Bundesgerichtshof Urteil, 08. Apr. 2010 - 4 StR 53/10
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit Raub und mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie wegen Diebstahls in zwei Fällen unter Einbeziehung der Geldstrafen aus zwei Strafbefehlen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Ferner hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass sechs Monate der Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen sind und dass dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf.
- 2
- Der Angeklagte beanstandet mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision die Verurteilung wegen eines tateinheitlich begangenen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer im Fall II. 1 der Urteilsgründe, die den Verurteilungen wegen Diebstahls zu Grunde liegende Beweiswürdigung und die Maßregelaussprüche. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und auf die Sachrüge gestützten Revision, die sie auf die Aussprüche über die Einzelstrafen im Fall II. 1 der Urteilsgründe und die Gesamtstrafe beschränkt hat, die Annahme eines minder schweren Falles des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer.
- 3
- Die Rechtsmittel haben zum Ausspruch über die Dauer des Vorwegvollzuges Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.
- 4
- 1. Die Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs der Strafe vor der gemäß § 64 StGB angeordneten Maßregel hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 5
- Das Landgericht hat zur Bestimmung der Dauer des gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB angeordneten Vorwegvollzugs eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafe lediglich ausgeführt, dass dieser mit sechs Monaten zu bemessen war, "so dass nach Beendigung der Maßregel eine Strafaussetzung zur Bewährung in Betracht kommen könnte". Dem lässt sich, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, weder entnehmen, ob sich das Landgericht bei der Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs, wie gemäß § 67 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 StGB geboten, am Halbstrafenzeitpunkt orientiert hat (vgl. BGH, Beschl. vom 8. Januar 2008 - 1 StR 644/07, NStZ-RR 2008, 142), noch lassen die Urteilsausführungen erkennen, ob das Landgericht, wie erforderlich, eine präzise Prognose hinsichtlich der voraussichtlich notwen- digen Dauer des Maßregelvollzuges zu Grunde gelegt hat (vgl. BGH, Beschl. vom 20. Mai 2008 - 1 StR 233/08 - StV 2008, 638 m.N.). Weil der Sachverständige nach den auch insoweit knappen Urteilsausführungen eine stationäre "Langzeittherapie" für erforderlich gehalten hat, ist nicht ohne weiteres auszuschließen , dass die notwendige Dauer des Maßregelvollzugs ein Jahr und zwei Monate überschreitet. Bei einem Vorwegvollzug von sechs Monaten der Strafe wäre der Halbstrafenzeitpunkt (ein Jahr und acht Monate) aber überschritten.
- 6
- 2. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung des Angeklagten zu den Schuld- und Strafaussprüchen sowie zu den Maßregelaussprüchen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 25. Februar 2010.
- 7
- 3. Auch die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen weiter gehenden Erfolg. Die sachlich-rechtliche Nachprüfung der Aussprüche über die im Fall II. 1 der Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten und die Gesamtstrafe hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten ergeben.
- 8
- a) Entscheidend für das Vorliegen eines minder schweren Falles ist, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, dass die Anwendung dieses Strafrahmens geboten erscheint. Für die Prüfung dieser Frage ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig , ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nach- folgen (st. Rspr.; vgl. nur die Nachweise bei Fischer StGB 56. Aufl. § 46 Rdn. 85). Die Erschwernis- und Milderungsgründe auf diese Weise nach pflichtgemäßem Ermessen gegeneinander abzuwägen, ist Sache des Tatrichters. Seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar. Weist sie keinen Rechtsfehler auf, ist sie deshalb auch dann hinzunehmen, wenn eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre oder vielleicht sogar näher gelegen hätte (vgl. Senat, Urt. vom 6. November 2003 - 4 StR 296/03, NStZ-RR 2004, 80 und vom 7. Dezember 2006 - 4 StR 355/06).
- 9
- Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Annahme minder schwerer Fälle des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer und des Raubes rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat das Landgericht , wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift, auf die insoweit Bezug genommen wird, im Einzelnen dargelegt hat, alle für die Strafrahmenwahl bestimmenden Zumessungsgesichtspunkte mitgeteilt. Insbesondere lassen die Urteilsgründe mit Blick auf die strafschärfende Wertung der Brutalität der Gewalteinwirkung des Angeklagten auf das ihm deutlich unterlegene Opfer bei der Wegnahme der Sachen nicht besorgen, dass das Landgericht bei der Strafrahmenwahl nicht auch die tateinheitlich verwirklichten Delikte der vorsätzlichen Körperverletzung und des Raubes berücksichtigt haben könnte.
