Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Dez. 2014 - X ZR 38/14

bei uns veröffentlicht am18.12.2014
vorgehend
Bundespatentgericht, 3 Ni 10/12, 12.11.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X Z R 3 8 / 1 4
vom
18. Dezember 2014
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Dezember 2014
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski,
Hoffmann, Dr. Deichfuß und die Richterin Dr. Kober-Dehm

beschlossen:
Den Patentanwälten T. & Partner … in Bielefeld wird Einsicht in die Akten des Patentnichtigkeitsberufungsverfahrens X ZR 38/14 gewährt.

Gründe:


1
I. Die Patentanwälte T. & Partner haben um Erstellung einer Kopie der Akten des Nichtigkeitsberufungsverfahrens X ZR 38/14 und um Übersendung in elektronischer Fassung gebeten. Die Klägerin hat dem Gesuch nicht widersprochen. Die Beklagte hat erklärt, sie habe grundsätzlich keine Einwände, weise jedoch darauf hin, dass die Bestimmung des Gegenstandswerts Sache des Gerichts und der Parteien und damit geheimhaltungsbedürftig sei, sofern Dritte nicht ein gesondertes Interesse daran nachweisen.
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II. Dem Antrag auf Akteneinsicht ist stattzugeben.
3
Nach § 99 Abs. 3 PatG gilt für die Akteneinsicht durch andere als die Parteien des Nichtigkeitsverfahrens die Regelung des § 31 PatG entsprechend, der das Recht auf Einsicht in die Akten des Patentamts betrifft (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2000 - X ZR 4/00, GRUR 2001, 143 - Akteneinsicht XV). Diese Regelungen sind im Nichtigkeitsberufungsverfahren ent- sprechend anzuwenden (vgl. Busse/Keukenschrijver, PatG 7. Auflage, § 99 Rn. 48). Danach ist die Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsberufungsverfahrens grundsätzlich nur von einem förmlichen Antrag, nicht jedoch von der zusätzlichen Darlegung eines berechtigten Interesses abhängig. Dies kann nach dem Wortlaut des § 99 Abs. 3 PatG und der darin zum Ausdruck kommenden Wertung nur dann erforderlich werden, wenn vonseiten des Patentinhabers oder des diesem im Hinblick auf die Akteneinsicht gleich zu behandelnden Nichtigkeitsklägers ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse dargetan wird. Erst danach bedürfte es einer Abwägung der beteiligten Interessen.
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Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass die Bestimmung des Gegenstandswerts Sache des Gerichts und der Parteien und damit geheimhaltungsbedürftig sei, ist damit ein schutzwürdiges Interesse der Beklagten daran, dass zumindest Teile der Akten von der Einsicht auszunehmen sind, nicht substantiiert dargetan.
Meier-Beck Grabinski Hoffmann Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanzen:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 12.11.2013 - 3 Ni 10/12 (EP) -

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Patentgesetz - PatG | § 99


(1) Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren vor dem Patentgericht enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Patentgericht dies nic

Patentgesetz - PatG | § 31


(1) Das Deutsche Patent- und Markenamt gewährt jedermann auf Antrag Einsicht in die Akten sowie in die zu den Akten gehörenden Modelle und Probestücke, wenn und soweit ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird. Jedoch steht die Einsicht in da

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Bundesgerichtshof Urteil, 12. Jan. 2016 - X ZR 38/14

bei uns veröffentlicht am 12.01.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 38/14 Verkündet am: 12. Januar 2016 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache ECLI:DE:BGH:2016:120116UXZR38.14.0

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Okt. 2000 - X ZR 4/00

bei uns veröffentlicht am 17.10.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZR 4/00 vom 17. Oktober 2000 in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein Akteneinsicht XV PatG § 99 Abs. 3 Ohne Vorliegen besonderer Umstände erfordert der von einem anwaltlichen Vertreter ges

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 38/14 Verkündet am:
12. Januar 2016
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
ECLI:DE:BGH:2016:120116UXZR38.14.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, den Richter Hoffmann, die Richterin Schuster, den Richter Dr. Deichfuß und die Richterin Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels der Beklagten das am 12. November 2013 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert. Das europäische Patent 1 379 220 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist Inhaberin des am 27. Mai 2002 unter Inanspruchnahme
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einer deutschen Priorität vom 1. Juni 2001 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 379 220 (Streitpatents), das Inhalationskapseln und deren Verwendung betrifft und in der erteilten Fassung 16 Patentansprüche umfasst. Die Beklagte hat das Streitpatent in erster Linie in einer beschränkten
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Fassung mit zehn Patentansprüchen verteidigt, wobei die Ansprüche 1 bis 7 Inhalationskapseln und die Ansprüche 8 bis 10 deren Verwendung betreffen. Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung lautet: Inhalationskapseln, die als Inhalationspulver Tiotropium im Gemisch mit einem physiologisch unbedenklichen Hilfsstoff enthalten , dadurch gekennzeichnet, dass das Kapselmaterial einen reduzierten Feuchtegehalt als TEWS- oder HalogentrocknerFeuchte von weniger als 15% aufweist, und dadurch, dass das Kapselmaterial ausgewählt ist aus der Gruppe bestehend aus Gelatine , Hydroxypropylmethylcellulose, Hydroxypropylcellulose, Methylcellulose , Hydroxymethylcellulose und Hydroxyethylcellulose, wobei die Gelatine im Gemisch mit anderen Zusätzen aus der Gruppe bestehend aus Polyethylenglycol (PEG), bevorzugt PEG 3350, Glycerol, Sorbitol, Propylenglycol, PEO-PPO-Blockcopolymeren und anderen Polyalkoholen und Polyethern vorliegt.
Zum Wortlaut der weiteren mit dem Hauptantrag verteidigten Ansprüche
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wird auf das angefochtene Urteil (S. 8 und 9) verwiesen. Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents in
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der verteidigten Fassung sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent in der Fassung des Hauptantrags und mit fünf Hilfsanträgen verteidigt. Das Patentgericht hat dem Streitpatent die Anspruchsfassung des Hilfs5 antrags IV gegeben. Hiergegen richten sich die Berufungen beider Parteien. Die Klägerin begehrt die Nichtigerklärung des Streitpatents in vollem Umfang, die Beklagte erstrebt die Abweisung der Klage, soweit das Streitpatent mit dem Hauptantrag, hilfsweise mit weiteren sechs Anspruchsfassungen verteidigt wird.

