Bundesgerichtshof Urteil, 13. März 2012 - 5 StR 411/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Staatskasse trägt die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen. Der Angeklagte F. trägt die Kosten seines Rechtsmittels; jedoch wird die Gebühr des Revisionsverfahrens um die Hälfte ermäßigt, die Hälfte der gerichtlichen Auslagen im Revisionsverfahren und der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten F. trägt die Staatskasse.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagten F. und W. wegen Subventionsbetrugs verurteilt. Gegen den Angeklagten F. hat es eine Freiheitsstrafe von drei Jahren verhängt und unter Einbeziehung von Einzelfreiheitsstrafen in Höhe von acht Monaten und fünf Jahren aus einem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Lübeck vom 8. Dezember 2005 eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zwei Monaten gebildet. Den Angeklagten W. hat das Landgericht mit einer – zur Bewährung ausgesetzten – Freiheitsstrafe von zwei Jahren sowie mit einer Geldstrafe von 180 Tagesätzen belegt. Hinsichtlich beider Angeklagter hat das Landgericht wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung jeweils fünf Monate der ausgeurteilten Freiheitsstrafe für vollstreckt erklärt.
- 2
- Der Angeklagte F. greift das Urteil mit der Sachrüge – nach Beschränkung in der Hauptverhandlung – im Rechtsfolgenausspruch an. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihren Revisionen, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten werden, gegen die Rechtsfolgenaussprüche beider Angeklagter. Die Rechtsmittel haben – das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft gemäß § 301 StPO – lediglich insoweit Erfolg, als die Kompensationsentscheidung des Landgerichts hinsichtlich des Angeklagten F. abgeändert wird.
- 3
- 1. Die von der Staatsanwaltschaft erhobene Verfahrensrüge, mit der sie die Verletzung des § 257c Abs. 3 StPO beanstandet, ist bereits unzulässig im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Staatsanwaltschaft verschweigt , wie sie sich selbst (und auch die Verteidigung) zu dem von ihr wiedergegebenen Vorschlag des Gerichts verhalten hat.
- 4
- 2. Die sachlich-rechtlichen Beanstandungen der Staatsanwaltschaft zeigen ebenfalls keinen Rechtsfehler auf.
- 5
- a) Die Anwendung des Normalstrafrahmens des § 264 Abs. 1 StGB bei beiden Angeklagten hält sich im Rahmen des tatrichterlich Vertretbaren. Das Landgericht führt eine Reihe gewichtiger Gründe an, die es erlaubten, hier – selbst bei Vorliegen zweier Regelbeispiele – von einer Anwendung des Strafrahmens des § 264 Abs. 2 StGB abzusehen.
- 6
- b) Die Staatsanwaltschaft dringt auch mit ihrer weiteren Beanstandung nicht durch, dass die gegen den Angeklagten W. neben der (zur Bewährung ausgesetzten) Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängte Geldstrafe von 180 Tagessätzen rechtsfehlerhaft sei, weil sich das Landgericht ersichtlich allein von der Überlegung habe leiten lassen, möglichst zu einer aussetzungsfähigen Freiheitsstrafe zu gelangen. Zwar hat es der Bundesgerichtshof vereinzelt beanstandet, wenn die Höhe einer Freiheitsstrafe ersichtlich durch die Erwägung bestimmt wird, ihre Vollstreckung zur Bewährung aussetzen zu können (BGH, Urteil vom 24. August 1983 – 3 StR 89/83, BGHSt 32, 60, 65; BGH, Urteil vom 13. Mai 2004 – 5 StR 73/03, NJW 2004, 2248 insoweit nicht in BGHSt 49, 147 ff. abgedruckt). Einen solchen Ausnahmefall , in dem die Urteilsgründe im Einzelfall eine derartige Besorgnis vermitteln könnten, vermag der Senat jedoch – in Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt – nicht zu erkennen. Die gleichzeitige Verhängung einer Geldstrafe konnte nach § 41 StGB festgesetzt werden, weil sich der Angeklagte W. durch die Tat zumindest bereichern wollte. Auch nach Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verfügt er weiterhin über laufende Einnahmen, und die ihm bewilligten Raten ermöglichen ihm – wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat – eine Tilgung der Geldstrafe unter Beachtung der Pfändungsfreigrenzen. Der dabei vom Landgericht in Ansatz gebrachte Tagessatz von 50 € lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
- 7
- 3. Die mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision des Angeklagten F. führt – ebenso wie die insoweit zu seinen Gunsten wirkende Revision der Staatsanwaltschaft (§ 301 StPO) – zu einer Änderung der Kompensationsentscheidung; im Übrigen ist sie unbegründet. Das Landgericht hat als Ausgleich für Verzögerungen bei den Angeklagten angeordnet, dass jeweils fünf Monate der verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt gelten. Sie hat das damit begründet, dass die Sache nahezu vier Jahre unbearbeitet blieb.
