Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Jan. 2005 - X ZB 6/04

bei uns veröffentlicht am18.01.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 6/04
vom
18. Januar 2005
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend das Patent Nr. 38 44 902
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 18. Januar 2005 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Scharen, Keukenschrijver, die
Richterin Mühlens und den Richter Dr. Kirchhoff

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den am 11. Dezember 2003 verkündeten Beschluß des 6. Senats (technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Rechtsbeschwerdeführerin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 50.000,-- € festgesetzt.

Gründe:


I. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist Inhaberin des deutschen Patents 38 44 902 betreffend eine Lüfterkappe. Die Patentabteilung des Deutschen Patent - und Markenamts hat im Einspruchsverfahren dieses Patent mit Beschluß vom 26. November 2002 widerrufen, weil der Gegenstand des einzigen Patentanspruchs nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Dieser Patentanspruch lautet :
"Lüfterkappe zur Hinterlüftung von Dächern im First- oder Gratbereich , mit Lüftungsöffnungen und einem an der Unterseite jedes
Randbereiches angebrachten, sich über die Länge der Lüfterkappe erstreckenden Abdichtelement, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß das Abdichtelement (17) als Abdichtbürste aus verrottungsfestem Material ausgeführt ist."
Das Bundespatentgericht hat die gegen den Widerruf des Patents gerichtete Beschwerde durch den angefochtenen Beschluß zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die - nicht zugelassene - Rechtsbeschwerde, mit der die Rechtsbeschwerdeführerin geltend macht, der angefochtene Beschluß sei i.S. von § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG nicht mit Gründen versehen.
Während das Deutsche Patent- und Markenamt als maßgeblichen Fachmann, aus dessen Sicht die Frage der erfinderischen Tätigkeit zu beurteilen sei, einen Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Bauwesen mit mehrjähriger Erfahrung in der Konzeption von Dachzubehörteilen qualifiziert habe, habe das Bundespatentgericht in dem angefochtenen Beschluß, ohne dies zu begründen, als Durchschnittsfachmann einen erfahrenen Dachdeckermeister angesehen, der sich über die Verbesserung und Fortentwicklung auf dem Gebiet der Lüfterkappen Gedanken mache.
Die Rechtsbeschwerdeführerin habe zudem in der Beschwerdeinstanz Hilfserwägungen vorgetragen, die für die Beurteilung, ob eine erfinderische Tätigkeit vorliege, heranzuziehen seien. Diese Hilfserwägungen habe das Bundespatentgericht nur mit dem lapidaren Satz abgehandelt, die von der Patentinhaberin ins Feld geführten, auf dem großen Markterfolg, den erzielbaren technischen Fortschritt oder den langen Zeitraum, in dem sich die Fachwelt bemüht habe, eine Verbesserung für das Abdichtelement zu finden, gestützten Hilfserwägungen könnten nicht zu einer Feststellung der erfinderischen Tätig-
keit führen, da der Stand der Technik im vorliegenden Fall eine hinreichende Anregung gegeben habe, zur Lehre des Patents zu gelangen.
II. Die auf § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG gestützte - nicht zugelassene - Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Sie ist zulässig, weil mit ihr ein gesetzlich vorgesehener Rechtsbeschwerdegrund, daß die Entscheidung nämlich nicht mit Gründen versehen sei, geltend gemacht wird, und dies mit näheren Ausführungen begründet worden ist (vgl. Sen., Beschl. v. 24.10.2000 - X ZB 6/00, GRUR 2001, 139 - Parkkarte, mit Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung des Senats).
Zur Begründung seiner Auffassung, der Gegenstand des Patentanspruchs beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, hat das Bundespatentgericht ausgeführt:
Durch die europäische Patentschrift 0 117 391 A2 oder die deutsche Patentschrift 31 03 332 C2 seien jeweils Lüfterkappen zur Hinterlüftung von Dächern im First- oder Gratbereich mit Lüftungsöffnungen und einem an der Unterseite jedes Randbereiches angebrachten, sich über die Länge der Lüfterkappe erstreckenden Abdichtelements bekannt gewesen. Der einzige Unterschied zwischen derartigen Lüfterkappen und der Lüfterkappe nach dem Patentanspruch bestehe darin, daß nach dem Patentanspruch das Abdichtelement als Abdichtbürste aus verrottungsfestem Material ausgeführt sei. Ein solches Abdichtelement sei aus der britischen Patentschrift 2 039 314 A bekannt gewesen. Zwar betreffe diese Schrift nicht ausdrücklich Lüfterkappen, es werde jedoch dort ausdrücklich ausgeführt, daß die Bürstenfäden der beschriebenen Abdichtbürsten in der Lage seien, unebenen Konturen zu folgen und unregelmäßige Spalte zu dichten, und daß die Bürstenfäden extrem beständig seien. In Kenntnis dieses Standes der Technik habe es für den Fachmann auf der Hand