Entscheidungsgründe:


Die Berufung der Klägerin ist begründet; das Rechtsmittel der Beklagten
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bleibt ohne Erfolg.
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I. Das Streitpatent betrifft in der verteidigten Fassung Inhalationskapseln aus spezifischen Kapselmaterialien mit reduziertem Feuchtegehalt, die den Wirkstoff Tiotropium in Form pulverförmiger Zubereitungen enthalten. 1. Nach den Ausführungen in der Patentbeschreibung bietet sich bei
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der Behandlung von Atemwegserkrankungen, insbesondere von chronischer obstruktiver Lungenerkrankung (chronic obstructive pulmonary disease - COPD) und Asthma, die inhalative Anwendung des Wirkstoffs Tiotropiumbromid an. Dabei handle es sich um einen Wirkstoff mit besonders hoher Wirksamkeit, der zur Erzielung des therapeutisch erwünschten Effekts nur in geringer Menge pro Einzeldosis benötigt werde. Zur Herstellung des Inhalationspulvers sei es deshalb erforderlich, den Wirkstoff mit geeigneten Hilfsstoffen zu verdünnen. Um eine gleichbleibende Dosierung des Wirkstoffs zu gewährleisten, müsse das Arzneimittel in einer besonders stabilen Form bereitgestellt werden. 2. Vor diesem Hintergrund betrifft das Streitpatent das technische Pro9 blem, eine ein tiotropiumhaltiges Inhalationspulver enthaltende Inhalationskapsel bereitzustellen, die ein ausreichendes Maß an Stabilität des Wirkstoffs gewährleistet. Die Inhalationskapsel soll die Freisetzung des Wirkstoffs mit hoher Dosiergenauigkeit ermöglichen. Hohe Stabilität und geringe Brüchigkeit der Inhalationskapsel sollen ein gutes Lochungsverhalten und eine problemlose Anwendung in geeigneten Inhalationsgeräten gewährleisten (Abs. 6). 3. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in der in erster
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Linie verteidigten Fassung vor (kursiv Merkmale nach Hilfsantrag V, der Hilfsantrag IV aus der 1. Instanz entspricht; der unterstrichene Text entfällt beim Hilfsantrag ): 1. Inhalationskapseln, die als Inhalationspulver enthalten 1.1 Tiotropium 1.2 im Gemisch mit einem physiologisch unbedenklichen Hilfsstoff. im Gemisch mit Laktose, insbesondere, aber nicht ausschließlich in Form ihrer Hydrate. 2. Das Kapselmaterial weist einen reduzierten Feuchtegehalt als Tews- oder Halogentrocknerfeuchte von weniger als 15% auf. 3. Es ist ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus 3.1 Gelatine, wobei die Gelatine im Gemisch mit 1 bis 10 Gewichtsprozent anderen Zusätzen aus der Gruppe bestehend aus Polyethylenglycol (PEG), bevorzugt PEG 3350, Glycerol, Sorbitol, Propylenglycol, PEO-PPO-Blockcopolymeren und anderen Polyalkoholen und Polyethern vorliegt, und 3.2 Hydroxypropylmethylcellulose, Hydroxypropylcellulose, Methylcellulose, Hydroxymethylcellulose und Hydroxyethylcellulose. 4. Die Laktose besteht aus einem Gemisch von gröberer Laktose mit einer mittleren Teilchengröße von 15 bis 80 µm und feinerer Laktose mit einer mittleren Teilchengröße von 1 bis 9 µm. 5. Der Anteil von feinerer Laktose an der Gesamtlaktosemenge beträgt 5 bis 10%.
4. Patentanspruch 1 nach dem Hauptantrag hat danach zwei Maßnah11 men zum Gegenstand. Er schlägt zum einen die Zusammensetzung der Wirk-
stoffmischung (Merkmale 1.1 und 1.2) und zum anderen die Beschaffenheit des Kapselmaterials (Merkmal 2 und Merkmalsgruppe 3) vor. Als Wirkstoffmischung oder Inhalationspulver ist Tiotropium angegeben, das erfindungsgemäß auch in Form eines Salzes, z.B. Tiotropiumbromid, vorliegen kann (Abs. 41), im Gemisch mit einem physiologisch unbedenklichen Hilfsstoff. Das Inhalationspulver befindet sich in Inhalationskapseln, deren Hüllenmaterial aus Gelatine oder Cellulosederivaten besteht (Abs. 13). Es weist einen reduzierten Feuchtegehalt auf (Merkmal 2), der konkretisiert ist als Tews-Feuchte, d.h. die Feuchte, die mittels des Feuchtemessgeräts MW 2200 des Herstellers Tews bestimmt werden kann. Zur Kalibrierung des Geräts kann ein Halogentrockner Verwendung finden , so dass im Rahmen der Erfindung der Begriff Tews-Feuchte die gleiche Bedeutung wie der Begriff Halogentrocknerfeuchte hat (im Einzelnen hierzu Abs. 10 und 11). Wird Gelatine als Kapselmaterial verwendet, liegt sie als Gemisch mit im Anspruch näher bezeichneten Polyalkoholen und Polyethern vor (Abs. 14). In der vom Patentgericht zuerkannten Anspruchsfassung ist als Hilfsstoff
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Laktose gewählt, die aus einem Gemisch von gröberer und feinerer Laktose in angegebener Teilchengröße besteht, wobei der Anteil der feineren Laktose 5 bis 10% der Gesamtlaktosemenge ausmacht (Merkmale 4 und 5). Als Kapselmaterial ist hier Gelatine im Gemisch mit 1 bis 10 Gewichtsprozent Polyethylenglycol (PEG), bevorzugt PEG 3350, oder Hydroxypropylmethylcellulose vorgesehen (geänderte Merkmale 3.1 und 3.2). II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt
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begründet: Die Gegenstände der jeweiligen Patentansprüche 1 des Hauptantrags
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und der Hilfsanträge I bis III beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Zur Lösung der patentgemäßen Aufgabe habe der Fachmann - ein im
