Art. 17 Abs. 5 CMR durch ein schadensursächliches Mitverschulden der Verfügungsberechtigten ausgeschlossen oder gemindert.
II. Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Die Vorinstanzen sind ohne Rechtsverstoß und von der Revision unbeanstandet davon ausgegangen, daß die Beklagte zumindest als Fixkostenspediteurin i.S. des § 413 Abs. 1 HGB (in der bis zum 30.6.1998 gültigen Fassung ) anzusehen ist und als solche der Haftung nach der CMR unterliegt (vgl. BGH, Urt. v. 13.11.1997 - I ZR 157/95, TranspR 1998, 250 = VersR 1998, 872; Urt. v. 16.7.1998 - I ZR 44/96, TranspR 1999, 19, 20 f. = VersR 1999, 254; Herber/Piper, CMR, Art. 1 Rdn. 28 ff., m.w.N.).
Nach Art. 17 Abs. 1 i.V. mit Art. 3 CMR schuldet der Frachtführer grundsätzlich Schadensersatz u.a. für den während seiner Obhutszeit eingetretenen Verlust des Transportgutes. Der Frachtführer ist von dieser Haftung nach Art. 17 Abs. 2 CMR dann befreit, wenn der Schaden durch ein Verschulden des
Verfügungsberechtigten, durch eine nicht vom Frachtführer verschuldete Weisung des Verfügungsberechtigten oder durch Umstände verursacht worden ist, die sowohl für ihn selbst als auch für seine Gehilfen (Art. 3 CMR) unvermeidbar waren und deren Folgen keine dieser Personen abwenden konnte. Unvermeidbarkeit i.S. von Art. 17 Abs. 2 CMR ist nur anzunehmen, wenn der Frachtführer darlegt und gegebenenfalls beweist, daß der Schaden auch bei Anwendung der äußersten, dem Frachtführer möglichen und zumutbaren Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können (vgl. BGH, Urt. v. 8.10.1998 - I ZR 164/96, TranspR 1999, 59, 61 = VersR 1999, 469).
2. Das Berufungsgericht hat eine Haftung der Beklagten nach Art. 17 Abs. 1 CMR bejaht, weil sie nicht bewiesen habe, daß das von der Unterfrachtführerin (unstreitig) bei der Absenderin in Saarwellingen übernommene Gut bei der bestimmungsgemäßen Empfängerin in Moskau abgeliefert worden sei. Es hat angenommen, daß "Nicolaj", der den Fahrer - ebenfalls unstreitig - zur Ablieferung der Ware veranlaßt habe, im Verhältnis zur rechtmäßigen Empfängerin des Gutes nicht zur Entgegennahme der Lieferung berechtigt gewesen sei mit der Folge, daß eine ordnungsgemäße Ablieferung an die Empfängerin nicht stattgefunden habe. Stempel und Unterschrift in Feld 24 des streitgegenständlichen Frachtbriefes seien zum Nachweis der Ablieferung ungeeignet , weil in erster Instanz - wie das Landgericht ausdrücklich festgestellt habe - unstreitig gewesen sei, daß es sich dabei um Fälschungen handele. In ihrer Berufungsbegründung vom 29. August 1997 habe die Beklagte nicht dargetan und unter Beweis gestellt, daß "Nicolaj" im Verhältnis zu der Empfängerin zur Entgegennahme der Ware legitimiert gewesen sei. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
Die Revision rügt vorab, das Berufungsgericht habe verkannt, daß zunächst die Klägerin den Verlust des Gutes i.S. des Art. 17 Abs. 1 CMR darzulegen und zu beweisen habe. Mit dieser Rüge hat die Revision keinen Erfolg. Richtig ist allerdings, daß die Darlegungs- und Beweislast für den Verlust grundsätzlich beim Ersatzberechtigten liegt (vgl. Herber/Piper aaO Art. 17 Rdn. 167 m.w.N.). Dabei kann auch die Auslieferung an einen Nichtberechtigten den Verlust des Gutes begründen, sofern das Gut nicht alsbald zurückerlangt werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.1978 - I ZR 30/77, VersR 1979, 276, 277; Thume/Seltmann in: Thume, CMR-Kommentar, Art. 17 Rdn. 68). Berechtigter ist dabei regelmäßig der im Frachtbrief bestimmte Empfänger des Gutes (BGH, Urt. v. 13.7.1979 - I ZR 108/77, VersR 1979, 1154). Die Ablieferung an einen Dritten genügt nur dann, wenn dieser vom verfügungsberechtigten Empfänger bevollmächtigt oder ermächtigt war (vgl. Herber/Piper aaO Art. 17 Rdn. 29; Koller, Transportrecht, 4. Aufl., Art. 17 CMR Rdn. 6 f.; Thume/ Seltmann in: Thume aaO Art. 17 Rdn. 27).
Im Streitfall ist die Klägerin ihrer Darlegungs- und Beweislast durch den Hinweis auf den unstreitigen Umstand (vgl. BU 3 Abs. 1 und BU 5 Abs. 3) nachgekommen, daß das Gut nicht direkt bei der frachtbriefmäßigen Empfängerin abgeliefert, sondern einem Dritten übergeben worden ist, der sich dem Fahrer gegenüber als "Nicolaj" vorstellte. Mehr brauchte die Klägerin nicht vorzutragen. Es ist Sache des Frachtführers, die ordnungsgemäße Ablieferung des Gutes darzulegen und zu beweisen (vgl. OLG Düsseldorf TranspR 1996, 152, 153; OLG Hamburg TranspR 1996, 280, 282; Herber/Piper aaO Art. 17 Rdn. 168; Koller aaO Art. 17 CMR Rdn. 12; Thume/Seltmann in: Thume aaO Art. 18 Rdn. 18). Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.
Die Revision rügt ferner, das Berufungsgericht sei auch zu Unrecht davon ausgegangen, "Nicolaj" sei im Verhältnis zur rechtmäßigen Empfängerin des Gutes ein unberechtigter Dritter gewesen, an den der Fahrer die Ware nicht habe abliefern dürfen. Unzutreffend sei insbesondere die Annahme des Berufungsgerichts, in erster Instanz sei unstreitig gewesen, daß Stempel und Unterschrift in Feld 24 des in Rede stehenden Frachtbriefes gefälscht seien. Hiermit vermag die Revision nicht durchzudringen.
Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung u.a. ausgeführt : "Der Verlust der Ware ist unstreitig; Stempel und Unterschrift auf Feld 24 des Frachtbriefs sind unstreitig gefälscht; eine Ablieferung der Ware beim Empfänger ist nicht erfolgt". Bei diesen Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts handelt es sich ungeachtet dessen, daß sie sich in den Entscheidungsgründen befinden, um Tatbestandsangaben, deren Unrichtigkeit grundsätzlich nur im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO geltend gemacht werden kann (vgl. BGH, Urt. v. 29.4.1993 - IX ZR 215/92, NJW 1993, 1851, 1852; Urt. v. 7.12.1993 - VI ZR 74/93, NJW 1994, 517, 519), das im Streitfall jedoch nicht durchgeführt worden ist. Wird im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils ein Tatsachenvortrag der Parteien als unstreitig bezeichnet, so hat das Berufungsgericht davon auszugehen, daß das entsprechende Vorbringen in erster Instanz nicht bestritten wurde. Es ist dadurch aber nicht gehindert, neues, davon abweichendes Tatsachenvorbringen der Parteien zu berücksichtigen und zu prüfen; denn vor dem Berufungsgericht wird der Rechtsstreit gemäß § 525 ZPO in den durch die Anträge bestimmten Grenzen neu verhandelt (vgl. Musielak , ZPO, § 314 Rdn. 4). Dies hat das Berufungsgericht nicht verkannt, da es sich mit dem zweitinstanzlichen Vortrag der Beklagten zur Empfangsberechtigung des "Nicolaj" befaßt hat, wie seine Ausführungen (BU 5 f.) belegen.
Die Revision wendet sich auch ohne Erfolg gegen die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe in der Berufungsinstanz nicht dargetan und unter Beweis gestellt, daß "Nicolaj" im Verhältnis zur rechtmäßigen Empfängerin zur Entgegennahme der Ware legitimiert gewesen sei. Sie macht geltend, die Beklagte habe sich mit dem (zusammenfassenden) Hinweis in ihrer Berufungsbegründung begnügen dürfen, es stehe noch nicht einmal fest, daß der Transport den EmpfängerEt. tatsächlich nicht erreicht habe, weil sie mit der Vorlegung der Empfangsquittung (gemeint ist der CMR-Frachtbrief, der in Feld 24 eine Empfangsbestätigung enthält) einen Urkundenbeweis gemäß § 416 ZPO für die richtige Ablieferung der Ware geführt habe. Dieser Beurteilung ist ebenfalls nicht beizutreten.
Die Revision geht im rechtlichen Ansatz zwar zutreffend davon aus, daß eine Privaturkunde vollen Beweis dafür erbringt, daß die darin enthaltene Erklärung von dem Aussteller abgegeben worden ist. Sie berücksichtigt bei ihrer Betrachtung jedoch nicht die Vorschrift des § 440 Abs. 1 ZPO. Danach ist die Echtheit der Urkunde von dem Beweisführer zu beweisen, wenn hierüber Streit besteht. Nachdem die Klägerin bestritten hatte (§ 439 Abs. 2 ZPO), daß die Unterschrift in Feld 24 des streitgegenständlichen Frachtbriefes von dem EmpfängerEt. bzw. einem Bevollmächtigten des Empfängers stammt, war die Echtheit der Urkunde von der Beklagten zu beweisen, die für die ordnungsgemäße Ablieferung des Gutes beweisbelastet ist und sich zum Beweis hierfür gerade auf die Eintragungen im Frachtbrief berufen hatte (vgl. BGH, Urt. v. 22.3.1995 - VIII ZR 191/93, NJW 1995, 1683). Das hat das Berufungsgericht ebenfalls nicht verkannt. Entscheidungserheblich ist nicht, ob die Unterschriftsfälschung , sondern umgekehrt, ob die Echtheit der Urkunde festgestellt werden kann. Da für die Echtheit der Unterschrift keine gesetzliche Vermutung existiert, ist insoweit der Vollbeweis erforderlich. Die Beklagte hat indes für die
von ihr behauptete Echtheit der Unterschrift keinen Beweis angetreten. Die Beweiskraft einer Privaturkunde (§ 416 ZPO) erfordert aber gerade die Echtheit der Unterschrift (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 21. Aufl., § 414 Rdn. 1). Da die Beklagte diesen Beweis nicht erbracht hat, kann sie die von ihr behauptete Ablieferung der Ware an den berechtigten Empfänger nicht allein durch Vorlage des CMR-Frachtbriefes beweisen, da dessen widerlegbare Beweiswirkung sich nach Art. 9 Abs. 1 CMR grundsätzlich nur auf Abschluß und Inhalt des Beförderungsvertrages sowie die Übernahme des Gutes durch den Frachtführer, nicht aber auf die ordnungsgemäße Ablieferung erstreckt. Das Berufungsgericht hat die Darlegungs- und Beweislast daher nicht zu Ungunsten der Beklagten verkannt.
3. Die Revision wendet sich im Ergebnis auch ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, es könne nicht festgestellt werden, daß die Haftung der Beklagten gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR ausgeschlossen sei.

a) Das Berufungsgericht hat erwogen, ob die Haftung der Beklagten nach Art. 17 Abs. 2 CMR wegen eines Verschuldens der Versicherungsnehmerin am Verlust des Gutes ausgeschlossen sein könnte. Es hat einen Haftungsausschluß für möglich gehalten, wenn der Vortrag der Beklagten zuträfe, sie habe die Versicherungsnehmerin "seit Jahren immer wieder dringend aufgefordert" , bei Transporten der in Rede stehenden Art dem Empfänger vorab eine Frachtbriefkopie zu übersenden und in den Frachtbrief die an den Frachtführer gerichtete Weisung aufzunehmen, daß das Frachtgut nur gegen Aushändigung der vorab übersandten Frachtbriefkopie seitens des Empfängers an diesen ausgeliefert werden dürfe. Das Berufungsgericht hat diese von der Klägerin bestrittene Behauptung der Beklagten unberücksichtigt gelassen, weil sie hierfür keinen Beweis angetreten habe.

Die Revision macht zwar mit Recht geltend, daß die Beklagte für die in Rede stehende Behauptung bereits in der Klageerwiderung durch Zeugnis ihres Mitarbeiters K. Beweis angetreten und daß sie diesen Beweisantritt in der Berufungsinstanz auch wiederholt hat. Das verhilft ihr jedoch nicht zum Erfolg, weil das vom Berufungsgericht nicht berücksichtigte Vorbringen der Beklagten die Annahme eines Verschuldens der Versicherungsnehmerin i.S. von Art. 17 Abs. 2 CMR oder auch einer Mithaftung nach Art. 17 Abs. 5 CMR nicht rechtfertigt.
Der Frachtführer hat im allgemeinen dafür zu sorgen, daß das Gut sicher bei dem bestimmungsgemäßen Empfänger ankommt und dort ordnungsgemäß abgeliefert wird. Welche Sicherheitsvorkehrungen er zur Erfüllung seiner Verpflichtung ergreift, ist ihm überlassen. Hält der Frachtführer die Mitwirkung des Absenders in einer bestimmten Art und Weise für erforderlich, muß er dies mit ihm grundsätzlich vertraglich vereinbaren. Denn die Vorschriften der CMR enthalten keine Verpflichtung des verfügungsberechtigten Absenders, einem einseitigen Verlangen des Frachtführers nach bestimmten Sicherheitsmaßnahmen nachzukommen. Demzufolge begründet die Nichtbefolgung eines einseitigen Verlangens des Frachtführers weder ein Verschulden des Versenders i.S. von Art. 17 Abs. 2 CMR noch eine Obliegenheitsverletzung, die grundsätzlich zu einer Mithaftung nach Art. 17 Abs. 5 CMR führen kann. Lehnt der Versender es ab, von ihm verlangte Sicherheitsvorkehrungen zu ergreifen, hat der Frachtführer die Möglichkeit, den Abschluß eines Beförderungsvertrages durch Nichtannahme des Auftrages des Versenders zu verhindern.
Im Streitfall ist nichts dafür ersichtlich, daß das in Rede stehende Verlangen der Beklagten zum Inhalt des mit der Versicherungsnehmerin abge-
schlossenen Beförderungsvertrages gemacht worden ist. Die Annahme eines Verschuldens oder einer Obliegenheitsverletzung der Versicherungsnehmerin kommt daher nicht in Betracht, zumal der Beklagten nach ihrem eigenen Vortrag aufgrund des vorangegangenen Verhaltens der Versicherungsnehmerin vor Abschluß des streitgegenständlichen Beförderungsvertrages bekannt sein mußte, daß ihr Verlangen voraussichtlich nicht befolgt werden würde.

b) Das Berufungsgericht hat weiterhin angenommen, die Beklagte habe den ihr obliegenden Beweis nicht erbracht, daß auch ein besonders gewissenhafter Fahrer bei Anwendung der äußersten ihm zumutbaren Sorgfalt die Falschablieferung nicht hätte vermeiden können. Die Revision stellt in diesem Zusammenhang lediglich zur Überprüfung, ob die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht der Lebenserfahrung widerspreche. Das ist jedoch zu verneinen, da das Berufungsgericht seine Annahme zumindest nachvollziehbar und vertretbar begründet hat.

c) Ohne Erfolg bleibt schließlich auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten sei nicht durch ein schadensursächliches Mitverschulden der Verfügungsberechtigten (Art. 17 Abs. 5 CMR) ausgeschlossen oder gemindert.
Der Einwand, die Empfängerin der Ware habe es unterlassen, rechtzeitig die Miliz einzuschalten, ist nicht geeignet, eine Mithaftung i.S. von Art. 17 Abs. 5 CMR zu begründen, weil es keinen Erfahrungssatz gibt, daß die sofortige Anzeige des Abhandenkommens der Sendung bei der Miliz zur Sicherstellung des Frachtgutes geführt hätte. Die Beweislast für den Mithaftungseinwand nach Art. 17 Abs. 5 CMR liegt beim Frachtführer (vgl. Thume in: Thume, CMR, Art. 18 Rdn. 89 ff.). Daher geht die Unaufklärbarkeit des Umstandes, ob eine
sofortige Anzeige bei der Miliz zur Sicherstellung des Frachtguts geführt hätte, entgegen der Auffassung der Revision zu Lasten der Beklagten.
III. Danach war die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Erdmann v. Ungern-Sternberg Starck
Pokrant Büscher

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 77/08
vom
9. Februar 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Lässt die Begründung der angefochtenen Entscheidung nur den Schluss zu, dass die
Entscheidung des Gerichts auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, nicht aber den
Sinn des Parteivortrags erfassenden Wahrnehmung beruht, liegt darin ein Verstoß
des Gerichts gegen den Anspruch der betroffenen Partei auf Gewährung rechtlichen
Gehörs.
BGH, Beschluss vom 9. Februar 2009 - II ZR 77/08 - OLG Jena
LG Erfurt
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 9. Februar 2009 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Kraemer, Caliebe und Dr. Drescher

beschlossen:
Auf die Beschwerde der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 20. Februar 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an den 6. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen. Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 177.100,00 €

Gründe:

1
I. Die Beschwerde ist begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht , wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht hat. Das Berufungsgericht hat bei seiner Annahme, die Klägerin könne von den Beklagten aus der Verletzung gesellschafterlicher Treuepflichten (Beklagte zu 2 und 3) bzw. aus § 826 BGB (Beklagter zu 1) keinen Schadensersatz verlangen, den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
2
1. a) Das Berufungsgericht hat es zwar nicht für ausgeschlossen gehalten , dass die ARGE B. /K. (nachfolgend: ARGE) die Abnahme des im Rahmen der Liefergemeinschaft (= BGB-Gesellschaft zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 2 und 3) auf die Klägerin entfallenden Anteils des zu liefernden Frostschutzkieses zu Unrecht abgelehnt hat. Dies ist daher zugunsten der Klägerin im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren als richtig zu unterstellen. Das Berufungsgericht hat gleichwohl das klageabweisende Urteil bestätigt, weil es sich aufgrund des Sachvortrags der Parteien und der von diesen vorgelegten Unterlagen nicht davon zu überzeugen vermochte (§ 286 ZPO), dass die Abnahmeverweigerung der ARGE auf einem kollusiven Zusammenwirken zwischen ihr und den Beklagten beruht hat, das das Ziel hatte, die Klägerin zugunsten der übrigen Gesellschafter der Liefergemeinschaft von den Belieferungs - und den damit verbundenen Verdienstmöglichkeiten auszuschließen.
3
b) Bei seiner Bewertung des Sachvortrags hat das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin nur unvollständig zur Kenntnis genommen und damit ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Die Klägerin hat vorgetragen und durch die Benennung von Zeugen unter Beweis gestellt, dass den - zwischen den Parteien unstreitigen - nächtlichen Schottertransporten aus dem Werk der K. GmbH & Co. KG (= Gesellschafterin der ARGE) an das Werk der Beklagten zu 3 die mit dem Geschäftsführer und Oberbauleiter der ARGE und zugleich leitenden Mitarbeiter der K. GmbH & Co. KG H. getroffene Vereinbarung zugrunde lag, dass diese Lieferungen im Gegenzug "zur Abwehr der Lieferungen der Klägerin" erfolgen sollten und dementsprechend erfolgt seien. Das Berufungsgericht hat diesen Vortrag zwar im Tatbestand kurz erwähnt, er ist ausweislich der Begründung jedoch nicht in die Entscheidungsfindung eingeflossen. Dies lässt nur den Schluss zu, dass das Berufungsgericht seiner Entscheidung allenfalls den äußeren Wortlaut, nicht aber den Sinn dieses Vortrags der Klägerin zugrunde gelegt hat. Anders ist nicht erklärlich, dass ein derart wichtiges, für ein kollusives Verhalten sprechendes Indiz unerwähnt geblieben ist.
4
c) Durch die Verkennung des Kerngehalts des Vortrags der Klägerin hat das Berufungsgericht gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen (Sen.Beschl. v. 20. Oktober 2008 - II ZR 207/07, ZIP 2008, 2311 Tz. 4). Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegner ist dieser Vortrag nicht wegen mangelnder Substantiierung unbeachtlich. Zur Substantiierung der Behauptung, die Beklagten hätten mit dem Geschäftsführer der ARGE zu Lasten der Klägerin ein Kompensationsgeschäft mit dem Ziel der Herausdrängung der Klägerin aus der Liefergemeinschaft geschlossen, gehört entgegen der Ansicht der Beschwerdegegner nicht der Vortrag, "wer, wann, wo, mit wem" diese Vereinbarung getroffen hat. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung genügt eine Partei ihrer Darlegungslast , wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen, wobei unerheblich ist, wie wahrscheinlich die Darstellung ist, und ob sie auf eigenem Wissen oder einer Schlussfolgerung aus Indizien besteht. Der Pflicht zur Substantiierung ist mithin nur dann nicht genügt, wenn das Gericht aufgrund der Darstellung nicht beurteilen kann, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolgen erfüllt sind (Sen.Urt. v. 27. Juli 2005 - II ZR 199/03, WM 2005, 1847, 1848 m.w.Nachw.; Beschl. v. 21. Mai 2007 - II ZR 266/04, ZIP 2007, 1524 Tz. 8). Da die Klägerin bei derartigen Absprachen selbstverständlich nicht anwesend war, genügt sie ihrer Darlegungslast, wenn sie die Tatsache einer Absprache in das Wissen von Zeugen stellt, die an dem Gesamtvorgang beteiligt waren.
5
2. a) Das Übergehen des Vortrags der Klägerin ist entscheidungserheblich. Eine Absprache, wie die von der Klägerin behauptete, ist, wenn es um den Nachweis eines kollusiven Zusammenwirkens geht, an dem der Benachteiligte naturgemäß selbst nicht beteiligt ist und hinsichtlich dessen er daher nur Umstände und Anzeichen aufzeigen kann, die ein solches Vorgehen belegen, eine wichtige, besonders aussagekräftige Indiztatsache. Wäre die Absprache im Berufungsverfahren bewiesen worden, ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht die übrigen von der Klägerin vorgetragenen und durch Unterlagen belegten Indiztatsachen, anders, d.h. zugunsten der Klägerin, bewertet hätte (§ 286 ZPO).
6
b) Gegen die Entscheidungserheblichkeit der Gehörsverletzung wenden sich die Beschwerdegegner vergeblich mit ihrer Ansicht, die Klägerin könne mangels Vortrags zur Auseinandersetzung der Liefergemeinschaft den Schadensersatzanspruch ohnehin nicht mit Erfolg geltend machen (sog. Durchsetzungssperre ). Zudem sei der Anspruch der Höhe nach nicht schlüssig dargetan und die Klage auch deshalb abzuweisen gewesen. Dabei verkennen die Beschwerdegegner , dass das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keinen Anlass hatte, Feststellungen zur Auflösung der BGBGesellschaft , zu einem evtl. trotz noch nicht beendeter Auseinandersetzung bestehenden, isoliert durchsetzbaren Anspruch der Klägerin (siehe insoweit Sen.Urt. v. 10. Mai 1993 - II ZR 111/92, ZIP 1993, 919, 920; v. 24. Oktober 1994 - II ZR 231/93, ZIP 1994, 1846; v. 15. Mai 2000 - II ZR 6/99, ZIP 2000, 1208, 1209) und zur Schadenshöhe zu treffen. Es ist nicht ausgeschlossen , dass das Berufungsgericht, wenn es die Beweisaufnahme durchgeführt hätte, bei der anschließenden Bewertung der weiteren Indizien zu der Überzeugung eines kollusiven Vorgehens der Beklagten zu Lasten der Klägerin gelangt wäre, und es sich - evtl. auf nach Hinweis (§ 139 ZPO) erfolgtem ergänzenden Vortrag der Parteien - von dem Bestehen eines durchsetzbaren Schadensersatzanspruchs in der von der Klägerin geltend gemachten Höhe überzeugt hätte.
7
III. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht nach Erhebung der angetretenen Beweise das Vorhandensein eines kollusiven Vorgehens der Beklagten zu Lasten der Klägerin erneut unter Einbeziehung des gesamten Sachvortrags und aller in den Akten befindlichen Unterlagen zu würdigen und, soweit danach erforderlich, die Durchsetzbarkeit und die Höhe der Schadensersatzforderung zu prüfen haben. Nur vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass für den Fall, dass die Liefergemeinschaft noch nicht auseinandergesetzt sein sollte, eine Umdeutung des Leistungsantrags der Klägerin in einen Feststellungsantrag in Betracht kommt (st. Sen.Rspr., s. nur Urt. v. 18. März 2002 - II ZR 103/01, NZG 2002, 519; v. 15. Mai 2000 - II ZR 6/99, ZIP 2000, 1208, 1210 jeweils m.w.Nachw.).
Goette Kurzwelly Kraemer Caliebe Drescher
Vorinstanzen:
LG Erfurt, Entscheidung vom 14.05.2006 - 8 O 13/06 -
OLG Jena, Entscheidung vom 20.02.2008 - 7 U 486/07 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
II ZR 266/04
vom
21. Mai 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, wenn der Tatrichter
sich der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Anforderungen
an die Substantiierung des Klägervortrags verschließt.

