Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Apr. 2004 - X ZB 39/03

bei uns veröffentlicht am20.04.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 39/03
vom
20. April 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
ZPO (2002) § 319 Abs. 3
Die Anfechtung eines die Urteilsberichtigung wegen Verneinung der Unrichtigkeit
ablehnenden Beschlusses ist nicht statthaft, wenn auf das Beschwerdeverfahren
die Zivilprozeßordnung in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden
Fassung anzuwenden ist.
BGH, Beschl. v. 20. April 2004 - X ZB 39/03 - LG Wiesbaden
AG Rüdesheim
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. April 2004 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterin
Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 4. September 2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 1.500,--

Gründe:


I.


Mit gegen das Weingut G. B. gerichtetem Mahnbescheid aus dem Jahr 1997 hat der Kläger restlichen Werklohn geltend gemacht. Mit Urteil vom 7. Dezember 2001 hat das Amtgericht Rüdesheim sein der Klage stattgebendes Versäumnisurteil vom 25. Februar 1998 aufrechterhalten. Das Versäumnisurteil weist als Beklagten "G. B. , Weingut" aus, das Urteil vom 7. Dezember 2001 nennt als Beklagten "Herrn G. B. ". Mit der Begründung, das Weingut werde bereits seit 1967 in der Form einer OHG betrieben, G. B. sei nur bis 1979 an der Gesellschaft beteiligt gewesen, diese
werde seither durch seine Söhne geführt, hat der Kläger beantragt, das Rubrum des Urteils vom 7. Dezember 2001 dahin zu berichtigen, daß Beklagter die "G. B. OHG, vertreten durch die persönlich haftenden Gesellschafter H. B. und B. B. , G. Straße , R. " sei.
Das Amtsgericht R. hat den Berichtigungsantrag des Klägers mit der Begründung zurückgewiesen, bereits in der Klagebegründungsschrift habe die Bezeichnung des Beklagten "B. , G. ", gelautet. Erst nach der Urteilsverkündung sei vorgetragen worden, daß Beklagter eine OHG sein solle. Die Unrichtigkeit der Parteibezeichnung des Beklagten sei bei dieser Sachlage für Außenstehende nicht aus dem Zusammenhang des Urteils oder den Vorgängen bei seiner Verkündung ersichtlich. Der dagegen eingelegten Beschwerde des Klägers hat das Amtsgericht nicht abgeholfen. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde mit Beschluß vom 4. September 2003 als unzulässig verworfen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

II.


