Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Dez. 2002 - X ZR 189/02

published on 17/12/2002 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Dez. 2002 - X ZR 189/02
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 189/02
vom
17. Dezember 2002
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Dezember 2002
durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die
Richterin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf

beschlossen:
Das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das am 30. April 2002 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird zurückgewiesen.

Gründe:


Die Klägerin hat gegen das ihr am 19. Juli 2002 zugestellte Urteil des Bundespatentgerichts mit Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten, eingegangen beim Bundesgerichtshof per Telefax am 20. August 2002, Berufung eingelegt. Mit Schreiben vom 4. September 2002, eingegangen am 6. September 2002, hat sie gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO beantragt.
Aus dem Vortrag der Antragstellerin und den sonstigen aktenkundigen Tatsachen ergibt sich, daß die Klägerin nicht ohne Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten , für dessen Verhalten sie einzustehen hat (Busse, PatG, 5. Aufl., § 123 PatG Rdn. 31 m.w.N.), verhindert war, die Berufungsfrist einzuhalten.
Zur Begründung ihres Gesuchs um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat die Klägerin geltend gemacht, die Frist für die Einlegung der Berufung sei aus folgenden Gründen falsch berechnet und notiert worden:
Bis Ende 2002 sei die Zustellung der Urteile des Bundespatentgerichts in der Weise erfolgt, daß diese in das Abholfach der Patentanwälte beim Deutschen Patent- und Markenamt eingelegt worden seien. Die Zustellung habe dabei nach § 127 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 PatG als am dritten Tag nach der Niederlegung im Abholfach bewirkt gegolten. Aufgrund des am 1. Juli 2002 in Kraft getretenen Gesetzes zur Reform bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren, wonach nunmehr für Zustellungen im Verfahren vor dem Bundespatentgericht die ZPO gilt, sei die Handhabung der Zustellung durch das Bundespatentgericht geändert worden. Die Zustellung von Urteilen sei ab diesem Zeitpunkt gegen Empfangsbekenntnis erfolgt. Das Urteil des Bundespatentgerichts im vorliegenden Verfahren sei dementsprechend am 19. August 2002 den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin zugestellt worden. Die Mitarbeiterin in der Fristabteilung ihrer Prozeßbevollmächtigten habe jedoch ausgehend von der früheren Handhabung der Zustellung zu diesem Datum drei Tage hinzugerechnet und eine Vorfrist bis zum 14. August sowie den Ablauf der Frist für die Einlegung der Berufung auf den 21. August 2002 notiert.

