Bundesgerichtshof Urteil, 20. Dez. 2007 - 4 StR 306/07

bei uns veröffentlicht am20.12.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 306/07
vom
20. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Strafvereitelung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. Dezember
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 20. Januar 2007, soweit es den Angeklagten B. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Hagen zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen versuchter Strafvereitelung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt. Nach der Anklage lag B. zur Last, am frühen Morgen des 8. Mai 2006 gemeinsam mit den früheren Mitangeklagten W. und R. den Unternehmer Antonius H. entführt und von dessen Ehefrau mit der Drohung, anderenfalls werde ihr Ehemann getötet, einen Betrag von 200.000 Euro erpresst zu haben. Von einer Mitwirkung des Angeklagten B. an dem Entführungs - und Erpressungsgeschehen vermochte sich das Landgericht nicht zu überzeugen. Es ist vielmehr seiner Einlassung, erst nach Beendigung der Tat von dem Tatgeschehen erfahren und sich gegenüber W. und R. bereiterklärt zu haben, die bei der Entführung verwendete Stofftasche „verschwin- den“ zu lassen, gefolgt und hat ihn daher lediglich der versuchten Strafvereitelung für schuldig befunden.
2
Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten B. eingelegten Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt, beanstandet die Staatsanwaltschaft die Beweiswürdigung der Strafkammer. Sie vertritt die Auffassung, dass der Angeklagte - wie die beiden Mitangeklagten W. und R. auch - wegen erpresserischen Menschenraubes hätte verurteilt werden müssen. Das Rechtsmittel hat Erfolg, da die Beweiswürdigung des Landgerichts, mit der es eine Mitwirkung des Angeklagten B. an der Entführungstat verneint hat, rechtlicher Nachprüfung nicht standhält.

II.


3
1. Nach den Urteilsfeststellungen überwältigte am 8. Mai 2006 gegen 5.30 Uhr der frühere Mitangeklagte R. gemeinsam mit zwei weiteren unbekannten Mittätern den Geschädigten Antonius H. vor dessen Hausanwesen. Die maskierten Täter bedrohten H. mit einer Pistole, fesselten ihn an den Händen und nahmen ihm die Schlüssel seines Pkw ab. Anschließend zogen sie ihm einen roten Leinenbeutel über den Kopf und zwangen ihn, in seinen Pkw einzusteigen. Dabei schlug einer der Täter H. mit einem harten Gegenstand auf den Hinterkopf, so dass dieser eine Platzwunde davontrug. Danach fuhren die Täter das Fahrzeug in ein nahe gelegenes Waldgebiet. Spätestens während der Fahrt dorthin kam der frühere weitere Mitangeklagte W. mit einem anderen Pkw dazu. In dem Waldgelände wurde H. an einen Baum gefesselt. Sodann verlangten die Täter von ihm die Zahlung von 200.000 Euro. Anderenfalls werde er getötet. Gegen 6.45 Uhr übermittelte der Geschädigte auf Befehl der Täter mit seinem Mobiltelefon die Lösegeldforde- rung an seine Ehefrau Maria H. . In einem weiteren Gespräch - ebenfalls mit dem Mobiltelefon des Geschädigten - teilte einer der unbekannt gebliebenen Mittäter der Zeugin H. die gewünschte Stückelung des Lösegeldes mit. Er drohte, ihr Ehemann werde getötet, wenn nicht das Lösegeld bis 8.45 Uhr gezahlt würde. Gegen 9.30 Uhr hinterlegte die Zeugin H. das Geld an einer von den Tätern bezeichneten Stelle. Unmittelbar nachdem die Täter in den Besitz des Geldes gelangt waren, ließen sie Antonius H. wieder frei und begaben sich in die Wohnung ihres Bekannten L. .