- 8
- Dies begegnet hier deshalb durchgreifenden Bedenken, weil es den individuellen Auswirkungen der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung auf die einzelnen Angeklagten nicht hinreichend Rechnung trägt. Maßstab für die Kompensationsentscheidung ist der Umfang der staatlich zu verantwortenden Verzögerung, das Maß des Fehlverhaltens der Strafverfolgungsorgane sowie die Auswirkung all dessen auf den einzelnen Angeklagten (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2011 – 3 StR 50/11, NStZ-RR 2011, 239). Hier hätte aber im Blick auf den Angeklagten F. bedacht werden müssen, dass dieser aufgrund seiner Inhaftierung im besonderen Maße von der Verfahrensverzögerung berührt war, weil er in dieser Phase keine Vollzugslockerungen erlangen konnte, obwohl er Erstverbüßer war. Zwar hat das Landgericht die Haftsituation und insbesondere die nur geringe Reststrafaussetzung schon im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt. Da sie aber als besondere Auswirkung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ein zusätzlich erschwerendes Gewicht verleiht, hätte sich dieser Gesichtspunkt auch im Rahmen der Kompensationsentscheidung auswirken müssen. Um weitere Verzögerungen zu vermeiden, ändert der Senat die Kompensationsentscheidung dahingehend ab, dass bei dem Angeklagten F. neun Monate der verhängten Freiheitsstrafe als vollstreckt gelten.
moreResultsText
Annotations
Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.
(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.
(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.
(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.
(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.
(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- 1.
einer für die Bewilligung einer Subvention zuständigen Behörde oder einer anderen in das Subventionsverfahren eingeschalteten Stelle oder Person (Subventionsgeber) über subventionserhebliche Tatsachen für sich oder einen anderen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, die für ihn oder den anderen vorteilhaft sind, - 2.
einen Gegenstand oder eine Geldleistung, deren Verwendung durch Rechtsvorschriften oder durch den Subventionsgeber im Hinblick auf eine Subvention beschränkt ist, entgegen der Verwendungsbeschränkung verwendet, - 3.
den Subventionsgeber entgegen den Rechtsvorschriften über die Subventionsvergabe über subventionserhebliche Tatsachen in Unkenntnis läßt oder - 4.
in einem Subventionsverfahren eine durch unrichtige oder unvollständige Angaben erlangte Bescheinigung über eine Subventionsberechtigung oder über subventionserhebliche Tatsachen gebraucht.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
aus grobem Eigennutz oder unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege für sich oder einen anderen eine nicht gerechtfertigte Subvention großen Ausmaßes erlangt, - 2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder - 3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung mißbraucht.
(3) § 263 Abs. 5 gilt entsprechend.
(4) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 ist der Versuch strafbar.
(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3 leichtfertig handelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(6) Nach den Absätzen 1 und 5 wird nicht bestraft, wer freiwillig verhindert, daß auf Grund der Tat die Subvention gewährt wird. Wird die Subvention ohne Zutun des Täters nicht gewährt, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, das Gewähren der Subvention zu verhindern.
(7) Neben einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer Straftat nach den Absätzen 1 bis 3 kann das Gericht die Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, und die Fähigkeit, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen, aberkennen (§ 45 Abs. 2). Gegenstände, auf die sich die Tat bezieht, können eingezogen werden; § 74a ist anzuwenden.
(8) Subvention im Sinne dieser Vorschrift ist
- 1.
eine Leistung aus öffentlichen Mitteln nach Bundes- oder Landesrecht an Betriebe oder Unternehmen, die wenigstens zum Teil - a)
ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt wird und - b)
der Förderung der Wirtschaft dienen soll;
- 2.
eine Leistung aus öffentlichen Mitteln nach dem Recht der Europäischen Union, die wenigstens zum Teil ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt wird.
(9) Subventionserheblich im Sinne des Absatzes 1 sind Tatsachen,
- 1.
die durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes von dem Subventionsgeber als subventionserheblich bezeichnet sind oder - 2.
von denen die Bewilligung, Gewährung, Rückforderung, Weitergewährung oder das Belassen einer Subvention oder eines Subventionsvorteils gesetzlich oder nach dem Subventionsvertrag abhängig ist.
Hat der Täter sich durch die Tat bereichert oder zu bereichern versucht, so kann neben einer Freiheitsstrafe eine sonst nicht oder nur wahlweise angedrohte Geldstrafe verhängt werden, wenn dies auch unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angebracht ist.
Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.