Die Kanzlei ihrer Prozeßbevollmächtigten sei so organisiert, daß die Terminüberwachung einer eigenen Abteilung übertragen sei, für die zwei Patentanwälte zuständig seien; Leiterin der Terminabteilung sei seit 35 Jahren Frau Z. , der zehn Mitarbeiterinnen unterstellt seien, darunter auch Frau D. , die mit der Bearbeitung der vorliegenden Sache befaßt gewesen sei. Frau D. sei ausgebildete Patentanwaltsfachangestellte und kenne sich seit ihrer Ausbildung auch mit Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis aus. Sie sei qualifiziert, werde regelmäßig unterwiesen und stichprobenartig überprüft, ohne daß sich Anlaß zu Beanstandungen ergeben hätte.
Die Änderung der Rechtslage für die Zustellung von Urteilen des Bundespatentgerichts sei den Mitarbeitern der Terminabteilung von einem der zuständigen Patentanwälte per E-Mail mitgeteilt worden. Dabei sei auch darauf hingewiesen worden, daß künftig die Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis erfolgen würden.
Damit hat die Klägerin ein Verschulden ihrer Prozeßbevollmächtigten nicht ausgeräumt. Unter den gegebenen Umständen reichte es nicht aus, daß diese die Mitarbeiter der Fristenabteilung auf die geänderte Rechtslage hingewiesen haben. Zwar mag der Rechts- oder Patentanwalt die Berechnung einfacher Fristen seinem geschulten Personal überlassen können. Ein solcher einfach gelagerter Sachverhalt lag hier jedoch wegen der Gesetzesänderung und der im Hinblick darauf geänderten Zustellungsweise nicht vor. Nach der Änderung der Zustellungsweise mußte die bis dahin geübte Praxis für die Ermittlung des Beginns der Rechtsmittelfrist, dem auf dem Urteil vermerkten Datum der
Niederlegung im Abholfach drei Tage hinzuzurechnen, aufgegeben werden. Auch wenn der Mitarbeiterin der Prozeßbevollmächtigten grundsätzlich seit ihrer Ausbildung die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis bekannt gewesen sein mag, durften die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin sich nicht darauf verlassen, daß ihre Mitarbeiter von sich aus die richtigen Konsequenzen ziehen und nunmehr das Datum des Empfangsbekenntnisses als maßgeblichen Zeitpunkt für den Beginn der Berufungsfrist berücksichtigen würden. Daß diese auch auf den Inhalt der Neuregelung und die damit verbundenen konkreten Auswirkungen für die Fristberechnung hingewiesen worden sind, ist den vorgelegten Erklärungen nicht zu entnehmen. Eine länger geübte Praxis bietet immer die Gefahr, daß derjenige, der in seiner täglichen Berufsausübung diese anwendet, sich nicht jederzeit klar macht, worauf sie letztlich beruht, sondern allein deshalb so verfährt, weil es sich um eine eingeübte Praxis handelt. Diese Gefahr konnte nicht allein dadurch ausgeräumt werden, daß das Personal auf die geänderte Rechtslage hingewiesen wurde. Wenn der für die Fristenabteilung zuständige Patentanwalt in seiner eidesstattlichen Versicherung ausführt, er sei gemeinsam mit der Leiterin der Fristenabteilung zu dem Ergebnis gelangt , daß die neue Zustellungsweise sich nicht auf die Arbeitsabläufe in der Terminabteilung und das Computerprogramm zur Fristüberwachung auswirken würde, so war dies nur richtig, wenn das Personal von zutreffenden Zustellungsdaten ausging. Zwar hat die Leiterin der Fristenabteilung in ihrer eidesstattlichen Versicherung ausgeführt, daß sie im Rahmen einer Besprechung aktueller Probleme ihre Mitarbeiterinnen auch darauf hingewiesen habe, daß die entsprechende Frist mit der Zustellung beginne. Auch dies genügte für die Anleitung der Mitarbeiterinnen der Fristenabteilung nicht. Es wäre vielmehr
notwendig gewesen, ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß die Fristberechnung in Fällen wie dem vorliegenden nicht mehr in der bisherigen Weise erfolgen durfte. Die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin durften nicht davon ausgehen , daß ihre Mitarbeiterinnen von sich aus diesen Schluß ziehen würden, nachdem sich die Praxis über lange Jahre an einer anderen Handhabung der Zustellung orientiert hat.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf
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Lastenausgleichsgesetz - LAG

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Für Zustellungen im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt gelten die Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes mit folgenden Maßgaben:

1.
Wird die Annahme der Zustellung durch eingeschriebenen Brief ohne gesetzlichen Grund verweigert, so gilt die Zustellung gleichwohl als bewirkt.
2.
An Empfänger, die sich im Ausland aufhalten und die entgegen dem Erfordernis des § 25 keinen Inlandsvertreter bestellt haben, kann mit eingeschriebenem Brief durch Aufgabe zur Post zugestellt werden. Gleiches gilt für Empfänger, die selbst Inlandsvertreter im Sinne des § 25 Abs. 2 sind. § 184 Abs. 2 Satz 1 und 4 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
3.
Für Zustellungen an Erlaubnisscheininhaber (§ 177 der Patentanwaltsordnung) ist § 5 Abs. 4 des Verwaltungszustellungsgesetzes entsprechend anzuwenden.
4.
An Empfänger, denen beim Deutschen Patent- und Markenamt ein Abholfach eingerichtet worden ist, kann auch dadurch zugestellt werden, daß das Schriftstück im Abholfach des Empfängers niedergelegt wird. Über die Niederlegung ist eine Mitteilung zu den Akten zu geben. Auf dem Schriftstück ist zu vermerken, wann es niedergelegt worden ist. Die Zustellung gilt als am dritten Tag nach der Niederlegung im Abholfach bewirkt.
5.
Für die Zustellung von elektronischen Dokumenten ist ein Übermittlungsweg zu verwenden, bei dem die Authentizität und Integrität der Daten gewährleistet ist und der bei Nutzung allgemein zugänglicher Netze die Vertraulichkeit der zu übermittelnden Daten durch ein Verschlüsselungsverfahren sicherstellt. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz erlässt durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, nähere Bestimmungen über die nach Satz 1 geeigneten Übermittlungswege sowie die Form und den Nachweis der elektronischen Zustellung.

(2) Für Zustellungen im Verfahren vor dem Bundespatentgericht gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung.