Bundesgerichtshof Urteil, 03. Feb. 2011 - 3 StR 466/10

published on 03/02/2011 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 03. Feb. 2011 - 3 StR 466/10
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 466/10
vom
3. Februar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Februar
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin E. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. Juni 2010 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist
b) sowie zu Gunsten des Angeklagten im Strafausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat gegen den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in acht Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verhängt und ihn verurteilt, an die Adhäsionsklägerinnen Schmerzensgeld nebst Zinsen zu zahlen. Mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten, mit der Sachrüge begründeten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft namentlich gegen die vom Landgericht abgelehnte Anordnung der Sicherungsverwahrung.
2
Eine Beschränkung der Revision auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung , die sich daraus ergeben könnte, dass die Revisionsbegründung nur dazu Ausführungen enthält (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 344 Rn. 6), wäre unwirksam. Denn zwischen den ausgesprochenen Einzelstrafen sowie der Gesamtfreiheitsstrafe einerseits und der Maßregel der Sicherungsverwahrung andererseits besteht im vorliegenden Fall ein nicht ausschließbarer untrennbarer Zusammenhang, weil das Landgericht von der Anordnung der Sicherungsverwahrung auch mit Blick auf die zu verbüßende lange Freiheitsstrafe abgesehen hat (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 318 Rn. 26).
3
Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidung über die Sicherungsverwahrung und - insoweit nur zu Gunsten des Angeklagten (§ 301 StPO) - des gesamten Strafausspruchs.
4
1. Nach den Feststellungen zur Person ist der 68 Jahre alte Angeklagte mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern vorbestraft.
5
a) Mit Urteil vom 20. Dezember 1993 verurteilte ihn das Landgericht Hannover wegen fortgesetzten sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Der Verurteilung lag zugrunde, dass er im Zeitraum 1981 bis 1986 in einer Vielzahl von Fällen seine zu den Tatzeitpunkten zwischen acht und 13 Jahre alte Tochter an der Scheide berührt sowie einen Finger in ihre Scheide eingeführt, im Frühjahr 1991 vier zwischen fünf und neun Jahre alte Mädchen an der Scheide und am Rücken gestreichelt und im Zeitraum von Sommer 1992 bis 17. Juni 1993 ein acht Jahre altes Mädchen im Scheidenbereich gestreichelt und geküsst hatte. Am 30. Juni 1995 wurde er unter Aussetzung eines Strafrestes von 360 Tagen zur Bewährung aus der Strafhaft entlassen.
6
b) Am 16. März 1999 sprach das Landgericht Hannover den Angeklagten des sexuellen Missbrauchs von Kindern in 30 Fällen schuldig und verhängte gegen ihn eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Er hatte im Zeitraum von Juli bis Dezember 1997 ein sechs Jahre altes Mädchen am ganzen Körper gewaschen, sein erigiertes Glied zwischen dessen Schenkel gesteckt und es veranlasst, sein Glied anzufassen. Nach vollständiger Verbüßung der Strafe wurde er am 13. August 2002 aus der Strafhaft entlassen.
7
2. Nach den zur Sache getroffenen Feststellungen berührte der Angeklagte zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum vom 16. September 2002 bis zum 31. Dezember 2006 in seiner Wohnung in H. die am 12. Mai 1995 geborene S. mindestens bei fünf Gelegenheiten an der Scheide und leckte sie in einem weiteren Fall an der Scheide (Fälle 1 bis 6 der Urteilsgründe). Außerdem küsste er die am 7. Mai 2001 geborene E. bei zwei Gelegenheiten in den Sommerferien 2008 in seinem auf einem Campingplatz in C. abgestellten Wohnmobil im Scheidenbereich (Fälle 7 und 8 der Urteilsgründe).
