Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Jan. 2007 - XII ZB 182/05

bei uns veröffentlicht am17.01.2007
vorgehend
Amtsgericht Grevenbroich, 21 F 130/05 UE, 19.07.2005
Oberlandesgericht Düsseldorf, 5 WF 185/05, 09.09.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 182/05
vom
17. Januar 2007
in der Prozesskostenhilfesache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Januar 2007 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Die Antragstellerin erhält Gelegenheit, zu nachstehenden Hinweisen bis zum 20. Februar 2007 Stellung zu nehmen:

I.

1
Prozesskostenhilfe für die bereits eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde dürfte der Antragstellerin mangels Bedürftigkeit zu versagen sein. Maßgeblich sind ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Beschlussfassung (vgl. Zöller/Philippi ZPO 26. Aufl. § 114 Rdn. 16). Im fortgeführten erstinstanzlichen Verfahren hat der Beschwerdegegner vortragen lassen, die Antragstellerin sei ab Juli 2006 als Flugbegleiterin erwerbstätig und erziele ein monatliches Nettoeinkommen von rund 1.400 €. Dem hat die Antragstellerin bislang nicht widersprochen. Soweit sie mit ihrem Antrag vom 30. September 2005 auf die der Klageschrift vom 8. Juni 2005 beigefügten PKH-Unterlagen verwiesen hat, ist darin kein gegenteiliger Vortrag zu sehen, weil sich diese Erklärung auf die damaligen Verhältnisse bezog.
2
Bei dem angegebenen Nettoeinkommen dürften die Kosten der Rechtsbeschwerde vier Monatsraten im Sinne des § 115 Abs. 4 ZPO bei weitem nicht erreichen.

II.

3
Gleiches gilt hinsichtlich ihres Antrages auf Prozesskostenhilfe für die demnächst nach Abschluss der ersten Instanz fällige Prüfung der Erfolgsaussichten eines etwaigen Rechtsmittels, der allein Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist. Auch insoweit sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe maßgebend. Erhöht sich das Einkommen der Antragstellerin nachträglich über die maßgeblichen Grenzen für eine Bewilligung hinaus, kann Prozesskostenhilfe nicht mehr bewilligt werden. Es wäre sinnlos, Prozesskostenhilfe erst zu bewilligen und diese Entscheidung sogleich nach § 120 Abs. 4 ZPO wieder aufzuheben (vgl. Musielak /Fischer ZPO 5. Aufl. § 115 Rdn. 2).
4
Dies müsste - ohne Klärung der rechtsgrundsätzlichen Frage - zur Zurückweisung der Rechtsbeschwerde führen.

III.

5
Der Senat wird die klärungsbedürftige Frage, ob Prozesskostenhilfe auch vorab für eine nach Abschluss der Instanz fällige Prüfung der Erfolgsaussichten eines etwaigen Rechtsmittels in Betracht kommt, ohnehin in dem Rechtsbeschwerdeverfahren XII ZB 179/06 (früher XII ZA 4/06) in Kürze zu entscheiden haben.
6
Der Senat weist die Antragstellerin darauf hin, dass eine Erstattung der Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hier auch bei einem Erfolg ihrer Rechtsbeschwerde nicht stattfindet, § 127 Abs. 4 ZPO, weitere Kosten (KV 1824: 100 €) aber durch Rücknahme der Beschwerde vermieden werden könnten. Hahne Sprick Bundesrichterin Weber-Monecke ist urlaubsbedingt an der Unterschriftsleistung verhindert. Hahne Bundesrichter Prof. Dr. Wagenitz ist urlaubsbedingt an der Unterschriftsleistung verhindert. Hahne Dose
Vorinstanzen:
AG Grevenbroich, Entscheidung vom 19.07.2005 - 21 F 130/05 UE -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 09.09.2005 - II-5 WF 185/05 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 127 Entscheidungen


(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 115 Einsatz von Einkommen und Vermögen


(1) Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen: 1. a) die in § 82 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge;b) bei Parteien, die ein Einkommen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 120 Festsetzung von Zahlungen


(1) Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe setzt das Gericht zu zahlende Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlende Beträge fest. Setzt das Gericht nach § 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 mit Rücksicht auf besondere Belastungen von dem Einkommen Be

