Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Okt. 2010 - X ZR 17/07

published on 19/10/2010 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Okt. 2010 - X ZR 17/07
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Bundespatentgericht, 1 Ni 11/05, 10/10/2006

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 17/07
vom
19. Oktober 2010
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Oktober 2010 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck und die Richter Gröning,
Dr. Berger, Dr. Grabinski und Hoffmann

beschlossen:
Die Anhörungsrüge des Beklagten wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Gründe:


1
I. Mit Urteil vom 20. Juli 2010 hat der Senat die Berufung des Beklagten gegen das am 10. Oktober 2006 verkündete Urteil des Bundespatentgerichts zurückgewiesen. Mit seiner Anhörungsrüge macht der Beklagte geltend, die Entscheidung des Senats verletze seinen Anspruch auf rechtliches Gehör.
2
Zur Begründung nimmt er Bezug auf die Überlegungen des Senats im Urteil vom 20. Juli 2010, die diesen dazu bewogen hätten, nicht der von dem Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht zu folgen, dass den Merkmalen 1.0 und 5.6 im Rahmen der Gesamtlehre aus Patentanspruch 1 des Streitpatents zu entnehmen sei, dass bei Zapfruhe das von der Brauchwasser -Verteilungsleitung über die Brauchwasser-Sammelleitung herangeführte Brauchwasser über die Kaltwasserleitung geleitet werde, damit es weiter zum ersten Wärmeüberträger gelangen könne, wodurch sich der positive Effekt einstelle , dass das auf dem Weg durch die Brauchwasser-Verteilungsleitung bzw. die Brauchwasser-Sammelleitung teilweise erkaltete Wasser im ersten Wärmeüberträger das über die Brauchwasser-Abgangsleitung herangeführte, von dem Wasserwärmer auf Desinfektionstemperatur erhitzte Brauchwasser abkühlen könne und gleichzeitig vorgewärmt werde. Der Beklagte rügt, dass es der Senat unterlassen habe, ihn in der mündlichen Verhandlung auf diese Erwägungen hinzuweisen, die von ihm erkennbar nicht gesehen worden seien. Diese Erwägungen beruhten auf einem Missverständnis des Inhalts der Streitpatentschrift. Ohne dieses Missverständnis wäre der Senat zum gegenteiligen Ergebnis gekommen. Daraus hätte sich dann auch ergeben, dass die durch den Patentanspruch 1 des Streitpatents beschriebene Anlage durch den Stand der Technik nicht nahegelegt gewesen sei.
3
Die Beklagte beantragt, das Berufungsverfahren fortzuführen.
4
Die Klägerin beantragt, die Anhörungsrüge zurückzuweisen.
5
II. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 321a ZPO, § 122a PatG) Anhörungsrüge ist unbegründet. Sie könnte nur dann Erfolg haben, wenn der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden wäre. Daran fehlt es hier.
6
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährleistet Art. 103 Abs. 1 GG den Verfahrensbeteiligten das Recht, sich nicht nur zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt, sondern auch zur Rechtslage zu äußern. Dabei kann es in besonderen Fällen auch geboten sein, den Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht der Entscheidung zugrunde legen will. Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welche Gesichtspunkte es für die Entscheidung ankommt. Es kann im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst bei Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte. Allerdings ist dabei zu beachten , dass das Gericht grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet ist. Auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, muss daher ein Verfahrensbeteiligter grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen (BVerfGE 83, 24, 35; 86, 133, 144; NJW 1998, 2515, 2523; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Mai 2007 - VIII ZR 235/06, NJW 2007, 2117, 2118).
7
Nach diesen Grundsätzen liegt kein Verstoß gegen den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör vor. Der Beklagte hat erstmals in der Berufungsverhandlung nach Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen in seinem Schlussplädoyer die Auffassung vertreten, dass die Merkmale 1.0 und 5.6 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents dahin zu verstehen seien, dass auch bei Zapfruhe das von der Brauchwasser-Sammelleitung herangeführte Brauchwasser über die Kaltwasserleitung geleitet werde, damit sich der positive Effekt einstelle, dass dieses im ersten Wärmeüberträger das über die BrauchwasserAbgangsleitung herangeführte, von dem Wasserwärmer auf Desinfektionstemperatur erhitzte Brauchwasser abkühlen könne und gleichzeitig selbst vorgewärmt werde. Der Senat ist daraufhin wieder in die Beweisaufnahme eingetre- ten und hat das neue Vorbringen des Beklagten mit dem gerichtlichen Sachverständigen und beiden Parteien ausführlich erörtert. Dabei hat insbesondere der Prozessbevollmächtigte des Beklagten die von ihm vertretene Ansicht im Einzelnen dargestellt und begründet. Der Beklagte hatte mithin hinreichende Gelegenheit , zu allen für die Auslegung der Merkmale 1.0 und 5.6 relevanten Gesichtspunkten Stellung zu nehmen, und diese auch wahrgenommen. Dabei musste er bei Anlegung des Maßstabs eines gewissenhaften und kundigen Prozessbeteiligten damit rechnen, dass sich der Senat nicht der von ihm vertretenen Ansicht anschließen würde, sondern unter Berücksichtigung der Beschreibung und der Zeichnungen des Streitpatents (vgl. § 14 PatG) zu dem gegenteiligen Verständnis der Merkmale 1.0 und 5.6 des Patentanspruchs 1 kommen würde, und seinen Vortrag darauf einstellen, zumal nur diese Auslegung neben der von ihm vertretenen überhaupt in Betracht kam.
8
III. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 91 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit Kostenverzeichnis 1700 zum Gerichtskostengesetz.
Meier-Beck Gröning Berger
Hoffmann Grabinski
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 10.10.2006 - 1 Ni 11/05 -
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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn1.ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und2.das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches G

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(1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Dem Gegner ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. § 343 gilt entsprechend. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können.

Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt. § 321a Abs. 2 bis 5 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung wird durch die Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.