Bundesgerichtshof Urteil, 27. Nov. 2003 - I ZR 148/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, die Deutsche Telekom AG, ist Inhaberin der am 27. September 1995 angemeldeten und am 8. November 1995 eingetragenen Wortmarke Nr. 395 39 437 "T-Online". Diese genießt Schutz für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit Telekommunikation und Datenverarbeitung stehen.
Die Beklagte bezeichnet sich als "Fullservice-Solution-Provider", der auf den Geschäftsfeldern Mobilfunk, Behörden- und Industriefunksystem und Festnetztelefon Waren, Dienstleistungen, Technologien und Systeme anbietet. Sie ist Inhaberin der am 5. Februar 1998 angemeldeten und am 30. Juli 1998 eingetragenen Wortmarke Nr. 398 05 921 "DONLINE", die u.a. für Datenverarbeitungsgeräte und Computer sowie Zurverfügungstellung von Online- und Telekommunikationsdiensten geschützt ist. Sie hat die Marke wenige Stunden lang als Internet-Domain benutzt.
Die Klägerin hat darin eine Verletzung ihrer Marke gesehen und Ansprüche auf Unterlassung, Löschung, Auskunftserteilung und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung geltend gemacht.
Danach soll der Beklagten u.a. untersagt werden,
unter der Marke DONLINE Registrierkassen, Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und Computer und/oder die Dienstleistungen Telekommunikation, Zurverfügungstellung von Online- und Telekommunikationsdiensten und die Erstellung von Programmen für die Datenverarbeitung anzubieten.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, daß wegen der Identität bzw. hochgradigen Ähnlichkeit der unter den Marken angebotenen Waren und Dienstleistungen und der überragenden Kennzeichnungskraft der Klagemarke eine Verwechslungsgefahr bestehe, weil die Marke der Beklagten wie "DOnline" ausgesprochen werde.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat eine Verwechslungsgefahr in Abrede gestellt. Sie hat geltend gemacht, es fehle an einer ausreichen- den Markenähnlichkeit. "Online" sei ein häufig benutzter Zeichenbestandteil. Es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die angegriffene Marke in erheblichem Umfang wie "D-Online" ausgesprochen werde.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben.
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat eine Verwechslungsgefahr verneint. Es hat ausgeführt:
Die Klagemarke habe im Kollisionszeitpunkt, dem Anmeldetag der angegriffenen Marke der Beklagten, bei ursprünglich geringer Kennzeichnungskraft durch intensive Benutzung bereits einen erheblichen Bekanntheitsgrad erreicht. Ihr komme demgemäß, wie auch die Beklagte nicht in Abrede gestellt habe, eine starke Kennzeichnungskraft zu. Die Waren/Dienstleistungen seien identisch, zumindest ähnlich.
Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr fehle es aber an einer hinreichenden Ähnlichkeit der Marken. Die Klagemarke werde aufgrund der Schreibweise und der von der Klägerin betriebenen Werbung wie "T-Online", nicht wie "tonline" ausgesprochen. Hinsichtlich der angegriffenen Marke sei dagegen davon auszugehen, daß sie nicht in relevantem Umfang wie "donline" ausgesprochen werde. Denn die angegriffene Marke werde zusammenhängend geschrieben und deshalb erfahrungsgemäß zusammenhängend gesprochen, weil sich der Verkehr nicht leichtfertig über die Aussprachekonvention eines zusammengeschriebenen Worts hinwegsetze.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache.
1. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen , daß die Frage einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen ist. Dabei ist des weiteren von einer Wechselwirkung der maßgeblichen Faktoren auszugehen, so daß die Frage der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen sowie der Marken und die Kennzeichnungskraft der Klagemarke derart in Zusammenhang zu bringen ist, daß ein hoher Grad der Warenähnlichkeit ebenso einen geringeren Grad der Ähnlichkeit der Marken auszugleichen vermag wie eine hohe Kennzeichnungskraft oder umgekehrt (vgl. nur BGH, Urt. v. 28.8.2003 - I ZR 9/01, GRUR 2003, 1044, 1045 = WRP 2003, 1436 - Kelly, m.w.N.).