Die kraft Zulassung statthafte und in zulässiger Weise eingelegte Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. 1. § 319 Abs. 3 ZPO bestimmt, daß gegen den Beschluß, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, kein Rechtsmittel stattfindet. Hiervon ist in der Rechtsprechung der Instanzgerichte dann eine Ausnahme gemacht worden, wenn der Ablehnungsbeschluß keine sachliche Entscheidung über den Antrag enthält, sondern die Berichtigung aus prozessualen Gründen
oder infolge der Verkennung des Begriffs der "ähnlichen offenbaren Unrichtigkeit" im Sinne des § 319 Abs. 1 ZPO ablehnt (so OLG Hamm NJW-RR 1987, 188 m.w.N.; OLG Frankfurt OLG-Report 1999, 282; für den Fall greifbarer Gesetzwidrigkeit ebenso OLG Koblenz FamRZ 1991, 101). Demgegenüber ist in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung auch die Auffassung vertreten worden , eine Beschwerde gegen einen die Berichtigung nach § 319 ZPO ablehnenden Beschluß sei unstatthaft, weil sie durch § 319 Abs. 3 ZPO ausgeschlossen sei (OLG Brandenburg NJW-RR 1997, 1563; OLG Stuttgart MDR 2001, 892). Dieser Auffassung hat sich das Beschwerdegericht angeschlossen.
2. Bei der Beschwerde gegen einen Beschluß, mit dem die Berichtigung einer Entscheidung nach § 319 ZPO wegen Verneinung einer Unrichtigkeit abgelehnt wird, handelt es sich um ein in der Zivilprozeßordnung nicht vorgesehenes Rechtsmittel, da ein solcher Beschluß nach § 319 Abs. 3 ZPO unanfechtbar ist. Deshalb kommt die Anfechtung eines derartigen Beschlusses nur dann und nur insoweit in Betracht, als außerordentliche Rechtsmittel zuzulassen sind.
Nach der Rechtsprechung vor dem Inkrafttreten des Zivilprozeßreformgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBI. I 2001, 1887) war ein nach den gesetzlichen Vorschriften unanfechtbare Entscheidung dann ausnahmsweise anfechtbar, wenn sie greifbar gesetzwidrig war oder wesentliche Verfahrensgrundrechte des Beschwerdeführers verletzt hat (vgl. ZöIIer/Gummer, ZPO, 24. Aufl., vor § 567 ZPO Rdn. 6 f m.w.N.). Seit dem Inkrafttreten des Zivilprozeßreformgesetzes ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes anerkannt, daß der Gesichtspunkt der greifbaren Gesetzwidrigkeit die Zulassung eines außerordentlichen Rechtsbehelfs nicht mehr rechtfertigen kann (BGHZ 150, 133; BGH, Beschl. v. 23.7.2003 - XII ZB 91/03, NJW 2003, 3137; Sen.Beschl. v. 16.9.2003 - X ZB 12/03, NJW 2004, 90; vgl. auch BVerwG NJW 2002, 2657; BFH NJW
2003, 919, 1344). Tragender Gesichtspunkt dieser Rechtsprechung ist das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete verfassungsrechtliche Gebot der Rechtsmittelklarheit , gegen das die Zulassung in den Verfahrensgesetzen nicht vorge- sehener Rechtsmittel verstößt (BVerfG, Beschl. v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/02, NJW 2003, 1924, 1928 unter C, IV; vgl. auch Sen.Beschl. v. 16.9.2003, aaO).
Im Streitfall kann dahinstehen, ob Beschlüsse nach § 319 ZPO, die vor dem Inkrafttreten des Zivilprozeßreformgesetzes ergangen sind und durch die eine Berichtigung des Urteils abgelehnt worden ist, nach altem Prozeßrecht mit außerordentlichen Rechtsmitteln anfechtbar waren, obwohl § 319 Abs. 3 ZPO vorsieht, daß derartige Beschlüsse unanfechtbar sind. Denn der Beschluß, mit dem das Amtsgericht R. den Antrag auf Berichtigung des Rubrums seines Urteils vom 7. Dezember 2001 abgelehnt hat, datiert vom 18. August 2003 (GA II, 398) und ist dem Kläger am 21. August 2003 zugestellt worden (GA II, 403). Daraus folgt, daß auf das Beschwerdeverfahren das Beschwerderecht der Zivilprozeßordnung in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung Anwendung findet (EGZPO § 26 Nr. 10). Da unter der Geltung der Zivilprozeßordnung in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung in ihr nicht vorgesehene Rechtsmittel nicht statthaft sind und es der Gesetzgeber bei der Regelung des § 319 Abs. 3 ZPO belassen hat, wonach gegen eine offenbare Unrichtigkeit verneinende Beschlüsse ein Rechtsmittel ausgeschlossen ist, kommt eine Anfechtung eines die Urteilsberichtigung ablehnenden Beschlusses jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn auf das Beschwerdeverfahren die Zivilprozeßordnung in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden ist (insoweit zweifelnd Zöller/Gummer, aaO, § 319 ZPO Rdn. 27).
3. Die Rechtsbeschwerde ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf

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(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.

(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 91/03
vom
23. Juli 2003
im Prozeßkostenhilfeverfahren zur Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Ein außerordentliches Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof ist nach der Neuregelung
des Beschwerderechts durch das Zivilprozeßreformgesetz auch dann nicht statthaft,
wenn es sich gegen eine greifbar gesetzeswidrige Entscheidung im Prozeßkostenhilfeverfahren
richtet, gegen die die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen ist (Ergänzung
zu BGHZ 150, 133).
BGH, Urteil vom 23. Juli 2003 - XII ZB 91/03 - OLG Hamm
AG Münster
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Juli 2003 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof.
Dr. Wagenitz und Dr. Ahlt