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Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2007 - XII ZB 179/06

bei uns veröffentlicht am 25.04.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 179/06 vom 25. April 2007 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 119 Abs. 1 Satz 1; RVG VV Nr. 2100 Prozesskostenhilfe kann nach § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur für den jeweiligen

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(1) Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen:

1.
a)
die in § 82 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge;
b)
bei Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, ein Betrag in Höhe von 50 vom Hundert des Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
2.
a)
für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
b)
bei weiteren Unterhaltsleistungen auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht für jede unterhaltsberechtigte Person jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für eine Person ihres Alters vom Bund gemäß den Regelbedarfsstufen 3 bis 6 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
3.
die Kosten der Unterkunft und Heizung, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen;
4.
Mehrbedarfe nach § 21 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und nach § 30 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch;
5.
weitere Beträge, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist; § 1610a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
Maßgeblich sind die Beträge, die zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gelten. Soweit am Wohnsitz der Partei aufgrund einer Neufestsetzung oder Fortschreibung nach § 29 Absatz 2 bis 4 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch höhere Regelsätze gelten, sind diese heranzuziehen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gibt bei jeder Neufestsetzung oder jeder Fortschreibung die maßgebenden Beträge nach Satz 3 Nummer 1 Buchstabe b und Nummer 2 und nach Satz 5 im Bundesgesetzblatt bekannt. Diese Beträge sind, soweit sie nicht volle Euro ergeben, bis zu 0,49 Euro abzurunden und von 0,50 Euro an aufzurunden. Die Unterhaltsfreibeträge nach Satz 3 Nr. 2 vermindern sich um eigenes Einkommen der unterhaltsberechtigten Person. Wird eine Geldrente gezahlt, so ist sie an Stelle des Freibetrages abzusetzen, soweit dies angemessen ist.

(2) Von dem nach den Abzügen verbleibenden Teil des monatlichen Einkommens (einzusetzendes Einkommen) sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen; die Monatsraten sind auf volle Euro abzurunden. Beträgt die Höhe einer Monatsrate weniger als 10 Euro, ist von der Festsetzung von Monatsraten abzusehen. Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600 Euro beträgt die Monatsrate 300 Euro zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 Euro übersteigt. Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind höchstens 48 Monatsraten aufzubringen.

(3) Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(4) Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen.

(1) Mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe setzt das Gericht zu zahlende Monatsraten und aus dem Vermögen zu zahlende Beträge fest. Setzt das Gericht nach § 115 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 mit Rücksicht auf besondere Belastungen von dem Einkommen Beträge ab und ist anzunehmen, dass die Belastungen bis zum Ablauf von vier Jahren ganz oder teilweise entfallen werden, so setzt das Gericht zugleich diejenigen Zahlungen fest, die sich ergeben, wenn die Belastungen nicht oder nur in verringertem Umfang berücksichtigt werden, und bestimmt den Zeitpunkt, von dem an sie zu erbringen sind.

(2) Die Zahlungen sind an die Landeskasse zu leisten, im Verfahren vor dem Bundesgerichtshof an die Bundeskasse, wenn Prozesskostenhilfe in einem vorherigen Rechtszug nicht bewilligt worden ist.

(3) Das Gericht soll die vorläufige Einstellung der Zahlungen bestimmen,

1.
wenn die Zahlungen der Partei die voraussichtlich entstehenden Kosten decken;
2.
wenn die Partei, ein ihr beigeordneter Rechtsanwalt oder die Bundes- oder Landeskasse die Kosten gegen einen anderen am Verfahren Beteiligten geltend machen kann.