4
2. Das Landgericht hat sich von der Mittäterschaft des Angeklagten B. an dem erpresserischen Menschenraub zum Nachteil des Antonius H. nicht zu überzeugen vermocht. Es hat hierbei im Ansatz nicht verkannt, dass gewichtige Indizien für seine Beteiligung an dem Entführungsgeschehen sprechen: - In der Nacht vor und während der Tat wurde von einem der Mittäter mehrmals ein Mobilfunktelefon mit der SIM-Karte des Angeklagten mit der Rufnummer benutzt. - Bei einer Durchsuchung wurde in einem Abstellraum der damaligen Lebensgefährtin des Angeklagten, der Zeugin Lana M. , eine teilweise mit CD´s gefüllte rote Stofftasche sichergestellt, an der sich Blutanhaftungen des Antonius H. befinden. Die Zeugin M. hat hierzu - nach Einschätzung des Landgerichts glaubhaft - angegeben, die Tasche gehöre dem Angeklagten. - In dem Speicher des Mobiltelefons des Mitangeklagten W. wurde eine in der Wohnung des L. aufgezeichnete Videodatei vorgefunden, die den Angeklagten beim Zählen eines großen Geldbetrages zeigt.

5
Gleichwohl ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Indizien nicht „Glieder einer geschlossenen Indizienkette [seien], die die Mittäterschaft des Angeklagten B. an dem erpresserischen Menschenraub beweisen würde“. Vielmehr könnten die genannten Umstände ebenso plausibel mit den Angaben des die Tat bestreitenden Angeklagten in Einklang gebracht werden.
6
Der Angeklagte hatte sich zuletzt wie folgt eingelassen: Er habe sein Mobiltelefon, für das ein Flatrate-Tarif bestanden habe, am Abend des 7. Mai 2006 an den Mitangeklagten W. verliehen. Die Nacht vom 7. auf den 8. Mai 2006 habe er bei seiner Freundin Lana M. verbracht. Am nächsten Vormittag sei er von W. angerufen und in die Wohnung des L. bestellt worden. Dort hätte sich neben W. und R. noch ein gewisser Dimitrius Le. , der in Litauen lebe, aufgehalten. Er – der Angeklagte – habe das Lösegeld gesehen und davon erfahren, dass sein Handy bei der Entführung benutzt worden sei. Man habe ihm Geld angeboten, wenn er schweige und die bei der Entführung verwendete Stofftüte verschwinden lasse. Aus Freundschaft zu W. habe er zugestimmt, um zu verhindern, dass W. und R. für ihre Tat bestraft würden. Auch habe er geholfen, das Lösegeld zu zählen.
7
Das Landgericht hat diese Angaben, die - soweit eigener Wahrnehmung zugänglich - von den beiden Mitangeklagten bestätigt worden sind, als glaubhaft gewertet. Soweit der Angeklagte zum Verleihen seines Mobiltelefons im Ermittlungsverfahren mehrfach abweichende Angaben gemacht habe, sei dies plausibel damit zu erklären, dass er W. und R. und auch sich selbst „als Mitwisser“ habe schützen wollen. Dass der Angeklagte für die Tatzeit kein „eindeutiges Alibi“ habe, sei kein Beweisanzeichen für seine Mittäterschaft.

8
3. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn eine Verurteilung deshalb nicht erfolgt , weil das Tatgericht Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten nicht zu überwinden vermag. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Der revisionsrechtlichen Beurteilung unterliegt vielmehr nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16; BGH NJW 2007, 92, 94 jeweils m.w.N.). Insbesondere muss die Beweiswürdigung erschöpfend sein: Der Tatrichter muss sich mit allen festgestellten Umständen auseinandersetzen , die den Angeklagten be- oder entlasten (BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2). Rechtlich zu beanstanden sind tatrichterliche Beweiserwägungen ferner dann, wenn sie erkennen lassen, dass das Gericht überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat (vgl. nur BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 22).
9
4. Hieran gemessen zeigen sich in der Beweiswürdigung des Landgerichts durchgreifende Mängel:
10
a) Das Landgericht hat die Einlassung des Angeklagten zum Tatnachgeschehen als glaubhaft bewertet, ohne sich erschöpfend mit den Umständen, die den Angeklagten belasten, auseinanderzusetzen.
