Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2016 - 4 StR 254/16

bei uns veröffentlicht am27.10.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 254/16
vom
27. Oktober 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts der besonders schweren Brandstiftung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:271016U4STR254.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Oktober 2016, an der teilgenommen haben:
Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck als Vorsitzende,
Richter am Bundesgerichtshof Cierniak, Dr. Franke, Bender, Dr. Quentin als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
der Angeklagte in Person,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Siegen vom 11. Januar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der gemeinschaftlich begangenen besonders schweren Brandstiftung freigesprochen. Dagegen wendet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
Die Anklage der Staatsanwaltschaft legte dem Angeklagten zur Last, aufgrund eines gemeinsamen Tatplans mit dem gesondert verfolgten A. einen bislang unbekannten Mittäter beauftragt zu haben, am 20. November 2014 gegen 22.47 Uhr einen Brandsatz in die Räumlichkeiten der Shisha- Bar „C. “ in S. zu werfen, um in den Genuss einer erst kurz zuvor abgeschlossenen Inventarversicherung über 30.000 € zu kommen. Der Angeklagte sei „stiller Teilhaber“, A. Geschäftsführerder Shisha-Bar gewe- sen. Der Brandsatz habe die Inneneinrichtung der Bar entzündet, die sodann nahezu vollständig ausgebrannt sei.
3
Der Angeklagte hat eingeräumt, von der Absicht des gesondert verfolgten A. , einen Versicherungsbetrug durch Brandstiftung zu begehen, gewusst zu haben. Er sei nicht an der Shisha-Bar beteiligt gewesen, habe aber dem A. zur Eröffnung ein Darlehen über 1.500 € gewährt. Er habe gedacht, dass er durch die von A. geplante Tat eventuell sein Darlehen zurückerhalten könne.
4
Das Landgericht hat den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Er werde zwar durch den Zeugen A. belastet. Es gebe aber weder Zeugen noch sonstige Beweismittel, die die Angaben des Zeugen A. zuder Beteiligung des Angeklagten an der Shisha-Bar und an der Inbrandsetzung derselben stützten. Auch der WhatsApp-Verkehr zwischen A. und dem Angeklagten lasse keine eindeutigen Rückschlüsse auf eine Tatbeteiligung zu.

II.


5
1. Der Freispruch hält bereits deshalb rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht es unterlassen hat zu prüfen, ob eine Verurteilung wegen Nichtanzeige einer geplanten Straftat nach § 138 Abs. 1 Nr. 8 StGB zu erfolgen hat. Eine Verurteilung wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Verdacht der Beteiligung an einer in § 138 Abs. 1 und 2 StGB bezeichneten Katalogtat fortbesteht (BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 – 5 StR 464/09, BGHSt 55, 148). Die Verfahrensvoraussetzung einer wirksamen Anklageerhebung für die Verfolgung der Tat nach § 138 StGB liegt vor. Denn in der angeklagten Beteiligung an einer Katalogtat des § 138 StGB ist zugleich – im Sinne prozessualer Tatidentität (vgl. §§ 264, 155 StPO) – der Vorwurf enthalten, die beabsichtigte Begehung dieses Delikts nicht angezeigt zu haben. Dieser Vorwurf untersteht damit ebenfalls tatrichterlicher Kognition (BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 – 5 StR 464/09 Rn. 19 mwN, insoweit in BGHSt nicht abgedruckt).
6
2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat außerdem auf Folgendes hin:
7
Die Würdigung des Landgerichts, der WhatsApp-Verkehr zwischen A. und dem Angeklagten lasse keine eindeutigen Rückschlüsse auf eine Tatbeteiligung des Angeklagten zu, begegnet auch eingedenk des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfungsumfangs der Beweiswürdigung rechtlichen Bedenken, weil das Landgericht naheliegende Auslegungsmöglichkeiten ersichtlich nicht bedacht hat. Die Annahme des Landgerichts, es mache objektiv keinen Sinn, zwei Tage vor der geplanten Tat darüber nachzudenken, wie man noch Geld eintreiben könne, wenn A. und der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt bereits vorgehabt hätten, den Brand zu legen und das Geld von der Versicherung zu kassieren (UA S. 20), lässt außer Acht, dass die neue Inventarversicherung am Tag zuvor geschlossen worden war und – um Versicherungsschutz zu erlangen – die erste Versicherungsprämie gezahlt werden musste. Der Vorschlag, den Fernseher zu verkaufen, könnte der Erlangung des Geldes für die Versicherungsprämie gedient haben. Der Angeklagte schlägt, als A. den Verkauf des Fernsehers zunächst ablehnt, vor, zu „warten bis nächste Wo- che und hoffen das Freitag 120 reinkommen“, was als Verschieben der Tat um eine Woche in der Hoffnung, dass am Freitag 120 € (für die Versicherungsprämie ) eingenommen werden, interpretiert werden könnte. Auf diesen Vorschlag antwortet A. : „Kennst du jemanden der Fernseher kauft?“ Die Versicherungs- prämie wurde dann am Tattag in Höhe von 117,43 € von A. in bar in der Versicherungsagentur geleistet (UA S. 5).
Roggenbuck Cierniak Franke
Bender Quentin