2. Das Berufungsgericht ist - ohne dies näher auszuführen - davon aus- gegangen, daß die Waren und Dienstleistungen aus dem Verzeichnis der Marken teils identisch, teils ähnlich sind. Auch zum Grad der Ähnlichkeit hat das Berufungsgericht keine weiteren Ausführungen gemacht. Das begegnet keinen Bedenken, soweit es um Dienstleistungen auf dem Geschäftsfeld der Telekommunikation geht. Hinsichtlich der übrigen vom Klageantrag erfaßten Waren und Dienstleistungen könnte eine nähere Erörterung im Rahmen der noch offenen Beurteilung der Verwechslungsgefahr erforderlich sein.
3. Auch die Annahme einer starken Kennzeichnungskraft der Klagemarke aufgrund intensiver Benutzung auf dem Sektor der Telekommunikationsdienstleistungen , insbesondere von Dienstleistungen im Internet, ist frei von Rechtsfehlern. Die Revisionserwiderung wendet sich ohne Erfolg gegen diese Feststellung des Berufungsgerichts. Die Beklagte hat die behauptete intensive Benutzung nicht bestritten. Daraus folgt von Rechts wegen die erhöhte Kennzeichnungskraft. Die gesteigerte Kennzeichnungskraft ist bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr für den Produkt- oder Dienstleistungsbereich zu berücksichtigen , in dem sie kraft Benutzung der Marke vorliegt (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.1991 - I ZR 136/89, GRUR 1992, 130, 131 = WRP 1992, 96 - Bally/ BALL).
4. Das Berufungsgericht hat eine für die Bejahung einer Verwechslungsgefahr hinreichende Ähnlichkeit der Marken verneint. Das kann keinen Bestand haben.
Das Berufungsgericht hat sich zu Recht nur mit der Frage einer klanglichen Nähe der Marken befaßt.
Bei seiner Beurteilung, in welcher Weise die angegriffene Marke ausgesprochen wird, hat das Berufungsgericht allerdings den Sachverhalt nicht aus- geschöpft. Es hat unberücksichtigt gelassen, daß der von ihm aufgestellte allgemeine Satz, der Verkehr werde zusammengeschriebene Wörter in der Regel auch zusammenhängend aussprechen (vgl. auch BGH, Urt. v. 13.11.2003 - I ZR 184/01, Umdruck S. 6 - MIDAS/medAS), in dieser Allgemeinheit keine Gültigkeit beanspruchen kann.
Die Revision weist zu Recht auf die Besonderheit hin, wonach der Begriff "online" auf dem vorrangig in Rede stehenden Geschäftsfeld der Telekommunikation zum allgemeinen Wortschatz gehört. Schon deshalb kann für den Verkehr Anlaß bestehen, die beanstandete Bezeichnung DONLINE im Telekommunikationsbereich dementsprechend mehr oder weniger deutlich getrennt auszusprechen. Darüber hinaus hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft außer acht gelassen, daß auch die Bekanntheit der Klagemarke T-Online den Verkehr bei der Aussprache des Zeichens ebenfalls mit einem vorangestellten Buchstaben und online gebildeten Zeichens DONLINE im Bereich der Telekommunikation beeinflussen kann. So wie eine bekannte Marke den Verkehr dazu veranlassen kann, die Prägung des Gesamteindrucks einer mehrteiligen Marke gerade durch den mit der bekannten Marke übereinstimmenden Bestandteil zu sehen (BGH, Urt. v. 13.3.2003 - I ZR 122/00, GRUR 2003, 880, 882 = WRP 2003, 1228 - City Plus), muß auch bei der Beurteilung der Aussprache einer von der bekannten Marke nur unwesentlich abweichenden Lautfolge einer Kennzeichnung in Betracht gezogen werden, daß die bekannte Marke gewissermaßen "stilbildend" auf die Gewohnheiten des Verkehrs wirkt. Sofern das Berufungsgericht auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung noch
nicht zu einem Ergebnis zu gelangen vermag, wird es die von der Klägerin beantragte Verkehrsbefragung zu den Sprechgewohnheiten im Streitfall durchzuführen haben.