11
aa) So hätte es näherer Erörterung bedurft, aus welchen Gründen der Mitangeklagte W. den Angeklagten nach der Tat angerufen und in die Wohnung des L. „bestellt“ hat. Es versteht sich jedenfalls nicht von selbst, dass Mittäter einer schwerwiegenden Straftat unmittelbar nach deren Begehung einen unbeteiligten Dritten herbeirufen, ihn in die Tateinzelheiten einweihen und sodann für seine Bereitschaft, sie nicht zu verraten, einen Teil des Lösegeldes versprechen. Erörterungsbedürftig wäre auch gewesen, warum der Angeklagte als Tatunbeteiligter die Zählung des Lösegeldes übernahm und sich hierbei von einem der Täter mit einem Fotohandy filmen ließ.
12
bb) Auch zu der aufgefundenen roten Leinentasche, bei der es sich nach der Überzeugung des Landgerichts um die Tasche handelt, die die Täter dem Geschädigten H. bei seiner Entführung über den Kopf gezogen hatten, ist die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht erschöpfend. Insoweit bleibt zunächst offen, warum der Angeklagte mit der Beseitigung eines bei der Tat verwendeten Gegenstandes beauftragt wurde, der ersichtlich ohne Schwierigkeit und ohne erkennbares Risiko von jedem der Täter selbst hätte beseitigt werden können. Näherer Erörterung hätte in diesem Zusammenhang auch bedurft, dass der Angeklagte bei seiner Vernehmung vom 23. August 2006 eingeräumt hatte, vor der Tat derartige Stofftaschen besessen zu haben. Das Landgericht hätte daher in seinen Überlegungen die Möglichkeit einbeziehen müssen, dass der Angeklagte eine dieser Taschen für die Begehung der Tat zur Verfügung gestellt hat.
13
b) Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist zudem – worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hingewiesen hat - in einem maßgeblichen Punkt lückenhaft. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass ein mit einem Mobiltelefon aufgenommener Videoclip mit Datum und Uhrzeit abgespeichert wird.
Das Urteil verhält sich zum Zeitpunkt der Aufnahme nicht. Hierbei handelt es sich indes um einen für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Einlassung des Angeklagten wesentlichen Gesichtspunkt; denn es könnte bei einer entsprechenden zeitlichen Nähe zwischen der Hinterlegung des Lösegeldes (gegen 9.30 Uhr) und der Aufnahme des Videos durchaus zweifelhaft sein, ob es dem Angeklagten innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden Zeit überhaupt möglich war, nach Erhalt des Anrufes des Mitangeklagten W. von der Wohnung der Lana M. in Gütersloh zu der Wohnung des L. in Wadersloh-Liesborn zu fahren.
14
c) Schließlich ist zu besorgen, dass die Strafkammer bei der Beurteilung der Gesamtheit der Indizien von einem falschen Ansatz ausgegangen ist und zu hohe Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung gestellt hat, indem es zur Überführung des Angeklagten eine „geschlossene Indizienkette“ gefordert hat. Auch Indizien, die einzeln nebeneinander stehen, aber jeweils für sich einen Hinweis auf die Täterschaft des Angeklagten enthalten, können in ihrer Gesamtheit die Überzeugung des Tatrichters von dessen Schuld begründen (BGH, Urteil vom 29. August 2007 – 2 StR 284/07 unter Rdn. 11).
15
5. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne die aufgezeigten Beweiswürdigungsmängel eine Strafbarkeit des Angeklagten als (Mit-) Täter oder jedenfalls als Teilnehmer des erpresserischen Menschenraubes bejaht hätte. Er hebt daher das angefochtene Urteil, soweit es den Angeklagten betrifft, mit den zugrunde liegenden Feststellungen auf. Einer Einstellung des Verfahrens, soweit der Angeklagte wegen versuchter Strafvereitelung verurteilt worden ist, bedarf es nicht. Das vom Landgericht als versuchte Strafvereitelung bewertete Geschehen steht hier mit dem angeklagte Tatgeschehen in einem derartig engen örtlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang, dass die Annahme eines einheitlichen geschichtlichen Lebensvorganges und damit einer Tat nicht zu beanstanden ist (vgl. hierzu BGH NStZ 1989, 266; 1999, 206).
16
6. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO Gebrauch gemacht.