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2016 - 4 StR 254/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2016 - 4 StR 254/16

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2016 - 4 StR 254/16 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 264 Gegenstand des Urteils


(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

Strafgesetzbuch - StGB | § 138 Nichtanzeige geplanter Straftaten


(1) Wer von dem Vorhaben oder der Ausführung 1. (weggefallen)2. eines Hochverrats in den Fällen der §§ 81 bis 83 Abs. 1,3. eines Landesverrats oder einer Gefährdung der äußeren Sicherheit in den Fällen der §§ 94 bis 96, 97a oder 100,4. einer Geld- od

Strafprozeßordnung - StPO | § 155 Umfang der gerichtlichen Untersuchung und Entscheidung


(1) Die Untersuchung und Entscheidung erstreckt sich nur auf die in der Klage bezeichnete Tat und auf die durch die Klage beschuldigten Personen. (2) Innerhalb dieser Grenzen sind die Gerichte zu einer selbständigen Tätigkeit berechtigt und verpf

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2016 - 4 StR 254/16 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2016 - 4 StR 254/16 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Mai 2010 - 5 StR 464/09

bei uns veröffentlicht am 19.05.2010

Nachschlagewerk: ja BGHSt : ja Veröffentlichung : ja StGB § 138 Abs. 1 und 2 Eine Verurteilung wegen Nichtanzeige geplanter Straftaten wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Verdacht der Beteiligung an einer in § 138 Abs. 1 und 2 StGB bez

Referenzen

(1) Wer von dem Vorhaben oder der Ausführung

1.
(weggefallen)
2.
eines Hochverrats in den Fällen der §§ 81 bis 83 Abs. 1,
3.
eines Landesverrats oder einer Gefährdung der äußeren Sicherheit in den Fällen der §§ 94 bis 96, 97a oder 100,
4.
einer Geld- oder Wertpapierfälschung in den Fällen der §§ 146, 151, 152 oder einer Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in den Fällen des § 152b Abs. 1 bis 3,
5.
eines Mordes (§ 211) oder Totschlags (§ 212) oder eines Völkermordes (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder eines Kriegsverbrechens (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder eines Verbrechens der Aggression (§ 13 des Völkerstrafgesetzbuches),
6.
einer Straftat gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 232 Absatz 3 Satz 2, des § 232a Absatz 3, 4 oder 5, des § 232b Absatz 3 oder 4, des § 233a Absatz 3 oder 4, jeweils soweit es sich um Verbrechen handelt, der §§ 234, 234a, 239a oder 239b,
7.
eines Raubes oder einer räuberischen Erpressung (§§ 249 bis 251 oder 255) oder
8.
einer gemeingefährlichen Straftat in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 310, 313, 314 oder 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3 oder der §§ 316a oder 316c
zu einer Zeit, zu der die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt und es unterläßt, der Behörde oder dem Bedrohten rechtzeitig Anzeige zu machen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
von der Ausführung einer Straftat nach § 89a oder
2.
von dem Vorhaben oder der Ausführung einer Straftat nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2,
zu einer Zeit, zu der die Ausführung noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt und es unterlässt, der Behörde unverzüglich Anzeige zu erstatten. § 129b Abs. 1 Satz 3 bis 5 gilt im Fall der Nummer 2 entsprechend.