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Bereich der pharmazeutischen Technologie tätiger promovierter Apotheker oder Chemiker (Galeniker) mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von pharmazeutischen Formulierungen, insbesondere von geeigneten Darreichungsformen von Arzneimitteln für die Inhalationstherapie, der sich für eventuell auftretende medizinische Fragestellungen bei einem Mediziner informiere - von der Studie von Maesen et al., "Tiotropium bromide, a new long-acting antimuscarinic bronchodilator: a pharmacodynamic study in patients with chronic obstructive pulmonary disease (COPD)", European Respiratory Journal 1995, 8, 1506 - 1513 (HBP4) ausgehen können. Die Doppelblindstudie beschreibe die dosisabhängige bronchienerweiternde Effektivität und Wirkdauer von Tiotropiumbromid , das aus Kapseln mit Laktosepulver mittels eines Inhalators von Patienten inhaliert worden sei. Die Studie offenbare zwar keine Nachteile der eingesetzten Inhalationskapseln mit Tiotropium. Der Fachmann habe aber aufgrund seines allgemeinen Fachwissens die Schwierigkeiten gekannt, die mit Inhalationskapseln verbunden seien. Um lungengängige Partikelgrößen zu erzeugen , müsse das Pulver mikronisiert (vermahlen) werden. Zum allgemeinen Fachwissen gehöre auch, eine Verbesserung der Dosierung durch interaktive Pulvermischungen anzustreben, die einen wesentlich gröberen Trägerstoff - wie Laktose - enthielten, der pharmakologisch inaktiv sei und an den sich der mikronisierte Wirkstoff anlagere. Derartig gestaltete Inhalationskapseln, die im Bedarfsfall angestochen (gelocht) würden, seien dem Fachmann ebenso wie der Umstand bekannt gewesen, dass durch Feuchtigkeit das in Pulverinhalatoren verwendete mikronisierte lungengängige Wirkstoffpulver seine feine Verteilung verliere und der inhalierbare Anteil der abgegebenen Dosis abfalle, weshalb eine aufwendige Verpackung erforderlich sei (Voigt/Fahr, Pharmazeutische Technologie, 9. Aufl. 2000, S. 432 - 434, HBP22). Für den Einsatz in einem Multidosis-Trockenpulverinhalator seien solche Pulver ungeeignet, da dieser in der Regel keine dichte Verpackung gegenüber Wasserdampf darstelle (internationale Patentanmeldung WO 00/28979, S. 7 Z. 15 - S. 8 Z. 2, HBP9). Der Fachmann werde auch bei Tiotropium-Pulvermischungen einen Stabilitätsverlust durch Feuchtigkeit in Betracht ziehen (HBP 9, S. 28 Abs. 1) und daher sei- ne Aufmerksamkeit auf die Feuchtigkeit der Umgebung der Pulvermischung richten und versuchen, den Feuchtegehalt der Inhalationskapsel niedrig zu halten. Um eine Verbesserung gegenüber üblichen Kapselmaterialien wie Gelatine oder Cellulose zu erreichen, sei der Fachmann durch sein Fachwissen veranlasst gewesen, im Stand der Technik nach Kapseln mit niedrigem Feuchtegehalt zu suchen. Aus der japanischen Offenlegungsschrift 2000-143502 (HBP5a) seien
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Kapseln für inhalierbare Pulverformulierungen bekannt. Die Kapseln müssten einen niedrigen Feuchtegehalt aufweisen, um eine Zusammenballung und ein Anhaften des Pulvers an der Innenwand der Kapsel zu vermeiden; ein zu niedriger Feuchtegehalt wiederum könne zur Brüchigkeit der Kapseln führen. Die Entgegenhaltung löse diese Probleme durch Gelatinekapseln, die Polyethylenglycol (PEG) enthielten. Die Kapseln seien ausreichend fest, ohne brüchig zu sein, und wiesen einen erniedrigten Feuchtegehalt auf, der bevorzugt weniger als 14 Gewichtsprozent betrage. In die Hartgelatinekapseln könnten jegliche Wirkstoffpulver für die Inhalation eingefüllt werden, insbesondere auch Ipratropiumbromid, das ebenso wie Tiotropiumbromid ein Anticholinergikum sei und zum Teil ähnliche Strukturmerkmale aufweise. Daraus habe sich für den Fachmann eine hinreichende Erfolgserwartung ergeben, durch Verwendung der aus HBP5b bekannten Kapseln für tiotropiumhaltige Inhalationspulver das Problem einer bruchfesten Kapsel mit geringer Feuchtigkeit lösen zu können. Aus dem Aufsatz von Ogura et al., "HPMC Capsules - An Alternative to
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Gelatin" (Pharm. Tech. Europe 1998, 10, S. 32 - 42, HBP12) habe der Fachmann schließlich den Hinweis erhalten, Kapseln aus Hydroxypropylmethylcellulose (HPMC), die auch im Streitpatent alternativ als Kapselmaterial ausgewählt sei, für diesen Zweck zu verwenden. Die von der Beklagten nach Hilfsantrag IV verteidigte Fassung der Pa18 tentansprüche 1 bis 9 erweise sich dagegen als rechtsbeständig. Patentanspruch 1 des vierten Hilfsantrags erfülle das Erfordernis der Klarheit, und die Kombination seiner Merkmale sei ausgehend von den bekannten Kapseln auch nicht nahegelegt gewesen.
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Dem Fachmann sei allerdings allgemein geläufig gewesen, dass dem gröberen Hilfsstoff Laktose ein Anteil an feinerer Laktose zugesetzt werden könne. In den Abhandlungen von Lucas et al., "The Role of fine Particle Excipients in Pharmaceutical dry Powder Aerosols", in: Respriatory Drug Delivery VI, 1998, 1, S. 243 - 249, HBP31) und Bennett et al., "Modification of Electrostatic Charge on Inhaled Carrier Lactose Particles by Addition of Fine Particles" in: Drug Development and Industrial Pharmacy 25(1), 1999, S. 99 - 103, HBP39) werde beschrieben, dass der Zusatz von feiner Laktose zu grober Laktose als Träger für Inhalationspulver das Inhalationsvermögen deutlich verbessere, wenn Albumin als Modellprotein oder Salbutamol als Modell für einen niedermolekularen Wirkstoff verabreicht werden solle. Aus HBP39 gehe hervor, dass der Zusatz einer kleinen Menge feiner Laktosepartikel die Wirkstoffablösung vom gröberen Träger in der turbulenten Stoffströmung durch die Inhalation des Patienten fördere. Auch die mit feiner Laktose versetzten Pulvermischungen seien nach HBP9 empfindlich gegenüber Feuchtigkeit. Jedoch werde in HBP9 zur Lösung des Feuchtigkeitsproblems ein ande20 rer Lösungsweg als im Streitpatent beschritten. Die Entgegenhaltung schlage vor, die Feuchteempfindlichkeit von Pulvermischungen durch die Verwendung von Magnesiumstearat zu verringern. Diese Maßnahme sei auch zur Verbesserung der Feuchtigkeitsbeständigkeit von vordosierten Einheiten in Form von Kapseln geeignet. Weder aus HBP9 noch aus anderen Entgegenhaltungen ergebe sich eine Anregung, Inhalationskapseln mit Inhalationspulvern nach den Merkmalen des in Hilfsantrag IV enthaltenen Patentanspruchs 1 bereitzustellen. III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren nicht