Tepperwien Kuckein Athing
Ernemann Sost-Scheible

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Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 284/07
vom
29. August 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Mordes u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29. August
2007, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode
als Vorsitzender,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten zu 1.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 2.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten zu 3.,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27. Oktober 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten W. und L. vom Vorwurf des gemeinschaftlichen Mordes und den Angeklagten R. vom Vorwurf der versuchten Strafvereitelung freigesprochen. Dagegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben Erfolg.

I.

2
1. Die Staatsanwaltschaft hatte den Angeklagten W. und L. vorgeworfen , am 16. April 2005 nach 11.59 Uhr entsprechend einem gemeinsamen Tatplan den Ehemann der Angeklagten W. , E. W. , mit dem in einem alkoholischen Getränk aufgelösten Schlafmittel Diazepam sediert und in der Folgezeit durch massive Gewalteinwirkung gegen den Schildknorpel am Hals getötet zu haben. Am Nachmittag des 17. April 2005 sei der Leichnam dann in einer Lagerhalle der vom Opfer betriebenen Firma zerteilt, in Plastiksä- cke und Folie verpackt und mit mindestens drei weiteren Personen, darunter dem gesondert verfolgten We. , in der Nacht vom 17. auf den 18. April 2005 in den Main geworfen worden. Der Angeklagte R. habe dem Angeklagten L. in der Folgezeit ein falsches Alibi für den Abend und die Nacht vom 17. auf den 18. April 2005 gegeben, um ihn vor Strafverfolgung zu schützen.
3
2. Die Strafkammer hat Folgendes festgestellt: Das Tatopfer, E. W. , befasste sich mit dem Vertrieb osteuropäischer Waren. Es kam regelmäßig zu Konflikten mit Geschäftspartnern und Konkurrenten. In seiner Ehe kriselte es, weil er eine intime Dauerbeziehung mit seiner Bürokraft unterhielt und weitere außereheliche sexuelle Kontakte gehabt hatte. Die finanzielle Situation der vom Opfer geleiteten Firma war angespannt. E. W. beauftragte den Angeklagten L. gelegentlich mit Tätigkeiten im Vertrieb seiner Firma und beschäftigte dessen langjährigen Freund, den gesondert Verfolgten We. , als Lageristen.
4
Am Morgen des 15. April 2005 wurde auf dem Geschäftscomputer des E. W. ein Schreiben an zwei Rechtsanwälte erstellt, wonach er „in den letzten Tagen von meiner Frau W. mit dem Mord oder körperlicher Gewalt von ihren angeblichen und unbekannten `Freunden` bedroht“ worden sei. Der Verbleib dieses Schreibens konnte nicht geklärt werden. Am Vormittag des 16. April 2005 kam es zwischen den Eheleuten W. zum Streit. Wo das Opfer die Nacht verbrachte, ließ sich nicht feststellen. Am Sonntag, dem 17. April 2005, telefonierte E. W. um 12.31 Uhr von den Lagerräumen seiner Firma in der A. -O. -Straße aus mit einer Frau B.. Bis 15.58 Uhr versuchte er von dort aus mehrfach, We. telefonisch zu erreichen. Um 14.42 Uhr und um 15.18 Uhr war auch das Handy des Angeklagten L. in der dortigen Funkzelle eingeloggt. We. war um 17.20 Uhr von einer Reise in die Ukraine zurückgekehrt. Der Angeklagte L. holte We. vom Bus- bahnhof in F. ab und fuhr in den Bereich der Funkzelle A. - S. Straße/A. d. K. , in dem sich sowohl die Privaträume des Opfers und als auch weitere Lagerräume seiner Firma befanden. Um 18.19 Uhr war auch das Handy des Opfers hier eingeloggt. Um 20.20 Uhr wurde mit dem Handy des Opfers ein 23-minütiges Gespräch mit den Eltern der Angeklagten W. geführt, wobei es in einer Funkzelle im Bereich K. eingeloggt war.