(4) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 179/06
vom
25. April 2007
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Prozesskostenhilfe kann nach § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur für den jeweiligen
Rechtszug (im kostenrechtlichen Sinne) bewilligt werden, nicht aber für eine
außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts "zwischen den Instanzen" (Prüfung
der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels, Nr. 2100 des Vergütungsverzeichnisses
zum RVG).
BGH, Beschluss vom 25. April 2007 - XII ZB 179/06 - OLG Düsseldorf
AG Mönchengladbach-Rheydt
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. April 2007 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Hahne, den Richter Sprick, die Richterin Weber-Monecke
sowie die Richter Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 5. Familiensenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. Dezember 2005 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Der Kläger begehrt im Hauptsacheverfahren die Abänderung eines Vergleichs , durch den er sich zur Zahlung von Kindesunterhalt an seine minderjährigen Kinder, die Beklagten zu 1 und 2, verpflichtet hat. Das Amtsgericht hat ihm für diese Unterhaltsabänderungsklage Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung gewährt. Den weitergehenden Antrag, Prozesskostenhilfe auch "für die nach Abschluss der Instanz fällige Prüfung der Erfolgsaussichten eines etwaigen Rechtsmittels (Nr. 2200 - jetzt 2100 - des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) zu gewähren", hat das Amtsgericht abgelehnt.
2
Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Der Kläger verfolgt mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde sein Begehren auf ergänzende Pro- zesskostenhilfegewährung zur Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels weiter.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft. Sie ist nach der Gewährung von Wiedereinsetzung in die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde mit Beschluss des Senats vom 11. Oktober 2006 auch im Übrigen zulässig, jedoch nicht begründet:
4
1. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung mit dem gleichen Wortlaut begründet ist wie seine in FamRZ 2006, 628 f. veröffentlichte Entscheidung vom selben Tag in einer gleich gelagerten Sache, hat einen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels schon vor Abschluss der Instanz verneint und dazu ausgeführt:
5
§ 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO sehe die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für jeden Rechtszug gesondert vor. Die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels gehöre aber nicht mehr zu dem Instanzenzug, dessen abschließende Entscheidung angefochten werden solle.
6
Die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels sei auch keine andere Angelegenheit im Sinne von § 48 Abs. 4 RVG. Es fehle an einem Zusammenhang im Sinne der dort aufgeführten vier Fallgruppen.
7
Demgegenüber seien die Prüfung der Erfolgsaussichten und die Beratung über die Einlegung eines Rechtsmittels außergerichtliche Tätigkeiten. Für deren Finanzierung könne staatliche Hilfe nur nach dem Beratungshilfegesetz gewährt werden.
8
2. Die überzeugend begründete Entscheidung des Oberlandesgerichts hält rechtlicher Überprüfung stand:
9
a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde gehört die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels nicht zum abgeschlossenen Rechtszug und kann diesem auch nicht über § 48 Abs. 4 RVG oder die Systematik des RVG in Verbindung mit dem Vergütungsverzeichnis (VV) zugerechnet werden:
10
Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG) die rechtsanwaltlichen Vergütungsmodalitäten geändert. An die Stelle der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) ist das Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) getreten. Das Gesetz sollte für den rechtsuchenden Bürger anwenderfreundlicher gestaltet werden (BT-Drucks. 15/1971, S. 1 f., 144). Zu einer der wesentlichen Änderungen gehört dabei, dass die "Abrategebühr" gemäß § 20 Abs. 2 BRAGO (vgl. hierzu Madert in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 15. Aufl. 2002, § 20 Rdn. 25 ff. und zu den Änderungen durch das RVG: Podlech-Trappmann in Bischof/Jungbauer/ Podlech-Trappmann, Kompaktkommentar RVG, S. 473 f. sowie Onderka in Goebel/Gottwald, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 2004, VV RVG, S. 377) durch die Gebühr für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels nach dem Vergütungsverzeichnis Nr. 2100 ersetzt wurde. Diese ist nunmehr unabhängig davon, ob der Rechtsanwalt die Einlegung eines Rechtsmittels empfiehlt oder davon abrät.