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in vollem Umfang stand.
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1. Zutreffend hat das Patentgericht angenommen, dass sich der Gegenstand der Patentansprüche nach dem Hauptantrag für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab (Art. 56 EPÜ).
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a) In der Entgegenhaltung HBP4 berichten die Autoren über eine Studie , die die dosisabhängige Wirksamkeit und Wirkungsdauer von Tiotropiumbromid bei Patienten mit chronischer obstruktiver Lungenerkrankung untersuchte. Die von den Patienten inhalierten Wirkstoffdosen lagen im Gemisch mit Laktose vor und waren in Gelatinekapseln gefüllt (HBP4, Abstract, 2. Abs.). HBP4 beschreibt, wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, keine Nachteile der verwendeten Inhalationskapseln. Dem Artikel ist sonach im Wesentlichen die Information zu entnehmen, dass die Inhalation von Tiotropiumbromid in üblicher Zubereitung ein wirksames COPD-Mittel darstellt.
b) Vor diesem Hintergrund stellte sich dem Fachmann das Problem, die
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bekannte Wirkstoff-Formulierung sinnvoll auszuführen. (1) Als Fachmann hat das Patentgericht rechtsfehlerfrei und auch von
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der Berufung unangefochten einen mit der Entwicklung von Darreichungsformen für die Inhalationstherapie vertrauten Galeniker angesehen. Es hat mithin den Fachmann nicht als auch einen Mediziner umfassendes Team angesehen. Seine von der Berufung angegriffene Annahme, der Fachmann werde gegebenenfalls einen Mediziner hinzuziehen, ist nicht zu beanstanden und im Übrigen für die Entscheidung des Streitfalls unerheblich, da das Patentgericht einen Anlass für die Hinzuziehung eines Mediziners oder anderer Fachleute bei der Lösung des dem Streitpatent zugrundeliegenden Problems nicht gesehen hat. (2) Zutreffend hat das Patentgericht angenommen, dass dem Fach26 mann, der ein Tiotropiumgemisch zur Verabreichung in Inhalationskapseln bereitstellen sollte, aufgrund seines allgemeinen Fachwissens die mit der Bereitstellung zu inhalierender Wirkstoffmischungen verbundenen Probleme bekannt waren. Insbesondere war dem Fachmann geläufig, dass das Wirkstoffpulver mikronisiert werden muss, um lungengängige Partikelgrößen zu erhalten, dass es einen Trägerstoff wie beispielsweise Laktose enthalten muss, an den sich der mikronisierte Wirkstoff anlagert, und dass das Pulver durch Feuchtigkeit seine feine Verteilung und damit den Wirksamkeitsgrad der gewählten Dosierung verliert. Diese Überlegungen wurden dem Fachmann, wie auch die Berufung nicht in Frage stellt, bereits in seiner Ausbildung vermittelt (vgl. das Lehrbuch für Studium und Beruf HBP22, S. 432, 433). (3) Das Bemühen des Fachmanns, der Feuchtigkeitsempfindlichkeit von
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Inhalationspulvern Rechnung zu tragen, spiegelt auch die Entgegenhaltung HBP9 wieder, die sich damit befasst, die Feuchtigkeitsbeständigkeit von Trockenpulverformulierungen zur Inhalation zu verbessern und neben anderen eine Formulierung des Wirkstoffs Tiotropiumbromid mit dem Hilfsstoff Laktose in Beispiel 6 angibt (HBP9, S. 27, 28). Ob der Fachmann, wie das Patentgericht angenommen hat, deshalb Anlass hatte, bei der Wahl des Kapselmaterials im Stand der Technik gezielt nach Kapseln mit besonders niedrigem Feuchtegehalt zu suchen, kann dahinstehen. Jedenfalls hatte der Fachmann, wenn er darüber nicht ohnedies unterrichtet war, Anlass sich darüber zu orientieren, welche Kapseln und Kapselmaterialien im Stand der Technik für Inhalationspulver in Betracht gezogen worden waren.
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c) Ein solches Kapselmaterial wird in HBP5b vorgeschlagen. Die Entgegenhaltung befasst sich allgemein mit inhalierbaren Zuberei29 tungen, bei denen ein pulverförmiger Arzneistoff in Hartgelatinekapseln verpackt ist und der Arzneistoff nach Anstechen der Kapsel durch Sprühen oder Inhalieren in den Atmungstrakt eingeführt wird. Es wird darauf hingewiesen, dass die in der Gelatinehülle enthaltene Feuchtigkeit leicht an den in der Kapsel verpackten pulverförmigen Arzneistoff binden könne (HBP5b, Abs. 5). Zur Lösung des Problems schlägt HBP5b Gelatinekapseln vor, die 3 bis 10 Gewichtsprozent Polyethylenglykol (PEG) enthalten (HBP5b, Abs. 12). Bevorzugt wird dabei PEG 4000, das, wie das Patentgericht unangefochten festgestellt hat, dem in Anspruch 1 des Streitpatents ebenfalls als bevorzugt genannten PEG 3350 nach europäischer Nomenklatur entspricht. Die Kapseln seien ausreichend fest, ohne brüchig zu sein, und wiesen einen Feuchtegehalt von vorzugsweise weniger als 14 Gewichtsprozent, insbesondere 12 bis 8 Gewichtsprozent , auf. In die in HBP5b vorgestellten Hartgelatinekapseln sollen beliebige pul30 verförmige Arzneistoffe für Inhalationszwecke eingefüllt werden können, unter anderem Bronchodilatatoren und Bronchokonstriktionsblocker wie Ipratropiumbromid und dergleichen (HBP5b, Abs. 16). Ipratropiumbromid ist, wie das Patentgericht unangegriffen festgestellt hat, ebenso wie Tiotropiumbromid ein Anticholinergikum. Inwieweit es dem Tiotropiumbromid ähnliche Strukturmerkmale aufweist, was die Berufung in Abrede stellt, ist ohne Belang, da Ipratropiumbromid nur als Beispiel für die beliebigen pulverförmigen Arzneistoffe für Inhalationszwecke genannt wird, für die sich die Kapseln eigneten.
