Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juli 2004 - X ZR 150/03

bei uns veröffentlicht am27.07.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 150/03
X ZB 38/03
vom
27. Juli 2004
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Juli 2004 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Scharen, Keukenschrijver, die
Richterin Mühlens und den Richter Asendorf

beschlossen:
I. Die Beschwerde des Berufungsklägers zu 1 gegen den Beschluß des Bundespatentgerichts vom 5. August 2003 zu 1., mit dem der Antrag des Berufungsklägers zu 1 auf Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen worden ist, wird auf Kosten des Berufungsklägers zu 1 als unzulässig verworfen.
II. Dem Berufungskläger zu 1 wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung des Nichtigkeits-Berufungsverfahrens bewilligt. Ihm werden Patentanwalt M. und Rechtsanwalt P. beigeordnet.
III. Das Gesuch der Berufungsklägerin zu 2, ihr für das NichtigkeitsBerufungsverfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
IV. Dem Berufungskläger zu 1 wird im Hinblick auf die Beschwerde beider Parteien gegen den Beschluß des Bundespatentgerichts vom 5. August 2003 unter 2. und den hilfsweise gestellten Antrag der Berufungskläger, den Streitwert auch für das Berufungsverfahren gemäß § 144 PatG herabzusetzen, aufgegeben, zu dem Antrag der Berufungsbeklagten Stellung zu nehmen, ihr die Unterlagen zugänglich zu machen, mit denen die Anträge auf Streitwertherabsetzung begründet worden sind.

Gründe:


Zu I:
Der Berufungskläger zu 1 hat mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2003 ausdrücklich den Antrag gestellt, den Beschluß des Bundespatentgerichts aufzuheben und dem Berufungskläger zu 1 Prozeßkostenhilfe (richtig: Verfahrenskostenhilfe ) zu gewähren. Diese Beschwerde ist gemäß §§ 135 Abs. 3 und 99 Abs. 2 PatG nicht zulässig. Der Berufungskläger zu 1 hat zu diesem Antrag erklärt , die Bezugnahme in der Berufungsbegründung solle lediglich dazu dienen, auf die Beschwerde bezüglich der Streitwertherabsetzung und die Argumente in diesem Verfahren zu verweisen, um Wiederholungen zu vermeiden. Eine Rücknahme der Beschwerde ist damit nicht erfolgt. Auf Antrag der Berufungsbeklagten war daher die Beschwerde insoweit durch Beschluß zu verwerfen.
Zu III:
Der Antrag der Berufungsklägerin zu 2, ihr für das Berufungsverfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, ist nicht begründet. Bei der Berufungsklägerin zu 2 handelt es sich um eine juristische Person. Nach § 132 Abs. 2 PatG ist auf die Verfahrenskostenhilfe im Nichtigkeitsverfahren § 116 ZPO anzuwenden. Nach § 116 Abs. 1 Nr. 2 ZPO erhält eine inländische juristische Person auf
ihren Antrag Prozeßkostenhilfe, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde. Dies hat die Berufungsklägerin zu 2 - auch auf entsprechenden Hinweis - nicht dargelegt. Sie hat geltend gemacht, die Unterlassung der Rechtsverfolgung liefe dem allgemeinen Interesse zuwider, da an der Bestandskraft des Patents der Beklagten starke Zweifel bestünden und die Beklagte mit dem Patent im Rahmen von zivilrechtlichen Unterlassungsklagen gegen Dritte, insbesondere auch gegen die Berufungsklägerin zu 2, vorgehe. An dem Widerruf eines nicht bestandskräftigen Patents bestehe ein allgemeines Interesse, zumal es sich bei einer Nichtigkeitsklage um eine Popularklage handele.
Diese Begründung reicht nicht aus. Zwar liegt die förmliche Nichtigerklärung eines Patents, dem mangels einer echten Bereicherung der Technik keine Schutzwürdigkeit zukommt, im öffentlichen Interesse (Sen. Urt. v. 13.01.1998 - X ZR 82/94, GRUR 1998, 904 - Bürstenstromabnehmer). Diesem Interesse hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, daß sowohl der Einspruch als auch die Nichtigkeitsklage grundsätzlich von jedermann erhoben werden kann. Dies allein genügt aber nicht für die Annahme, daß die Nichtigerklärung eines solchen Patents stets eine der Allgemeinheit dienende Aufgabe wäre, die hier die Berufungsklägerin zu 2 für diese wahrzunehmen hätte. Auch der Umstand , daß Dritte und auch die Berufungsklägerin zu 2 in einem Verletzungsrechtsstreit in Anspruch genommen werden, spricht nicht ohne weiteres dafür, daß die Unterlassung der Rechtsverfolgung dem allgemeinen Interesse zuwiderlaufen würde. Das allgemeine Interesse fordert die Prozeßführung, wenn die Entscheidung größere Kreise der Bevölkerung oder des Wirtschaftslebens ansprechen und soziale Auswirkungen nach sich ziehen würde (Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 116 Rdn. 15; Busse/Baumgärtner, Patentgesetz, 6. Aufl.,
§ 130 Rdn. 28). Hierzu hat die Berufungsklägerin zu 2 nichts vorgetragen. Gründe, die es rechtfertigen würden, ausnahmsweise von dem Grundsatz abzuweichen , daß die juristische Person nur dann eine von der Rechtsordnung anerkannte Existenzberechtigung hat, wenn sie ihre Ziele aus eigener Kraft verfolgen kann (BVerfGE 35, 348, 356), hat die Berufungsklägerin zu 2 mithin nicht dargelegt.
Zu IV:
Der Berufungskläger zu 1 wird darauf hingewiesen, daß nach der Entscheidung des Senats vom 20. Januar 2004 (X ZR 3/00) Angaben, deren Weitergabe der Antragsteller widersprochen hat, bei der Entscheidung über die Herabsetzung des Streitwerts nach § 144 PatG unberücksichtigt bleiben können.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Asendorf