11
Von dieser Änderung nicht betroffen ist § 119 Abs. 1 ZPO, wonach Prozesskostenhilfe nur für den jeweiligen Rechtszug gewährt werden kann. Die Definition, derzufolge ein Rechtszug mit dem einleitenden Antrag beginnt und mit der abschließenden Entscheidung oder anderweitigen endgültigen Erledigung endet (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl. § 119 Rdn. 1; BGH, Beschluss vom 8. Juli 2004 - IX ZB 565/02 - FamRZ 2004, 1707, 1708), bleibt verbindlich.
12
Soweit § 48 RVG gebührenrechtlich Ergänzungen vornimmt (im Einzelnen dazu BT-Drucks. 15/1971, S. 200 f. und Göttlich/Mümmler, RVG, S. 723 f.), kann diesen die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels nicht durch ergänzende Gesetzesauslegung, richterliche Rechtsfortbildung oder Analogie hinzugerechnet werden. Weder die Einordnung der Gebührentatbestände in dem Vergütungsverzeichnis zum RVG noch Praktikabilitätsgründe können insoweit eine Prozesskostenhilfebewilligung rechtfertigen (so auch Schons in Praxiskommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 2. Aufl., Rdn. 12 ff. zu 2100 VV; ders. AGS 2005, 568, 569).
13
Der Gesetzgeber hat die "Abrategebühr" gemäß § 20 Abs. 2 BRAGO bewusst abgeschafft. Dies führt - insoweit ist dem Beschwerdeführer beizutreten - dazu, dass die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels im Rahmen der Prozesskostenhilfe nicht zusätzlich vergütet wird. Der Gesetzgeber war jedoch berechtigt, das speziellere Vergütungsrecht zu ändern, ohne eine Anpassung im allgemeinen Prozessrecht vorzunehmen.
14
Generell besteht kein Anspruch der nicht ausreichend bemittelten Partei, gegenüber einem "Selbstzahler" völlig gleichbehandelt zu werden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 81, 347, 355 ff.; BVerfGE 22, 83, 85 f. und Beschluss vom 26. April 1988 - 1BvL 84/86 - NJW 1988, 2231 ff.) verlangt lediglich , dass im Bereich des Rechtsschutzes die prozessuale Stellung von Bemittelten und Unbemittelten weitgehend anzugleichen ist. Daraus folgt, dass einseitige Benachteiligungen ohne sachlichen Grund zu vermeiden sind. Ebenso folgt daraus, dass der Rechtsschutz für die unbemittelte Partei nicht unver- hältnismäßig erschwert werden darf und ungerechtfertigte Härten auszugleichen sind. Von ihr kann aber verlangt werden, die Prozessaussichten vernünftig abzuwägen und das Kostenrisiko zu berücksichtigten (BGH, Beschluss vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 235/92 - MDR 1994, 406).
15
Die vorliegend begehrte Ergänzung der bereits gewährten Prozesskostenhilfe betrifft nur die anwaltliche Beratungstätigkeit in dem Zeitraum von der Verkündung einer erstinstanzlichen Entscheidung bis zu der Einlegung eines Rechtsmittels dagegen. Wenngleich zu den Pflichten eines Rechtsanwalts gehört , die Interessen der Partei auch in diesem Zwischenstadium zu wahren (vgl. BGH, Urteile vom 6. Juli 1989 - IX ZR 75/88 - WM 1989, 1826 ff. und vom 17. Januar 2002 - IX ZR 100/99 - WM 2002, 512 f.), so entsteht doch keine unbillige Benachteiligung, wenn nicht auch dafür Prozesskostenhilfe gewährt wird.
16
b) Die Argumentation der Rechtsbeschwerde, die Zeit zur Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels werde zu knapp, wenn Prozesskostenhilfe dafür erst nach Erlass der Entscheidung beantragt werden könne (so auch Hartung /Römermann, ZRP 2003, 149 ff., 151), überzeugt nicht.
17
Im Rechtsmittelverfahren ist der Prozessstoff bereits durch die erste Instanz aufgearbeitet. In der Regel kommt es auf Rechtsfragen an, während der Sachverhalt nur sehr eingeschränkt ergänzt werden kann. Normalerweise genügen die Rechtsmittelfristen von zumeist einem Monat (§§ 517, 544 Abs. 2 Satz 1, 548, 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO), um vor deren Ablauf einen Prozesskostenhilfeantrag einzureichen. Notfalls muss die Einlegung eines Rechtsmittels, sofern sie nicht bis zur Entscheidung über die Prozesskostenhilfe zurückgestellt und sodann mit einem Wiedereinsetzungsgesuch verbunden wird, "fristwahrend" erfolgen. Die Mehrkosten bei einer anschließenden Rücknahme sind nicht unverhältnismäßig hoch. Bei der vorliegend im Raum stehenden Berufung er- mäßigt sich die 4,0 Gebühr nach KV 1220 auf eine 1,0 Gebühr gemäß KV 1221 bei Rücknahme des Rechtsmittels vor Eingang der Begründungsschrift.