b) Streiten die Parteien eines aktienrechtlichen Anfechtungsrechtsstreits unter
Vorlage einander in wesentlichen Punkten widersprechender Privatgutachten
über komplexe fachspezifische Fragen der Unternehmensbewertung, so
darf der Tatrichter, wenn er - wie im Regelfall - über keine eigene Sachkunde
verfügt bzw. eine solche nicht dargelegt hat, nicht ohne Einholung eines
gerichtlichen Sachverständigengutachtens dem Vortrag einer Partei zu Lasten
der anderen den Vorzug geben.

c) Ist bei einer Verschmelzung mit Kapitalerhöhung (hier: § 69 UmwG) durch
deren Eintragung in das Register aufgrund einer Freigabeentscheidung gemäß
§ 16 Abs. 3 UmwG nicht nur die Verschmelzung selbst, sondern auch
der notwendige "Annex" der Kapitalerhöhung unumkehrbar wirksam geworden
, so ist die Weiterführung der Anfechtungsklage des Hauptprozesses im
Hinblick auf die in § 16 Abs. 3 Satz 6 UmwG normierte Schadensersatzpflicht
auch in Bezug auf den "Annexbeschluss" zur Kapitalerhöhung zulässig.

d) Zur Wahrung der schriftlichen Form des Verschmelzungsberichts gemäß § 8
Abs. 1 UmwG bei dessen Unterzeichnung durch Organmitglieder (nur) in
vertretungsberechtigter Zahl und zur Relevanz eines etwaigen diesbezüglichen
Formmangels.
BGH, Beschluss vom 21. Mai 2007 - II ZR 266/04 - Kammergericht
LG Berlin
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 21. Mai 2007 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly,
Kraemer, Dr. Strohn und Dr. Reichart

beschlossen:
I. Auf die Nichtzulassungsbeschwerden der Klägerinnen zu 1 und 4 wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 25. Oktober 2004 im Kostenpunkt - jedoch mit Ausnahme der Entscheidung über die Nebeninterventionskosten - und insoweit aufgehoben, als deren Anfechtungsklagen gegen die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 6. Februar 2003 zu TOP 1 (Zustimmung zum Abschluss eines Verschmelzungsvertrages) und zu TOP 2 (Kapitalerhöhung im Rahmen der Verschmelzung) abgewiesen worden sind. II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zu 5 wird zurückgewiesen. III. Der Kläger zu 5 trägt die im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren angefallenen Gerichtsgebühren und seine darin entstandenen eigenen notwendigen Auslagen. Ferner hat er 1/3 der gerichtlichen Auslagen und der außergerichtlichen Kosten der Beklagten im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zu tragen. IV. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die weitergehenden, nicht durch die vorstehende Kostenentscheidung (III) erfassten Kos- ten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an den 4. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen. V. Gegenstandswert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens: 110.000,00 € (Fortgesetzte Anfechtungsklagen der Kläger zu 1, 4 und 5 gem. § 16 Abs. 3 Satz 6 UmwG gegen die Zustimmung zur Verschmelzung: 100.000,00 €; fortgesetzte Anfechtungsklagen der Klägerinnen zu 1 und 4 gegen den Kapitalerhöhungsbeschluss : 10.000,00 €)

Gründe:

1
I. Die am Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beteiligten Kläger zu 1, 4 und 5 sind Minderheitsaktionäre der beklagten börsennotierten V. AG, die im Jahre 2002 durch Zusammenführung der H. AG und der VE. AG B. entstanden ist. Mehrheitsaktionärin ist - über mehrere Beteiligungsgesellschaften - mit ca. 96,8 % der Aktien die - im Alleinbesitz des Königreichs Schweden stehende - V. AB mit Sitz in Schweden.
2
Die Beklagte und die B. Aktiengesellschaft (nachfolgend: B. ), an der die Beklagte zu 89,52 % beteiligt war, beabsichtigten eine Verschmelzung beider Unternehmen unter Übertragung des Vermögens der B. auf die Beklagte gegen Gewährung von Aktien an die Aktionäre der B. - mit Ausnahme der Beklagten selbst - zu einem Umtauschverhältnis von einer B. -Aktie zu 0,5976 Aktien der Beklagten; dabei sollte zur Durchführung der Verschmelzung das Grundkapital der Beklagten gemäß § 69 UmwG erhöht werden. Die außerordentliche Hauptversammlung der Beklagten vom 6. Februar 2003 stimmte mit 99,96 % der abgegebenen Stimmen und des vertretenen Grundkapitals dem Abschluss des Verschmelzungsvertrages (TOP 1) sowie der Kapitalerhöhung um 18 Mio. € im Zuge der Verschmelzung (TOP 2) zu. Die Kläger, die gegen die Beschlüsse stimmten und Widerspruch zur Niederschrift erklärten, haben sämtlich Anfechtungsklage gegen den Verschmelzungsbeschluss , die Klägerinnen zu 1 und 4 außerdem auch gegen den Kapitalerhöhungsbeschluss erhoben; die Klägerin zu 1 hat ferner Feststellungsanträge gestellt.
3
Das Landgericht hat den Anfechtungsklagen stattgegeben, die Feststellungsklage der Klägerin zu 1 hingegen abgewiesen. Das Kammergericht hat auf die Berufung der Beklagten - während des zweitinstanzlichen Verfahrens sind die angefochtenen Beschlüsse auf Grund einer Freigabeentscheidung (§ 16 Abs. 3 UmwG) in das Handelsregister eingetragen worden - die Klage insgesamt abgewiesen. Dagegen wenden sich die Klägerinnen zu 1 und 4 sowie der Kläger zu 5 mit ihren Nichtzulassungsbeschwerden.
4
II. Die Nichtzulassungsbeschwerden der Klägerinnen zu 1 und 4 sind sowohl hinsichtlich ihrer Klagen gegen die Verschmelzung (A) als auch bezüglich ihrer Anfechtung des Kapitalerhöhungsbeschlusses (B) begründet und führen gemäß §§ 544 Abs. 7, 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts. Demgegenüber hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zu 5 keinen Erfolg (C).
5
A. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerinnen zu 1 und 4 auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) hinsichtlich ihrer Anfechtungsklagen gegen die Zustimmung zur Verschmelzung (TOP 1) in entscheidungserhebli- cher Weise verletzt. Es hat umfangreichen, dezidierten und unter Sachverständigenbeweis gestellten Vortrag der Klägerinnen zu 1 und 4 zu dem - von ihnen als Aktionären des übernehmenden Rechtsträgers in zulässiger Weise erhobenen (vgl. arg. e contrario § 14 Abs. 2 UmwG; vgl. BGHZ 112, 9, 19 - zu § 352 c AktG a.F.) - Kernvorwurf, dem Verschmelzungsbeschluss liege infolge schwerwiegender Bewertungsmängel eine deutliche Unterbewertung des Unternehmens der Beklagten und damit ein für deren Aktionäre nachteiliges, fehlerhaftes Umtauschverhältnis zugrunde, verfahrensfehlerhaft als unsubstantiiert abqualifiziert bzw. - ohne nähere Begründung und insbesondere ohne Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens - als durch den gegenteiligen Parteivortrag der Beklagten widerlegt angesehen. Diese sich auf die Verwendung von Leerformeln beschränkende, nur scheinbar das Parteivorbringen würdigende Verfahrensweise stellt sich als Weigerung des Berufungsgerichts dar, in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise den Parteivortrag zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihm inhaltlich auseinanderzusetzen; sie ist deswegen nicht anders zu behandeln als ein kommentarloses Übergehen des Klägervortrags.
6
1. Die Klägerin zu 1 hat unter Berufung auf ein von ihr vorgelegtes Privatgutachten des Prof. Dr. K. - Inhaber des Lehrstuhls für Finanzmanagement und Kapitalmärkte der TU M. - vom 10. Juni 2003 und dessen Ergänzungsgutachten vom 30. August 2004 u.a. behauptet, die Finanzierungsprämissen bei der Unternehmensbewertung der Beklagten führten zu einer deutlichen Unterbewertung dieser Gesellschaft von mindestens 16 %; dabei sei insbesondere die Annahme des Bewertungsgutachtens der BDO unvertretbar, die Finanzierungskosten für den Erwerb der B. -Beteiligung seien auf Dauer nicht steuerlich absetzbar, obwohl dieser zur Reduzierung des Unternehmenswerts führende Nachteil durch eine - unternehmerisch gebotene - Eigenkapitalzuführung sofort beseitigt werden könne. Ferner sei der zur Berechnung des Zinsaufwandes angesetzte langfristige Basiszinssatz von 5,5 % p.a. - schon angesichts der geringeren Rendite einer Anleihe der Konzernmutter V. AB von lediglich 4,43 % zum Bewertungsstichtag - erheblich überhöht; hinzu kämen Ungereimtheiten bei der Anwendung des sog. Stand-alone-Prinzips, das zudem im Rahmen der durchgeführten Unternehmensbewertung nicht konsequent durchgehalten worden sei. Schließlich berücksichtige die von der Beklagten vorgelegte Bewertung zu Unrecht nicht, dass sich der Gesamtenergiemarkt von einem Verteilermarkt in einen Erzeugermarkt wandeln werde und angesichts einer kontinuierlichen Nachfragesteigerung mit einer nicht unerheblichen Preissteigerung gegen Ende dieses Jahrzehnts zu rechnen sei. Ferner hat die Klägerin zu 1 auch zu den gegenteiligen Ausführungen der Beklagten in einer detaillierten, zwei Seiten umfassenden Aufstellung der einzelnen Streitpunkte im Schriftsatz v. 27. Februar 2004 nochmals Stellung genommen.
7
a) Dazu hat das Berufungsgericht lediglich ausgeführt: Die Beklagte habe in der Berufungsbegründung nachvollziehbar dargelegt, dass die von der Klägerin zu 1 erhobenen Rügen unbegründet seien. Mit diesem Vorbringen setze sich die Klägerin zu 1 ganz überwiegend nicht einmal ansatzweise auseinander , was vorliegend zu ihren Lasten zu gehen habe. Ergänzend sei anzumerken , dass es Sache der Klägerin zu 1 sei, etwaige Fehler bei der Ermittlung des Umtauschverhältnisses substantiiert darzulegen und sich zu den gegnerischen Einwänden gegen das von ihr vorgelegte Privatgutachten zu äußern. Diesen Anforderungen genüge ihr Vortrag nicht.
8
b) Damit hat sich das Berufungsgericht der Erkenntnis verschlossen, dass nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Partei ihrer Darlegungslast genügt, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in ihrer Person entstanden erscheinen zu lassen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, so kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden (vgl. nur: Sen.Urt. v. 25. Juli 2005 - II ZR 199/03, ZIP 2005, 1738, 1740 m.w.Nachw.). Es ist vielmehr Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten, dabei ggf. Zeugen nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder - sofern es, wie hier bei der Unternehmensbewertung, auf spezifische Fachkunde ankommt - einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten.
9
c) Diesen Anforderungen an die Substantiierungslast genügte das Vorbringen der Klägerin zu 1 - zumal es sogar, ohne eine dahingehende prozessuale Verpflichtung, durch ein Privatgutachten nebst Ergänzung untermauert war - angesichts der Komplexität der Bewertungsvorgänge zweifelsfrei (vgl. nur BGH, Urt. v. 19. Februar 2003 - IV ZR 321/02, NJW 2003, 1400), so dass das Berufungsgericht , wenn es den Parteivortrag inhaltlich zur Kenntnis genommen hätte , spätestens nach Vorliegen der klägerischen Replik auf die Klageerwiderung in die beantragte Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte eintreten müssen. Hatten hier beide Parteien zu den fachspezifischen Fragen des Unternehmensbewertungsrechts jeweils Privatgutachten kompetenter Sachverständiger vorgelegt, die einander in wesentlichen Punkten widersprachen, so durfte das Berufungsgericht - das über keine eigene Sachkunde verfügte bzw. eine solche nicht dargelegt hat - nicht ohne Erhebung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens dem einen Privatgutachten zu Lasten des anderen den Vorzug geben (BGH, Urt. v. 11. Mai 1993 - VI ZR 243/92, NJW 1993, 2382). Vollends unzulänglich war hier die pauschale Begründung, mit der sich das Berufungsgericht einfach das Beklagtenvorbringen nur leerformelhaft zu Eigen gemacht hat, ohne auch nur im Ansatz die zumindest gebotene ausgewogene Auseinandersetzung mit dem schlüssigen Klägervortrag erkennen zu lassen.
10
2. Entsprechendes gilt auch für das Vorbringen der Klägerin zu 4.
11
a) Diese hat schwerpunktmäßig behauptet, das Stand-alone-Prinzip anlässlich der Bewertung der Beklagten sei durch eine "Mischmaschrechnung" im Wertgutachten der BDO verletzt worden - eine Betrachtungsweise, die möglicherweise in dieser Verallgemeinerung unzutreffend sein könnte, weil die Beklagte schon vor der Verschmelzung über eine substantielle Beteiligung an der B. verfügte und diese Beteiligung einen Teil ihres Wertes ausmachte. Ob mit Rücksicht darauf die Annahme des Berufungsgerichts, der Rüge einer fehlerhaften aggregierten Bewertung fehle bereits die ausreichende Darlegung, als verfahrensfehlerfrei getroffen gelten kann oder ob auch insoweit die vorherige Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich war, kann offen bleiben.
12
b) Denn jedenfalls hat das Berufungsgericht bezüglich dieser Klägerin unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG übersehen, dass sich deren Vorbringen nicht auf diesen einen Umstand beschränkte. Vielmehr hat die Klägerin zu 4 - worauf sie sich in ihrer Nichtzulassungsbeschwerde mit noch ausreichender Deutlichkeit zur Begründung ihrer Rüge aus Art. 103 GG berufen hat - sich in den Vorinstanzen zusätzlich den Sachvortrag der Klägerin zu 1, insbesondere das von dieser vorgelegte Privatgutachten des Prof. Dr. K. , in Bezug auf weitergehende Bewertungsmängel - namentlich hinsichtlich der Berücksichtigung steuerlich nicht abzugsfähiger "ewiger" Zinsen und hinsichtlich des Zinssatzes - zu Eigen gemacht.
13
B. Von der vorstehend dargelegten Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerinnen zu 1 und 4 hinsichtlich ihrer Anfechtung des Beschlusses zur Verschmelzung werden zugleich auch ihre Anfechtungsanträge gegen den Kapitalerhöhungsbeschluss erfasst. Der Kapitalerhöhungsbeschluss stellt im Rahmen der hier vorliegenden "Verschmelzung mit Kapitalerhöhung" (§ 69 UmwG) schon seinem Wortlaut, aber auch seinem Inhalt nach lediglich einen "Annex" zum Verschmelzungsbeschluss dar, weil die Kapitalerhöhung zur Finanzierung der Verschmelzung im Hinblick auf die Aktionäre des übertragenden Rechtsträgers benötigt wurde. Nachdem das Landgericht die Freigabeentscheidung auf die Eintragung sowohl der Verschmelzung als auch des Kapitalerhöhungsbeschlusses erstreckt hat, ist - schon nach der seinerzeit maßgeblichen "alten" Rechtslage vor Inkrafttreten des § 246 a AktG n.F. (vgl. Art. 1 Nr. 23 UMAG v. 22. September 2005, BGBl. I, 2802) - mit deren Eintragung gemäß § 16 Abs. 3 Satz 6 UmwG nicht nur die Verschmelzung selbst, sondern in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift auch der notwendige "Annex" der Kapitalerhöhung unumkehrbar wirksam geworden (h.M.: vgl. nur OLG Hamm, Konzern 2005, 374, 376; Kallmeyer/Marsch-Barner, UmwG 3. Aufl. § 16 Rdn. 55; Grunewald in Lutter, UmwG 3. Aufl. § 69 Rdn. 22). Das schließt in entsprechender Anwendung des § 16 Abs. 3 Satz 6 UmwG die Zulässigkeit der Weiterführung der Anfechtungsklage des Hauptprozesses auch in Bezug auf den "Annexbeschluss" zur Kapitalerhöhung nach erfolgter Eintragung in das Handelsregister im Hinblick auf die dort zugleich normierte Schadensersatzpflicht ein (vgl. nunmehr auch § 246 a Abs. 4 AktG n.F.).
14
C. Die Beschwerde des Klägers zu 5 ist zurückzuweisen, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat insoweit weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
15
1. Das Berufungsgericht hat die Anfechtungsklage dieses Klägers wegen Rechtsmissbrauchs als unbegründet abgewiesen. Zu den Voraussetzungen des Einwands des individuellen Rechtsmissbrauchs gegenüber der aktienrechtlichen Anfechtungsklage i.S. des § 246 AktG hat der Senat bereits grundsätzli- che Leitlinien aufgestellt (BGHZ 107, 296). Diese bedürfen unter dem Blickwinkel des § 543 Abs. 2 ZPO aus Anlass des vorliegenden Einzelfalls keiner Ergänzung.
16
2. Auch ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) liegt in Bezug auf den Kläger zu 5 - anders als dieser meint - nicht vor.
17
a) Das Berufungsgericht hat zur Begründung der Abweisung der Anfechtungsklage des Klägers zu 5 ausgeführt: Die Beklagte habe in der Berufungsbegründung substantiiert dargelegt, aus welchen Gründen die Erhebung der Anfechtungsklage in Bezug auf den Kläger zu 5 rechtsmissbräuchlich sei; diese Ausführungen mache sich der Senat zu Eigen; eine irgendwie geartete Auseinandersetzung mit dem Einwand des Rechtsmissbrauchs sei seitens des Klägers in dem Berufungsverfahren nicht erfolgt.
18
b) Es mag im Ansatz zweifelhaft sein, ob eine derartige pauschale Bezugnahme auf das schriftsätzliche Vorbringen des Beklagten zur Begründung der Entscheidung verfahrensrechtlich bedenkenfrei ist. Grundsätzlich muss das Urteil für die Prozessbeteiligten, insbesondere die unterlegene Partei, klar erkennen lassen, auf welchen Erwägungen es beruht. Es muss in wenn auch knappen, so doch eigenen Worten die Gründe für seine Entscheidung verdeutlichen , weil nur so eine Überprüfung durch die höhere Instanz ermöglicht wird. Ob die vom Berufungsgericht gegebene knappe Begründung diesen Anforderungen noch entspricht, kann letztlich dahinstehen, weil sich ein etwaiger derartiger formaler Mangel jedenfalls im Endergebnis nicht ausgewirkt hat.
19
c) Denn der Kläger zu 5 handelte auf der Grundlage des als unstreitig festgestellten Vortrags der Beklagten - wie er sich aus deren vom Berufungsge- richt konkret in Bezug genommenen Berufungsbegründungsschriftsatz eindeutig ergibt - rechtsmissbräuchlich.
20
Er hat die Anfechtungsklage mit dem Ziel erhoben, die verklagte Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die er keinen Anspruch hatte und billigerweise auch nicht erheben konnte (BGHZ 107, 296, 311). Der Kläger zu 5 hat bereits seit Juli 2002 in wenigstens zehn Schreiben mit seinem Briefkopf als Rechtsanwalt, die überwiegend direkt an den Vorstandsvorsitzenden der Beklagten gerichtet waren, unaufgefordert seine Rechtsansicht mitgeteilt, die ehemaligen DDR-Kombinatsbetriebe, welche die Beklagte zu ihrer Unternehmensgruppe zähle, seien dieser in Wirklichkeit nicht zuzuordnen. In seinem Schreiben vom 29. August 2002 führt er aus: "Ich wäre deshalb schon in erster Linie daran interessiert, mit Ihrem Unternehmen die Dinge zu bereinigen, und ich möchte dies auch gerne tun zu einem Zeitpunkt, bevor sie an anderer Stelle sichtbar werden."
21
In folgenden Briefen bemühte er sich - weiterhin - um ein Beratungsmandat , worauf sich die Beklagte aber nicht einließ. Kurz vor der Hauptversammlung vom 6. Februar 2003 erwarb er sodann 20 Aktien der Beklagten, was er wiederum dem Vorstandsvorsitzenden - verbunden mit dem Hinweis, an der Hauptversammlung teilnehmen und dort Fragen zur Bilanz und zur Geschäftsführung stellen zu wollen - mitteilte. Nach der Hauptversammlung ließ er die Beklagte wissen, dass er ein Spruchverfahren beabsichtige und dass in diesem Fall alle weiteren Antragsteller sowie der gemeinsame Vertreter der außenstehenden Aktionäre Einblick in sämtliche Akten erhalten würden. In seinem Schreiben vom 18. März 2003 kündigte er ferner an, sich am Spruchverfahren der B. zu beteiligen. Seine Anfechtungsklage hat der Kläger zu 5 im Wesentlichen auf die bereits zuvor von ihm behaupteten angeblichen Umwandlungsmängel im Zusammenhang mit den zur Unternehmensgruppe der Beklag- ten (namentlich der B. ) gehörenden ehemaligen DDR-Betrieben und eine daraus vermeintlich resultierende Beeinflussung des Umtauschverhältnisses gestützt. Noch während des Prozesses legte der Kläger zu 5 der Beklagten nahe , es entspreche einer "zielführenden Konfliktstrategie und Problemstrategie", wenn sein Vorbringen den anderen Anfechtungsklägern nicht zur Kenntnis gebracht werde.
22
Ersichtlich wollte der Kläger zu 5 sich durch die von ihm durchgängig erstrebte Übertragung eines anwaltlichen Beratungsmandats von der Beklagten sein Schweigen zu der von ihm behaupteten Problematik der Umwandlung der ehemaligen DDR-Betriebe durch die ihn dann treffende anwaltliche Schweigepflicht abkaufen lassen. Dabei waren nicht zuletzt der Erwerb von Aktien der Beklagten kurz vor der Hauptversammlung sowie die anschließende Klageerhebung selbst Bestandteile der Strategie des Klägers zu 5, ein Droh- und Druckpotential gegenüber der Beklagten aufzubauen bzw. aufrechtzuerhalten, um diese zu der erstrebten Leistung zu veranlassen, auf die er keinen Anspruch hatte. Eine derartige grob eigennützige Handlungsweise rechtfertigt bei der gebotenen Gesamtbetrachtung des Verhaltens zweifelsfrei den Einwand des individuellen Rechtsmissbrauchs gegenüber der von diesem Kläger erhobenen Anfechtungsklage.
23
III. Für das auf die Nichtzulassungsbeschwerden der Klägerin zu 1 und 4 gemäß § 544 Abs. 7 ZPO neu eröffnete Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
24
1. Die weitergehenden Anfechtungsgründe, die die Klägerinnen zu 1 und 4 ihren Nichtzulassungsbeschwerden zugrunde gelegt haben, hat der Senat geprüft, aber für nicht zulassungsrelevant i.S. des § 543 Abs. 2 ZPO erachtet.
25
a) Der Verschmelzungsbericht gemäß § 8 Abs. 1 UmwG weist keine entscheidungserheblichen , die Zulassung erforderlich machenden Mängel auf.
26
Allerdings ist bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden worden, ob - wie die Kläger meinen - aus der gesetzlichen Anordnung der Schriftlichkeit in § 8 UmwG abzuleiten ist, dass eine eigenhändige Unterschrift jedes einzelnen Mitglieds des Vertretungsorgans erforderlich ist (so die h.M.: vgl. Lutter/Drygala in Lutter aaO § 8 Rdn. 8; Kallmeyer/Marsch-Barner aaO § 8 Rdn. 3; Stratz in Schmidt/Hörtnagel/Stratz, UmwG/UmwStG 4. Aufl. § 8 Rdn. 6; Gehling in Semler/Stengel, UmwG § 8 Rdn. 7; Grunewald in Geßler/Hefermehl/ Eckhardt/Kropff, AktG § 340 a Rdn. 18) oder ob eine Unterzeichnung durch Organmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl - wie sie hier in Gestalt der Unterschriften von nur zwei Vorstandsmitgliedern der Beklagten vorliegt - ausreicht (so Klaus J. Müller, NJW 2000, 2001).
27
Für die zuletzt genannte Mindermeinung sprechen nachhaltig Sinn und Zweck der Regelung. Dem Verschmelzungsbericht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UmwG kommt vor allem eine umfassende Informationsfunktion zu: Er soll die Verschmelzung und den Verschmelzungsvertrag im Einzelnen, insbesondere das Umtauschverhältnis der Anteile, rechtlich und wirtschaftlich erläutern und begründen. Weil dem geschriebenen Wort eine größere Präzision, Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit zukommt, soll der Bericht schriftlich vorliegen und nicht lediglich mündlich vorgetragen werden. Dass bei Unterzeichnung des Berichts durch Organmitglieder nur in vertretungsberechtigter Zahl etwa die Gefahr bestünde, der Bericht entspreche nicht dem Willen der Mehrheit des Organs , erscheint lebensfremd: Eine solche Manipulation könnte nicht verborgen bleiben, weil der Verschmelzungsbericht in der Hauptversammlung - zumeist, so auch hier, in Anwesenheit aller Vorstandsmitglieder - mündlich erläutert und erörtert wird.
28
Der Senat braucht diese Frage aber nicht abschließend zu entscheiden, weil es hier - selbst wenn man der bisher h.M. folgen wollte - im Falle der Nichteinhaltung der Schriftform an der Relevanz des Formmangels für die Informations - und Mitwirkungsrechte der Aktionäre im Sinne der Senatsrechtsprechung fehlen würde (vgl. BGHZ 153, 32; 160, 385). Der Sinn eines etwaigen Erfordernisses der Unterzeichnung durch alle Organmitglieder könnte - wie dargelegt - nur darin bestehen, den Aktionären zu verlautbaren, dass der Vorstand mehrheitlich "hinter dem Bericht steht". Jedem vernünftig denkenden Aktionär ist aber klar, dass es der Lebenserfahrung widerspricht, dass ein Vorstand in vertretungsberechtigter Zahl einen Verschmelzungsbericht herausgibt, mit dem die Mehrheit des Vorstandes nicht einverstanden ist. Ein solcher Aktionär würde sich in seiner Entscheidung über die Wahrnehmung seiner Mitgliedschaftsrechte von einer fehlenden - unterstellt: erforderlichen - Unterzeichnung des Berichts durch sämtliche Vorstandsmitglieder nicht beeinflussen lassen.
29
b) Entgegen der Ansicht der Klägerin zu 1, die auch in diesem Zusammenhang die anderwärts vielfältig von ihr und anderen öfter als Anfechtungsklägern in Erscheinung tretenden Aktionären vorgebrachten Standardrügen erhebt , wirft weder der Umstand, dass das Gericht den Verschmelzungsprüfer auf Vorschlag der Beklagten bestellt hat, noch die Tatsache der sog. Parallelprüfung entscheidungsbedürftige Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Beide Fragen hat der Senat - anders als die Klägerin zu 1 für richtig hält - entschieden (vgl. Sen.Urt. v. 18. September 2006 - II ZR 225/04, ZIP 2006, 2080, 2082, sowie schon BGHZ 135, 260).
30
2. In Bezug auf die diversen sonstigen Rügen der Beschwerden sieht der Senat von einer näheren Begründung gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbs. ZPO ab, weil insoweit offensichtlich Zulassungsgründe nicht gegeben sind.
31
3. Das Berufungsgericht wird nunmehr im Hinblick auf die schlüssigen Bewertungsrügen der Kläger zu 1 und 4, denen die Beklagte mit erheblichem Sachvortrag entgegengetreten ist, in die Beweisaufnahme einzutreten und das von beiden Seiten hierzu beantragte Sachverständigengutachten einzuholen haben.
Goette Kurzwelly Kraemer Strohn Reichart
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 08.09.2003 - 93 O 47/03 -
KG Berlin, Entscheidung vom 25.10.2004 - 23 U 234/03 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 438/02 Verkündet am:
26. November 2003
Heinekamp
Justizobersekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
_____________________
Überträgt eine Erblasserin Vermögen durch eine unter Lebenden vollzogene Verfügung
zugunsten Dritter auf den Todesfall (§§ 518 Abs. 2, 2301 Abs. 2 BGB),
unterliegen die auf diese Weise begründeten Rechtsbeziehungen nicht nur im
Deckungs-, sondern auch im Valutaverhältnis den allgemeinen Regeln für Rechtsgeschäfte
unter Lebenden, nicht aber dem Erbrecht. Das gilt sowohl für die rechtliche
Einordnung der im Valutaverhältnis begründeten Rechtsbeziehung als auch
für deren Anfechtung (Fortführung von BGH, Urteil vom 19. Oktober 1983 – IVa
ZR 71/82 – NJW 1984, 480 unter 1).
BGH, Urteil vom 26. November 2003 - IV ZR 438/02 - OLG Düsseldorf
LG Wuppertal
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, Wendt und
die Richterin Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlung vom
26. November 2003