- 10
- b) Auch der bei der Bildung der Gesamtstrafe vorgenommene Härteausgleich begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat im Wege der nachträglichen Gesamtstrafenbildung die Geldstrafen aus den Strafbefehlen vom 22. Juni 2009 (60 Tagessätze) und vom 31. März 2009 (15 Tagessätze) einbezogen. Wäre die Geldstrafe von 80 Tagessätzen aus dem Strafbefehl vom 23. Dezember 2008 nicht erledigt, hätten jedoch insgesamt 140 Tagessätze, und nicht lediglich 75 Tagessätze Geldstrafe einbezogen werden können.
Ernemann Mutzbauer
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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.
(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.
(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.
(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.
(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.
(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit zwei tateinheitlich begangenen Bedrohungen und einer Nötigung sowie wegen Freiheitsberaubung und wegen Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat darüber hinaus die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt sowie einen teilweisen Vorwegvollzug der Strafe von zwei Jahren sechs Monaten angeordnet. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat nur hinsichtlich des angeordneten teilweisen Vorwegvollzugs Erfolg.
- 2
- 1. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch sowie zur Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Zur Verfahrensrüge, das Gericht habe die Vernehmung eines Zeugen zu Unrecht abgelehnt, bemerkt der Senat ergänzend: Ohne dass es auf weiteres ankäme, kann das Urteil angesichts der sonstigen Beweislage nicht auf der unterbliebenen Vernehmung des Zeugen T. beruhen.
- 3
- 2. Allerdings kann die vom Landgericht vorgenommene Anordnung über die Vollstreckungsreihenfolge von Strafe und Maßregel nicht bestehen bleiben. Das Landgericht verweist bei seiner Entscheidung über die Vollstreckungsreihenfolge auf § 67 Abs. 2 StGB nF (Gesetz vom 16. Juli 2007, BGBl I 1327). Es geht davon aus, dass unter Berücksichtigung des Vorwegvollzugs (auf den die zum Urteilszeitpunkt etwa drei Monate andauernde Untersuchungshaft anzurechnen ist, vgl. BGH NJW 1991, 2431; Fischer, StGB 55. Aufl. § 67 Rdn. 9 m.w.N.) und einer Dauer des Maßregelvollzugs von etwa zwei Jahren sowie einer erfolgreichen Beendigung der Therapie „eine Reststrafe von etwa einem Jahr verbleiben (würde), die zur Bewährung ausgesetzt werden könnte“. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
- 4
- Gemäß § 67 Abs. 1 StGB ist die Maßregel vor der Strafe zu vollstrecken. Das Gericht bestimmt jedoch, dass die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird (§ 67 Abs. 2 Satz 1 StGB). Ist - wie hier - eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verhängt, „soll“ das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist (§ 67 Abs. 2 Satz 2 StGB); dies also dann, wenn nicht aus gewichtigen Gründen des Einzelfalls eine andere Entscheidung eher die Erreichung eines Therapieerfolges erwarten lässt (vgl. näher Fischer aaO Rdn. 10, 12 m.w.N.). Liegen - wie hier - keine Gründe vor, die gegen eine Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe sprechen, so hat der Tatrichter im Erkenntnisverfahren bei der Bemessung des vorweg zu vollziehenden Teils der Strafe keinen Beurteilungsspielraum mehr. „Dieser Teil ist so zu berechnen, dass nach seiner Vollstreckung und einer anschließenden Unterbringung eine Bewährungsentscheidung [nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB nF] möglich ist“ (vgl. BTDrucks. 16/1110 S. 11). Hier hat die Strafkammer dagegen den Vorwegvollzug so bemessen, dass nach Erledigung der Maßregel nur noch ein Jahr zur Bewährung ausgesetzt werden könnte. Eine solche Bemessung des teilweisen Vorwegvollzugs ist dem Tatrichter im Erkenntnisverfahren nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers versagt.
- 5
- Der Senat hat davon abgesehen, die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Im Hinblick auf die bisher verbüßte und auf den Vorwegvollzug anzurechnende Untersuchungshaft von etwa neun Monaten würde jede weitere Untersuchungshaft der Möglichkeit einer Halbstrafenentlassung zuwiderlaufen. Der Senat erkennt daher entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf den Wegfall der Anordnung über den Vorwegvollzug.