8
3. Das Landgericht hat jeweils minder schwere Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern wegen der einschlägigen Vorstrafen, der Verbüßung von Freiheitsstrafen in der Gesamthöhe von sechs Jahren und sechs Monaten, dem langen Tatzeitraum, der Anzahl der Fälle, der Tatmodalitäten sowie der psychischen Tatfolgen für die Geschädigten abgelehnt, ist vom Strafrahmen des § 176 Abs. 1 StGB ausgegangen und hat aus fünf Einzelstrafen von jeweils einem Jahr und sechs Monaten (Fälle 1 bis 5 der Urteilsgründe) und drei Einzelstrafen von einem Jahr und zehn Monaten (Fälle 6 bis 8 der Urteilsgründe) eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verhängt. Von der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hat es abgesehen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt:
9
Sowohl die formellen als auch die materiellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 StGB für die Anordnung von Sicherungsverwahrung lägen vor. In Übereinstimmung mit den Ausführungen der psychiatrischen Sachverständigen Dr. P. sei ein Hang des Angeklagten zur Begehung von Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu bejahen. Diagnostisch sei bei ihm eine Pädophilie mit einer Orientierung auf präpubertäre Mädchen gegeben. Es fehle bei ihm an einer intensiven Auseinandersetzung mit seinen Straftaten. Die Hartnäckigkeit seiner Delinquenz stehe in einem engen Zusammenhang mit seinen narzisstischen , hochgradig egozentrischen sowie zwanghaften Persönlichkeitszügen, seiner fehlenden Selbstkritik, einem ausgeprägten Empathiemangel, seinem erheblichen manipulativen Geschick sowie einer verzerrten Realitätserfahrung. Diese Besonderheiten der Persönlichkeit erschwerten eine nachhaltige Veränderung. Ein sozialer Raum, der ihn nach Entlassung aus der Strafhaft von gleichartigen Straftaten abhalten könnte, sei nicht gegeben. Da der Angeklagte eine hohe persönlichkeitsgebundene Bereitschaft zeige, seine auf präpubertäre Mädchen ausgerichteten erotisch-sexuellen Interessen auszuleben, seien von ihm in der Zukunft gleichartige und erhebliche Straftaten durch gewaltfreies, manipulatives Verhalten innerhalb zuvor aufgebauter Beziehungen zu erwarten, sodass er für die Allgemeinheit gefährlich sei. Eine durchgeführte Prostataoperation und das fortgeschrittene Alter könnten bei ihm nicht als wesentlich die Rückfallgefahr mindernde Umstände gewertet werden.
10
Die nach § 66 Abs. 2 StGB zu treffende Ermessensentscheidung führe jedoch im Ergebnis dazu, dass die Sicherungsverwahrung nicht anzuordnen sei. Es sei zu erwarten, dass sich der Angeklagte, der über eine gut durch- schnittliche Intelligenz verfüge, die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe hinreichend zur Warnung dienen lasse. Er habe seine Bereitschaft zur Durchführung einer längerfristigen Gruppentherapie erklärt und erkannt, dass er bei einer weiteren vergleichbaren Tat eine Freiheitsstrafe zu erwarten habe, die ihn wegen seines fortgeschrittenen Alters für den Rest seines Lebens in Strafhaft bringe, und er zudem mit der Anordnung von Sicherungsverwahrung rechnen müsse, um deren Nichtverhängung er gekämpft und die er nur knapp vermieden habe. Vor diesem Hintergrund werde der Umstand relativiert, dass er bereits zwei Tatkomplexe mit nachfolgender mehrjähriger Strafhaft unbeeindruckt überstanden habe. Hinzu komme, dass ihn die zu verbüßende Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren wegen seines fortgeschrittenen Alters erheblich schwerer und länger treffen werde als die bisher verbüßten Strafen. Deshalb sei vom Beginn einer Änderung seines Bewusstseins und von einer ersten Bewegung in seiner bisher starren Haltung auszugehen, die sein weiteres Verhalten bestimmen werden. Die erklärte Therapiebereitschaft sei nicht als "prozesstaktisches Verhalten" zu werten, sondern als ein Bemühen, sich mit der Neigung zum Kindesmissbrauch kritisch auseinander zu setzen. Auch die Entschuldigung in der Hauptverhandlung und das Anerkenntnis der Schmerzensgeldforderungen belegten die erforderliche substantielle Änderung in der Lebenseinstellung. Bei der Ermessensausübung sei auch zu berücksichtigen, dass die Anlasstaten nicht von hoher Intensität seien und nach Verbüßung der Gesamtfreiheitsstrafe Führungsaufsicht eintrete, wodurch eine weitergehende intensive Kontrolle und Betreuung mit dem Ziel der Risikovermeidung erreicht werden könne.