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 8. November 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt im Hinblick auf das Testament der Erblasserin Zahlung von 52.317,67 DM (jetzt: 26.749,59 vom 5. Juni 1996 teilt die Erblasserin ihre Sparbriefe, die ihr wesentliches Vermögen darstellten, zu je einem Drittel auf die Klägerin, den Beklagten und einen weiteren Miterben auf. Nach Abzug des Guthabens eines Kontos, das die Erblasserin dem Beklagten bereits im Jahre 1984 durch Verfügung zugunsten Dritter zugewandt hatte, sowie zweier Vermächtnisse zugunsten der Kinder der Klägerin belief sich das restliche

Guthaben der Erblasserin bei ihrer Sparkasse beim Erbfall auf 156.953 DM, d.h. das Dreifache der Klageforderung. Die Erblasserin hat im Testament angeordnet, daß der Beklagte berechtigt sei, ihr Vermögen zu verwalten. Er hat das Amt des Testamentsvollstreckers mit Schreiben vom 27. Mai 1997 angenommen.
Vor der Klägerin forderte bereits der an diesem Verfahren nicht beteiligte dritte Miterbe die Aufteilung des Guthabens der Erblasserin bei der Sparkasse. Der Beklagte berief sich demgegenüber auf eine weitere Verfügung zugunsten Dritter für den Todesfall, mit der die Erblasserin am 25. März 1996 durch ihre Unterschrift auf einem vorgedruckten Formular der Sparkasse den Beklagten bezüglich des gesamten, von den Miterben herausverlangten Guthabens begünstigt hatte, sofern der Beklagte die Erblasserin überleben werde. Mithin stehen nach Ansicht des Beklagten den anderen Miterben keine Ansprüche auf das Sparkassenguthaben zu; ein Widerruf der zu seinen Gunsten getroffenen Verfügung durch das Testament der Erblasserin sei nicht möglich. Der weitere Miterbe erklärte darauf mit Anwaltsschreiben vom 11. September 1997 gegenüber dem Anwalt des Beklagten, er fechte die Verfügung zugunsten Dritter vom 25. März 1996 an; die Erblasserin sei unmittelbar nach Beerdigung ihres Mannes am 21. März 1996 wegen ihrer Krebserkrankung zur Sterbebegleitung in das Hospiz aufgenommen worden, in dem sie am 22. September 1996 verstarb; der Beklagte habe lediglich als Testamentsvollstrecker Verfügungsgewalt über das Guthaben der Erblasserin erlangen sollen, die Verteilung des Guthabens ergebe sich aber aus dem wenig später errichteten Testament. Es kam zu einem Rechtsstreit zwischen dem weiteren Miterben und dem Beklagten, in dem letzterer rechtskräftig zur Zahlung von 52.317,67 DM verurteilt wurde.

Im Anschluß an jenes Verfahren macht die Klägerin geltend, die Erblasserin habe sich bei Unterzeichnung der Verfügung zugunsten Dritter vom 25. März 1996 in einem Irrtum befunden, da sie dem Beklagten lediglich Kontenvollmacht habe einräumen wollen. Er habe das Sparkassenguthaben nach Abzug von Nachlaßverbindlichkeiten unmittelbar an die anderen Erben auszahlen sollen. Die Anfechtung des weiteren Miterben wirke auch zu ihren Gunsten. Der Beklagte behauptet dagegen , die Erblasserin habe ihm das gesamte Guthaben geschenkt. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt; das Oberlandesgericht hat dessen Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt er die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:


Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Nach Ansicht der Vorinstanzen kann die Klägerin den geforderten Betrag vom Beklagten gemäß §§ 2218, 667 BGB verlangen. Denn die Verfügung zugunsten Dritter für den Todesfall vom 25. März 1996 sei wirksam angefochten worden. Die Vorschrift des § 2078 BGB sei auf den vorliegenden Fall entsprechend anwendbar. Nach Meinung des Berufungsgerichts entfalten die Urteile in dem vorangegangenen Verfahren des dritten Miterben gegen den Beklagten zwar keine Rechtskraft im Verhältnis der Klägerin zum Beklagten. Wie aber aus der im Urkundenbeweis verwertbaren Zeugenvernehmung in jenem Verfahren hervorge-

he, habe sich die Erblasserin tatsächlich in dem behaupteten Irrtum befunden. Dafür spreche insbesondere ihr nur gut zwei Monate später errichtetes Testament. Für eine zwischenzeitliche Änderung des Zuwendungswillens fehle jeder Anhalt. Einer erneuten Vernehmung des Mitarbeiters der Sparkasse, in dessen Gegenwart die Erblasserin die Verfügung vom 25. März 1996 errichtet habe, bedürfe es nicht. Auf ihn komme es zwar entscheidend an, er habe sich aber schon bei seiner Vernehmung in dem vorangegangenen Verfahren nicht mehr erinnern können, was mit der Erblasserin konkret besprochen worden sei. Die von dem dritten Miterben mithin wirksam erklärte Anfechtung komme nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 8. Mai 1985 - IVa ZR 230/83 - NJW 1985, 2025 unter III) auch der Klägerin zugute.
II. Diese Würdigung ist in rechtlicher Hinsicht aus mehreren Gründen zu beanstanden.
1. Sie läßt zunächst außer Betracht, daß bei der am 25. März 1996 zwischen der Erblasserin, ihrer Sparkasse und dem Beklagten vereinbarten Verfügung zugunsten Dritter auf den Todesfall zu unterscheiden ist zwischen dem Deckungsverhältnis der Erblasserin zur Sparkasse einerseits und dem Valutaverhältnis der Erblasserin zum Beklagten andererseits.

a) Im Deckungsverhältnis liegt ein Vertrag zugunsten Dritter, nämlich zugunsten des Beklagten vor, durch den dieser einen Anspruch auf das Guthaben gegenüber der Sparkasse nach dem Tod der Erblasserin erworben hat (§§ 328, 331 BGB). Nach gefestigter höchstrichterlicher

Rechtsprechung unterliegen die Rechtsbeziehungen im Deckungsver- hältnis nicht dem Erbrecht, sondern dem Schuldrecht. Deshalb gilt § 2301 Abs. 1 BGB für sie auch dann nicht, wenn es sich im Valutaverhältnis um eine unentgeltliche Zuwendung handelt (BGHZ 41, 95, 96; 66, 8, 12 f.; Urteil vom 19. Oktober 1983 - IVa ZR 71/82 - NJW 1984, 480 unter 1). Die besonderen erbrechtlichen Auslegungsregeln für letztwillige Verfügungen sind auf die Auslegung der rechtsgeschäftlichen Vereinbarung , durch die der Anspruch aus § 331 BGB begründet wird, auch nicht entsprechend anwendbar (BGH, Urteil vom 12. Mai 1993 - IV ZR 227/92 - NJW 1993, 2171 unter 2).

b) Dementsprechend ist auch die Frage, ob der Begünstigte den auf diese Weise erlangten Anspruch behalten darf oder an die Erben nach § 812 BGB herausgeben muß, also die Frage nach dem rechtlichen Grund im Valutaverhältnis, nicht nach Erbrecht, sondern nach Schuldrecht zu beurteilen (Urteil vom 19. Oktober 1983 aaO). Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob derartige Zuwendungen zwar nicht in der Rechtsform, wohl aber in anderen Beziehungen erbrechtlichen Normen unterstellt werden müssen, im Hinblick auf erbvertragliche oder diesen gleichstehende Bindungen des Erblassers durch wechselbezügliches gemeinschaftliches Testament erwogen, aber verneint, um erhebliche Abgrenzungschwierigkeiten sowie Rechtsunsicherheit zu vermeiden (BGHZ 66, 8, 12 ff.). Als Valutaverhältnis kommt, wenn eine unentgeltliche Zuwendung gewollt ist, im allgemeinen nur eine Schenkung in Betracht ; im Hinblick auf den "Von-Selbst-Erwerb" des Begünstigten ist sowohl Vollziehung im Sinne von § 2301 Abs. 2 BGB als auch Heilung des Formmangels gemäß § 518 Abs. 2 BGB anzunehmen (Urteil vom 19. Oktober 1983 aaO). Es sind aber auch andere Rechtsgeschäfte unter

Lebenden im Valutaverhältnis möglich, etwa eine ehebedingte Zuwendung ; die erbrechtliche Vorschrift des § 2077 BGB ist in einem solchen Fall auf die Begünstigung nicht anwendbar (BGHZ 128, 125, 132 ff.). An diesen Grundsätzen hält der Senat fest.

c) Die Urteile der Vorinstanzen befassen sich demgegenüber undifferenziert mit der Anfechtung des Vertrages zugunsten Dritter für den Todesfall vom 25. März 1996. Nach den Urteilen im vorangegangenen Verfahren betrifft die Anfechtung des dritten Miterben vom 11. September 1997, die er dem Beklagten gegenüber erklärt hat, nicht das Deckungsverhältnis gegenüber der Sparkasse, sondern eine im Valutaverhältnis gegenüber dem Beklagten vorliegende Schenkung. Insoweit bedarf es auch im vorliegenden Verfahren tatrichterlicher Feststellungen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die unter den Parteien streitige Frage, was die Erblasserin mit dem Rechtsgeschäft vom 25. März 1996 bezweckt hat, nicht erst für einen eventuellen Anfechtungsgrund, sondern schon für die rechtliche Charakterisierung des Valutaverhältnisses Bedeutung erlangen kann.
2. a) Nach dem Vortrag der Klägerin ging es im Valutaverhältnis um einen Auftrag oder eine Geschäftsbesorgung; der Beklagte habe die Guthaben für die Erblasserin verwalten sollen. Insoweit ist wie bei jedem Rechtsgeschäft unter Lebenden gemäß §§ 133, 157 BGB maßgebend, was als Wille der Erblasserin für den Beklagten als Empfänger ihrer Erklärung erkennbar geworden ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1992 - IX ZR 141/91 - NJW 1992, 1446 unter II 1 b). Für die Behauptung der Klägerin , der Beklagte habe die Guthaben lediglich verwalten sollen, ist die Klägerin beweispflichtig (vgl. Palandt/Sprau, BGB 62. Aufl. § 667

Rdn. 10). Da sie aber an dem Rechtsgeschäft zwischen der Erblasserin, der Sparkasse und dem Beklagten vom 25. März 1996 nicht beteiligt war, ist der Beklagte zu einer substantiierten Darlegung verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 1999 - VIII ZR 14/98 - NJW 1999, 1404 unter II 2 b aa).

b) Die Klägerin hat sich in ihrer Berufungserwiderung auf die Protokolle der Aussagen der vom Amtsgericht im vorangegangenen Verfahren vernommenen Zeugen bezogen. Danach habe die Erblasserin stets erklärt, ihr Nachlaß werde gleichmäßig verteilt. Insbesondere habe sie nach der Beerdigung ihres Mannes am 21. März 1996 im Hinblick auf ihre eigene Erkrankung erklärt, der Beklagte solle, da er örtlich und zeitlich am besten verfügbar sei, die Gelddinge für sie regeln, da sie nicht mehr aus dem Hospiz herauskomme.
Diesem Vortrag steht nicht etwa der Wortlaut der Verfügung zugunsten Dritter für den Todesfall vom 25. März 1996 entgegen. Im vorgedruckten Text heißt es zwar: "Für den Fall des Widerrufs der Vereinbarung gelten auch ein darin liegendes Schenkungsversprechen bzw. Schenkungsangebot an den Begünstigten sowie ein etwaiger Auftrag zur Weiterleitung dieses Versprechens/Angebots an ihn als widerrufen." Daraus geht aber nicht hervor, daß in der hier getroffenen Vereinbarung zugleich eine Schenkung an den Beklagten als anwesendem Begünstigten liegen sollte.
Der Beklagte hat demgegenüber zum Beweis seines Vortrags, das Bankguthaben der Erblasserin sei ihm durch deren Verfügung zugunsten Dritter für den Todesfall vom 25. März 1996 geschenkt worden, in der