5
Das leicht alkoholisierte Opfer wurde mit ca. 4 bis 6 Tabletten Diazepam sediert und sodann durch Gewalteinwirkung gegen den Hals getötet. Der Todeszeitpunkt lag höchstens 24 Stunden vor Beginn der Obduktion am 18. April 2005 um 16.45 Uhr. Nach der Tötung wurde der Leichnam in mindestens fünf Stücke zerteilt, die einzeln in Folien verpackt und in der Nacht zwischen ca. 23 Uhr und 8.30 Uhr morgens von der Schleusenbrücke O. in den Main geworfen wurden. Am 18. April 2005 wurde der Unterkörper mit den Beinen gefunden; die weiteren Leichenteile bis auf den rechten Arm des Opfers wurden bis zum 3. Mai 2005 geborgen. An diesem Tag wurde das Opfer anhand seiner Fingerabdrücke identifiziert.
6
Die Angeklagte W. hatte keine Vermisstenanzeige erstattet. Sie hatte am 20. April 2005 auf dem Geschäftscomputer ein Schreiben an die Postbank gefertigt, in dem sie um Zuteilung neuer PINs für das Geschäftskonto und ihre Privatkonten bat. Im Schlüsselkasten in der Ehewohnung befand sich der Schlüsselbund des Opfers mit Auto-, Wohnungs- und Büroschlüsseln. Bei Durchsuchungen der Wohnung des Opfers, der Büro- und Lagerräume und der Wohnung des Angeklagten L. wurden keine Hinweise auf die Tat gefunden. In den Lagerräumen in der A. -S. -Straße wurde eine vermutlich dem We. gehörende Sporttasche gefunden, in der sich Diazepam-Tabletten befanden , desgleichen waren Diazepam-Tabletten in der Wohnung des Angeklagten L. . An der angebrochenen Packung aus der Sporttasche wurden DNA- Spuren vom Angeklagten L. und von We. gesichert. An der Außenseite des Sackes, in dem der Oberkörper des Opfers verpackt war, befand sich an zwei kurzen Klebestreifen DNA-Material der Angeklagten W. . Auffällige Kunststofffasern wurden sowohl an der Verpackung des Unterkörpers des Opfers , am Unterkörper selbst, in dessen Jeep und in der Lagerhalle in der A. - O. -Straße gefunden. Die Angeklagten wurden am 14. Juni 2005 festgenommen ; We. hat sich in die Ukraine abgesetzt. Der Angeklagte L. bat den Angeklagten R. , ihm für den Abend des 17. April 2005 ein falsches Alibi zu geben, wobei er ihm zusicherte, nichts mit der Tat zu tun zu haben.
7
3. Das Landgericht hat zwar gewisse, die Angeklagten W. und L. belastende Indizien gesehen. Insgesamt hat es fünfzehn Indizien im Einzelnen geprüft. Diese reichten aber nach Ansicht des Tatrichters weder allein noch zusammen aus, die Angeklagten der Tat zu überführen, insbesondere habe keine geschlossene Indizienkette festgestellt werden können. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass die Angeklagten im Ermittlungsverfahren unzureichende oder widerlegte Angaben gemacht hätten. Es sei nicht möglich festzustellen, wer das Opfer wo, wann genau und warum getötet habe. Indizien für einen gemeinsamen Tatplan fehlten. Sowohl die Angeklagten W. und L. als auch We. hätten Motiv und Gelegenheit gehabt, das Opfer allein oder gemeinsam mit anderen zu töten, auch eine Tatbegehung durch Dritte sei nicht auszuschließen. Da der Täter unbekannt geblieben sei, könne auch zu Lasten des Angeklagten R. nicht angenommen werden, dass er versucht habe, zu Unrecht die Bestrafung des Angeklagten L. als (Mit-)Täter eines Mordes zu verhindern.

II.

8
Die Freisprüche halten sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
9
1. Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei oder sieht er von einer weiterreichenden Verurteilung ab, weil er Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Dieses hat insoweit nur zu beurteilen, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ-RR 2005, 147; 2004, 238). Aus den Urteilsgründen muss sich auch ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 11; Beweiswürdigung, unzureichende 1; BGH NStZ 1983, 133; 2002, 48; BGH NStZ-RR 2000, 45; 2004, 238).