- 6
- 3. Der nur geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Beschwerdeführer - teilweise - von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen. Wahl Boetticher Hebenstreit Elf Graf
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Der in dieser Sache seit 2. April 2007 inhaftierte Angeklagte wurde wegen schweren Raubes sowie wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung zu sechs Jahren und neun Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Außerdem wurde er in einer Entziehungsanstalt untergebracht ; zugleich ordnete die Strafkammer an, dass drei Jahre Freiheitsstrafe vorweg zu vollziehen sind.
- 2
- Seine auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision bleibt hinsichtlich des Schuldspruchs, des Strafausspruchs, der Unterbringungsanordnung und der Entscheidung, dass ein Teil der Strafe vorweg zu vollziehen ist, erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO); der Teil der Strafe, der vorweg zu vollziehen ist, muss jedoch neu bemessen werden.
- 3
- 1. In diesem Zusammenhang führt die Strafkammer aus: „Gemäß § 67 Abs. 2 StGB war der teilweise Vorwegvollzug der Strafe vor der Unterbringung anzuordnen. Bei der Bemessung der Dauer dieses Vorwegvollzuges der Strafe ging die Kammer mit dem Sachverständigen … davon aus, dass eine Therapie etwa eineinhalb bis zwei Jahre dauern werde. Ein Vorwegvollzug von drei Jahren berücksichtigt somit hinreichend die Möglichkeit einer etwaigen Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung gemäß § 57 StGB“.
- 4
- Dies hält im Hinblick auf die Neufassung von § 67 StGB (Gesetz vom 16. Juli 2007, BGBl I 1327) rechtlicher Überprüfung nicht Stand.
- 5
- a) Stehen bei einer Strafe von mehr als drei Jahren nicht Gründe des Einzelfalls dem Vorwegvollzug eines Teils der Strafe überhaupt entgegen - dies ist hier nicht der Fall -, so ist gemäß § 67 Abs. 2 Sätze 2 und 3 StGB in Verbindung mit § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB der vorweg zu vollziehende Teil der Strafe so zu bemessen, dass nach seiner Vollstreckung und einer anschließenden Unterbringung eine Halbstrafenentlassung möglich ist. Ein Beurteilungsspielraum steht dem Tatrichter insoweit nicht zu (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 142; 182 jew. m.w.N. auch aus den Gesetzesmaterialien). Dementsprechend ist eine Bemessung der vorweg zu vollziehenden Strafe, die, wie ersichtlich hier, an einer Entlassung zum Zweidrittel-Zeitpunkt orientiert ist, nicht möglich (BGH aaO 182 m.w.N.).
- 6
- b) Im Übrigen genügt es aber auch nicht, dass der Tatrichter hinsichtlich der voraussichtlich notwendigen Dauer des Maßregelvollzuges nur eine Mindestdauer und eine Höchstdauer - also einen Zeitraum - prognostiziert. Erforderlich ist vielmehr eine präzise Prognose darüber, wie lange genau die Unterbringung voraussichtlich erforderlich sein wird. Nur auf der Grundlage einer solchen Prognose kann - letztlich ohne weitere Abwägung, sondern mittels eines Rechenvorgangs (vgl. BGH NStZ 2008, 213) - bestimmt werden, wie viel Strafe (einschließ- lich der anzurechnenden Untersuchungshaft, vgl. BGH NStZ-RR aaO 182 m.w.N.) vorab zu vollziehen ist, bis exakt der Zeitpunkt erreicht sein wird, zu dem eine Halbstrafenentlassung möglich sein wird. Sollte sich im Übrigen im Laufe des Maßregelvollzuges erweisen, dass die Prognose über dessen mutmaßlich erforderliche Dauer nicht aufrecht zu erhalten ist, so hätte dies gegebenenfalls die dann zuständige Strafvollstreckungskammer im Rahmen von ihr zu treffender Entscheidungen zu berücksichtigen.
- 7
- 2. Eine Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs durch den Senat entsprechend § 354 StPO (vgl. BGH NStZ 2008, 213) war nicht möglich. Eine solche Entscheidung setzte nicht nur voraus, dass die Strafzumessung rechtsfehlerfrei ist, sondern auch, dass die zur Therapie (voraussichtlich) erforderliche Dauer der Unterbringung rechtsfehlerfrei festgestellt ist (BGH aaO). Hier ist zwar der Strafausspruch rechtsfehlerfrei, es fehlt jedoch die erforderliche eindeutige Prognose über die erforderliche Dauer der Unterbringung (vgl. oben 1 b). Die Sache bedarf daher hinsichtlich der Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzuges der neuen Verhandlung und Entscheidung. Wahl Boetticher Kolz Elf Sander