Berufungsbegründung ausdrücklich die Vernehmung des seinerzeit anwesenden Sparkassenangestellten als Zeugen beantragt.

c) Die Entscheidung des Berufungsgerichts, im Hinblick auf die von ihm als Urkunden verwerteten Vernehmungsprotokolle des vorangegangenen Verfahrens sowie den Inhalt des Testaments von der erneuten Vernehmung auch des vom Beklagten zum Zwecke des unmittelbaren Beweises benannten Zeugen abzusehen, ist rechtsfehlerhaft, wie die Revision mit Recht rügt (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1999 - VI ZR 207/98 - NJW 2000, 1420 unter II 2 a). Daran ändert die Meinung des Berufungsgerichts, der Zeuge werde sich jetzt nicht genauer erinnern können als bei seiner Vernehmung im Jahre 1999, nichts. Der Richter darf auch im Zivilverfahren von der Erhebung zulässiger und rechtzeitig angetretener Beweise nur dann absehen, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder die Richtigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache bereits erwiesen ist; bei der Zurückweisung eines Beweismittels als ungeeignet ist größte Zurückhaltung geboten; es muß jede Möglichkeit ausgeschlossen sein, daß der übergangene Beweisantrag Sachdienliches ergeben könnte (BVerfG NJW 1993, 254 unter 1 b; vgl. auch BGH, Urteil vom 12. Oktober 1998 - II ZR 164/97 - BGHR ZPO § 286 Abs. 1, Beweisantrag , Ablehnung 20). Hier hat der Zeuge im vorangegangenen Verfahren u.a. bekundet, wenn jemand möchte, daß das Guthaben zum Zeitpunkt seines Todes vom Begünstigten verteilt werden solle, werde von Seiten der Sparkasse darauf hingewiesen, daß die Verfügung zugunsten Dritter nicht der richtige Vertrag sei. Das Berufungsgericht hat mithin unzulässig eine vorweggenommene Beweiswürdigung vorgenommen.


d) Die Sache muß daher zur weiteren Aufklärung schon der Frage, wie der Beklagte unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände das von der Erblasserin ihm gegenüber am 25. März 1996 begründete Valutaverhältnis verstehen durfte, an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Die Klägerin nimmt den Beklagten im übrigen nicht, wie das Landgericht gemeint hat, in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker aus § 2218 BGB in Anspruch, sondern persönlich. Auch nach der Behauptung des Beklagten ist das streitige Guthaben nicht in den Nachlaß gefallen. Zwar macht die Klägerin ihren Anspruch als Miterbin geltend (§§ 2039, 667 BGB in Verbindung mit dem Testament; der Nachlaß ist nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts im übrigen bereits auseinandergesetzt und eine Klage unmittelbar auf Zahlung an die Klägerin ohne besondere Erbauseinandersetzung daher zulässig ). Der Anspruch richtet sich gegen den Beklagten aber in seiner Eigenschaft als Nachlaßschuldner, so daß das Prozeßführungsrecht der Erbin selbst zusteht (BGH, Urteil vom 14. November 2002 - III ZR 19/02 - ZEV 2003, 75 unter I).
3. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, daß im Valutaverhältnis von einer Schenkung an den Beklagten auszugehen ist, kommt es weiterhin auf die hier erklärte Anfechtung an. Hierzu gibt der Senat folgende Hinweise:

a) Im Schrifttum wird die - von den Vorinstanzen zugrunde gelegte - Ansicht vertreten, die erbrechtliche Anfechtungsregelung in § 2078 BGB sei entsprechend auch auf Verträge zugunsten Dritter auf den To-

desfall anzuwenden (MünchKomm/Leipold, BGB 3. Aufl. § 2078 Rdn. 15; Palandt/Edenhofer, aaO § 2078 Rdn. 12; Soergel/Loritz, BGB 13. Aufl. § 2078 Rdn. 9; v.Hippel NJW 1966, 867 f.; a.A. Staudinger/Otte, BGB [2003] § 2078 Rdn. 4). Nach Auffassung des Senats steht jedoch der Schutz des Vertragspartners der Rechtsgeschäfte unter Lebenden, die im Deckungs-, aber auch im Valutaverhältnis geschlossen werden, einer Erweiterung der sich aus §§ 119 ff. BGB ergebenden Anfechtungsmöglichkeiten entgegen. Es wäre auch nicht gerechtfertigt, dem Vertragspartner den von § 2078 Abs. 3 BGB ausgeschlossenen Schadensersatzanspruch aus § 122 BGB zu nehmen. Daß die verfügende Partei durch einen solchen Vertrag zu ihren Lebzeiten wirtschaftlich nicht belastet und insofern nicht mehr mit den Folgen des Geschäfts konfrontiert wird, wie das Berufungsgericht und die Klägerin hervorheben, ist nicht allein maßgebend.

b) Das Anfechtungsrecht nach § 119 BGB geht beim Tod des Erklärenden auf dessen Erben über; es kann grundsätzlich nur von allen Miterben gemeinschaftlich ausgeübt werden (RGZ 107, 238, 239; BGH, Urteil vom 26. Januar 1951 - V ZR 61/50 - NJW 1951, 308; MünchKomm/ Mayer-Maly/Busche, BGB 4. Aufl. § 142 Rdn. 6). Da es hier der Begründung eines Anspruchs gegen den Beklagten persönlich dient, steht diesem als Miterben wegen des Interessenwiderstreits kein Stimmrecht zu (vgl. BGHZ 56, 47, 53; Urteil vom 25. Juni 2003 - IV ZR 285/02 - MDR 2003, 1116, 1117). Die Anfechtung muß nicht von allen Miterben gleichzeitig und in einem einheitlichen Rechtsakt erklärt werden; wie auch sonst bei Verfügungsgeschäften der Miterben genügen zeitlich aufeinander folgende Erklärungen oder die Genehmigung einer Erklärung, die von einem Miterben zugleich für die anderen abgegeben worden ist (vgl.

MünchKomm/Dütz, aaO § 2040 Rdn. 14). Insoweit wird der Tatrichter das Verhalten der Klägerin gegebenenfalls aufzuklären und auszulegen haben. Die Anfechtung ist gegenüber dem Empfänger der anzufechtenden Willenserklärung zu erklären; da es hier um das Valutaverhältnis geht, war der Beklagte (und nicht, wie die Revision meint, die Sparkasse ) der richtige Erklärungsempfänger. Die Anfechtung muß gemäß § 121 BGB unverzüglich erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Insoweit bliebe also weiterhin zu klären, wann die Klägerin des vorliegenden und der Kläger des vorangegangenen Verfahrens die erforderliche Kenntnis erlangt und ob sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Überlegungsfrist rechtzeitig angefochten haben. Dabei kommt die Kenntnis eines Anfechtungsgrundes erst in Betracht, wenn überhaupt von einem durch Irrtum beeinflußten Rechtsgeschäft im Valutaverhältnis auszugehen ist. Eine Verzögerung könnte überdies entschuldbar sein, soweit nach der Rechtsauffassung beider Vorinstanzen eine eigene Anfechtung durch die Klägerin nicht erforderlich war.

c) Schließlich bliebe zu prüfen, ob die Erblasserin in einem zur Anfechtung berechtigenden Irrtum war. Auch insofern durfte das Berufungsgericht nicht ohne Vernehmung des von dem Beklagten als Zeugen benannten Mitarbeiters der Sparkasse entscheiden.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Wendt Dr. Kessal-Wulf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 98/05 Verkündet am:
3. Mai 2007
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. Mai 2005 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht über einen Betrag von 8.633,66 € (Summe der für die Schadensfälle 1, 3, 4, 5 geltend gemachten Ersatzbeträge) nebst 5% über dem Basiszinssatz aus 4.438 € seit dem 21. August 2001 und aus 4.195,66 € seit dem 21. September 2001 hinaus zum Nachteil der Beklagten erkannt und dabei ein Mitverschulden verneint hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist Transportversicherer der S. GmbH in Düsseldorf (Versenderin). Sie nimmt die Beklagte zu 1, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, und die Beklagte zu 2 als deren persönlich haftende Gesellschafterin aus abgetretenem und übergegangenem Recht der Versenderin wegen Verlusts von Transportgut in sieben Fällen in Anspruch. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind nur die Schadensfälle 2, 6 und 7.
2
Schadensfall 2: Am 23. April 2001 übergab die Versenderin der Beklagten zu 1 sechs Pakete mit Computermaterialien im Gesamtwert von 20.565 DM (10.514,72 €) zur Beförderung nach Berlin. Ein Paket ging auf dem Transport verloren. Die Klägerin verlangt 5.453,95 € Schadensersatz.
3
Schadensfall 6: Am 3. Mai 2001 übergab die Versenderin der Beklagten zu 1 drei Pakete mit Computermaterialien im Gesamtwert von 17.287,50 DM (8.838,96 €) zur Beförderung nach Berlin. Zwei Pakete gingen auf dem Transport verloren. Die Klägerin verlangt 6.970,95 € Schadensersatz.
4
Schadensfall 7: Am 7. Mai 2001 übergab die Versenderin der Beklagten zu 1 zwölf Pakete mit Computermaterialien im Gesamtwert von 65.712 DM (33.598,01 €) zur Beförderung nach Braunschweig. Zwei Pakete gingen auf dem Transport verloren. Die Klägerin verlangt 6.135,50 € Schadensersatz.
5
Den Transportaufträgen lagen die Beförderungsbedingungen der Beklagten zu 1 (Stand November 2000) zugrunde, die auszugsweise folgende Regelungen enthielten: "... 2. Serviceumfang Sofern keine besonderen Dienstleistungen vereinbart werden, beschränkt sich der von U. angebotene Service auf Abholung, Transport, Zollabfertigung (sofern zutreffend) und Zustellung der Sendung. die Um vom Versender gewünschte kurze Beförderungsdauer und das niedrige Beförderungsentgelt zu ermöglichen, werden die Sendungen im Rahmen einer Sammelbeförderung transportiert. Der Versender nimmt mit der Wahl der Beförderungsart in Kauf, dass aufgrund der Massenbeförderung nicht die gleiche Obhut wie bei einer Einzelbeförderung gewährleistet werden kann. Der Versender ist damit einverstanden, wenn eine Kontrolle des Transportweges, insbesondere durch Ein- und Ausgangsdokumentation , an den einzelnen Umschlagstellen innerhalb des U. -Systemes nicht durchgeführt wird. Soweit der Versender eine weitergehende Kontrolle der Beförderung wünscht, wählt er die Beförderung als Wertpaket. 9. Haftung … 9.2 Gelten keine Abkommensbestimmungen oder sonstige zwingende nationale Gesetze, wird die Haftung ausschließlich durch diese Bedingungen geregelt. In Deutschland ist die Haftung für Verlust oder Beschädigung begrenzt auf nachgewiesene direkte Schäden bis maximal DM 1.000,00 pro Sendung oder 8,33 SZR für jedes Kilogramm, je nachdem welcher Betrag höher ist. … Vorstehende Haftungsbegrenzungen gelten nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die U. , seine gesetzlichen Vertreter, oder Erfüllungsgehilfen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein, dass der Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen haben. … 9.4 Die Haftungsgrenze nach Ziffer 9.2 wird angehoben durch korrekte Deklaration eines höheren Wertes der Sendung auf dem Frachtbrief und durch Zahlung des in der "Tariftabelle und Serviceleistungen" aufgeführten Zuschlages auf den angegebenen Wert (Wertpaket). In keinem Fall dürfen die in Absatz 3 (a) (ii) festgesetzten Grenzen überschritten werden. Der Versender erklärt durch Unterlassung einer Wertdeklaration, dass sein Interesse an den Gütern die in Ziffer 9.2 genannte Grundhaftung nicht übersteigt. kann U. Wertzuschläge namens und im Auftrag des Versenders als Prämie für die Versicherung der Interessen des Versenders an eine Versicherungsgesellschaft weitergeben. In diesem Fall werden etwaige Ansprüche des Versenders auf Schadensersatz durch U. gestellt und im Namen der Versicherungsgesellschaft bezahlt. Die von U. für diese Zwecke eingesetzten Policen können bei der oben genannten Anschrift eingesehen werden. …"
6
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagten würden für den Verlust des Transportgutes in voller Höhe haften.
7
Die Klägerin hat hinsichtlich der im Revisionsverfahren anhängigen Schadensfälle beantragt, die Beklagten zu verurteilen, 18.560,40 € nebst Zinsen zu zahlen.
8
Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Sie haben geltend gemacht , die Klägerin müsse sich ein haftungsausschließendes Mitverschulden anrechnen lassen, weil die Versenderin eine Wertdeklaration unterlassen habe. Im Falle der Wertdeklaration behandele sie die Pakete sorgfältiger, sofern deren Wert 5.000 DM übersteige.
9
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen die Klage hinsichtlich eines Teilbetrags in Höhe von 654,45 € abgewiesen.

10
Der Senat hat die Revision der Beklagten beschränkt auf die Fälle 2, 6 und 7 und insoweit beschränkt auf das Mitverschulden zugelassen. In diesem Umfang verfolgen die Beklagten mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:


11
I. Das Berufungsgericht hat eine unbeschränkte Haftung der Beklagten für den Verlust der Pakete nach den §§ 425, 435 HGB angenommen. Zur Begründung hat es - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt :
12
Ein Mitverschulden der Versenderin gemäß § 254 Abs. 1 und 2 BGB an dem Verlust der Pakete sei der Klägerin nicht zur Last zu legen. Ein Mitverschulden wegen unterlassener Wertdeklaration sei nicht anzunehmen, da nicht vorgetragen sei, dass eine Wertdeklaration dazu geführt hätte, dass die Pakete sorgfältiger behandelt worden wären und die Versenderin hiervon Kenntnis gehabt hätte. Die Pakete seien im so genannten EDI- bzw. Online-WorldshipVerfahren versendet worden. Die Beklagten hätten nicht dargetan, auf welche Weise die Beklagte zu 1 sicherstelle, dass auch in diesen Verfahren Wertpakete mit erhöhter Beförderungssicherheit transportiert werden könnten. Ein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 2 BGB liege erst bei einem Paketwert von mehr als 50.000 US-Dollar vor.
13
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen im Umfang der Anträge der Revision zur Aufhebung des Be- rufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung an das Berufungsgericht. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann ein Mitverschulden der Versenderin in Betracht kommen.
14
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Mitverschuldenseinwand auch im Fall des qualifizierten Verschuldens i.S. von § 435 HGB zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Urt. v. 5.6.2003 - I ZR 234/00, TranspR 2003, 467, 471; Urt. v. 23.10.2003 - I ZR 55/01, TranspR 2004, 177, 179).
15
2. Dem Berufungsgericht kann jedoch in seiner Annahme, ein Mitverschulden der Versenderin nach § 254 Abs. 1 BGB wegen Unterlassens einer Wertdeklaration komme im vorliegenden Fall nicht in Betracht, nicht beigetreten werden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Vortrag der Beklagten, sie behandelten wertdeklarierte Pakete sorgfältiger als nicht wertdeklarierte , nicht deshalb unerheblich, weil die verlorengegangenen Pakete im vorliegenden Fall im Wege des so genannten EDI- bzw. Online-WorldshipVerfahrens versandt worden sind.
16
a) Nach Ansicht des Berufungsgerichts haben die Beklagten nicht dargetan , auf welche Weise die Beklagte zu 1 sicherstellt, dass Wertpakete auch in diesem Verfahren mit einer erhöhten Beförderungssicherheit transportiert werden. Die von ihr vorgetragenen Kontrollen bei der Beförderung von Wertpaketen könnten nicht umgesetzt werden, wenn Kunden, die am EDI- bzw. OnlineWorldship -Verfahren teilnähmen, zwar bei der Eingabe der Paketdaten eine Wertdeklaration vornähmen, das wertdeklarierte Paket dann aber zusammen mit anderen Paketen in den Feeder gäben. Denn das Paket werde dann weiterhin wie eine Standardsendung befördert. Soweit die Beklagten vorgetragen hätten , eine Behandlung als Wertpaket im Rahmen des EDI-Verfahrens setze vor- aus, dass das Paket dem Abholfahrer der Beklagten separat als Wertpaket übergeben werde, sei nicht ersichtlich, dass der Versenderin dies bekannt gewesen sei.
17
b) Mit dieser Begründung kann ein Mitverschulden der Versenderin wegen des Unterlassens einer Wertdeklaration nicht verneint werden. Wenn - wie mangels Feststellungen des Berufungsgerichts zu Gunsten der Beklagten zu unterstellen ist - die konkrete Ausgestaltung des Versandverfahrens dem Absender keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme bietet, auf welche Weise wertdeklarierte Pakete einem besonders kontrollierten Transportsystem zugeführt werden, hat er selbst Maßnahmen zu ergreifen, um auf eine sorgfältigere Behandlung des wertdeklarierten Pakets aufmerksam zu machen (vgl. BGH, Urt. v. 20.7.2006 - I ZR 9/05, NJW-RR 2007, 28 Tz 32 = TranspR 2006, 394). Ein schadensursächliches Mitverschulden der Versenderin kommt deshalb in Betracht , weil sie hätte erkennen können, dass eine sorgfältigere Behandlung durch die Beklagte zu 1 nur gewährleistet ist, wenn wertdeklarierte Pakete nicht mit anderen Paketen in den Feeder gegeben, sondern dem Abholfahrer der Beklagten zu 1 gesondert übergeben werden. Dass eine solche gesonderte Übergabe an den Abholfahrer erforderlich ist, liegt angesichts der Ausgestaltung des vorliegend angewandten Verfahrens, das im beiderseitigen Interesse der Beschleunigung des Versands darauf angelegt ist, dass Paketkontrollen zunächst unterbleiben (vgl. BGH, Urt. v. 4.5.2005 - I ZR 235/02, TranspR 2005, 403, 404), für einen ordentlichen und vernünftigen Versender auf der Hand (BGH NJW-RR 2007, 28 Tz 32).
18
c) Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die unterlassenen Wertangaben auf den in Verlust geratenen Paketen die Schäden mit verursacht haben , weil die Beklagte zu 1 bei richtiger Wertangabe und entsprechender Be- zahlung des höheren Beförderungstarifs ihre Sorgfaltspflichten besser erfüllt hätte.
19
3. Die Auffassung des Berufungsgerichts, ein anspruchsminderndes Mitverschulden der Versenderin ergebe sich auch nicht daraus, dass die Versenderin nicht auf einen drohenden besonders hohen Schaden hingewiesen habe (§ 254 Abs. 2 BGB), ist gleichfalls nicht frei von Rechtsfehlern.
20
a) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist ein ungewöhnlich hoher Schaden nicht erst bei einem Paketwert oberhalb von 50.000 US-Dollar gegeben. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, liegt es angesichts des Umstands, dass nach den Beförderungsbedingungen der Beklagten zu 1 Beträge von 1.000 DM und 50.000 US-Dollar im Raum stehen, nahe, die Gefahr eines besonders hohen Schadens in solchen Fällen anzunehmen , in denen der Wert des Pakets 5.000 € übersteigt, also etwa den zehnfachen Betrag der Haftungshöchstgrenze gemäß Nr. 9 der Beförderungsbedingungen der Beklagten zu 1 (vgl. BGH, Urt. v. 1.12.2005 - I ZR 265/03, TranspR 2006, 208, 209; BGH NJW-RR 2007, 28 Tz 34).
21
b) Danach hat im Schadensfall 2, bei dem der Handelswert des verlorengegangenen Pakets nach den tatrichterlichen Feststellungen 5.453,95 € betragen hat, die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens bestanden. Hinsichtlich der Schadensfälle 6 und 7 kann dies aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Zwar lag der Wert des verlorengegangenen Gutes bei diesen Sendungen insgesamt ebenfalls jeweils über 5.000 €. Es sind in den Schadensfällen 6 und 7 jedoch jeweils zwei Pakete verlorengegangen. Nach dem Zweck der Obliegenheit zur Warnung vor der Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens, der darin besteht, den Schädiger auf eine für ihn nicht erkennbare Gefahr hinzuweisen (vgl. MünchKomm.BGB/ Oetker, 5. Aufl., § 254 Rdn. 70 ff.), kommt es maßgeblich auf den Wert eines Pakets an (vgl. BGH TranspR 2006, 208, 209). Die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens kann daher nur dann angenommen werden, wenn in einem der Pakete Waren in einem Wert von mehr als 5.000 € enthalten gewesen sind. Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.
22
III. Danach kann das angefochtene Urteil, soweit es von der Revision angegriffen worden ist, keinen Bestand haben. Es ist daher auf die Revision der Beklagten aufzuheben, soweit das Berufungsgericht in den Verlustfällen 2, 6 und 7 ein Mitverschulden verneint hat. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision einschließlich der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Bornkamm Pokrant RiBGH Prof. Dr. Büscher ist inUrlaubundkanndeswegennichtunterschreiben. Bornkamm Bergmann RiBGH Dr. Kirchhoff ist in Urlaub und kann deswegen nicht unterschreiben. Bornkamm

Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 15.04.2004 - 31 O 83/02 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 18.05.2005 - I-18 U 106/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 95/03 Verkündet am:
15. Dezember 2005
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann
und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant und
Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg, 6. Zivilsenat, vom 6. März 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist Transportversicherer der I. B.V. in Venlo /Niederlande (im Weiteren: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, aus übergegangenem Recht der Versicherungsnehmerin wegen des Verlusts von Transportgut im Rahmen ei- nes im Jahr 2000 durchgeführten internationalen Straßengütertransports auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Die Versicherungsnehmerin kaufte bei der Y. GmbH (im Weiteren: Y. GmbH) in Berg Computer-Festplatten. Mit der Beförderung wurde die Beklagte beauftragt, die in ständiger Geschäftsbeziehung mit der Y. GmbH stand. Diese übergab der Beklagten Festplatten in zwei Sendungen zur Beförderung; Wertangaben erfolgten hierbei nicht. Die erste Sendung im Wert von 11.626,78 € ging teilweise - wertmäßig in Höhe von 7.751,18 € - verloren, die zweite Sendung im Wert von 34.032,61 € insgesamt.
3
Die Beklagte hatte sich zur Erbringung der Transportleistungen ihrer niederländischen Schwestergesellschaft bedient. Bei dieser durchgeführte Nachforschungen ergaben, dass die beiden Sendungen in deren Lager in Eindhoven eingegangen und danach außer Kontrolle geraten waren.
4
Die Klägerin zahlte an die Versicherungsnehmerin wegen der beiden Verlustfälle unter Berücksichtigung des vereinbarten Selbstbehalts insgesamt 41.330,05 €. Für ein Gutachten zur Feststellung der Schadensentstehung und des Schadensumfangs wandte sie weitere 1.785,63 € auf.
5
Das Landgericht hat der von der Klägerin wegen der beiden Schadensfälle aus übergegangenem Recht der Versicherungsnehmerin erhobenen Schadensersatzklage in Höhe von 43.115,68 € nebst Zinsen stattgegeben.
6
Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
7
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


8
I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin aus übergegangenem Recht der Versicherungsnehmerin (§ 284 des niederländischen Handelsgesetzbuches, der dem deutschen § 67 VVG entspricht) einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß Art. 17 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1, Art. 29 CMR zuerkannt. Dazu hat es ausgeführt :
9
Die Beklagte hafte gegenüber der Versicherungsnehmerin, die sie beauftragt habe, gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR für den Verlust des übernommenen Gutes. Für das Verhalten ihrer niederländischen Schwestergesellschaft habe sie gemäß Art. 3 CMR einzustehen. Auf die Haftungsbegrenzung des Art. 23 Abs. 3 CMR könne sich die Beklagte nicht berufen, weil sie zum Transportablauf nichts dargelegt habe und daher gemäß Art. 29 CMR unbeschränkt hafte.
10
Die Klägerin müsse sich auch kein Mitverschulden anrechnen lassen, weil die Beklagte über den Wert der Sendungen nicht aufgeklärt worden sei. Der Beklagten sei dieser Wert aufgrund ihrer ständigen Geschäftsbeziehung zu der Y. GmbH bekannt gewesen.
11
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

12
1. Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin aus übergegangenem Recht der Versicherungsnehmerin geltend gemachten Schadensersatzanspruch jedenfalls im Ergebnis zutreffend für begründet erachtet.
13
Die Revision weist allerdings mit Recht darauf hin, dass die im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen zu der Frage, wer Vertragspartner der Beklagten war, widersprüchlich sind: Das Berufungsgericht hat eine Auftragserteilung durch die Versicherungsnehmerin im Tatbestand zunächst als unstreitig dargestellt, im Weiteren aber ausgeführt, die Beklagte sei dem entgegengetreten , ohne dass es diesen Widerspruch in den Gründen seiner Entscheidung aufgelöst oder auch nur erörtert hat.
14
Die Haftung der Beklagten bleibt davon jedoch unberührt. Denn sie ergibt sich entweder aus dem mit der Versicherungsnehmerin geschlossenen Vertrag gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR oder aber - da der Verlust des Gutes feststeht - bei einem Vertragsschluss der Beklagten mit der Y. GmbH aus Art. 13 Abs. 1 Satz 2 CMR.
15
2. Das Berufungsgericht hat zutreffend und von der Revision auch unangegriffen angenommen, dass die Beklagte gemäß Art. 29 CMR unbegrenzt haftet. Der Vorwurf qualifizierten Verschuldens trifft entweder sie selbst (Art. 29 Abs. 1 CMR) oder ihre Leute (Art. 29 Abs. 2 CMR).
16
Die Beklagte hat den Schadenseintritt in zeitlicher, räumlicher und personeller Hinsicht nur dahin einzugrenzen vermocht, dass das Transportgut nach Eingang bei dem von ihr eingeschalteten Schwesterunternehmen im Lager Eindhoven verloren gegangen ist. Bei dem Umschlag von Gütern - wie hier im Lager Eindhoven - handelt es sich aber um einen besonders schadensanfälli- gen Bereich, der Eingangs- und Ausgangskontrollen zumal dann erfordert, wenn ein rechtlich selbständiges Drittunternehmen in die Erbringung der Transportleistung eingebunden wird (vgl. BGHZ 158, 322, 330). Die Beklagte hätte wegen ihrer besonderen Sachnähe zum eingetretenen Schaden Umstände darzulegen und zu beweisen gehabt, die gegen die Kausalität eines entsprechenden Sorgfaltsverstoßes bei den Kontrollmaßnahmen sprachen (vgl. BGH, Urt. v. 16.7.1998 - I ZR 44/96, TranspR 1999, 19, 21 ff.; Urt. v. 20.1.2005 - I ZR 95/01, TranspR 2005, 311, 314). Da die Beklagte in dieser Hinsicht nichts vorgetragen hat, ist das Berufungsgericht zutreffend von einem qualifizierten Verschulden i.S. des Art. 29 CMR ausgegangen.
17
3. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin müsse sich kein Mitverschulden wegen der unterlassenen Aufklärung der Beklagten über den Wert der beiden Sendungen anrechnen lassen.
18
a) Die Anwendung des § 254 BGB ist hier nicht deshalb ausgeschlossen, weil die CMR die Haftung des Frachtführers abschließend regelt. Unabhängig davon, ob das Haftungssystem der CMR im Rahmen der Haftung nach Art. 17 Abs. 1 CMR den Mitverschuldenseinwand nach § 254 BGB ausschließt, kann der Frachtführer jedenfalls im Rahmen der verschärften Haftung nach Art. 29 CMR einwenden, dass es der Ersatzberechtigte vor Vertragsschluss trotz Kenntnis oder Kennenmüssen der Tatsache, dass mit der Angabe des tatsächlichen Werts der Sendung gegen höheren Tarif auch eine sicherere Beförderung verbunden ist, unterlassen hat, den wirklichen Wert des zu transportierenden Gutes anzugeben (§ 254 Abs. 1 BGB). Im Rahmen der Haftung nach Art. 29 CMR kann sich ein anspruchsminderndes Mitverschulden zudem aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB ergeben, wenn der Geschädigte es unterlassen hat, den Schädiger im Hinblick auf den Wert des Gutes auf die Gefahr eines ungewöhn- lich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die dieser weder kannte noch kennen musste (vgl. BGHZ 149, 337, 353; BGH, Urt. v. 8.5.2003 - I ZR 234/02, TranspR 2003, 317, 318 = NJW-RR 2003, 1473). Insoweit ist lückenfüllend nationales Recht heranzuziehen (BGH TranspR 2005, 311, 314; Koller, Transportrecht , 5. Aufl., Art. 29 CMR Rdn. 8).
19
b) Die Obliegenheit zur Warnung gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB hat den Zweck, dem Schädiger Gelegenheit zu geben, geeignete Schadensabwendungsmaßnahmen zu ergreifen. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob der Auftraggeber Kenntnis davon hatte oder hätte wissen müssen , dass der Frachtführer das Gut mit größerer Sorgfalt behandelt hätte, wenn er den tatsächlichen Wert der Sendung gekannt hätte. Den Auftraggeber trifft vielmehr eine allgemeine Obliegenheit, auf die Gefahr eines außergewöhnlich hohen Schadens hinzuweisen, um seinem Vertragspartner die Möglichkeit zu geben, geeignete Maßnahmen zur Verhinderung eines drohenden Schadens zu ergreifen. Daran wird der Schädiger jedoch gehindert, wenn er über die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens im Unklaren gelassen wird (vgl. BGH TranspR 2005, 311, 314 f.).
20
c) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht ein der Klägerin zurechenbares Mitverschulden zu Unrecht verneint.
21
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, ein Mitverschulden scheide aus, weil die Beklagte aufgrund ihrer ständigen Geschäftsbeziehung zu der Y. GmbH gewusst habe, dass Güter von nicht unerheblichem Wert transportiert werden sollten. Die Beklagte habe in ihrer Preisvereinbarung mit der Y. GmbH keine Differenzierungen hinsichtlich der Warenwerte vorgenommen, sondern allein auf die Anzahl der versandten Pakete abgestellt. Die Y.
GmbH habe nicht davon ausgehen müssen, auf weitere Besonderheiten Rücksicht nehmen zu müssen.
22
bb) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts kann allein aus der Tatsache, dass zwischen der Beklagten und der Y. GmbH eine ständige Geschäftsbeziehung bestanden hat, noch nicht auf eine Kenntnis oder ein Kennenmüssen der Beklagten von dem erheblichen Wert der streitgegenständlichen Transportgüter geschlossen werden. Wie die Revision zu Recht rügt, konnte die Beklagte allenfalls davon ausgehen, dass die Y. GmbH von der Beklagten vor allem Computerzubehör befördern ließ. Da Computerzubehör im Wert aber erheblich differieren kann, kann daraus noch nicht auf die Kenntnis der Beklagten von dem erheblichen Wert des zu befördernden Gutes geschlossen werden. Besondere Umstände, die das Vorhandensein einer entsprechenden Kenntnis im vorliegenden Einzelfall nahelegen könnten, sind vom Berufungsgericht nicht festgestellt worden.
23
cc) Der Wert der in Verlust geratenen Sendungen war erheblich, so dass die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens bestand.
24
Die Voraussetzung einer ungewöhnlichen Höhe des Schadens lässt sich nicht in einem bestimmten Betrag oder in einer bestimmten Wertrelation (z.B. zwischen dem unmittelbar gefährdeten Gut und dem Gesamtschaden) angeben (Staudinger/Schiemann, BGB [2005], § 254 Rdn. 75). Die Frage, ob ein ungewöhnlich hoher Schaden droht, kann vielmehr regelmäßig nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei ist maßgeblich auf die Sicht des Schädigers abzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.2002 - II ZR 355/00, NJW 2002, 2553, 2554; OLG Hamm NJW-RR 1998, 380; Bamberger/Roth/Grüneberg, BGB, § 254 Rdn. 28). Dabei ist auch in Rechnung zu stellen, welche Höhe Schäden erfahrungsgemäß - also nicht nur selten - erreichen. Da insoweit die Sicht des Schädigers maßgeblich ist, ist namentlich zu berücksichtigen, in welcher Höhe dieser, soweit für ihn die Möglichkeit einer vertraglichen Disposition besteht, Haftungsrisiken einerseits vertraglich eingeht und andererseits von vornherein auszuschließen bemüht ist. Angesichts dessen, dass hier in ersterer Hinsicht Beträge in Höhe von 1.000 DM und in letzterer Hinsicht 50.000 US-$ im Raum stehen, liegt es aus der Sicht des Senats nahe, die Gefahr eines besonders hohen Schadens i.S. des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB in solchen Fällen anzunehmen, in denen der Wert der Sendung 5.000 €, d.h. etwa den zehnfachen Betrag der Haftungshöchstgrenze gemäß der Nr. 10 der Beförderungsbedingungen übersteigt, die die Beklagte ihren Beförderungsleistungen zugrunde legt, soweit Vertragsfreiheit besteht.
25
dd) Da es bei einem Mitverschulden wegen des unterlassenen Hinweises auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens nicht auf die Kenntnis des Auftraggebers ankommt, dass der Frachtführer das Gut mit größerer Sorgfalt behandelt hätte, ist es insoweit auch unerheblich, wer Vertragspartner der Beklagten war. Eine Wertangabe ist weder durch die Versicherungsnehmerin noch durch die Y. GmbH erfolgt.
26
4. Die Haftungsabwägung nach § 254 BGB obliegt grundsätzlich dem Tatrichter (BGHZ 149, 337, 355; BGH, Urt. v. 17.6.2004 - I ZR 263/01, TranspR 2004, 399, 402).
27
Im Rahmen der Haftungsabwägung ist zu beachten, dass die Reichweite des bei wertdeklarierten Sendungen gesicherten Bereichs einen für die Bemessung des Mitverschuldensanteils relevanten Gesichtspunkt darstellt: Je größer der gesicherte Bereich ist, desto größer ist auch der Anteil des Mitverschuldens des Versenders, der durch das Unterlassen der Wertangabe den Transport der Ware außerhalb des gesicherten Bereichs veranlasst (BGH TranspR 2003, 317, 318).
28
Ferner ist der Wert der transportierten Ware von Bedeutung: Je höher der tatsächliche Wert der nicht wertdeklarierten Sendung ist, desto gewichtiger ist der in dem Unterlassen der Wertdeklaration liegende Schadensbeitrag. Denn je höher der Wert der zu transportierenden Sendung ist, desto offensichtlicher ist es, dass die Beförderung des Gutes eine besonders sorgfältige Behandlung durch den Spediteur erfordert, und desto größer ist das in dem Unterlassen der Wertdeklaration liegende Verschulden des Versenders gegen sich selbst.
29
III. Danach war das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird, soweit es zu der Beurteilung kommen sollte, dass der Klageanspruch nicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB zu mindern ist, auch die Möglichkeit zu prüfen haben, ob sich eine Minderung des Klageanspruchs aus § 254 Abs. 1 BGB ergibt.
Ullmann v.Ungern-Sternberg Bornkamm
Pokrant Schaffert
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 22.07.2002 - 415 O 54/01 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 06.03.2003 - 6 U 170/02 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 175/05 Verkündet am:
3. Mai 2007
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Bergmann und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. August 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht über einen Betrag von 14.561,41 € (Summe der für die Schadensfälle 1 bis 9, 11 bis 13 und 16 bis 25 geltend gemachten Ersatzbeträge) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 556,29 € seit dem 25. Februar 2002, 2.131,72 € seit dem 11. Oktober 2000, 386,86 € seit dem 16. November 2000, 1.656,94 € seit dem 6. März 2001, 1.117,01 € seit dem 16. März 2001, 2.479,77 € seit dem 6. April 2001, 3.510,50 € seit dem 1. Mai 2001, 1.638,54 € seit dem 26. Mai 2001, 929,78 € seit dem 21. Juli 2001 hinaus zum Nachteil der Beklagten erkannt und dabei ein Mitverschulden der Klägerin verneint hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist Transportversicherer der N. AG in Osnabrück (im Folgenden: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, aus abgetretenem und übergegangenem Recht wegen Verlusts von Transportgut in 26 Fällen auf Schadensersatz in Anspruch. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind nur die Schadensfälle 10, 14, 15 und 26.
2
Schadensfall 10: Am 7. September 2000 übergab die Versicherungsnehmerin der Beklagten zwei Pakete, die Waren im Wert von insgesamt 12.140,89 DM (= 6.207,54 €) enthielten, zur Beförderung nach Frankfurt am Main.
3
Schadensfall 14: Am 28. September 2000 übergab die Versicherungsnehmerin dem Abholfahrer der Beklagten unter anderem ein Paket zur Beförderung nach Neu-Ulm, das Waren im Wert von 11.760 DM (= 6.012,79 €) enthielt.
4
Schadensfall 15: Am 6. Oktober 2000 übergab die Versicherungsnehmerin der Beklagten ein Paket mit Waren im Wert von 5.880 DM (= 3.006,40 €) zur Beförderung nach Neu-Ulm.
5
Schadensfall 26: Am 22. November 2000 übergab die Versicherungsnehmerin der Beklagten unter anderem ein Paket zur Beförderung nach Hagen, das Waren im Wert von 5.715,22 DM (= 2.922,15 €) enthielt.
6
In allen Fällen gerieten die der Beklagten zur Beförderung übergebenen Pakete während deren Gewahrsamszeit in Verlust. Die Beklagte hat der Versi- cherungsnehmerin im Schadensfall 10 (Verlust von zwei Paketen) 2.000 DM und in den Schadensfällen 14, 15 und 26 jeweils 1.000 DM ersetzt.
7
Den Transportaufträgen lagen die Beförderungsbedingungen der Beklagten Stand: Februar 1998 zugrunde, die auszugsweise folgende Regelungen enthielten: "… 10. Haftung … In den Fällen, in denen das WA oder CMR-Abkommen nicht gelten, wird die Haftung von U. durch die vorliegenden Beförderungsbedingungen geregelt. U. haftet bei Verschulden für nachgewiesene direkte Schäden bis zu einer Höhe von … 1.000 DM pro Sendung in der Bundesrepublik Deutschland oder bis zu dem nach § 54 ADSp … ermittelten Erstattungsbetrag, je nach dem, welcher Betrag höher ist, es sei denn, der Versender hat, wie im Folgenden beschrieben, einen höheren Wert angegeben. Die Wert- und Haftungsgrenze wird angehoben durch die korrekte Deklaration des Werts der Sendung. … Diese Wertangabe gilt als Haftungsgrenze. Der Versender erklärt durch die Unterlassung der Wertangabe, dass sein Interesse an den Gütern die oben genannte Grundhaftung nicht übersteigt. … Vorstehende Haftungsbegrenzungen gelten nicht bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit von U. , seiner gesetzlichen Vertreter oder Erfüllungsgehilfen. …"
8
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hafte für den Verlust des Transportguts in voller Höhe.
9
Die Klägerin hat hinsichtlich der im Revisionsverfahren noch anhängigen Schadensfälle beantragt, die Beklagte zu verurteilen, 15.592,40 € nebst Zinsen zu zahlen.
10
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, die Klägerin müsse sich ein haftungsausschließendes Mitverschulden anrechnen lassen, weil ihre Versicherungsnehmerin eine Wertdeklaration unterlassen habe. Im Falle einer Wertdeklaration behandele sie die ihr zur Beförderung übergebenen Pakete sorgfältiger, sofern deren Wert 5.000 DM übersteige.
11
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.
12
Der Senat hat die Revision der Beklagten beschränkt auf die Fälle 10, 14, 15 und 26 und insoweit beschränkt auf das Mitverschulden zugelassen. In diesem Umfang verfolgt die Beklagte mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:


13
I. Das Berufungsgericht hat eine unbeschränkte Haftung der Beklagten für den Verlust der Pakete nach den §§ 425, 435 HGB i.V. mit § 398 BGB angenommen. Zur Begründung hat es - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt:
14
Die Klägerin müsse sich kein Mitverschulden ihrer Versicherungsnehmerin am Verlust der Pakete gemäß § 254 Abs. 1 BGB wegen unterlassener Wertdeklaration zurechnen lassen. Dies folge schon daraus, dass die Versicherungsnehmerin keine Kenntnis davon gehabt habe, dass die Beklagte Wertpakete mit einer Wertdeklaration sicherer befördere. Zudem fehle es an nachvollziehbarem Vortrag und Beweisantritt dazu, dass die behaupteten Kontrollen bei Wertpaketen auch bei dem zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten praktizierten EDI-Verfahren stattfinden könnten.
15
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen im Umfang der Zulassung der Revision zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann in den noch anhängigen Schadensfällen ein Mitverschulden der Versenderin in Betracht kommen.
16
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Mitverschuldenseinwand auch im Fall des qualifizierten Verschuldens i.S. von § 435 HGB zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Urt. v. 5.6.2003 - I ZR 234/00, TranspR 2003, 467, 471; Urt. v. 23.10.2003 - I ZR 55/01, TranspR 2004, 177, 179).
17
2. Nicht beigetreten werden kann dem Berufungsgericht in seiner Annahme , ein Mitverschulden der Versicherungsnehmerin gemäß § 254 Abs. 1 BGB wegen Unterlassens einer Wertdeklaration komme im vorliegenden Fall nicht in Betracht, weil nicht festgestellt werden könne, dass die Beklagte Pakete bei zutreffender Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt, also besonderen Sicherungen unterstellt hätte und die Versicherungsnehmerin hiervon Kenntnis gehabt habe.
18
a) Das Berufungsgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass ein Versender in einen gemäß § 425 Abs. 2 HGB254 Abs. 1 BGB) beachtlichen Selbstwiderspruch geraten kann, wenn er trotz Kenntnis, dass der Frachtführer die Pakete bei richtiger Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt , von einer Wertdeklaration absieht und bei Verlust gleichwohl vollen Schadensersatz verlangt (vgl. BGHZ 149, 337, 353; BGH, Urt. v. 17.6.2004 - I ZR 263/01, TranspR 2004, 399, 401). Eine solche Kenntnis hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
19
Es ist jedoch weiter davon auszugehen, dass es für ein zu berücksichtigendes Mitverschulden ausreichen kann, wenn der Versender die sorgfältigere Behandlung von Wertpaketen durch den Transporteur hätte erkennen müssen (vgl. BGH, Urt. v. 1.12.2005 - I ZR 284/02, TranspR 2006, 202, 204; Urt. v. 1.12.2005 - I ZR 46/04, TranspR 2006, 205, 206). Von einem Kennenmüssen der Anwendung höherer Sorgfalt bei korrekter Wertangabe kann im Allgemeinen ausgegangen werden, wenn sich aus den Beförderungsbedingungen des Transporteurs ergibt, dass er für diesen Fall bei Verlust oder Beschädigung des Gutes höher haften will. Diese Kenntnis wurde der Versicherungsnehmerin durch Nr. 10 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten vermittelt (vgl. BGH TranspR 2006, 205, 206 f.).
20
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Vortrag der Beklagten, sie behandele wertdeklarierte Pakete sorgfältiger als nicht wertdeklarierte , nicht deshalb unerheblich, weil die verlorengegangenen Pakete jeweils im Wege des so genannten EDI-Verfahrens versandt worden sind.
21
aa) Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Beklagte nicht dargetan, auf welche Weise sie sicherstellt, dass Wertpakete auch in diesem Verfahren mit erhöhter Beförderungssicherheit transportiert werden.