d) Vor diesem Hintergrund erhielt der Fachmann aus HBP5b die Anre31 gung, die dort beschriebene Inhalationskapsel auch für Tiotropiumbromid in Betracht zu ziehen. Selbst wenn der Fachmann - wofür konkrete Anhaltspunkte nicht aufgezeigt sind - es für unsicher gehalten hätte, ob sich die beschriebenen Gelatinekapseln mit PEG-Zusatz auch für diesen Wirkstoff eigneten, bestand jedenfalls Anlass zu entsprechenden Versuchen, zumal keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass diese mit technischen Schwierigkeiten oder unangemessenem Aufwand verbunden sein könnten. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen , ob, was die Beklagte mit ihrem Versuchsbericht vom 30. September 2013 (HE1) bestreitet, der Fachmann erwarten konnte, dass eine Wirkstoffmischung mit Tiotropiumbromid in der Hartgelatinekapsel der HBP5b das Feuchtigkeitsproblem lösen würde (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 2012 - X ZR 98/09, GRUR 2012, 803 Rn. 46 - Calcipotriol-Monohydrat mwN).
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e) Durch die Abhandlung HBP12 erhielt der Fachmann schließlich die Anregung, alternativ Kapseln bereitzustellen, deren Hülle nicht aus Gelatine, sondern aus Hydroxypropylmethylcellulose (HPMC; Merkmal 3.2) besteht.
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(1) Nach den Ausführungen in HBP12 wird als Material zur Herstellung von Hartkapseln in der Regel Gelatine verwendet. Diese Kapseln enthielten im Allgemeinen 13 bis 15% Wasser und seien deshalb unter Umständen nicht zur Verwendung für leicht wasserlösliche Wirkstoffe geeignet (HBP12, S. 32 li. Sp.). Als Alternative schlagen die Autoren deswegen u.a. die Herstellung von Cellulose -, insbesondere HPMC-Kapseln vor. HPMC sei nicht nur chemisch inert, sondern habe auch einen geringeren Feuchtegehalt (2 bis 5%), was die Aufrechterhaltung einer Umgebung mit niedrigerer Feuchtigkeit innerhalb der HPMC-Kapselhülle ermögliche (HBP12, S. 36 li. Sp.). Die Autoren kommen zu der Schlussfolgerung, HPMC habe nicht nur von Natur aus einen niedrigen Feuchtegehalt, sondern behalte auch selbst unter Bedingungen extrem niedriger Feuchtigkeit, wie sie durch die Zugabe von wasserabsorbierenden Hilfsstoffen geschaffen würden, seine mechanische Integrität und sei deshalb bestens für die Verwendung mit Formulierungen geeignet, die feuchtigkeitsempfindliche Wirkstoffe enthielten (HBP12, S. 42 re. Sp.). (2) Der Fachmann konnte sonach HBP12 den Hinweis entnehmen, dass
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HPMC als Material für die Kapselumhüllung neben Gelatine sehr gut geeignet ist und insbesondere einen niedrigen Feuchtegehalt mit geringer Brüchigkeit und damit gutem Lochungsverhalten bietet. In Anbetracht dessen und auch angesichts des in HBP12 geschilderten Problems, dass bestimmte Wirkstoffe mit den Aminogruppen der Gelatine reagieren könnten, und des Umstands, dass Gelatineprodukte aufgrund religiöser oder vegetarischer Ernährungsvorschriften gemieden würden (HBP12, S. 32 li. Sp.), hatte er Anlass, als Alternative zu der üblicherweise als Material für die Kapselhülle verwendeten Gelatine die in HBP12 vorgeschlagenen Cellulosederivate einzusetzen (so auch der High Court für England und Wales [J. Morgan] in seiner Beurteilung des Streitpatents , Entscheidung vom 21. Oktober 2015 - [2015] EWHC 2963 (Pat), Teva UK Limited vs. Boehringer Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG).
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2. Die Gegenstände der Hilfsanträge I, II und III beruhen ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Patentanspruch 1 der Hilfsanträge ist dadurch eingeschränkt , dass die Gelatine im Gemisch mit 1 bis 10 Gewichtsprozent PEG, bevorzugt PEG 3350 (Hilfsantrag I), Laktose als Hilfsstoff (Hilfsantrag II) und Hydroxypropylmethylcellulose als Kapselmaterial (Hilfsantrag III) ausgewählt ist. Das Patentgericht hat zutreffend angenommen, dass auch diese Gegenstände durch die Entgegenhaltungen HBP4, HBP5b und HBP12, die die einschränkenden Merkmale enthalten und auf deren obige Erörterung Bezug genommen wird, nahegelegt waren. 3. Entsprechendes gilt für den Gegenstand des mit der Berufung der
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Beklagten neu vorgelegten Hilfsantrags IV, bei dem nach Patentanspruch 1 das Kapselmaterial einen reduzierten Feuchtegehalt von weniger oder gleich 10% aufweisen soll. Nach der Entgegenhaltung HBP5b soll der Feuchtigkeitsgehalt der Kapselhülle so niedrig wie möglich gehalten werden und soll vorzugsweise 12 bis 8 Gewichtsprozent betragen. 4. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts war auch der Gegen37 stand des durch die Merkmale 4 und 5 geänderten Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag V durch den bereits erörterten Stand der Technik nahegelegt. Deshalb kann dahinstehen, ob ein solcher Patentanspruch auf das Erfordernis der Klarheit nach Art. 84 EPÜ zu überprüfen wäre und ob er, wie das Patentgericht angenommen hat, dieses Erfordernis erfüllte.
a) Der Anspruch enthält die Merkmale der Hilfsanträge I bis III und in