5. Das Berufungsgericht wird demnach die Markenähnlichkeit erneut zu beurteilen haben. Es wird dabei zu beachten haben, daß die kraft Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr sich grundsätzlich auf den Geschäftsbereich beschränkt, in dem sie erworben worden ist (BGH GRUR 1992, 130, 131 - Bally/BALL). Eine Differenzierung der beanstandeten Verwendungen der Marke DONLINE je nach Waren- oder Dienstleistungssektor liegt nahe.
Soweit eine Verwechslungsgefahr zu verneinen ist, kann über den von der Klägerin mit der Revision weiterverfolgten wettbewerbsrechtlichen Schutz unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Beeinträchtigung oder Ausnutzung der Wertschätzung der Klagemarke gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG zu befinden sein (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 30.10.2003 - I ZR 236/97, Umdruck S. 15 ff. - Davidoff II). Die Ausführungen des Berufungsgerichts, die Klägerin habe zum Bekanntheitsgrad der Klagemarke im Kollisionszeitpunkt nicht ausreichend vorgetragen, weshalb eine Beeinträchtigung des guten Rufs ausscheide , werden von der Revision zu Recht angegriffen. Sie sind nicht widerspruchsfrei.
III. Danach war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Ullmann v. Ungern-Sternberg Starck
Pokrant Büscher
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(1) Der Erwerb des Markenschutzes nach § 4 gewährt dem Inhaber der Marke ein ausschließliches Recht.
(2) Dritten ist es untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen
- 1.
ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt, - 2.
ein Zeichen zu benutzen, wenn das Zeichen mit einer Marke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, die von der Marke erfasst werden, und für das Publikum die Gefahr einer Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird, oder - 3.
ein mit der Marke identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn es sich bei der Marke um eine im Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.
(3) Sind die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt, so ist es insbesondere untersagt,
- 1.
das Zeichen auf Waren oder ihrer Aufmachung oder Verpackung anzubringen, - 2.
unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen, - 3.
unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen, - 4.
unter dem Zeichen Waren einzuführen oder auszuführen, - 5.
das Zeichen als Handelsnamen oder geschäftliche Bezeichnung oder als Teil eines Handelsnamens oder einer geschäftlichen Bezeichnung zu benutzen, - 6.
das Zeichen in Geschäftspapieren oder in der Werbung zu benutzen, - 7.
das Zeichen in der vergleichenden Werbung in einer der Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung (ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 21) zuwiderlaufenden Weise zu benutzen.
(4) Dritten ist es ferner untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr
- 1.
ein mit der Marke identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen auf Aufmachungen oder Verpackungen oder auf Kennzeichnungsmitteln wie Etiketten, Anhängern, Aufnähern oder dergleichen anzubringen, - 2.
Aufmachungen, Verpackungen oder Kennzeichnungsmittel, die mit einem mit der Marke identischen Zeichen oder einem ähnlichen Zeichen versehen sind, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder - 3.
Aufmachungen, Verpackungen oder Kennzeichnungsmittel, die mit einem mit der Marke identischen Zeichen oder einem ähnlichen Zeichen versehen sind, einzuführen oder auszuführen,
(5) Wer ein Zeichen entgegen den Absätzen 2 bis 4 benutzt, kann von dem Inhaber der Marke bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.
(6) Wer die Verletzungshandlung vorsätzlich oder fahrlässig begeht, ist dem Inhaber der Marke zum Ersatz des durch die Verletzungshandlung entstandenen Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung der Marke eingeholt hätte.
(7) Wird die Verletzungshandlung in einem geschäftlichen Betrieb von einem Angestellten oder Beauftragten begangen, so kann der Unterlassungsanspruch und, soweit der Angestellte oder Beauftragte vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, der Schadensersatzanspruch auch gegen den Inhaber des Betriebs geltend gemacht werden.