22
bb) Mit dieser Begründung kann ein Mitverschulden der Versicherungsnehmerin wegen Unterlassens einer Wertdeklaration nicht verneint werden. Die von der Beklagten vorgetragenen zusätzlichen Kontrollen bei der Beförderung von Wertpaketen können allerdings nicht umgesetzt werden, wenn Kunden, die am EDI-Verfahren teilnehmen, bei der Eingabe der Paketdaten zwar eine Wertdeklaration vornehmen, das wertdeklarierte Paket dann aber zusammen mit anderen Paketen in den Feeder geben. Zu Recht weist die Revision aber darauf hin, dass es offenkundig ist, dass eine gesonderte Behandlung im Falle einer gesonderten Übergabe an den Frachtführer möglich ist (vgl. BGH, Urt. v. 20.7.2006 - I ZR 9/05, NJW-RR 2007, 28 Tz 32 = TranspR 2006, 394).
23
Wenn - was mangels Feststellungen des Berufungsgerichts zu Gunsten der Beklagten zu unterstellen ist - die konkrete Ausgestaltung des Versandverfahrens dem Absender keinerlei Anhaltspunkte bietet, auf welche Weise wertdeklarierte Pakete einem besonders kontrollierten Transportsystem zugeführt werden, hat er selbst Maßnahmen zu ergreifen, um auf eine sorgfältigere Behandlung des wertdeklarierten Pakets aufmerksam zu machen (vgl. BGH NJWRR 2007, 28 Tz 32). Ein schadensursächliches Mitverschulden der Versenderin kommt deshalb in Betracht, weil sie hätte erkennen können, dass eine sorgfältigere Behandlung durch die Beklagte nur gewährleistet ist, wenn wertdeklarierte Pakete nicht mit anderen Paketen in den Feeder gegeben, sondern dem Abholfahrer der Beklagten gesondert übergeben werden. Dass eine solche gesonderte Übergabe an den Abholfahrer erforderlich ist, liegt angesichts der Ausgestaltung des vorliegend angewandten Verfahrens, das im beiderseitigen Interesse der Beschleunigung des Versands darauf angelegt ist, dass Paketkontrollen zunächst unterbleiben (vgl. BGH, Urt. v. 4.5.2005 - I ZR 235/02, TranspR 2005, 403, 404), für einen ordentlichen und vernünftigen Versender auf der Hand (BGH NJW-RR 2007, 28 Tz 32).

24
c) Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die unterlassenen Wertangaben auf den in Verlust geratenen Paketen die Schäden mit verursacht haben , weil die Beklagte bei richtiger Wertangabe und entsprechender Bezahlung des höheren Beförderungstarifs ihre Sorgfaltspflichten besser erfüllt hätte.
25
Gelingt der Beklagten dieser Beweis nicht, wird sich das Berufungsgericht mit dem Einwand des Mitverschuldens nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB auseinanderzusetzen haben, der nicht die Feststellung voraussetzt, dass der Frachtführer Wertsendungen generell sicherer befördert. Die Kausalität des Mitverschuldenseinwands nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB kann nur verneint werden, wenn der Transporteur trotz eines Hinweises auf den ungewöhnlichen Wert des Gutes keine besonderen Maßnahmen ergriffen hätte (BGH, Urt. v. 1.12.2005 - I ZR 265/03, TranspR 2006, 208, 209). Ein ungewöhnlich hoher Schaden i.S. dieser Vorschrift ist jedenfalls im Schadensfall 14 gegeben, da der Wert des Paketinhalts 5.000 € übersteigt (vgl. BGH TranspR 2006, 208, 209; NJW-RR 2007, 28 Tz 34). Bei dem Schadensfall 10 kann dies aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Zwar lag der Wert des in Verlust geratenen Gutes über 5.000 €. Zu berücksichtigen ist aber insoweit , dass zwei Pakete verlorengegangen sind. Nach dem Zweck der Obliegenheit zur Warnung vor der Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens, der darin besteht, den Schädiger auf eine für ihn nicht erkennbare Gefahr hinzuweisen (vgl. MünchKomm.BGB/Oetker, 5. Aufl., § 254 Rdn. 70 ff.), kommt es maßgeblich auf den Wert eines Pakets an (vgl. BGH TranspR 2006, 208, 209). Die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens kann daher nur dann angenommen werden, wenn in einem der Pakete Waren in einem Wert von mehr als 5.000 € enthalten gewesen sind. Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.

26
III. Danach kann das angefochtene Urteil, soweit es von der Revision angegriffen wird, keinen Bestand haben. Es ist daher auf die Revision der Beklagten aufzuheben, soweit das Berufungsgericht in den Verlustfällen 10, 14, 15 und 26 ein Mitverschulden der Versicherungsnehmerin verneint hat. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision einschließlich der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Bornkamm Pokrant RiBGH Prof. Dr. Büscher ist inUrlaubundkanndeswegennichtunterschreiben. Bornkamm Bergmann RiBGH Dr. Kirchhoff ist in Urlaub und kann deswegen nicht unterschreiben. Bornkamm
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 09.09.2004 - 31 O 109/01 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.08.2005 - I-12 U 4/05 -

(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 265/03 Verkündet am:
1. Dezember 2005
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
Ein Mitverschulden wegen Absehens von einem Hinweis auf die Gefahr eines
ungewöhnlich hohen Schadens (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) setzt nicht die Feststellung
voraus, dass der Frachtführer Wertsendungen generell sicherer befördert.
Die Kausalität des Mitverschuldenseinwands nach § 254 Abs. 2 Satz 1
BGB kann nur verneint werden, wenn der Transporteur trotz eines Hinweises
auf den ungewöhnlichen Wert des Gutes keine besonderen Maßnahmen ergriffen
hätte.
BGH, Urt. v. 1. Dezember 2005 - I ZR 265/03 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 1. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann
und die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Bergmann

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. November 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht ein Mitverschulden der Klägerin verneint hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin nimmt die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt , wegen des Verlustes von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagte führt für die Klägerin, mit der sie in laufender Geschäftsbeziehung steht, den Transport von Paketsendungen zu fest vereinbarten Preisen durch.
Den dabei geschlossenen Verträgen liegen die Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten zugrunde.
2
Die im Streitfall maßgeblichen Beförderungsbedingungen der Beklagten (Stand: Februar 1998) enthielten neben dem Hinweis auf die Geltung der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen u.a. folgende Regelungen: "… 2. Transportierte Güter und Servicebeschränkungen Sofern nicht schriftlich abweichend mit U. vereinbart, bietet U. den Transport von Gütern unter folgenden Einschränkungen an: …
b) Die Wert- oder Haftungshöchstgrenze ist pro Paket einer Sendung auf den Gegenwert von 50.000 $ in der jeweiligen Landeswährung begrenzt, es sei denn, dies ist in der jeweils gültigen U. -Tariftabelle anders festgelegt. … … 10. Haftung In den Fällen, in denen die im WA oder im CMR-Abkommen festgelegten Haftungsbestimmungen Anwendung finden … wird die Haftung von U. durch diese Bestimmungen geregelt und entsprechend dieser Bestimmungen begrenzt. In den Fällen, in denen das WA oder das CMR-Abkommen nicht gelten, wird die Haftung von U. durch die vorliegenden Beförderungsbedingungen geregelt. U. haftet bei Verschulden für nachgewiesene direkte Schäden bis zu einer Höhe von … DM 1.000 pro Sendung in der Bundesrepublik Deutschland oder bis zu dem nach § 54 ADSp … ermittelten Erstattungsbetrag , je nach dem, welcher Betrag höher ist, es sei denn, der Versender hat, wie im Folgenden beschrieben, einen höheren Wert angegeben. Die Wert- und Haftungsgrenze wird angehoben durch die korrekte Deklaration des Wertes der Sendung … . Diese Wertangabe gilt als Haftungsgrenze. Der Versender erklärt durch die Unterlassung der Wertangabe, dass sein Interesse an den Gütern die oben genannte Grundhaftung nicht übersteigt. … Vorstehende Haftungsbegrenzungen gelten nicht bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit von U. , seiner gesetzlichen Vertreter oder Erfüllungsgehilfen. Sofern vom Versender nicht anders vorgeschrieben, kann U. die Wertzuschläge als Prämie für die Versicherung der Interessen des Versenders in seinem Namen an ein oder mehrere Versicherungsunternehmen weitergeben. …"
3
Die Klägerin übergab der Beklagten am 18. September 2000 fünf Kartons zur Beförderung von Raunheim nach Rosmalen (Niederlande). Die Sendung gelangte per Lkw in das Lager der Schwestergesellschaft der Beklagten in Eindhoven (Niederlande), ging dann aber verloren. Den Wert der Sendung hatte die Klägerin nicht angegeben.
4
Die Klägerin hat behauptet, in den Paketen hätten sich 2.218 Speichermodule mit einem Handelswert von insgesamt 316.286,90 DM befunden. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse den Schaden wegen qualifizierten Verschuldens in voller Höhe ersetzen. Ein Mitverschulden wegen unterlassener Wertdeklaration sei ihr nicht anzulasten, da die fehlende Wertangabe für den Schadenseintritt nicht kausal gewesen sei. Denn die Beklagte befördere Wertsendungen nicht anders als Standardsendungen.
5
Nachdem der Transportversicherer der Klägerin dieser den Schaden ersetzt hat, hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die (näher bezeichnete) Transportversicherung der Klägerin 176.722,40 € nebst Zinsen zu zahlen.

6
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat die Auffassung vertreten , über eine ausreichende Betriebsorganisation zu verfügen, so dass ihr ein qualifiziertes Verschulden nicht angelastet werden könne. Jedenfalls müsse sich die Klägerin ein Mitverschulden wegen der unterlassenen Wertdeklaration entgegenhalten lassen. Hätte die Klägerin den Wert der Sendung angegeben, wäre diese während des Transports besser kontrolliert worden.
7
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 161.714,87 € nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg.
8
Mit ihrer vom Senat beschränkt auf die Frage des Mitverschuldens zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


9
I. Das Berufungsgericht hat der Klägerin einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß Art. 17 Abs. 1, Art. 29 CMR zuerkannt. Dazu hat es ausgeführt:
10
Der Beklagten falle ein qualifiziertes Verschulden i.S. von Art. 29 CMR zur Last, da sie an ihren Umschlagstellen keine ausreichenden Eingangs- und Ausgangskontrollen durchführe. Die Klägerin habe hierauf auch nicht verzichtet.
11
Die Klägerin habe nach den für das Berufungsgericht bindenden Feststellungen des Landgerichts bewiesen, dass die in Verlust geratene Warensendung einen Handelswert von insgesamt 316.286,90 DM gehabt habe.
12
Eine Mithaftung der Klägerin gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB komme nicht in Betracht, weil kein ungewöhnlich hoher Schaden eingetreten sei. Ein solcher Schaden sei erst oberhalb eines Wertes von 50.000 US-Dollar pro Paket anzunehmen, da die Beklagte nach ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen Pakete mit einem Inhalt bis zu diesem Wert als Standardsendungen befördern wolle und deshalb auch bis zu diesem Wert mit einem Schadenseintritt rechnete. Im vorliegenden Fall hätten sich in keinem der Pakete Waren mit einem Wert von mehr als 36.455,11 € befunden. Der Beklagten sei zudem bereits vor der hier in Rede stehenden Versendung bekannt gewesen, dass die Klägerin Speichermodule herstelle und versende.
13
II. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit das Berufungsgericht ein Mitverschulden der Klägerin wegen unterlassener Wertdeklaration verneint hat, und im Umfang der Aufhebung zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
14
1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Klägerin müsse sich das Unterlassen eines Hinweises auf den ungewöhnlich hohen Wert bei der in Verlust geratenen Sendung nicht als Mitverschulden (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) anrechnen lassen.
15
a) Die Anwendung des § 254 BGB kommt auch bei einem dem Haftungsregime der CMR unterfallenden Transport in Betracht. Unabhängig davon, ob das Haftungssystem der CMR im Rahmen der Haftung nach Art. 17 Abs. 1 CMR den Mitverschuldenseinwand nach § 254 BGB ausschließt, kann der Frachtfüh- rer jedenfalls im Rahmen der verschärften Haftung nach Art. 29 CMR einwenden , dass es der Ersatzberechtigte vor Vertragsschluss trotz Kenntnis oder Kennenmüssen der Tatsache, dass mit der Angabe des tatsächlichen Wertes der Sendung gegen höheren Tarif auch eine sicherere Beförderung verbunden ist, unterlassen hat, den wirklichen Wert des zu transportierenden Gutes anzugeben (§ 254 Abs. 1 BGB).
16
Im Rahmen der Haftung nach Art. 29 CMR kann sich ein anspruchsminderndes Mitverschulden zudem aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB ergeben, wenn der Geschädigte es unterlassen hat, den Frachtführer im Hinblick auf den Wert des Gutes auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die dieser weder kannte noch kennen musste und der Frachtführer deshalb keinen Anlass gesehen hat, besondere Vorsorgemaßnahmen zur Schadensverhinderung zu treffen (vgl. BGHZ 149, 337, 353; BGH, Urt. v. 8.5.2003 - I ZR 234/02, TranspR 2003, 317, 318 = NJW-RR 2003, 1473). Insoweit ist lückenfüllend nationales Recht heranzuziehen (BGH, Urt. v. 20.1.2005 - I ZR 95/01, TranspR 2005, 311, 314; Urt. v. 19.5.2005 - I ZR 238/02, Umdruck S. 9; Koller, Transportrecht, 5. Aufl., Art. 29 CMR Rdn. 8).
17
b) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Mitverschuldenseinwand auch im Fall des qualifizierten Verschuldens i.S. von Art. 29 Abs. 1 CMR i.V. mit § 435 HGB zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Urt. v. 5.6.2003 - I ZR 234/00, TranspR 2003, 467, 471; Urt. v. 23.10.2003 - I ZR 55/01, TranspR 2004, 177, 179 = NJW-RR 2004, 394).
18
c) Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch gegen die Annahme des Berufungsgerichts, ein ungewöhnlich hoher Schaden i.S. von § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB liege erst bei einem Wert der Sendung oberhalb von 50.000 USDollar vor, weil die Beklagte nach ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen bereit sei, Pakete mit einem Inhalt bis zu diesem Wert als Standardsendungen zu befördern.
19
aa) Bei dem Mitverschuldenseinwand nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB kommt es nicht darauf an, ob der Auftraggeber Kenntnis davon hatte oder hätte wissen müssen, dass der Frachtführer das Gut mit größerer Sorgfalt behandelt hätte, wenn er den tatsächlichen Wert der Sendung gekannt hätte. Den Auftraggeber trifft vielmehr eine allgemeine Obliegenheit, auf die Gefahr eines außergewöhnlich hohen Schadens hinzuweisen, um seinem Vertragspartner die Möglichkeit zu geben, geeignete Maßnahmen zur Verhinderung eines drohenden Schadens zu ergreifen. Daran wird der Schädiger jedoch gehindert, wenn er über die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens im Unklaren gelassen wird (vgl. BGH TranspR 2005, 311, 314 f.).
20
bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt ein ungewöhnlich hoher Schaden nicht erst bei einem Wert der Sendung oberhalb von 50.000 US-Dollar vor. Die Voraussetzung einer ungewöhnlichen Höhe des Schadens lässt sich nicht in einem bestimmten Betrag oder in einer bestimmten Wertrelation (etwa zwischen dem unmittelbar gefährdeten Gut und dem Gesamtschaden ) angeben (vgl. Staudinger/Schiemann, BGB [2005], § 254 Rdn. 75). Die Frage, ob ein ungewöhnlich hoher Schaden droht, kann vielmehr regelmäßig nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei ist maßgeblich auf die Sicht des Schädigers abzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 18.2.2002 - II ZR 355/00, NJW 2002, 2553, 2554; OLG Hamm NJW-RR 1998, 380; Bamberger/Roth/Grüneberg, BGB, § 254 Rdn. 28). Es ist dabei auch in Rechnung zu stellen, welche Höhe Schäden erfahrungsgemäß - also nicht nur selten - erreichen. Da insoweit die Sicht des Schädigers maßgeblich ist, ist vor allem zu berücksichtigen, in welcher Höhe dieser, soweit für ihn die Möglichkeit einer vertraglichen Disposition besteht, Haftungsrisiken einerseits vertraglich eingeht und andererseits von vornherein auszuschließen bemüht ist. Angesichts dessen, dass hier in erster Hinsicht ein Betrag von 1.000 DM und in zweiter Hinsicht 50.000 US-Dollar im Raum stehen, liegt es aus der Sicht des Senats nahe, die Gefahr eines besonders hohen Schadens i.S. des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB in solchen Fällen anzunehmen, in denen der Wert der Sendung 5.000 €, also etwa den zehnfachen Betrag der Haftungshöchstgrenze gemäß Nr. 10 der Beförderungsbedingungen der Beklagten , übersteigt.
21
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts befanden sich in vier der fünf abhanden gekommenen Pakete jeweils 500 Speichermodule, die einen Handelswert von 142,60 DM (72,91 €) je Einzelstück hatten. Dementsprechend hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Wert des Inhalts dieser verloren gegangenen Pakete jeweils 36.455,11 € betragen hat. In dem fünften abhanden gekommenen Paket waren noch 218 der insgesamt 2.218 versandten Speichermodule enthalten, so dass der Wert des Inhaltes dieses Pakets bei 15.894,38 € gelegen hat. Danach hat bereits im Falle des Verlustes auch nur eines Pakets aus der der Beklagten am 18. September 2000 zum Transport übergebenen Sendung die Gefahr eines außergewöhnlich hohen Schadens gedroht.
22
d) Ein Mitverschulden wegen Absehens von einem Hinweis auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens setzt nicht die Feststellung voraus, dass der Frachtführer Wertsendungen generell sicherer befördert. Mit dem Hinweis auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens muss dem Frachtführer die Gelegenheit gegeben werden, im konkreten Fall Sicherungsmaßnahmen zur Abwendung eines drohenden Schadens zu ergreifen oder die Durchführung des Auftrags abzulehnen. Die Kausalität des Mitverschuldenseinwands nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB kann nur verneint werden, wenn die Beklagte trotz eines Hinweises auf den ungewöhnlichen Wert des Gutes keine besonderen Maßnahmen ergriffen hätte. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - dazu bislang keine Feststellungen getroffen.
23
2. Der Mitverschuldenseinwand der Beklagten scheitert entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht an der fehlenden Kausalität der unterlassenen Wertdeklaration für den eingetretenen Schaden, weil die Beklagte aufgrund des ihr bekannten Unternehmensgegenstandes der Klägerin mit einem hohen Warenwert habe rechnen müssen.
24
Die Kausalität eines Mitverschuldens wegen unterlassener Wertangabe lässt sich in solchen Fällen nur verneinen, wenn der Schädiger zumindest gleich gute Erkenntnismöglichkeiten vom Wert der Sendung hat wie der Geschädigte (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.1952 - II ZR 56/52, VersR 1953, 14; MünchKomm.BGB/ Oetker, 4. Aufl., § 254 Rdn. 72; Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 254 Rdn. 38). So hat der Senat den Mitverschuldenseinwand nicht für begründet erachtet, wenn der Frachtführer bei einer Nachnahmesendung aufgrund des einzuziehenden Betrags vom Wert des Gutes Kenntnis hat (vgl. BGH, Urt. v. 3.2.2005 - I ZR 276/02, TranspR 2005, 208, 209 = NJW-RR 2005, 1058). Im vorliegenden Fall ist indes eine entsprechende Kenntnis der Beklagten nicht festgestellt. Die Klägerin hatte vielmehr einen Wissensvorsprung gegenüber der Beklagten, da sie den Wert der zum Versand gebrachten Ware genau kannte, während der Beklagten allenfalls bewusst sein musste, dass sich in den Paketen Ware befand, die möglicherweise höherwertig war. Der Beklagten kann allein aus dem Umstand, dass sie den Unternehmensgegenstand der Klägerin kannte, nicht die Kenntnis unterstellt werden, dass ihr jeweils Güter von erheblichem Wert zur Beförderung übergeben würden.
25
3. Die Haftungsabwägung nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB obliegt grundsätzlich dem Tatrichter (vgl. BGHZ 149, 337, 355; BGH, Urt. v. 17.6.2004 - I ZR 263/01, TranspR 2004, 399, 402).
26
III. Danach konnte das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Es war auf die Revision der Beklagten aufzuheben, soweit das Berufungsgericht ein Mitverschulden der Klägerin wegen des unterlassenen Hinweises auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens verneint hat. Im Umfang der Aufhebung war die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Ullmann v.Ungern-Sternberg Pokrant
Büscher Bergmann
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 06.11.2002 - 13 O 530/01 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.11.2003 - I-18 U 236/02 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 118/06 Verkündet am:
11. September 2008
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
die Richter Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Koch

für Recht erkannt:
Die Anschlussrevision der Klägerin gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 31. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
Auf die Revision der Beklagten wird das genannte Urteil unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht über einen Betrag von 9.765,86 € (Summe der auf die Schadensfälle 1, 3, 7, 14 und 16 entfallenden Ersatzbeträge) nebst 5% über dem Basiszinssatz aus 2.476,70 € seit dem 10. Februar 2001, aus 2.941,80 € seit dem 30. Juni 2001 und aus 4.347,37 € seit dem 10. November 2003 hinaus zum Nachteil der Beklagten erkannt hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde und des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist Assekuradeurin der Transportversicherer der T. GmbH in Oberhausen (im Folgenden: Versenderin). Sie nimmt die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, aus abgetretenem und übergegangenem Recht der Versenderin wegen des Verlusts von Transportgut in - soweit der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt ist - 18 Fällen (Schadensfälle 1 bis 3, 5, 6, 8 bis 12, 14, 15, 19 bis 23 und 26) auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Die von der Beklagten ab November 2000 verwendeten Beförderungsbedingungen enthielten auszugsweise folgende Regelungen: … 2. Serviceumfang Sofern keine besonderen Dienstleistungen vereinbart werden, beschränkt sich der von U. angebotene Service auf Abholung, Transport , Zollabfertigung (sofern zutreffend) und Zustellung der Sendung. Um die vom Versender gewünschte kurze Beförderungsdauer und das niedrige Beförderungsentgelt zu ermöglichen, werden die Sendungen im Rahmen einer Sammelbeförderung transportiert. Der Versender nimmt mit der Wahl der Beförderungsart in Kauf, dass aufgrund der Massenbeförderung nicht die gleiche Obhut wie bei einer Einzelbeförderung gewährleistet werden kann. Der Versender ist damit einverstanden, wenn eine Kontrolle des Transportweges, insbesondere durch Ein- und Ausgangsdokumentation, an den einzelnen Umschlagstellen innerhalb des U. -Systemes nicht durchgeführt wird. Soweit der Versender eine weitergehende Kontrolle der Beförderung wünscht, wählt er die Beförderung als Wertpaket.
3. Beförderungsbeschränkungen (a) U. befördert keine Waren, die nach Maßgabe der folgenden Absätze (i) bis (iv) vom Transport ausgeschlossen sind. … (ii) Der Wert eines Pakets darf den Gegenwert von US-$ 50.000 in der jeweiligen Landeswährung nicht überschreiten. … … 9. Haftung … 9.2 Gelten keine Abkommensbestimmungen oder sonstige zwingende nationale Gesetze, wird die Haftung ausschließlich durch diese Bedingungen geregelt. In Deutschland ist die Haftung für Verlust oder Beschädigung begrenzt auf nachgewiesene direkte Schäden bis maximal DM 1.000,00 pro Sendung oder 8,33 SZR für jedes Kilogramm, je nachdem welcher Betrag höher ist. … … Vorstehende Haftungsbegrenzungen gelten nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die U. , seine gesetzlichen Vertreter, oder Erfüllungsgehilfen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein, dass der Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen haben. … 9.4 Die Haftungsgrenze nach Ziffer 9.2 wird angehoben durch korrekte Deklaration eines höheren Wertes der Sendung auf dem Frachtbrief und durch Zahlung des in der ‚Tariftabelle und Serviceleistungen' aufgeführten Zuschlages auf den angegebenen Wert (Wertpaket). In keinem Fall dürfen die in Absatz 3 (a) (ii) festgesetzten Grenzen überschritten werden. Der Versender erklärt durch Unterlassung einer Wertdeklaration, dass sein Interesse an den Gütern die in Ziffer 9.2 genannte Grundhaftung nicht übersteigt. … …