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den Merkmalen 4 und 5 Angaben zur Teilchengröße der gröberen und der fei- neren Laktose und zum Anteil der feineren Laktose an der Gesamtlaktosemenge , die 5 bis 10% betragen soll.
b) Aus den Entgegenhaltungen HBP31 und HBP39 war dem Fachmann
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geläufig, dass dem üblichen Hilfsstoff (gröberer) Laktose ein Anteil an feinerer Laktose zugesetzt werden kann. So behandelt der Aufsatz HBP31 die Rolle von feinteiligen Hilfsstoffen in pharmazeutisch trockenen Pulveraerosolen und kommt zu dem Ergebnis, dass die Teilcheneigenschaften und die Wechselwirkungen innerhalb der Systeme das Verhalten von trägerbasierten und agglomerierten Trockenpulver-Aerosolzubereitungen beeinflussen. Beispielsweise sei das Inhalationsvermögen bei Zusatz von feiner zu grober Laktose als Träger für Inhalationspulver deutlich verbessert worden, wenn Albumin als Modellprotein oder Salbutamol als Modell für einen niedermolekularen Wirkstoff verabreicht werden sollten. In der Entgegenhaltung HBP39 wird die Wirkung von zugefügten Laktosefeinpartikeln auf die elektrostatische Ladung der Laktoseträgerpartikel untersucht, da die elektrostatische Ladungsansammlung auf Pulvern die Leistung von Trockenpulverinhalatoren beeinflussen könne. Der Zusatz einer kleinen Menge (< 10 Gewichtsprozent) feiner Laktosepartikel (10 µm) fördere die Wirkstoffablösung vom gröberen Träger in der turbulenten Luftströmung durch den Inhalierungsvorgang, was durch die elektrostatische Ladung an der Oberfläche der mikronisierten Pulverpartikel bedingt sei (HBP39, S. 99 re. Sp. unten bis S. 100 li. Sp. Abs. 1). Wie auch das Patentgericht angenommen hat, erhielt der Fachmann damit - sowie auch aus der internationalen Patentanmeldung 93/11746 (HBP10) - die Anregung, den für das Tiotropiumpulver verwendeten Hilfsstoff Laktose nach den Merkmalen 4 und 5 auszugestalten.
c) Damit war dem Fachmann aber auch der Gegenstand des Patentan40 spruchs 1 in seiner Gesamtheit nahegelegt. Der Bewertung des Patentgerichts, die Kombination der - jeweils für sich nahegelegten - Wahl des Kapselmaterials nach der Merkmalsgruppe 3 und der Ausgestaltung des Laktosegemisches nach den Merkmalen 4 und 5 beruhe auf erfinderischer Tätigkeit, kann der Senat nicht beitreten. (1) Beide Maßnahmen dienen unterschiedlichen Zielen und lösen unter41 schiedliche Probleme. Weder macht die Wahl eines geeigneten Kapselmaterials es für den Fachmann entbehrlich, sich Gedanken darüber zu machen, wie der Trägerstoff für den Inhalationsvorgang günstig ausgestaltet werden kann, noch entbindet ein geeignetes Laktosegemisch von der Aufgabe, eine geeignete Kapsel zu finden, in die das Inhalationspulver eingefüllt werden kann. Es ist auch nichts erkennbar, was eine Kapsel nach Merkmal 3.1 oder 3.2 für ein Laktosegemisch nach den Merkmalen 4 und 5 nicht oder weniger geeignet hätte erscheinen lassen können. (2) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der in HBP9 vorgeschlage42 nen Beifügung von Magnesiumstearat zu einem Gemisch aus gröberer und feinerer Laktose. Vielmehr bestätigt die Entgegenhaltung die ohnehin gehegte Erwartung des Fachmanns, dass er bei einem Inhalationspulver, dessen Trägerstoff aus einem solchen Laktosegemisch besteht, nicht von der Notwendigkeit entbunden ist, auf die Feuchtigkeitsempfindlichkeit des Pulvers Bedacht zu nehmen. Damit war die Entscheidungssituation hinsichtlich des Kapselmaterials für den Fachmann von der Zusammensetzung der Laktose grundsätzlich unabhängig. Als von der Wahl eines Kapselmaterials nach Merkmal 3.1 oder 3.2 weg43 führend könnte die HBP9 allenfalls dann angesehen werden, wenn Magnesiumstearat standardmäßig den hier angesprochenen Wirkstoffzusammensetzungen zugemischt worden wäre. Dies ist aber gerade nicht der Fall. Vielmehr war, wie die Klägerin zutreffend ausführt, in der Fachwelt bekannt, dass die Beigabe von Magnesiumstearat toxikologisch nicht unbedenkliche Wirkungen entfalten kann (HBP31, S. 244, 2. Abs.; Zeng et al., Improving the delivery efficiency of dry powder inhalers [DPIs] by adding fine carrier particles to powder formulations, HBP32, Abstract; Zeng et al., The role of fine particle lactose on the dispersion and deaggregation of salbutamol sulphate in an air stream in vitro, HBP36 S. 107). Der Fachmann hatte demzufolge gerade auch mit Blick auf die in der HBP9 vorgeschlagene Beifügung einer möglicherweise schädliche Nebenwirkungen auslösenden Substanz Anlass, nach einer unbedenklichen Alternative zu suchen und sich neben den Überlegungen zur Zusammensetzung des Wirkstoffgemischs auch Gedanken zur Ausgestaltung des Kapselmaterials zu machen. 5. Entsprechendes gilt für den Gegenstand von Patentanspruch 1 nach
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Hilfsantrag VI, nach dem Patentanspruch 1 neben den Änderungen durch die vorangehenden Hilfsanträge weiter dahingehend beschränkt wird, dass das Kapselmaterial Gelatine im Gemisch mit 1 bis 10 Gewichtsprozent Polyethylenglykol vorliegt. Diese Ausgestaltung war, wie oben unter III 1 c dargestellt, durch die Entgegenhaltung HBP5b nahegelegt. 6. Die nebengeordneten Verwendungsansprüche nach dem Hauptan45 trag und den Hilfsanträgen nehmen jeweils Patentanspruch 1 unmittelbar oder mittelbar in Bezug. Für eine abweichende Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist nichts ersichtlich.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Meier-Beck Hoffmann Schuster Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 12.11.2013 - 3 Ni 10/12 (EP) -