11
4. Die Begründung, mit der das Landgericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung abgelehnt hat, weist durchgreifende Rechtsfehler auf.
12
a) Gemäß Artikel 316e Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 EGStGB sind für die Entscheidung die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung anzuwenden.
13
b) Die Anordnung von Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters und ist deshalb der Kontrolle durch das Revisionsgericht nur eingeschränkt zugänglich (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 4. August 2009 - 1 StR 300/09, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensausübung 1). Dieser soll die Möglichkeit haben, sich ungeachtet der festgestellten hangbedingten Gefährlichkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Urteilsfällung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass sich der Täter schon die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt. Damit wird dem Ausnahmecharakter der Vorschrift Rechnung getragen, der sich daraus ergibt, dass § 66 Abs. 2 StGB - im Gegensatz zu Absatz 1 der Vorschrift - eine frühere Verurteilung und eine frühere Strafverbüßung des Täters nicht voraussetzt (BGH, Beschluss vom 4. August 2009 - 1 StR 300/09, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensausübung 1). Die maßgeblichen Gründe für seine Ermessensentscheidung muss der Tatrichter nachvollziehbar darlegen (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 4. August 2009 - 1 StR 300/09, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensausübung 1; BGH, Urteil vom 9. Juni 1999 - 3 StR 89/99, NStZ 1999, 473, 474), um dem Revisionsgericht die Nachprüfung der Ermessensentscheidung zu ermöglichen.
14
Für die Beurteilung, ob ein Angeklagter infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist und deshalb die Anordnung von Sicherungsverwahrung geboten erscheint, kommt es grundsätzlich auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Urteilserlasses an. Eine noch ungewisse Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Strafvollzug bleibt bei der Prognose außer Betracht; ihr wird erst am Ende des Vollzugs im Rahmen der Prüfung gemäß § 67c Abs. 1 StGB Rechnung getragen. Das Absehen von der Anordnung trotz bestehender hangbedingter Gefährlichkeit kommt in Ausübung des in § 66 Abs. 2 und 3 StGB eingeräumten Ermessens nur dann in Betracht, wenn erwartet werden kann, der Täter werde sich die Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs hinreichend zur Warnung dienen lassen, sodass für das Ende des Strafvollzugs eine günstige Prognose gestellt werden kann. Dabei darf der Tatrichter im Rahmen der Ermessensentscheidung auch die mit dem Fortschreiten des Lebensalters erfahrungsgemäß eintretenden Haltungsänderungen berücksichtigen (BGH, Urteil vom 20. Juli 1988 - 2 StR 348/88, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 3; BGH, Urteil vom 28. Mai 1998 - 4 StR 17/98, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 6; BGH, Urteil vom 5. Februar 1985 - 1 StR 833/84, NStZ 1985, 261; BGH, Urteil vom 4. September 2001 - 1 StR 232/01, NStZ 2002, 30, 31). Der Erwartung müssen aber stets konkrete Anhaltspunkte und hinreichende Gründe zugrunde liegen. Nur denkbare positive Veränderungen und Wirkungen künftiger Maßnahmen im Strafvollzug reichen nicht aus (BGH, Urteil vom 5. Februar 1985 - 1 StR 833/84, NStZ 1985, 261; BGH, Urteil vom 13. März 2007 - 5 StR 499/06, NStZ 2007, 401).
15
c) Gemessen an diesen Maßstäben hält die Ablehnung der Anordnung von Sicherungsverwahrung rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
16
Eine Erwartung, der langjährige Freiheitsentzug und das hohe Lebensalter des Angeklagten würden die erforderliche substantielle Änderung in seiner Lebenseinstellung und Lebensführung bewirken, findet in den Feststellungen keine Grundlage. Die Strafkammer hat lediglich die denkbare Möglichkeit einer Haltungsänderung zum Ausdruck gebracht, jedoch nicht belegt, dass eine solche zu erwarten ist, indem sie von deren Beginn und einer ersten Bewegung spricht und in Übereinstimmung mit der Sachverständigen lediglich nicht aus- schließt, dass es zu einer Umorientierung des Angeklagten kommen könne, falls er sich einer sozialtherapeutischen Gruppentherapie unterziehe, diese zu Ende führe und im Anschluss an eine solche Therapie weitere stabilisierende Faktoren hinzukämen. Sie selbst geht - der Sachverständigen folgend - davon aus, dass erst am Ende einer erfolgreichen therapeutischen Behandlung das dann noch bestehende Rückfallrisiko beurteilt werden könne, nachdem der Angeklagte so lange an seinem Lebensstil festgehalten habe und die Besonderheiten seiner Persönlichkeit mit einer narzisstischen und zwanghaften Akzentuierung den sozialtherapeutischen Zugang erschwere und ihm den Weg zu einer nachhaltigen Veränderung verstelle. Dies lässt besorgen, dass das Landgericht den Beginn einer Verhaltensänderung mit deren erwartbaren Erfolg gleichgesetzt hat.
17
5. Die gebotene Aufhebung des Urteils, soweit das Landgericht davon abgesehen hat, die Sicherungsverwahrung anzuordnen, führt - allerdings nur zu Gunsten des Angeklagten - auch zur Aufhebung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe. Im Hinblick auf die Erwägungen im Urteil zu den möglichen Auswirkungen eines langfristigen Strafvollzugs auf das zukünftige Verhalten des Angeklagten vermag der Senat nicht auszuschließen, dass die Strafen niedriger ausgefallen wären, wenn zugleich die Sicherungsverwahrung angeordnet worden wäre (BGH, Urteil vom 8. September 1987 - 1 StR 393/87, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 1; BGH, Urteil vom 31. Mai 1988 - 1 StR 182/88, BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 2).
18
6. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
19
Bei der Ermessensausübung im Rahmen des § 66 Abs. 2 StGB sind vor allem die Persönlichkeit des Angeklagten, seine einschlägigen Vorstrafen und die Rückfallgeschwindigkeit in den Blick zu nehmen. Zwar ist es bei einem Mehrfachtäter nicht von vornherein völlig ausgeschlossen, trotz Vorliegen eines Hanges zum sexuellen Missbrauch von Kindern und einer daraus resultierenden Gefährlichkeit für die Allgemeinheit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abzusehen. Angesichts der Feststellung, der Angeklagte habe die Anlasstaten nach zwei einschlägigen Verurteilungen und der Verbüßung von insgesamt sechs Jahren und sechs Monaten Strafhaft begangen, sowie des Umstandes, dass die sechs Straftaten zum Nachteil der Geschädigten S. auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtlich als schwerer sexueller Missbrauch von Kindern gemäß § 176a Abs. 1 (§ 176a Abs. 1 Nr. 4 aF) StGB zu würdigen gewesen wären mit der Folge einer höheren Strafandrohung , müssen Anhaltspunkte von Gewicht für eine Haltungsänderung vorliegen. Becker von Lienen Hubert Schäfer Mayer
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Annotations

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Wird eine Freiheitsstrafe vor einer wegen derselben Tat oder Taten angeordneten Unterbringung vollzogen und ergibt die vor dem Ende des Vollzugs der Strafe erforderliche Prüfung, dass

1.
der Zweck der Maßregel die Unterbringung nicht mehr erfordert oder
2.
die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung unverhältnismäßig wäre, weil dem Täter bei einer Gesamtbetrachtung des Vollzugsverlaufs ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 2 in Verbindung mit § 66c Absatz 1 Nummer 1 nicht angeboten worden ist,
setzt das Gericht die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus; mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein. Der Prüfung nach Satz 1 Nummer 1 bedarf es nicht, wenn die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im ersten Rechtszug weniger als ein Jahr vor dem Ende des Vollzugs der Strafe angeordnet worden ist.

(2) Hat der Vollzug der Unterbringung drei Jahre nach Rechtskraft ihrer Anordnung noch nicht begonnen und liegt ein Fall des Absatzes 1 oder des § 67b nicht vor, so darf die Unterbringung nur noch vollzogen werden, wenn das Gericht es anordnet. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Das Gericht ordnet den Vollzug an, wenn der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert. Ist der Zweck der Maßregel nicht erreicht, rechtfertigen aber besondere Umstände die Erwartung, daß er auch durch die Aussetzung erreicht werden kann, so setzt das Gericht die Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus; mit der Aussetzung tritt Führungsaufsicht ein. Ist der Zweck der Maßregel erreicht, so erklärt das Gericht sie für erledigt.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.