3
Die Versenderin war in den Jahren 2000 und 2001 Großkundin der Beklagten und nahm am sogenannten EDI-Verfahren teil, wobei sie die Beklagte mit dem Transport von Paketen mit Telefonkarten innerhalb Deutschlands beauftragte. In den in der Revisionsinstanz noch streitgegenständlichen Fällen erreichten die Pakete die Empfänger nicht.
4
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte hafte für den Verlust des Transportgutes in voller Höhe. Darüber hinaus habe die Beklagte ihr die für die Ermittlung der Schadensursache an die C. (im Folgenden: GmbH C.-GmbH) gezahlten Kosten zu ersetzen.
5
Die Beklagte ist demgegenüber der Auffassung, die Klägerin müsse sich ein Mitverschulden der Versenderin zurechnen lassen, weil diese eine Wertdeklaration unterlassen habe. Die Kosten für die Ermittlung der Schadensursache seien nicht erstattungsfähig.
6
Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der im Revisionsverfahren noch interessierenden Schadensfälle und der Ermittlungskosten im vollen Umfang stattgegeben.
7
Das Berufungsgericht hat die Klage hinsichtlich der Ermittlungskosten abgewiesen und ist im Übrigen von einem schadensursächlich gewordenen Mitverschulden der Versenderin ausgegangen.
8
Der Senat hat die Revision der Beklagten beschränkt auf die Frage des Mitverschuldens zugelassen. In diesem Umfang verfolgt die Beklagte mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.
9
Die Klägerin hat Anschlussrevision eingelegt und mit ihr den vom Berufungsgericht abgewiesenen Anspruch auf Ersatz der an die C.-GmbH gezahlten Ermittlungskosten weiterverfolgt. Die Beklagte beantragt, die Anschlussrevision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


10
A. Das Berufungsgericht hat in den 18 Fällen, in denen der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt ist, eine unbeschränkte Haftung der Beklagten für den Verlust der Pakete nach § 425 Abs. 1, § 435 HGB angenommen. Die Klägerin müsse sich allerdings jeweils ein Mitverschulden nach § 425 Abs. 2 HGB, § 254 Abs. 2 BGB anrechnen lassen, weil die Versenderin die Beklagte bei Abschluss der Frachtverträge nicht darauf hingewiesen habe, dass ihr ein ungewöhnlich hoher Schaden drohe, wenn die Pakete verlorengingen. Die Gefahr eines solchen Schadens bestehe, wenn der Wert der Sendung 5.000 € übersteige. Bei der Haftungsabwägung sei neben dem Wert der transportierten Ware zu berücksichtigen, dass das einem Versender anzulastende Verschulden im Fall des § 254 Abs. 2 BGB weniger schwer wiege als im Fall des § 254 Abs. 1 BGB. Das Mitverschulden könne nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht höher als 50% angesetzt werden. Es sei daher eine stufenweise Kürzung des Schadensersatzanspruchs geboten. Für die ersten 5.000 € Warenwert bleibe der Anspruch ungekürzt, für den zwischen 5.000,01 € und 10.000 € liegenden Warenwert sei eine Kürzung um 20% vorzunehmen. Bei Warenwerten über 10.000,01 € sei die Quote für jede angefangenen weiteren 5.000 € um einen Prozentpunkt zu erhöhen. Dies führe im Streitfall zwar zu Kürzungen des Schadensersatzanspruchs der Klägerin. Die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche seien aber insgesamt höher, so dass die Beklagte insoweit dem Klageantrag entsprechend zu verurteilen sei.
11
Ein Mitverschulden wegen unterlassener Wertdeklaration nach § 425 Abs. 2 HGB, § 254 Abs. 1 BGB sei dagegen zu verneinen. Die Pakete seien im EDI-Verfahren versandt worden. Die Beklagte habe nicht dargetan, auf welche Weise sie sicherstelle, dass Wertpakete auch in diesem Verfahren mit erhöhter Beförderungssicherheit transportiert würden. Es sei davon auszugehen, dass sich die Versenderin mangels Belehrung durch die Beklagte darauf beschränkt hätte, die Wertdeklaration nur im Rahmen der EDV in die Versanddaten aufzunehmen. Dann werde die Sendung aber weiterhin wie eine Standardsendung befördert. Nachdem die Beklagte ihren Großkunden eine Software zur Verfügung gestellt habe, die eine Rubrik für den einzutragenden Haftungswert enthalte , dürfe der EDI-Kunde davon ausgehen, mit der EDV-mäßigen Eintragung des Warenwerts alles Erforderliche getan zu haben, um eine Wertpaketbeförderung in Auftrag zu geben.
12
Ein der Klägerin zurechenbares Mitverschulden folge ferner nicht daraus, dass die Versenderin die Transportaufträge in Kenntnis dessen erteilt habe, dass die Beklagte während des Transports keine durchgehenden Schnittstellenkontrollen durchführe. Die Nummer 2 der Beförderungsbedingungen der Beklagten vermittele diese Kenntnis nicht.
13
Ein Anspruch auf Erstattung der an die C.-GmbH gezahlten Kosten bestehe schon dem Grunde nach nicht.
14
B. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten in den Fällen 2, 5, 6, 8 bis 12, 15, 19 bis 23 und 26 richtet. Sie führen insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Im Übrigen (Fälle 1, 3 und 14) ist die Revision hingegen unbegründet. Keinen Erfolg hat auch die Anschlussrevision der Klägerin.
15
I. Zur Revision der Beklagten
16
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Mitverschuldenseinwand auch im Fall des qualifizierten Verschuldens i.S. von § 435 HGB zu berücksichtigen ist (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 30.1.2008 - I ZR 146/05, TranspR 2008, 117 Tz. 34; Urt. v. 30.1.2008 - I ZR 165/04, TranspR 2008, 122 Tz. 25).
17
2. Das Berufungsgericht hat mit Recht kein der Klägerin anzurechnendes Mitverschulden der Versenderin darin gesehen, dass diese die Transportaufträge in Kenntnis dessen erteilt hat, dass die Beklagte keine durchgehenden Schnittstellenkontrollen durchführt. Die Frage, ob sich eine derartige Kenntnis aus der Nummer 2 der Beförderungsbedingungen der Beklagten entnehmen lässt, braucht in diesem Zusammenhang nicht entschieden zu werden. Denn unabhängig davon reichen jedenfalls die bloße Kenntnis und Billigung der Transportorganisation der Beklagten durch die Versenderin für sich gesehen nicht aus, um ein Mitverschulden zu bejahen (BGH, Urt. v. 30.3.2006 - I ZR 57/03, NJW-RR 2006, 1264 Tz. 35 = TranspR 2006, 250 m.w.N.). Die Revision erhebt in dieser Hinsicht auch keine Rügen.
18
3. Ein Mitverschulden wegen unterlassener Wertdeklaration hat das Berufungsgericht mit Recht wegen fehlender Kausalität verneint.

19
Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht ausdrücklich festgestellt, dass die Beklagte ihren Großkunden, zu denen auch die Versenderin gehörte, eine Software zur Verfügung gestellt hat, die eine Rubrik für den einzutragenden Haftungswert enthielt. In einem solchen Fall reicht eine bloße Wertangabe aus, weil der Versender davon ausgehen kann, dass das Transportunternehmen diese Wertangabe beachten wird (BGH, Urt. v. 1.12.2005 - I ZR 117/04, NJW-RR 2006, 756 Tz. 17 f. = TranspR 2006, 119; Urt. v. 20.7.2006 - I ZR 9/05, NJW-RR 2007, 28 Tz. 30 = TranspR 2006, 394). Wenn die Beklagte ihren Kunden ein derartiges Softwaresystem zur Verfügung stellt, muss sie entweder dafür Sorge tragen, dass die dort eingegebenen Werte von ihr berücksichtigt werden, oder sie muss ihren Kunden gegenüber ausdrücklich und unmissverständlich erklären, auf welchem anderen Wege Wertdeklarationen zu erfolgen haben (BGH NJW-RR 2006, 756 Tz. 18). Nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte nicht dargetan, dass sie ihre Kunden dementsprechend insbesondere darüber belehrt hat, dass auch im Falle einer Wertdeklaration mittels der zur Verfügung gestellten Software eine gesonderte Übergabe an den Abholfahrer erforderlich ist. Es kommt hinzu, dass die Versenderin im vorliegenden Fall zwar keine Werte deklariert hat, die Pakete nach den getroffenen Feststellungen aber auch im Falle einer Wertdeklaration mittels der zur Verfügung gestellten Software wie eine Standardsendung befördert worden wären. Der Verlust der Pakete wäre daher im Falle einer Wertdeklaration ebenfalls eingetreten.
20
4. Ein Mitverschulden der Versenderin hat das Berufungsgericht dagegen mit Recht darin begründet gesehen, dass diese die Beklagte in den Schadensfällen 2, 5, 6, 8 bis 12, 15, 19 bis 23 und 26 nicht auf den Wert der Pakete und den deshalb für den Fall ihres Verlusts drohenden ungewöhnlich hohen Schaden (§ 425 Abs. 2 HGB, § 254 Abs. 2 BGB) hingewiesen hat. Die von ihm vorgenommene Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile sowie die von ihm als geboten angesehene Kürzung des Schadensersatzanspruchs nach festgelegten Prozentsätzen halten der rechtlichen Nachprüfung aber nicht stand.
21
a) Die Gefahr eines besonders hohen Schadens ist dann anzunehmen, wenn der Wert des einzelnen Pakets 5.000 € übersteigt (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH TranspR 2008, 117 Tz. 40; TranspR 2008, 122 Tz. 33, jeweils m.w.N.). Dieser Betrag ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in den Fällen 2, 5, 6, 8 bis 12, 15, 19 bis 22 und 26 sowie darüber hinaus auch im Fall 23 überschritten. Hier lag der Wert des Pakets bei 5.576 €. Dies hat das Berufungsgericht offensichtlich übersehen.
22
b) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass ein Mitverschulden wegen des Unterlassens eines Hinweises auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens nicht die Feststellung voraussetzt, dass der Frachtführer Wertsendungen generell sicherer befördert. Mit dem Hinweis auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens muss dem Frachtführer die Gelegenheit gegeben werden, im konkreten Fall Sicherungsmaßnahmen zur Abwendung eines drohenden Schadens zu ergreifen oder die Durchführung des Auftrags abzulehnen. Die Kausalität des Mitverschuldens nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB kann nur verneint werden, wenn der Transporteur trotz eines Hinweises auf den ungewöhnlichen Wert des Gutes keine besonderen Sicherungsmaßnahmen ergriffen oder nicht mit einer Ablehnung des Auftrags reagiert hätte (vgl. BGH, Urt. v. 1.12.2005 - I ZR 265/03, NJW-RR 2006, 1108 Tz. 22 = TranspR 2006, 208). Beides ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall.
23
c) Die Haftungsabwägung nach § 254 BGB ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Sie kann im Revisionsverfahren jedoch daraufhin überprüft werden, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind (vgl. BGH, Urt. v. 15.2.2007 - I ZR 186/03, NJW-RR 2007, 1110 Tz. 28 = TranspR 2007, 164 m.w.N.). Die Abwägung darf insbesondere nicht schematisch erfolgen, sondern muss alle festgestellten Umstände des Einzelfalls berücksichtigen (BGH, Urt. v. 28.9.2006 - I ZR 198/03, TranspR 2007, 110 Tz. 32). Diesen Anforderungen genügt das Berufungsurteil nicht.
24
aa) Schon der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach das einem Versender anzulastende Verschulden nach § 254 Abs. 2 BGB grundsätzlich weniger schwer wiege als das einem Versender nach § 254 Abs. 1 BGB anzulastende Verschulden, trifft nicht zu. Die zuletzt genannte Bestimmung regelt den Fall, dass bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat. Nach § 254 Abs. 2 BGB kann das Mitverschulden auch darin bestehen, dass der Geschädigte es unterlässt, den Schädiger auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen oder den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Damit enthält § 254 Abs. 2 BGB lediglich - klarstellend - besondere Anwendungsfälle des § 254 Abs. 1 BGB (MünchKomm.BGB/Oetker, 5. Aufl., § 254 Rdn. 68; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 254 Rdn. 36; Erman/Ebert, BGB, 12. Aufl., § 254 Rdn. 53; Looschelders, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht, 1999, S. 163 ff.). Hinsichtlich der Rechtsfolgen trifft § 254 Abs. 1 BGB für sämtliche Fälle des Mitverschuldens eine einheitliche Regelung: Danach sind die Verursachungs - und Verschuldensanteile von Schädiger und Geschädigtem im Einzelfall gegeneinander abzuwägen. Eine (abstrakte) Gewichtung der verschiedenen Fälle des Mitverschuldens, wie sie das Berufungsgericht vorgenommen hat, widerspricht dieser gesetzlichen Regelung.