(1) Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren vor dem Patentgericht enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Patentgericht dies nicht ausschließen.

(2) Eine Anfechtung der Entscheidungen des Patentgerichts findet nur statt, soweit dieses Gesetz sie zuläßt.

(3) Für die Gewährung der Akteneinsicht an dritte Personen ist § 31 entsprechend anzuwenden. Über den Antrag entscheidet das Patentgericht. Die Einsicht in die Akten von Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents wird nicht gewährt, wenn und soweit der Patentinhaber ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse dartut.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Das Deutsche Patent- und Markenamt gewährt jedermann auf Antrag Einsicht in die Akten sowie in die zu den Akten gehörenden Modelle und Probestücke, wenn und soweit ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird. Jedoch steht die Einsicht in das Register und die Akten von Patenten einschließlich der Akten von Beschränkungs- oder Widerrufsverfahren (§ 64) jedermann frei.

(2) In die Akten von Patentanmeldungen steht die Einsicht jedermann frei,

1.
wenn der Anmelder sich gegenüber dem Deutschen Patent- und Markenamt mit der Akteneinsicht einverstanden erklärt und den Erfinder benannt hat oder
2.
wenn seit dem Anmeldetag (§ 35) oder, sofern für die Anmeldung ein früherer Zeitpunkt als maßgebend in Anspruch genommen wird, seit diesem Zeitpunkt achtzehn Monate verstrichen sind
und ein Hinweis nach § 32 Abs. 5 veröffentlicht worden ist. Bei Anmeldungen, die nicht oder teilweise nicht in deutscher Sprache abgefasst sind, gilt § 35a Absatz 4.

(3) Soweit die Einsicht in die Akten jedermann freisteht, steht die Einsicht auch in die zu den Akten gehörenden Modelle und Probestücke jedermann frei.

(3a) Soweit die Einsicht in die Akten jedermann freisteht, kann die Einsichtnahme bei elektronischer Führung der Akten auch über das Internet gewährt werden.

(3b) Die Akteneinsicht nach den Absätzen 1 bis 3a ist ausgeschlossen, soweit

1.
ihr eine Rechtsvorschrift entgegensteht,
2.
das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person im Sinne des Artikels 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 679/2016 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung offensichtlich überwiegt oder
3.
in den Akten Angaben oder Zeichnungen enthalten sind, die offensichtlich gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen.

(4) In die Benennung des Erfinders (§ 37 Abs. 1) wird, wenn der vom Anmelder angegebene Erfinder es beantragt, Einsicht nur nach Absatz 1 Satz 1 gewährt; § 63 Abs. 1 Satz 4 und 5 ist entsprechend anzuwenden.

(5) In die Akten von Patentanmeldungen und Patenten, für die gemäß § 50 jede Veröffentlichung unterbleibt, kann das Deutsche Patent- und Markenamt nur nach Anhörung der zuständigen obersten Bundesbehörde Einsicht gewähren, wenn und soweit ein besonderes schutzwürdiges Interesse des Antragstellers die Gewährung der Einsicht geboten erscheinen läßt und hierdurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland nicht zu erwarten ist. Wird in einem Verfahren eine Patentanmeldung oder ein Patent nach § 3 Abs. 2 Satz 3 als Stand der Technik entgegengehalten, so ist auf den diese Entgegenhaltung betreffenden Teil der Akten Satz 1 entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 4/00
vom
17. Oktober 2000
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Akteneinsicht XV
Ohne Vorliegen besonderer Umstände erfordert der von einem anwaltlichen
Vertreter gestellte Antrag auf Einsicht in die Akten eines Patentnichtigkeitsverfahrens
nicht, daß der von dem Anwalt vertretene Mandant namhaft gemacht
wird.
BGH, Beschluß vom 17. Oktober 2000 - X ZR 4/00 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 17. Oktober 2000
durch den Vorsitzenden Richter Rogge und die Richter Dr. Jestaedt,
Dr. Melullis, Scharen und Keukenschrijver

beschlossen:
Den Patentanwälten R. , B. und Partner in S. wird Akteneinsicht in die Akten des Patentnichtigkeitsverfahrens X ZR 4/00 gewährt.

Gründe:


