Bundesgerichtshof Urteil, 28. März 2012 - 2 StR 398/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen Verbreitens kinderpornographischer Schriften in zwölf Fällen und wegen bandenmäßigen Unternehmens des Drittbesitzverschaffens kinderpornographischer Schriften in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf Verfahrensrügen sowie die Sachbeschwerde gestützte Revision. Das Rechtsmittel führt nur zu der aus dem Tenor ersichtlichen Ergänzung im Strafausspruch ; im Übrigen ist es unbegründet.
- 2
- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte in eine Gruppierung von "Pädophilen" eingebunden, die sich zusammengeschlossen hatte, um arbeitsteilig eine Internetplattform für Gleichgesinnte zu betreiben. Diese Gruppe unterhielt von Frühjahr 2007 bis September 2008 unter Nutzung ausländischer Server zunächst das Internetboard "Z. " nebst dazugehörigen ChatRäumen. Die Mitglieder der Gruppe kannten sich nur teilweise untereinander aus persönlichen Kontakten mit ihren Namen und kommunizierten auf der Internetplattform anonymisiert unter Verwendung von Pseudonymen. Das Board fungierte dabei als "schwarzes Brett", auf dem Mitglieder Mitteilungen (sog. Postings) hinterließen und insbesondere dauerhaft und ungestört kinderpornographische Bild- und Videodateien austauschten. Hierzu wurden von den Nutzern Links zu den Speicherorten der meist auf ausländischen Servern abgelegten Dateien eingestellt. Das Board war in verschiedene Bereiche unterteilt. Ein Teil hiervon war jedermann zugänglich, im Übrigen war das Board nur den Mitgliedern vorbehalten, die - graduell abgestuft - durch verschiedene Aktivitäten, insbesondere das eigene Posten von Links zu kinderpornographischen Dateien, eine entsprechende Zugangsberechtigung erhalten hatten.
- 3
- Nach seinem Beitritt engagierte sich der Angeklagte von Beginn an in besonderem Maße für das Board mit dem Ziel, zügig in der Hierarchie aufzusteigen und selbst eine tragende Rolle in der Führungsriege zu übernehmen. Der Angeklagte erhielt daraufhin Ende April 2008 eine Leitungsfunktion zunächst für den ersten zugangsgeschützten Bereich "S. -Z. ", für den er "Administrator" wurde. Administratoren waren für Betrieb, Technik und Weiterentwicklung des Boards zuständig ; sie hatten zusätzlich auch sämtliche Befugnisse der ihnen untergeordneten sog. "Moderatoren", die u.a. für die Mitgliederbetreuung zu sorgen hatten. Dem Angeklagten oblag als Administrator insbesondere die Entscheidung über die Vergabe und den Entzug von Zugangsberechtigungen; es gelang ihm in kurzer Zeit, über 90 neue Mitglieder für den "S. -Z. " hinzuzugewinnen. Der Angeklagte bekam sodann ab Anfang Juni 2008 die "Chef"-Rolle eines Administrators auch für den frei zugänglichen "O. -Z. ". Dieser Bereich hatte bei seiner Schließung Ende September 2008 nach der Festnahme eines Board-Mitglieds 340 registrierte Mitglieder, der "S. -Z. " 119 registrierte Mitglieder. Zeitweise verzeichnete das gesamte "Z. "-Board bis zu 4.000 Zugriffe pro Tag.
- 4
- Neben seiner Tätigkeit als Administrator des "Z. "-Boards (Fall B I.) machte der Angeklagte auch weiterhin selbst Einträge mit Links zu kinderpornographischem Bild- und Videomaterial, um dadurch den möglichst langfristigen Betrieb des Boards aufrechtzuerhalten; so setzte er am 16. August 2008 zwei entsprechende Links auf das "S. -Z. "-Board (Fall B II.).
- 5
- Bereits bei Schließung des "Z. "-Boards waren sich alle Beteiligten darüber einig, dass alsbald ein Board neu geschaffen bzw. wieder geöffnet werden sollte. Nachdem viele ehemalige Mitglieder zwischenzeitlich über diverse Chats weiterhin Kontakt zueinander gehalten hatten, war am 23. März 2009 die neue Internetplattform der Pädophilen-Gruppe unter Nutzung des schon zuvor verwendeten Servers eingerichtet. Das Board wurde nunmehr unter dem Namen "S. " mit den dazugehörigen Chat-Räumen bis zu seiner Schließung aufgrund polizeilicher Maßnahmen am 29. September 2009 betrieben; bis zu diesem Zeitpunkt war die Zahl der Mitglieder des "S. "-Boards auf 476 angewachsen.