18
Ein gewisser - durch Rechtsmittelfristen aber generell ausgelöster - Zeitdruck ist der Rechtssicherheit wegen nicht zu vermeiden. Ebenso wie nur das Rechtsmittelgericht über die Richtigkeit der Entscheidung der Vorinstanz befinden kann, muss auch die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels der höheren Instanz vorbehalten bleiben. Ein Ausgangsgericht kann nicht, schon gar nicht zu Beginn des Rechtsstreits, beurteilen, ob ein Rechtsmittel gegen seine Entscheidung Aussicht auf Erfolg haben wird. Selbst bei streitigen Rechtsfragen, für deren Klärung ein Rechtsmittel vom Ausgangsgericht zugelassen wird, ist eine Kontrolle nur möglich, wenn die Prüfungskompetenz auf das Rechtsmittelgericht übergeht.
19
c) Auf die von der Rechtsbeschwerde aufgezeigten Anrechnungsmodalitäten der Gebühren zur Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels auf die im Rechtsmittelverfahren anfallenden Gebühren (vgl. auch Onderka, aaO S. 380 Rdn. 16 ff. und Hartung, aaO S. 208) kommt es nicht an.
20
Entscheidend ist, ob der Gesetz- oder Verordnungsgeber einen Lebenssachverhalt dahingehend geregelt hat, dass er durch öffentliche Mittel unterstützt werden kann. Nur wenn dies der Fall ist, dürfen Steuergelder entsprechend verwandt werden. Wie sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks. 15/1971, S. 3) ergibt, wurde zwar eine angemessene Erhöhung der Einnahmen der Anwaltschaft grundsätzlich angestrebt; speziell § 48 RVG (BT-Drucks. 15/1971, S. 200 f.) und Nr. 2100 des Vergütungsverzeichnisses (BT-Drucks. 15/1971, S. 206) wurden aber nicht so ausgestaltet, dass Prozesskostenhilfe für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels im voraus gewährt werden kann.
21
Auf die häufig vom Einzelfall abhängigen weiteren Umstände einer Anrechnung kann nicht abgestellt werden, zumal andernfalls der missbräuchlichen Gestaltung durch Anwaltswechsel zwischen den Instanzen nicht wirksam begegnet werden könnte.
22
d) Für die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels als außergerichtliche Tätigkeit "zwischen den Instanzen" kann jedoch Beratungshilfe gewährt werden (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe 4. Aufl. Rdn. 921).
23
Für Leistungen nach dem Gesetz über die Beratungshilfe (BerHG) kommt es anders als gemäß § 114 ZPO nicht maßgeblich auf die Erfolgsaussicht an (Schoreit/Dehn, Beratungshilfe, Prozesskostenhilfe - BerH/PKH, 8. Aufl. BerHG § 1 Rdn. 102 ff., 107). Auch kommt in Betracht, dass der Antrag auf Beratungshilfe noch nachträglich gestellt werden kann (Houben in RA-Micro Online-Kommentar, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 9. Aufl., S. 286).
24
Ein Anspruch auf völlige gebührenrechtliche Gleichbehandlung bemittelter und unbemittelter Parteien besteht nicht. Das Bundesverfassungsgericht (NJW 1988, 2231 ff.) betont die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Bereich der darreichenden Verwaltung und legt auch sich selbst größte Zurückhaltung bei der Forderung nach zusätzlichen Leistungsverpflichtungen auf. Daher müssen Rechtsanwälte bei der Vertretung nicht ausreichend bemittelter Mandanten ohne Rechtsschutzversicherung gegebenenfalls auch ein gemindertes Gebührenaufkommen in Kauf nehmen. Einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz stellt dies im Verhältnis der Prozessbevollmächtigten der Parteien zueinander schon deshalb nicht dar, weil das Prozesskosten- und Beratungshilferecht nicht dazu bestimmt ist, den an einem Verfahren mitwirkenden Rechtsanwälten gleich hohe Gebührenansprüche zu sichern.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

Vorinstanzen:
AG Mönchengladbach-Rheydt, Entscheidung vom 27.06.2005 - 17 F 45/05 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 15.12.2005 - II-5 WF 201/05 -

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.