(3) Wer die Anzeige leichtfertig unterläßt, obwohl er von dem Vorhaben oder der Ausführung der rechtswidrigen Tat glaubhaft erfahren hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

19
5. Auch die Verfahrensvoraussetzung einer wirksamen Anklageerhebung für den Schuldspruch nach § 138 StGB liegt vor. Denn in der angeklagten Beteiligung an einer Katalogtat des § 138 StGB ist zugleich – im Sinne prozessualer Tatidentität (vgl. §§ 264, 155 StPO) – der Vorwurf enthalten, die beabsichtigte Begehung dieses Delikts nicht angezeigt zu haben. Dieser Vorwurf untersteht damit ebenfalls tatrichterlicher Kognition (vgl. BGHSt 32, 215, 219; 36, 167, 169; BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 37; BGH http://www.juris.de/jportal/portal/t/dkt/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=12&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE381620901&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 10 - NStZ 1993, 50; NStZ-RR 1998, 204; BGH, Urteil vom 24. Januar 2003 – 2 StR 215/02 S. 9, insoweit in BGHSt 48, 183 nicht abgedruckt).

(1) Wer von dem Vorhaben oder der Ausführung

1.
(weggefallen)
2.
eines Hochverrats in den Fällen der §§ 81 bis 83 Abs. 1,
3.
eines Landesverrats oder einer Gefährdung der äußeren Sicherheit in den Fällen der §§ 94 bis 96, 97a oder 100,
4.
einer Geld- oder Wertpapierfälschung in den Fällen der §§ 146, 151, 152 oder einer Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in den Fällen des § 152b Abs. 1 bis 3,
5.
eines Mordes (§ 211) oder Totschlags (§ 212) oder eines Völkermordes (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder eines Kriegsverbrechens (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 des Völkerstrafgesetzbuches) oder eines Verbrechens der Aggression (§ 13 des Völkerstrafgesetzbuches),
6.
einer Straftat gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 232 Absatz 3 Satz 2, des § 232a Absatz 3, 4 oder 5, des § 232b Absatz 3 oder 4, des § 233a Absatz 3 oder 4, jeweils soweit es sich um Verbrechen handelt, der §§ 234, 234a, 239a oder 239b,
7.
eines Raubes oder einer räuberischen Erpressung (§§ 249 bis 251 oder 255) oder
8.
einer gemeingefährlichen Straftat in den Fällen der §§ 306 bis 306c oder 307 Abs. 1 bis 3, des § 308 Abs. 1 bis 4, des § 309 Abs. 1 bis 5, der §§ 310, 313, 314 oder 315 Abs. 3, des § 315b Abs. 3 oder der §§ 316a oder 316c
zu einer Zeit, zu der die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt und es unterläßt, der Behörde oder dem Bedrohten rechtzeitig Anzeige zu machen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
von der Ausführung einer Straftat nach § 89a oder
2.
von dem Vorhaben oder der Ausführung einer Straftat nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2,
zu einer Zeit, zu der die Ausführung noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt und es unterlässt, der Behörde unverzüglich Anzeige zu erstatten. § 129b Abs. 1 Satz 3 bis 5 gilt im Fall der Nummer 2 entsprechend.

(3) Wer die Anzeige leichtfertig unterläßt, obwohl er von dem Vorhaben oder der Ausführung der rechtswidrigen Tat glaubhaft erfahren hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Die Untersuchung und Entscheidung erstreckt sich nur auf die in der Klage bezeichnete Tat und auf die durch die Klage beschuldigten Personen.

(2) Innerhalb dieser Grenzen sind die Gerichte zu einer selbständigen Tätigkeit berechtigt und verpflichtet; insbesondere sind sie bei Anwendung des Strafgesetzes an die gestellten Anträge nicht gebunden.

19
5. Auch die Verfahrensvoraussetzung einer wirksamen Anklageerhebung für den Schuldspruch nach § 138 StGB liegt vor. Denn in der angeklagten Beteiligung an einer Katalogtat des § 138 StGB ist zugleich – im Sinne prozessualer Tatidentität (vgl. §§ 264, 155 StPO) – der Vorwurf enthalten, die beabsichtigte Begehung dieses Delikts nicht angezeigt zu haben. Dieser Vorwurf untersteht damit ebenfalls tatrichterlicher Kognition (vgl. BGHSt 32, 215, 219; 36, 167, 169; BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 37; BGH http://www.juris.de/jportal/portal/t/dkt/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=12&fromdoctodoc=yes&doc.id=KVRE381620901&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 10 - NStZ 1993, 50; NStZ-RR 1998, 204; BGH, Urteil vom 24. Januar 2003 – 2 StR 215/02 S. 9, insoweit in BGHSt 48, 183 nicht abgedruckt).