- 6
- Mitglied in dem "S. "-Board konnte jedermann werden, der in einem der zugehörigen Chat-Räume einen Link auf eine kinderpornographische "Hardcore"-Datei einstellte. Wenn die Administratoren die betreffende Datei hinsichtlich des Alters des Kindes und der gezeigten sexuellen Handlungen als geeignet befanden, kam es zur Aufnahme als (einfaches) Mitglied. Um höhere Mitgliederränge mit Zugangsberechtigung zu weiteren Bereichen des Boards zu erreichen, mussten die Mitglieder entsprechend mehr Links zu kinderpornographischen Bildund Videodateien posten. Sofern die Mitglieder innerhalb eines bestimmten Zeitraums keine Aktivitäten entfalteten, wurde ihr Zugang deaktiviert, um passive Teilnehmer von dem Board fernzuhalten.
- 7
- Bei Aufnahme des Betriebs des "S. "-Boards im März 2009 war auch der Angeklagte dort unter seinem zuvor verwendeten Pseudonym registriert und hatte weiterhin den Status eines Administrators mit den damit verbundenen Rechten. Da sich der Angeklagte aufgrund vorausgegangener Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Schließung des "Z. "-Boards jedoch Anfeindungen innerhalb der Führungsriege ausgesetzt sah, beschloss er bereits nach zwei Tagen, die neu geöffnete Internetplattform zu verlassen und sich stattdessen anderen Boards der Pädophilen-Szene zuzuwenden. Hiervon unterrichtete er einen der Mitbegründer der Internetplattform, der dort weiterhin die Führungsposition innehatte. Ende Mai 2009 entschloss sich der Angeklagte, zum "S. "-Board zurückzukehren. Dessen Führungsriege ließ er seinen Wunsch ausrichten, erneut eine Administratorenrolle übernehmen zu wollen. Sein Ansinnen stieß jedoch auf Ablehnung bei den Führungspersonen, die den Angeklagten auf seine nach wie vor bestehende einfache Mitgliedschaft verwiesen. Verärgert über die Zurückweisung durch seine früheren Weggefährten entschloss sich der Angeklagte, das "S. "-Board zu "unterwandern". Er trat in der Folgezeit nicht mehr unter seinem zuvor verwendeten Pseudonym auf, sondern legte sich zur Verschleierung seiner Identität nacheinander mehrere neue Pseudonyme zu, unter denen er nach Bestehen der Aufnahmeprüfung jeweils sogleich zum "VIP"-Mitglied aufstieg und mit entsprechenden Privilegien auf dem Board agierte.
- 8
- Um die Internetplattform möglichst langfristig aufrecht zu erhalten, sich dort weiter hochzuarbeiten und wieder eine tragende Rolle zu erlangen, stellte der Angeklagte in dem "S. "-Board und in den zugehörigen Chats eine Vielzahl von Links auf kinderpornographisches Bild- und Videomaterial ein. Mit seinen Einträgen verschaffte er nicht nur anderen Mitgliedern den Zugang zu dem betreffenden kinderpornographischen Material, sondern animierte diese selbst zum Posten von Links zu entsprechenden Dateien. Nach den Feststellungen zu den Fällen C II. 1 bis 12 der Urteilsgründe postete der Angeklagte in der Zeit vom 1. Juli bis 12. September 2009 an zwölf Tagen insgesamt 26 solcher Links, davon an zehn Tagen auf das "S. "-Board und an zwei Tagen in dazugehörigen Chaträumen.
- 9
- 2. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet. Die Verfahrensrügen haben aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 9. September 2011 genannten Gründen keinen Erfolg. Auch die Sachrüge zeigt keinen Rechts- fehler auf. Der Senat hat durch Urteil vom 18. Januar 2012 im Parallelverfahren 2 StR 151/11 bereits entschieden, dass das Betreiben eines Internet-Boards nebst den dazugehörigen Chats zum Austausch kinderpornographischer Bild- und Videodateien und das eigene Bereitstellen entsprechender Links auf dem Board rechtlich als (bandenmäßige) Verbreitung kinderpornographischer Schriften in der Variante des öffentlichen Zugänglichmachens (§ 184b Abs. 1 Nr. 2 Var. 4, Abs. 3 Alt. 2 StGB) zu werten ist und dass das eigene Posten von Links auf kinderpornographische Dateien in den zu dem Board gehörenden Chats den Tatbestand des (bandenmäßigen ) Unternehmens des Drittbesitzverschaffens kinderpornographischer Schriften (§ 184b Abs. 2, Abs. 3 Alt. 2 StGB) erfüllt. Hierauf wird Bezug genommen. Der ergänzenden Erörterung bedarf daher hier nur der Schuldspruch jeweils wegen einer Bandentat auch in Fällen C II. 1 bis 12 der Urteilsgründe.