gelegen, daß als Abdichtelement bei den bekannten Lüfterkappen auch diese bekannte Abdichtbürste Verwendung finden könne.
Mit diesen Erwägungen ist die Entscheidung des Bundespatentgerichts mit Gründen versehen. Zwar fehlt es nach der Rechtsprechung des Senats auch dann an einer Begründung, wenn auf selbständige Angriffs- oder Verteidigungsmittel überhaupt nicht eingegangen wird oder hierzu eine Beweiswürdigung vollständig fehlt (Sen., Beschl. v. 03.12.1991 - X ZB 5/91, GRUR 1992, 159, 160 - Crack-Katalysator II). Dies gilt auch für den Komplex der erfinderischen Tätigkeit oder des erfinderischen Schrittes, der den selbständigen Angriffs - und Verteidigungsmitteln vergleichbar ist (BGHZ 39, 333, 337 - Warmpressen ; Sen., Beschl. v. 30.09.1997 - X ZB 17/96, GRUR 1998, 373, 376 - Fersensporn). Mit diesem Komplex hat sich aber das Bundespatentgericht in dem angefochtenen Beschluß auseinandergesetzt und ein von einer Begründung getragenes Ergebnis gefunden. Daß diese Begründung nach Ansicht der Rechtsbeschwerdeführerin fehlerhaft ist, kann nicht dem Fehlen einer Begründung i.S. von § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG gleichgestellt werden. Ob die Gründe der angefochtenen Entscheidung vollständig und inhaltlich richtig sind, ist nicht Gegenstand einer Überprüfung der Entscheidung auf das Fehlen einer Begründung.
Die von der Rechtsbeschwerdeführerin erhobenen Beanstandungen betreffen schon nicht in dem dargestellten Sinne selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel , sondern vielmehr einzelne Elemente des Komplexes der erfinderischen Tätigkeit. Auf diese Elemente bezieht sich die Begründungspflicht nicht (Senat, aaO - Crack-Katalysator II, st. Rspr.).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG.
Eine mündliche Verhandlung hat der Senat als nicht erforderlich erachtet.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Kirchhoff

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Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Jan. 2005 - X ZB 6/04 zitiert 2 §§.

Patentgesetz - PatG | § 100


(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 73 oder über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents nach § 61 Abs. 2 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesger

Patentgesetz - PatG | § 109


(1) Sind an dem Verfahren über die Rechtsbeschwerde mehrere Personen beteiligt, so kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilwei

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(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 73 oder über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents nach § 61 Abs. 2 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluß zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

(3) Einer Zulassung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts bedarf es nicht, wenn einer der folgenden Mängel des Verfahrens vorliegt und gerügt wird:

1.
wenn das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
wenn bei dem Beschluß ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
wenn einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
wenn der Beschluß auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
wenn der Beschluß nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Sind an dem Verfahren über die Rechtsbeschwerde mehrere Personen beteiligt, so kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. Wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen, so sind die durch die Rechtsbeschwerde veranlaßten Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. Hat ein Beteiligter durch grobes Verschulden Kosten veranlaßt, so sind ihm diese aufzuerlegen.

(2) Dem Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts können Kosten nur auferlegt werden, wenn er die Rechtsbeschwerde eingelegt oder in dem Verfahren Anträge gestellt hat.

(3) Im übrigen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen entsprechend.