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Referenzen - Gesetze

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 116 Partei kraft Amtes; juristische Person; parteifähige Vereinigung


Prozesskostenhilfe erhalten auf Antrag 1. eine Partei kraft Amtes, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten a

Patentgesetz - PatG | § 144


(1) Macht in einer Patentstreitsache eine Partei glaubhaft, daß die Belastung mit den Prozeßkosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, so kann das Gericht auf ihren Antrag anordnen, daß die Verpflichtung di

Patentgesetz - PatG | § 132


(1) Im Einspruchsverfahren (§§ 59 bis 62) erhält der Patentinhaber auf Antrag unter entsprechender Anwendung der §§ 114 bis 116 der Zivilprozeßordnung und des § 130 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2, 4 und 5 Verfahrenskostenhilfe. Hierbei ist nicht zu prüfen,

Patentgesetz - PatG | § 135


(1) Das Gesuch um Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe ist schriftlich beim Deutschen Patent- und Markenamt, beim Patentgericht oder beim Bundesgerichtshof einzureichen. In Verfahren nach den §§ 110 und 122 kann das Gesuch auch vor der Geschäftsstel

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(1) Macht in einer Patentstreitsache eine Partei glaubhaft, daß die Belastung mit den Prozeßkosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, so kann das Gericht auf ihren Antrag anordnen, daß die Verpflichtung dieser Partei zur Zahlung von Gerichtskosten sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepaßten Teil des Streitwerts bemißt. Die Anordnung hat zur Folge, daß die begünstigte Partei die Gebühren ihres Rechtsanwalts ebenfalls nur nach diesem Teil des Streitwerts zu entrichten hat. Soweit ihr Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden oder soweit sie diese übernimmt, hat sie die von dem Gegner entrichteten Gerichtsgebühren und die Gebühren seines Rechtsanwalts nur nach dem Teil des Streitwerts zu erstatten. Soweit die außergerichtlichen Kosten dem Gegner auferlegt oder von ihm übernommen werden, kann der Rechtsanwalt der begünstigten Partei seine Gebühren von dem Gegner nach dem für diesen geltenden Streitwert beitreiben.