- 10
- a) Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich nach der deliktischen Vereinbarung, der sog. Bandenabrede. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt eine Bande den Zusammenschluss von mindestens drei Personen mit dem Willen voraus, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige , im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Delikttyps zu begehen (BGHSt 46, 321, 325; 47, 214, 216; 50, 160, 164). Als Bandenmitglied ist anzusehen, wer in die Organisation der Bande eingebunden ist, die dort geltenden Regeln akzeptiert, zum Fortbestand der Bande beiträgt und sich an den Straftaten beteiligt. Nicht erforderlich für eine - ausdrücklich oder konkludent getroffene - Bandenabrede ist hingegen, dass sich alle Bandenmitglieder persönlich miteinander verabreden oder einander kennen (BGHSt 50, 160, 164, 168; BGH BGHR § 30 BtMG Abs. 1 Nr. 1 - Bande 9; wistra 2010, 347). Weiterhin ist - anders als es das Landgericht bei seiner rechtlichen Würdigung angenommen hat (UA S. 114) - für den Bandenbegriff ein "Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse" nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vom 22. März 2001 – GSSt 1/00 (BGHSt 46, 321, 325, 331; vgl. auch BGH NStZ 2004, 398, 399; 2005, 230, 231) nicht mehr erforderlich.
- 11
- b) Nach diesem rechtlichen Maßstab unterliegt das Bestehen einer Bandenabrede auch für die Fälle C II. 1 bis 12 keinem Zweifel; gleiches gilt für die bandenmäßige Begehung dieser Taten. Das Landgericht hat sich zwar nicht näher mit der Frage befasst, ob durch die mit Streitigkeiten einhergehende Schließung des "Z. "-Boards Ende September 2008 oder die vorübergehende Aufkündigung seiner Beteiligung an der wieder eingerichteten Internetplattform am 25. März 2009 gegenüber dem Kopf der Bande, dem gesondert verfolgten Beschuldigten E. , die frühere Bandenabrede hat hinfällig werden lassen. Aber auch bei einer Beendigung der ursprünglichen Bandenmitgliedschaft lag nach den Feststellungen des Landgerichts den nachfolgenden Taten jedenfalls eine neue Bandenabrede zugrunde. Mit seinen erneuten Anmeldungen in dem zum "S. "-Board zugehörigen Chat und dem jeweiligen Absolvieren der "Aufnahmeprobe", die zur Registrierung als Mitglied auf dem Board führte, erfolgte jeweils ein verbindlicher Anschluss an die bereits bestehende Bande. Die Eingliederung in diese Bande, deren Struktur und Vorgaben für eine Fortdauer der Mitgliedschaft dem Angeklagten aus seiner vorherigen Zugehörigkeit bekannt war, beruhte auch auf seinem Willen, anderen Bandenmitgliedern künftig wiederholt kinderpornographisches Material zugänglich zu machen. Demgegenüber steht seine "Unterwanderung" des Boards mit der (weiteren) Verschleierung seiner ohnehin von Anfang an verdeckten Identität durch die wiederholte Wahl neuer Pseudonyme seiner Einbindung in die Bande nicht entgegen, da es - wie dargelegt - für das Zustandekommen einer Bandenabrede nicht darauf ankommt, dass sich die Beteiligten untereinander persönlich kennen (vgl. auch BGHSt 50, 160, 161 f., 168 f. zum Fall eines "verstoßenen" Bandenmitgliedes
).
- 12
- 3. Das Landgericht hat es allerdings versäumt, im Fall C II. 12 der Entscheidungsgründe eine Einzelstrafe zu bestimmen. Der Link, der dort in einem zum "S. "-Board zugehörigen Chatraum eingestellt war, führte wie jener im Fall C II. 11 zu einer Bildergalerie mit kinderpornographischen Abbildungen, die u.a. auch schweren sexuellen Missbrauch von fünf bis acht Jahre alten Mädchen zeigen. Der Senat kann im Hinblick auf die ebenfalls hohe Anzahl dieser Abbildungen ausschließen, dass die Strafkammer im Fall C II. 12 eine andere Strafe als die im Fall C II. 11 ausgeurteilte von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt hätte und holt die unterbliebene Festsetzung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO nach (vgl. Senat, Beschluss vom 13. Juli 2011 - 2 StR 192/11; BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - 4 StR 557/10 mwN).
Annotations
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer
- 1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, - 2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt, - 3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder - 4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.