I. Die Patentanwälte R. , B. und Partner haben - ohne Nennung des Auftraggebers - Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens X ZR 4/00 begehrt , die sich nach Einlegung der Berufung bei dem beschließenden Senat befinden. Die Beklagte hat gegenüber dem Antrag keine Bedenken erhoben; die Klägerin hat ihm mit der Begründung widersprochen, daß eine Angabe darüber fehle, für welche Auftraggeber Akteneinsicht begehrt werde. Ohne die Kenntnis dieses Auftraggebers sei ihr die Bewertung nicht möglich, ob der Akteneinsicht auf ihrer Seite ein berechtigtes Interesse entgegenstehe.
II. Dem Antrag war stattzugeben. Soweit der beschließende Senat in der Vergangenheit die Akteneinsicht durch einen Patentanwalt oder einen Rechtsanwalt davon abhängig gemacht hat, daß dieser seinen Auftraggeber benennt (vgl. BGHZ 42, 19, 29 - Akteneinsicht I; zum früheren Recht vgl. auch Benkard/ Schäfers, PatG, GebrMG, 8. Aufl., § 99 PatG Rdn. 16; Busse, PatG, 5. Aufl., § 99 PatG Rdn. 36 m.w.N. aus der Rechtsprechung des Senats und des BPatG), hält er daran nach erneuter Überprüfung nicht fest. Nach § 99 Abs. 3 PatG gilt für die Akteneinsicht durch andere als die Parteien des Nichtigkeitsverfahrens die Regelung des § 31 PatG entsprechend, der das Recht auf Einsicht in die Akten des Patentamts betrifft. Danach ist die Einsicht in diese Akten lediglich von einem förmlichen Antrag, nicht jedoch auch von der Darlegung eines berechtigten Interesses abhängig. Die Notwendigkeit einer solchen Darlegung kann sich nach dem Wortlaut des § 99 Abs. 3 PatG und der darin zum Ausdruck kommenden Wertung nur dann stellen, wenn von seiten des Patentinhabers oder des diesem im Hinblick auf die Akteneinsicht gleich zu behandelnden Nichtigkeitsklägers (vgl. dazu BGH GRUR 1972, 441, 442 - Akteneinsicht IX; Busse, aaO, Rdn. 37) ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse dargetan wird. Erst nach einer solchen Darlegung bedarf es einer Abwägung unter den beteiligten Interessen (BGH GRUR 1972, 441 - Akteneinsicht IX; Benkard/Schäfers, aaO, Rdn. 18; Busse, aaO, Rdn. 36), in die die Belange desjenigen, der Akteneinsicht begehrt, nur dann eingestellt werden können, wenn sie dem Gericht dargelegt worden und deshalb bekannt sind. Aus der Notwendigkeit dieser Darlegung kann jedoch nicht abgeleitet werden, daß der um Akteneinsicht Nachsuchende schon im Vorgriff auf mögliche Einwände gehalten ist, die von ihm verfolgten Interessen offenzulegen und gegebenenfalls glaubhaft zu machen. Ein solches Verlangen wäre mit Wortlaut und Zweck der Regelung nach § 99 Abs. 3 PatG nicht zu vereinbaren. Es hätte zur
Folge, daß die Akteneinsicht gegen den klaren Wortlaut der gesetzlichen Regelung im Ergebnis doch von der Darlegung und Glaubhaftmachung eines eigenen Interesses abhängig gemacht und damit die vom Gesetz vorgenommene Wertung in ihr Gegenteil verkehrt würde. Danach ist der Akteneinsicht Begehrende allenfalls dann zu weiteren Darlegungen gehalten, wenn eine der Parteien des Nichtigkeitsverfahrens ein schutzwürdiges Gegeninteresse darlegt und gegebenenfalls glaubhaft macht. Dazu genügt es nicht, daß sie der Akteneinsicht widerspricht. Schon nach dem Wortlaut der Regelung bedarf es vielmehr der Darlegung eines eigenen Interesses, das dem Begehren entgegengehalten werden kann und soll. Erst wenn dieses vorliegt, kann nach der gesetzlichen Ausgestaltung der Akteneinsicht Begehrende seinerseits gehalten sein, sein Interesse an der Gewährung der Akteneinsicht vorzutragen und gegebenenfalls glaubhaft zu machen. Kommt er dem nicht nach, hat das lediglich zur Folge , daß die von ihm verfolgten Interessen bei der Abwägung nicht berücksichtigt werden können und so auch eine pauschalere Behauptung eines Gegeninteresses genügen kann, das von ihm geltend gemachte Recht auf Einsicht in die Akten zu Fall zu bringen.
Für den durch einen anwaltlichen Vertreter gestellten Akteneinsichtsantrag gilt insoweit nichts anderes. Wenn weder von ihm noch von der von seinem Mandanten die Darlegung des eigenen Interesses an der Akteneinsicht verlangt werden kann, besteht insoweit auch kein Anlaß, seinen Mandanten namhaft zu machen (so auch im Ergebnis Sen.Beschl. v. 8.10.1998 - X ZB 12/98, GRUR 1999, 226 - Akteneinsicht XIV für die Einsichtnahme in die Beschwerdeakten in einem Gebrauchsmusterlöschungsverfahren). Bei ihm kommt hinzu, daß er ohnehin auch im eigenen Namen Einsicht in die Akten verlangen könnte. In § 99 Abs. 3 PatG ist das Recht auf Einsicht in die Akten
jedermann zugestanden worden; dieses Recht kann auch der anwaltliche Vertreter ohne Einschränkung selbst in Anspruch nehmen. Auch insoweit kommt es nicht darauf an, ob er ein eigenes Interesse an den durch die Einsichtnahme vermittelten Kenntnissen besitzt.
Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist den Antragstellern Einsicht in die Akten des Nichtigkeitsverfahrens zu gewähren. Ein schutzwürdiges Gegeninteresse hat die Klägerin nicht dargelegt. Sie hat sich nur pauschal darauf bezogen , daß sie ohne Kenntnis der von den Antragstellern vertretenen Partei nicht beurteilen könne, ob aus ihrer Sicht wesentliche Gründe der Gewährung der Akteneinsicht entgegenstünden. Das genügt zur Darlegung eines Gegeninteresses auch vor dem Hintergrund dessen nicht, daß ihre Darlegungen mangels näherer Ausführungen der Antragsteller notwendig pauschal bleiben müssen. Sie hat sich vielmehr darauf beschränkt, der Akteneinsicht zu widersprechen.
Rogge Jestaedt Melullis
Scharen Keukenschrijver

(1) Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren vor dem Patentgericht enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Patentgericht dies nicht ausschließen.

(2) Eine Anfechtung der Entscheidungen des Patentgerichts findet nur statt, soweit dieses Gesetz sie zuläßt.

(3) Für die Gewährung der Akteneinsicht an dritte Personen ist § 31 entsprechend anzuwenden. Über den Antrag entscheidet das Patentgericht. Die Einsicht in die Akten von Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents wird nicht gewährt, wenn und soweit der Patentinhaber ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse dartut.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.