10
a) Den Urteilsfeststellungen ist nicht zu entnehmen, dass das Landgericht im vorliegenden Fall tatsächlich eine Gesamtwürdigung aller Indizien vorgenommen hat. Auf UA S. 20 wird nur als Ergebnis mitgeteilt, dass auch eine Gesamtwürdigung der Indizien nicht zur Überführung der Angeklagten ausreiche. Inwieweit das Landgericht alle oder mehrere Indizien im Zusammenhang gewürdigt hat, wird daraus nicht ersichtlich. Auf UA S. 34 hat das Landgericht zwar die Gesamtwürdigung der Indizien als gesonderten Punkt 16 nach der Würdigung von 15 Einzelindizien in die Urteilsgründe eingestellt. Auch hier wird jedoch nur das Ergebnis der Gesamtwürdigung praktisch wortgleich mit den Ausführungen UA S. 20 wiedergegeben, anschließend setzen sich die Urteils- gründe mit möglichen Motiven der Täter auseinander. Angesichts der Fülle der Indizien und ihrem zum Teil durchaus gewichtigen belastenden Charakter lässt die zusammenfassende Wertung hier nicht erkennen, ob wirklich alle einzelnen belastenden Indizien im Zusammenhang mit den anderen gesehen worden sind. Hinzu kommt, dass das Landgericht zahlreichen Indizien wegen möglicher unverfänglicher Erklärungen allein keinen Beweiswert beigemessen hat. Es steht daher zu besorgen, dass es diese Indizien bei der Gesamtwürdigung nicht berücksichtigt hat, obwohl ihnen im Zusammenhang mit anderen belastenden Indizien durchaus ein belastender Beweiswert zukommen kann.
11
b) Es ist weiter zu besorgen, dass das Landgericht bei der Beurteilung des Beweiswerts der Gesamtheit der Indizien von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist und zu hohe Anforderungen gestellt hat, indem es zur Überführung der Angeklagten eine „geschlossene Indizienkette“ verlangt hat. Auch Indizien, die einzeln nebeneinander stehen, aber jeweils für sich einen Hinweis auf die Täterschaft des Angeklagten enthalten, können in ihrer Gesamtheit die Überzeugung des Tatrichters von dessen Schuld begründen.
12
c) Die Schwurgerichtskammer hat nur eine Täterschaft der Angeklagten W. und L. geprüft und sich dadurch möglicherweise den Blick dafür verstellt, dass die festgestellten belastenden Indizien unter Zugrundelegung des Zweifelsgrundsatzes jedenfalls Beihilfehandlungen belegen könnten. Eine Verurteilung wegen Beihilfe kann auch dann er folgen, wenn der eigentliche Täter unbekannt bleibt. Ausreichend ist, dass die Tat als solche und die Beihilfehandlungen feststehen. Das Landgericht hätte sich deshalb auch unter diesem Gesichtspunkt mit den festgestellten Indizien auseinandersetzen müssen.
13
d) Auf die von der Revisionsführerin gerügte fehlerhafte bzw. unvollständige Würdigung von Einzelindizien kommt es danach nicht mehr an.
14
2. Der Freispruch des Angeklagten R. hat schon deshalb keinen Bestand , weil das Landgericht, worauf die Revisionsführerin zutreffend hingewiesen hat, die Möglichkeit nicht erörtert hat, dass der Angeklagte einen untauglichen Versuch unternommen haben könnte, den Angeklagten L. vor Strafe zu bewahren, wenn er bei seiner Aussage die Täterschaft des L. oder dessen Beteiligung an der Tat für möglich hielt und eine Strafvereitelung billigend in Kauf nahm. Das Landgericht hat im Übrigen auch im Zusammenhang mit dem Vorwurf der versuchten Strafvereitelung andere Varianten als eine (mit-)täterschaftliche Beteiligung des L. an der Tat nicht geprüft. RiBGH Dr. Bode ist Ri'inBGH Dr. Otten Rothfuß wegen Urlaubsabwesen- ist wegen Krankheit heit an der Unterschrifts- an der Unterschriftsleistung verhindert. leistung verhindert. Rothfuß Rothfuß Fischer Roggenbuck