(2) Der Antrag nach Absatz 1 kann vor der Geschäftsstelle des Gerichts zur Niederschrift erklärt werden. Er ist vor der Verhandlung zur Hauptsache anzubringen. Danach ist er nur zulässig, wenn der angenommene oder festgesetzte Streitwert später durch das Gericht heraufgesetzt wird. Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Gegner zu hören.

(1) Das Gesuch um Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe ist schriftlich beim Deutschen Patent- und Markenamt, beim Patentgericht oder beim Bundesgerichtshof einzureichen. In Verfahren nach den §§ 110 und 122 kann das Gesuch auch vor der Geschäftsstelle des Bundesgerichtshof zu Protokoll erklärt werden. § 125a gilt entsprechend.

(2) Über das Gesuch beschließt die Stelle, die für das Verfahren zuständig ist, für welches die Verfahrenskostenhilfe nachgesucht wird.

(3) Die nach den §§ 130 bis 133 ergehenden Beschlüsse sind unanfechtbar, soweit es sich nicht um einen Beschluß der Patentabteilung handelt, durch den die Patentabteilung die Verfahrenskostenhilfe oder die Beiordnung einer Vertretung nach § 133 verweigert; die Rechtsbeschwerde ist ausgeschlossen. § 127 Abs. 3 der Zivilprozeßordnung ist auf das Verfahren vor dem Patentgericht entsprechend anzuwenden.

(1) Im Einspruchsverfahren (§§ 59 bis 62) erhält der Patentinhaber auf Antrag unter entsprechender Anwendung der §§ 114 bis 116 der Zivilprozeßordnung und des § 130 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2, 4 und 5 Verfahrenskostenhilfe. Hierbei ist nicht zu prüfen, ob die Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

(2) Absatz 1 Satz 1 ist auf den Einsprechenden und den gemäß § 59 Abs. 2 beitretenden Dritten sowie auf die Beteiligten im Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder in Zwangslizenzverfahren (§§ 81, 85 und 85a) entsprechend anzuwenden, wenn der Antragsteller ein eigenes schutzwürdiges Interesse glaubhaft macht.

Prozesskostenhilfe erhalten auf Antrag

1.
eine Partei kraft Amtes, wenn die Kosten aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen;
2.
eine juristische Person oder parteifähige Vereinigung, die im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gegründet und dort ansässig ist, wenn die Kosten weder von ihr noch von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und wenn die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde.
§ 114 Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Absatz 2 ist anzuwenden. Können die Kosten nur zum Teil oder nur in Teilbeträgen aufgebracht werden, so sind die entsprechenden Beträge zu zahlen.

(1) Macht in einer Patentstreitsache eine Partei glaubhaft, daß die Belastung mit den Prozeßkosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, so kann das Gericht auf ihren Antrag anordnen, daß die Verpflichtung dieser Partei zur Zahlung von Gerichtskosten sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepaßten Teil des Streitwerts bemißt. Die Anordnung hat zur Folge, daß die begünstigte Partei die Gebühren ihres Rechtsanwalts ebenfalls nur nach diesem Teil des Streitwerts zu entrichten hat. Soweit ihr Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden oder soweit sie diese übernimmt, hat sie die von dem Gegner entrichteten Gerichtsgebühren und die Gebühren seines Rechtsanwalts nur nach dem Teil des Streitwerts zu erstatten. Soweit die außergerichtlichen Kosten dem Gegner auferlegt oder von ihm übernommen werden, kann der Rechtsanwalt der begünstigten Partei seine Gebühren von dem Gegner nach dem für diesen geltenden Streitwert beitreiben.

(2) Der Antrag nach Absatz 1 kann vor der Geschäftsstelle des Gerichts zur Niederschrift erklärt werden. Er ist vor der Verhandlung zur Hauptsache anzubringen. Danach ist er nur zulässig, wenn der angenommene oder festgesetzte Streitwert später durch das Gericht heraufgesetzt wird. Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Gegner zu hören.