25
bb) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Wert der transportierten Ware bei der Haftungsabwägung von Bedeutung ist (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 22.11.2007 - I ZR 74/05, TranspR 2008, 30 Tz. 46). Daneben kann bei entsprechendem Sachvortrag des Frachtführers auch im Rahmen des § 254 Abs. 2 BGB die Reichweite des bei wertdeklarierten Sendungen gesicherten Bereichs einen für die Bemessung der Haftungsquote relevanten Gesichtspunkt darstellen: Je größer der gesicherte Bereich ist, desto größer ist auch der Anteil des Mitverschuldens des Versenders, der durch das Unterlassen der Wertangabe den Transport der Ware außerhalb des gesicherten Bereichs veranlasst (BGH TranspR 2008, 30 Tz. 45).
26
cc) Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, wonach der dem Versender anzurechnende Mitverursachungsbeitrag auch bei hohen Werten nicht höher als 50% angesetzt werden darf, trifft dagegen nicht zu. Zwar liegt auf Seiten der Beklagten ein qualifiziertes Verschulden vor, weshalb ihr Verursachungsanteil in der Regel höher zu gewichten ist. Wie der Senat zeitlich nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, kann nach den Umständen des Einzelfalls aber auch ein Mitverschuldensanteil von mehr als 50% in Betracht kommen (BGH, Urt. v. 20.9.2007 - I ZR 43/05, TranspR 2008, 113 Tz. 53; BGH TranspR 2008, 30 Tz. 47). Dies gilt vor allem in Fällen, in denen das Paket aufgrund der Beförderungsbedingungen der Beklagten von einem Transport ausgeschlossen ist. In solchen Fällen kann auch ein vollständiger Wegfall der Haftung des Frachtführers gerechtfertigt sein, wenn der Versender positive Kenntnis davon hat, dass der Frachtführer bestimmte Güter nicht befördern will und sich bei der Einlieferung bewusst über den entgegenstehenden Willen des Frachtführers hinwegsetzt (BGH, Urt. v. 13.7.2006 - I ZR 245/03, NJW-RR 2007, 179 Tz. 35 = TranspR 2006, 448; BGH NJW-RR 2007, 1110 Tz. 30; BGH, Urt. v. 3.5.2007 - I ZR 109/04, TranspR 2007, 405 Tz. 33). Ein solcher Fall liegt hier zwar nicht vor, weil die Wertgrenze von 50.000 US-Dollar nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in keinem Schadensfall erreicht war. Eine höhere Quote als 50% kann aber auch dann sachgerecht sein, wenn der Wert des Pakets - unabhängig vom Überschreiten einer in den Beförderungsbedingungen gesetzten Wertgrenze - sehr deutlich über dem Betrag liegt, ab dem ein Hinweis auf einen ungewöhnlich hohen Schaden hätte erfolgen müssen (BGH TranspR 2008, 30 Tz. 47; TranspR 2008, 113 Tz. 53). Auch wenn dies bei den hier in Rede stehenden Schadensfällen - und zwar auch bei den Fällen 8, 9, 10, 12 und 26, bei denen der Schaden jeweils zwischen 24.000 und 28.000 € liegt - (noch) nicht angenommen werden kann, ist nicht auszuschließen , dass das vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Schema das Ergebnis der von ihm vorgenommenen Abwägung der beiderseitigen Haftungsanteile beeinflusst hat.
27
dd) Bei der Abwägung der Mitverschuldensquote muss zudem auch bei geringeren Paketwerten berücksichtigt werden, dass sie bei hohen Warenwerten nicht zu unangemessenen Ergebnissen führt (BGH TranspR 2008, 30 Tz. 47; TranspR 2008, 113 Tz. 53). Diesem Erfordernis wird die vom Berufungsgericht vorgenommene stufenweise Kürzung des Schadensersatzanspruchs nicht gerecht. Die Revision weist mit Recht darauf hin, dass nach der Tabelle des Berufungsgerichts bei Warenwerten, die dem Gegenwert von 50.000 US-Dollar entsprechen, der Schadensersatzanspruch im Ergebnis lediglich um einen Wert gekürzt wird, der unter 25% liegt. Gemäß Nummer 3 (a) (ii) ihrer Beförderungsbedingungen will die Beklagte Pakete, deren Wert den Gegenwert von 50.000 US-Dollar überschreitet, jedoch nicht befördern. Nach der oben angeführten Rechtsprechung des Senats kann in derartigen Fällen je nach den Umständen des Einzelfalls ein Mitverschuldensanteil von mehr als 50% bis hin zu einem vollständigen Ausschluss der Haftung in Betracht kom- men. Die in der Tabelle des Berufungsgerichts vorgesehenen Quoten entsprechen dem nicht.
28
II. Zur Anschlussrevision der Klägerin
29
1. Die Anschlussrevision ist statthaft, weil ihr Gegenstand in dem insoweit erforderlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Hauptrevision steht (vgl. BGHZ 174, 244 Tz. 38 ff.). Der geltend gemachte Anspruch betrifft eine weitere Schadensposition im Rahmen der Schadensersatzansprüche , die Gegenstand der Hauptrevision sind.
30
2. In der Sache hat die Anschlussrevision aber keinen Erfolg.
31
a) Im Fall des § 435 HGB haftet der Frachtführer auch für Folgeschäden unbeschränkt nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB (vgl. Koller, Transportrecht, 6. Aufl., § 435 HGB Rdn. 19). Er ist daher gemäß diesen Bestimmungen zum Ausgleich der Vermögensnachteile verpflichtet, die mit dem zum Ersatz verpflichtenden Ereignis in einem adäquaten Ursachenzusammenhang stehen. Allerdings sind Aufwendungen, die dem Geschädigten aus von sich aus unternommenen Schritten zur Beseitigung der Störung entstehen, nur dann zu ersetzen , wenn sie aus der Sicht eines verständigen Menschen, der sich in der Lage des Geschädigten befunden hat, als erforderlich erschienen (BGHZ 111, 168, 175 m.w.N.; MünchKomm.BGB/Oetker aaO § 249 Rdn. 179; Palandt/Heinrichs aaO Vorb v § 249 Rdn. 83 und § 249 Rdn. 40).
32
Von diesem Maßstab ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat im Ergebnis mit Recht angenommen, dass die an die C.-GmbH gezahlten Ermittlungskosten nicht erforderlich waren. Die Beauftragung einer Detektei zur Durchführung von Ermittlungen in einem fremden Unternehmen stellt sich von vornherein nur insoweit als sinnvoll dar, als sichergestellt ist, dass dieses Unternehmen die Ermittlungen zulässt. Dass die Beklagte dies vor der Beauftragung der C.-GmbH sichergestellt hätte, hat sie nach den getroffenen Feststellungen nicht vorgetragen.
33
b) Das Berufungsgericht ist des Weiteren mit Recht davon ausgegangen, dass die Kosten für die Ermittlung der Schadensursache auch nicht gemäß § 430 HGB ersatzfähig sind.
34
aa) Der durch ein i.S. des § 435 HGB qualifiziert schuldhaftes Verhalten Geschädigte kann, da er durch die in dieser Bestimmung enthaltene Regelung besser gestellt werden soll als in sonstigen Schadensfällen, allerdings wahlweise auch den nach den §§ 429 bis 431 HGB zu leistenden Ersatz verlangen (vgl. BGH, Urt. v. 3.3.2005 - I ZR 134/02, TranspR 2005, 253, 254; Rinkler, TranspR 2005, 305, 306; a.A. Schriefers, TranspR 2007, 184 ff.).
35
bb) Die Bestimmung des § 430 HGB sieht für Kosten der Schadensfeststellung eine Ausnahme von dem Grundsatz vor, dass schadensbedingte Folgeschäden nach den §§ 425 ff. HGB außer im Fall des § 435 HGB nicht ersatzfähig sind (vgl. BGHZ 169, 187 Tz. 15; Koller aaO § 430 HGB Rdn. 1). Dies hat seinen Grund darin, dass es sich bei solchen Kosten um Aufwendungen handelt , die der Vermögenseinbuße nahestehen, die der Geschädigte infolge des Substanzschadens am Gut erlitten hat. Da durch die Schadensfeststellung der Schadensumfang ermittelt werden soll und sich hiernach auch der infolge des Substanzschadens zu leistende Ersatz bestimmt, sind die bei der Schadensfeststellung angefallenen Kosten untrennbar mit dem Schadensfall verknüpft (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs des Transportrechtsreformgesetzes, BT-Drucks. 13/8445, S. 65). Dies gilt jedoch nicht für solche Kosten, die nicht der Feststellung des Schadensumfangs, sondern der Ermittlung der Schadens- ursache dienen (Koller aaO § 430 HGB Rdn. 3; ebenso wohl auch Gass in Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 430 Rdn. 3, 5; a.A. wohl Fremuth in Fremuth/ Thume, Transportrecht, § 430 HGB Rdn. 4).
36
C. Danach ist das angefochtene Urteil unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen aufzuheben, soweit das Berufungsgericht über einen Betrag von 9.765,86 € (Summe der für die Schadensfälle 1, 3, 7, 14 und 16 zuerkannten Ersatzbeträge) hinaus zum Nachteil der Beklagten erkannt hat. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens , an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Anschlussrevision ist demgegenüber zurückzuweisen.
Bornkamm Pokrant Schaffert
Bergmann Koch
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 09.06.2005 - 31 O 131/03 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 31.05.2006 - I-18 U 105/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 205/06 Verkündet am:
3. Juli 2008
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Im Regelfall ist davon auszugehen, dass der Frachtführer bei einem Hinweis
auf den ungewöhnlich hohen Wert des Transportgutes entweder besondere
Sicherungsmaßnahmen zum Schutz des Gutes vor Verlust ergriffen oder den
Transportauftrag abgelehnt hätte.
BGH, Urt. v. 3. Juli 2008 - I ZR 205/06 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
die Richter Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. November 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin zu 1 ist führender Transportversicherer der A. GmbH in Nettetal (im Folgenden: Versenderin) und deren Konzerngesellschaften. Sie nimmt die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, aus abgetretenem und übergegangenem Recht der Versenderin wegen des Verlustes von Transportgut in zwei Fällen auf Schadensersatz in Anspruch. Die Klägerin zu 2 ist eine Konzerngesellschaft der Versenderin. Sie begehrt von der Beklagten Schadensersatz im Umfang des Selbstbehalts, den die Klägerin zu 1 nicht erstattet hat.
2
Die Versenderin übergab der Beklagten am 30. Januar 2002 und am 14. Februar 2002 jeweils ein Paket zur Beförderung von Nettetal nach Großbritannien. Beide Pakete gingen nach dem Vortrag der Klägerinnen auf dem Transport verloren. Die Klägerin zu 1 hat die Klägerin zu 2 unter Berücksichtigung eines Selbstbehalts der Klägerin zu 2 von 2.500 € in Höhe von 27.531,14 € entschädigt.
3
Den Transportaufträgen lagen die Beförderungsbedingungen der Beklagten zugrunde, die auszugsweise folgende Regelungen enthielten: … 3. Beförderungsbeschränkungen (a) U. befördert keine Waren, die nach Maßgabe der folgenden Absätze (i) bis (iv) vom Transport ausgeschlossen sind. … (ii) Der Wert eines Pakets darf den Gegenwert von USD 50.000 in der jeweiligen Landeswährung nicht überschreiten. … … 9. Haftung … 9.2 Gelten keine Abkommensbestimmungen oder sonstige zwingende nationale Gesetze, wird die Haftung ausschließlich durch diese Bedingungen geregelt. In Deutschland ist die Haftung für Verlust oder Beschädigung begrenzt auf nachgewiesene direkte Schäden bis maximal 510 € pro Sendung oder 8,33 SZR für jedes Kilogramm, je nach dem, welcher Betrag höher ist. … Vorstehende Haftungsbegrenzungen gelten nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die U. , seine gesetzlichen Vertreter oder Erfüllungsgehilfen vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass der Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen haben. … 9.4 Die Haftungsgrenze nach Ziffer 9.2 wird angehoben durch korrekte Deklaration eines höheren Wertes der Sendung auf dem Frachtbrief und durch Zahlung des in der "Tariftabelle und Serviceleistungen" aufgeführten Zuschlags auf den angegebenen Wert (Wertpaket). In keinem Fall dürfen die in Absatz 3 (a) (ii) festgesetzten Grenzen überschritten werden. Der Versender erklärt durch Unterlassung einer Wertdeklaration, dass sein Interesse an den Gütern die in Ziffer 9.2 genannte Grundhaftung nicht übersteigt. ….
4
Die Klägerinnen haben behauptet, beide Pakete hätten Mikroprozessoren im Wert von 11.115 GBP und 7.210,50 GBP enthalten. Sie sind der Auffassung , die Beklagte hafte für die Verluste in voller Höhe. Sie haben die Beklagte daher auf Zahlung von 27.531,14 € und 2.500 €, jeweils nebst Zinsen, in Anspruch genommen.
5
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, die Klägerinnen müssten sich ein Mitverschulden der Versenderin unter dem Gesichtspunkt der unterlassenen Wertdeklaration und des unterlassenen Hinweises auf einen ungewöhnlich hohen Schaden zurechnen lassen.
6
Das Berufungsgericht hat der im ersten Rechtszug im vollen Umfang erfolgreichen Klage in Höhe von 23.356,48 € und 2.500 €, insgesamt also 25.856,48 €, nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen.
7
Mit der vom Senat beschränkt auf die Frage des Mitverschuldens zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Die Klägerinnen beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


8
I. Das Berufungsgericht hat zur Frage des Mitverschuldens ausgeführt:
9
Auf beide Schadensfälle seien gemäß §§ 452, 452a HGB die Vorschriften der §§ 425 ff. HGB anzuwenden. Es habe sich um multimodale Transporte gehandelt, bei denen davon auszugehen sei, dass die Pakete in Großbritannien verlorengegangen seien. Zur Bestimmung des hypothetischen Teilstreckenrechts im Rahmen des § 452a HGB sei auf die Parteien des Vertrags über die Gesamtstrecke abzustellen. Danach komme gemäß Art. 28 Abs. 4 Satz 1 EGBGB deutsches Frachtrecht zur Anwendung. Die Beklagte müsse für die Paketverluste gemäß § 425 Abs. 1, § 435 HGB unbeschränkt haften.
10
Die Klägerin zu 1 müsse sich jedoch ein Mitverschulden gemäß § 425 Abs. 2 HGB, § 254 Abs. 2 BGB entgegenhalten lassen, weil es die Versenderin bei Abschluss der Frachtverträge unterlassen habe, die Beklagte darauf hinzuweisen , dass beim Verlust der Pakete ein ungewöhnlich hoher Schaden drohe. Die Kausalität des Mitverschuldenseinwands nach § 254 Abs. 2 BGB könne nicht verneint werden, weil die Beklagte die Annahme der Pakete hätte verweigern können. Die Gefahr eines besonders hohen Schadens sei anzunehmen, wenn der Wert der Sendung 5.000 € übersteige. Bei der Haftungsabwägung sei neben dem Wert der transportierten Ware zu berücksichtigen, dass das einem Versender nach § 254 Abs. 2 BGB anzulastende Verschulden weniger schwer wiege als das einem Versender nach § 254 Abs. 1 BGB anzulastende Verschulden. Das Mitverschulden könne nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht höher als 50% angesetzt werden. Es sei daher eine stufenweise Kürzung des Schadensersatzanspruchs geboten. Für die ersten 5.000 € Warenwert bleibe der Schadensersatzanspruch ungekürzt, für einen zwischen 5.000,01 € und 10.000 € liegenden Warenwert sei eine Kürzung um 20% vorzunehmen. Bei Warenwerten über 10.000,01 € sei die Quote für jede angefangenen weiteren 5.000 € um einen Prozentpunkt zu erhöhen.
11
Ein Mitverschulden der Versenderin wegen unterlassener Wertdeklaration nach § 425 Abs. 2 HGB, § 254 Abs. 1 BGB sei dagegen zu verneinen. Bei Auslandstransporten beschränke sich die besondere Behandlung von Wertpaketen nach dem eigenen Vortrag der Beklagten auf den Beginn des Transports, und zwar auf die Strecke vom Versender bis zum Einlieferungscenter und die dortige Behandlung. Da beide Pakete Großbritannien erreicht hätten, habe sich die unterlassene Wertdeklaration nicht ausgewirkt.
12
II. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
13
1. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei von der Anwendbarkeit deutschen Sachrechts und damit auch der §§ 425, 435 HGB, § 254 BGB ausgegangen.

14
a) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass auf die zwischen der Versenderin und der Beklagten geschlossenen multimodalen Frachtverträge nach Art. 28 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 EGBGB deutsches Recht anzuwenden ist und daher die §§ 452 ff. HGB eingreifen (vgl. BGH, Urt. v. 3.5.2007 - I ZR 109/04, TranspR 2007, 405 Tz. 17 = NJW-RR 2008, 347 m.w.N.). Der Anwendung deutschen Rechts stehen keine internationalen Abkommen entgegen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen des Art. 2 CMR nicht vor. Die Warenverluste sind auch nicht während der Luftbeförderung von Köln nach Großbritannien eingetreten, so dass das Warschauer Abkommen ebenfalls nicht anwendbar ist. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen.
15
b) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, dass nach § 452a HGB auf den (hypothetischen) Vertrag über die Teilstrecke in Großbritannien, auf der die Pakete in Verlust geraten sind, deutsches Frachtrecht zur Anwendung kommt. Hierbei ist auf eine (hypothetische ) vertragliche Beziehung zwischen der Versenderin und der Beklagten abzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2007 - I ZR 138/04, TranspR 2007, 472 Tz. 16 = NJW-RR 2008, 549). Die Anwendbarkeit deutschen Rechts hat das Berufungsgericht zutreffend daraus abgeleitet, dass sowohl die Versenderin als auch die Beklagte ihre Hauptniederlassungen in Deutschland haben (Art. 28 Abs. 4 Satz 1 EGBGB). Es spricht auch nichts dafür, dass der hypothetische Teilstreckenvertrag engere Verbindungen mit einem anderen Staat aufweist (Art. 28 Abs. 5 EGBGB). Der Umstand, dass die Beklagte ihrerseits Verträge mit Unterfrachtführern nach englischem Recht abschließt, ist unerheblich (vgl. Koller, Transportrecht, 6. Aufl., § 452a HGB Rdn. 5).
16
2. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Mitverschuldenseinwand auch im Falle des qualifizierten Verschuldens i.S. von § 435 HGB zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Urt. v. 5.6.2003 - I ZR 234/00, TranspR 2003, 467, 471; Urt. v. 30.1.2008 - I ZR 146/05, TranspR 2008, 117 Tz. 34).
17
3. Ein Mitverschulden der Versenderin wegen unterlassener Wertdeklaration nach § 425 Abs. 2 HGB, § 254 Abs. 1 BGB hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei wegen fehlender Kausalität verneint. Nach seinen unangegriffen gebliebenen Feststellungen wären die Pakete auch dann verlorengegangen, wenn sie als Wertpakete versandt worden wären, weil die Beklagte bei Auslandstransporten nur am Beginn des Transports besondere Sicherungsmaßnahmen ergreift. Beide Pakete sind jedoch während des Transports in Großbritannien in Verlust geraten.
18
4. Das Berufungsgericht hat in beiden Schadensfällen zutreffend ein Mitverschulden der Versenderin darin begründet gesehen, dass diese es unterlassen hat, die Beklagte auf den Wert der Pakete und auf den dadurch im Falle ihres Verlustes drohenden ungewöhnlich hohen Schaden hinzuweisen (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB). Die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile sowie die von ihm als geboten angesehene Kürzung des Schadensersatzanspruchs nach festgelegten Prozentsätzen halten der rechtlichen Nachprüfung aber nicht stand.
19
a) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens dann anzunehmen ist, wenn der Wert des Pakets 5.000 € übersteigt (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH TranspR 2008, 117 Tz. 40, m.w.N.). Dieser Wert wird in beiden Schadensfällen deutlich überschritten.

20
b) Das Berufungsgericht hat auch mit Recht angenommen, dass die Ursächlichkeit des Mitverschuldens nur dann fehlt, wenn der Transporteur trotz eines Hinweises auf den ungewöhnlich hohen Wert des Gutes keine besonderen Maßnahmen ergriffen hätte (BGH, Urt. v. 1.12.2005 - I ZR 265/03, TranspR 2006, 208, 209 = NJW-RR 2006, 1108; Urt. v. 20.7.2006 - I ZR 9/05, NJW-RR 2007, 28 Tz. 34 = TranspR 2006, 394). Dies kann hier nicht ohne weiteres angenommen werden. Ohne besonderen Sachvortrag des Anspruchstellers ist im Regelfall davon auszugehen, dass der Frachtführer bei einem Hinweis auf den ungewöhnlich hohen Wert des Transportgutes entweder besondere Sicherungsmaßnahmen ergriffen oder den Transportauftrag abgelehnt hätte. Bei einem entsprechenden Sachvortrag des Anspruchstellers zur fehlenden Ursächlichkeit der unterlassenen Wertangabe obliegt es nach den allgemeinen Grundsätzen allerdings dem Frachtführer, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass der unterlassene Hinweis auf den ungewöhnlich hohen Wert des Gutes für den entstandenen Schaden zumindest mitursächlich war (vgl. BGH, Urt. v. 11.1.2007 - III ZR 116/06, NJW 2007, 1063 Tz. 14; Palandt/ Heinrichs, BGB, 67. Aufl., §§ 254, 255 Rdn. 74; Staudinger/Schiemann, BGB, [2005], vor § 249 Rdn. 91). Die Parteien haben hierzu bislang keinen Vortrag gehalten. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren können sie dies gegebenenfalls nachholen.
21
c) Die Haftungsabwägung nach § 254 BGB ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Sie kann im Revisionsverfahren jedoch daraufhin überprüft werden, ob alle in Betracht zu ziehenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind (vgl. BGH, Urt. v. 15.2.2007 - I ZR 186/03, NJW-RR 2007, 1110 Tz. 28 = TranspR 2007, 164 m.w.N.). Die Abwägung darf insbesondere nicht schematisch erfolgen, sondern muss alle festgestellten Umstände des Einzelfalls be- rücksichtigen (BGH, Urt. v. 28.9.2006 - I ZR 198/03, TranspR 2007, 110 Tz. 32). Diesen Anforderungen genügt die vom Berufungsgericht vorgenommene Beurteilung nicht.
22
aa) Schon der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach das einem Versender anzulastende Verschulden nach § 254 Abs. 2 BGB grundsätzlich weniger schwer wiege als das einem Versender nach § 254 Abs. 1 BGB anzulastende Verschulden, trifft nicht zu. Die zuletzt genannte Bestimmung regelt den Fall, dass bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat. Nach § 254 Abs. 2 BGB kann das Mitverschulden auch darin bestehen, dass der Geschädigte es unterlässt, den Schädiger auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen oder den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Damit enthält § 254 Abs. 2 BGB lediglich - klarstellend - besondere Anwendungsfälle des § 254 Abs. 1 BGB (MünchKomm.BGB/Oetker, 5. Aufl., § 254 Rdn. 68; Palandt/Heinrichs aaO, 67. Aufl., § 254 Rdn. 36; Erman/Ebert, BGB, 12. Aufl., § 254 Rdn. 53; Looschelders , Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht, 1999, S. 163 ff.). Hinsichtlich der Rechtsfolgen trifft § 254 Abs. 1 BGB für sämtliche Fälle des Mitverschuldens eine einheitliche Regelung. Danach sind die Verursachungs - und Verschuldensanteile von Schädiger und Geschädigtem im Einzelfall gegeneinander abzuwägen. Eine (abstrakte) Gewichtung der verschiedenen Fälle des Mitverschuldens, wie sie das Berufungsgericht vorgenommen hat, widerspricht dieser gesetzlichen Regelung.
23
bb) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass der Wert der transportierten Ware bei der Haftungsabwägung von Bedeutung ist (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 22.11.2007 - I ZR 74/05, TranspR 2008, 30 Tz. 46, insoweit in BGHZ 174, 244 nicht abgedruckt). Daneben kann bei entsprechendem Sachvortrag des Frachtführers auch im Rahmen des § 254 Abs. 2 BGB die Reichweite des bei wertdeklarierten Sendungen gesicherten Bereichs einen für die Bemessung der Haftungsquote relevanten Gesichtspunkt darstellen: Je größer der gesicherte Bereich ist, desto größer ist auch der Anteil des Mitverschuldens des Versenders, der durch das Unterlassen der Wertangabe den Transport der Ware außerhalb des gesicherten Bereichs veranlasst (BGH TranspR 2008, 30 Tz. 45 m.w.N.).
24
cc) Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, wonach der dem Versender anzurechnende Mitverursachungsbeitrag auch bei hohen Werten nicht höher als 50% angesetzt werden darf, trifft dagegen nicht zu. Zwar liegt auf Seiten der Beklagten ein qualifiziertes Verschulden vor, weshalb deren Verursachungsanteil in der Regel höher zu gewichten ist. Wie der Senat - zeitlich nach Erlass des Berufungsurteils - entschieden hat, kann nach den Umständen des Einzelfalls aber auch ein Mitverschuldensanteil von mehr als 50% in Betracht kommen (BGH, Urt. v. 20.9.2007 - I ZR 43/05, TranspR 2008, 113 Tz. 53; BGH TranspR 2008, 30 Tz. 47). Dies gilt vor allem in Fällen, in denen das Paket aufgrund der Beförderungsbedingungen der Beklagten von einem Transport ausgeschlossen ist. In solchen Fällen kann auch ein vollständiger Wegfall der Haftung des Frachtführers gerechtfertigt sein, wenn der Versender positive Kenntnis davon hat, dass der Frachtführer bestimmte Güter nicht befördern will und er sich bei der Einlieferung bewusst über den entgegenstehenden Willen des Frachtführers hinwegsetzt (BGH, Urt. v. 13.7.2006 - I ZR 245/03, NJW-RR 2007, 179 Tz. 35 = TranspR 2006, 448; BGH NJW-RR 2007, 1110 Tz. 30; TranspR 2007, 405 Tz. 33). Ein solcher Fall liegt hier zwar nicht vor, weil die Wertgrenze von 50.000 US-Dollar nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht erreicht war. Eine höhere Quote als 50% kann aber auch dann anzunehmen sein, wenn der Wert des Pakets - unabhängig vom Überschreiten einer in den Beförderungsbedingungen gesetzten Wertgrenze - sehr deutlich über dem Betrag liegt, ab dem ein Hinweis auf einen ungewöhnlich hohen Schaden hätte erfolgen müssen (BGH TranspR 2008, 113 Tz. 53; TranspR 2008, 30 Tz. 47). Dies kann vorliegend insbesondere im Schadensfall 1 in Betracht kommen.
25
Die Abwägung der Mitverursachungs- und Mitverschuldensanteile muss zudem auch bei geringeren Paketwerten im Blick haben, dass sie bei hohen Warenwerten nicht zu unangemessenen Ergebnissen führt (BGH TranspR 2008, 30 Tz. 47; TranspR 2008, 113 Tz. 53). Diesem Erfordernis wird die vom Berufungsgericht vorgenommene stufenweise Kürzung des Schadensersatzanspruchs nicht gerecht. Die Revision weist mit Recht darauf hin, dass nach der Tabelle des Berufungsgerichts bei Warenwerten, die dem Gegenwert von 50.000 US-Dollar entsprechen, der Schadensersatzanspruch im Ergebnis lediglich um einen Wert gekürzt wird, der unter 25% liegt. Gemäß Nr. 3 (a) (ii) ihrer Beförderungsbedingungen will die Beklagte Pakete, deren Wert den Gegenwert von 50.000 US-Dollar überschreitet, jedoch nicht befördern. Nach der vorstehend unter 4 c cc angeführten Rechtsprechung des Senats kann in derartigen Fällen je nach den Umständen des Einzelfalls ein Mitverschuldensanteil von mehr als 50% bis hin zu einem vollständigen Ausschluss der Haftung in Betracht kommen. Die in der Tabelle des Berufungsgerichts vorgesehenen Quoten entsprechen dem nicht.
26
III. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Bornkamm Pokrant Schaffert
Bergmann RiBGH Dr. Koch ist in Urlaub undkanndahernichtunterschreiben. Bornkamm
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 23.03.2006 - 31 O 38/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 15.11.2006 - I-18 U 79/06 -