beschlossen:
Das als außerordentliche Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel des Klägers gegen den Beschluß des 13. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 1. April 2003 wird auf Kosten des Klägers als unzulässig zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von Kindesunterhalt verurteilt. Gegen dieses ihm am 15. Dezember 2002 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 30. Dezember 2002 "für den Fall der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe" Berufung eingelegt und nach Verweigerung der beantragten Prozeßkostenhilfe durch Beschluß vom 24. Januar 2003 mit Schriftsatz vom 3. Februar 2003 erklärt, daß er Berufung nicht einlege. Zuvor hatte der Kläger mit Schriftsatz vom 27. Januar 2003 beantragt, die Berufung zurückzuweisen und ihm für die Abwehr der Berufung Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. Diesem Prozeßkostenhilfegesuch gab das Berufungsgericht mit Beschluß vom 28. Januar 2003 statt.
Auf Intervention des Bezirksrevisors hob das Berufungsgericht diesen Beschluß mit erneutem Beschluß vom 1. April 2003 wieder auf und verwies zur Begründung auf die Ausführungen des Bezirksrevisors, denen zufolge die Prozeßkostenbewilligung der Aufhebung von Amts wegen unterliege, weil sie ins Leere gehe; die unter einer Bedingung eingelegte Berufung sei nämlich unzulässig , so daß zwischen den Parteien im Zeitpunkt der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe kein Verfahren vor dem Berufungsgericht anhängig gewesen sei, für das die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe in Betracht komme. Der Anregung des Klägers, den Beschluß vom 1. April 2003 dahingehend zu ergänzen, daß die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen wird, gab das Berufungsgericht mit Beschluß vom 29. April 2003 nicht statt. Zu der vom Kläger mit gleichem Schriftsatz erhobenen Gegenvorstellung verhält sich dieser Beschluß nicht. Daraufhin hat der Kläger gegen den Aufhebungsbeschluß vom 1. April 2003 das vorliegende, als außerordentliche Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel eingelegt, mit dem er die Wiederherstellung der aufgehobenen Prozeßkostenhilfebewilligung begehrt.

II.

Das Rechtsmittel ist unstatthaft. Als Rechtsbeschwerde ist es nicht zulässig, weil das Berufungsgericht sie nicht zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 ZPO). Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht eröffnet.
Auch als sogenannte außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit ist es nicht zulässig. Es kann dahinstehen, ob die Aufhebung der Prozeßkostenhilfebewilligung hier ebenso gesetzwidrig ist wie in dem Fall, der dem Beschluß BGHZ 119, 372, 374 ff. zugrunde lag. Denn nach der Neuregelung des Beschwerderechts ist ein sogenanntes außerordentliches Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof nicht mehr statthaft (vgl. BGH, Beschluß vom 7. März 2002 - IX ZB 11/02 - ZIP 2002, 959 f. = BGHZ 150, 133 m. zust. Anm. Prütting EWiR 2002, 835 f.). Hiervon ist entgegen der Auffassung von Zöller/Philippi ZPO 23. Aufl. § 127 Rdn. 41 auch für greifbar gesetzwidrige Entscheidungen im Prozeßkostenhilfeverfahren , gegen die weder die Rechtsbeschwerde zugelassen noch die Nichtzulassungsbeschwerde eröffnet ist, keine Ausnahme zu machen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit dem Beschluß vom 7. März 2002 befaßt (ZIP 2003, 1102, 1103) und dabei Bedenken gegen diese Rechtsprechung nicht erkennen lassen, sondern lediglich ausgeführt, daß die von der Rechtsprechung bisher für zulässig erachteten außerordentlichen Rechtsbehelfe den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit nicht genügen (aaO S. 1109 unter C IV 2 b). Zugleich hat es ausgeführt, daß es dem Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG genügt, wenn eine Verfahrensordnung zwar kein Rechtsmittel gegen eine richterliche Entscheidung zuläßt, aber eine anderweitige eigenständige gerichtliche Abhilfemöglichkeit vorsieht, die die Möglichkeit eröffnet, einen Verfahrensverstoß einer einmaligen gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen (aaO S. 1107 unter C II 4 und 5). Dazu gehöre auch die Möglichkeit einer Selbstkontrolle der Fachgerichtsbarkeit im Wege einer Gegenvorstellung. Die Einräumung einer Rechtsschutzmöglich-
keit bei einem anderen oder gar höheren Gericht sei dann nicht zwingend geboten (aaO S. 1107 unter C III 1 a). Der Kläger ist daher auf die von ihm bereits erhobene Gegenvorstellung zu verweisen, über die das Berufungsgericht noch nicht entschieden hat.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Ahlt

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 12/03
vom
16. September 2003
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk : ja
BGHZ : nein
BGHR : ja

a) Im Vergabenachprüfungsverfahren entscheiden die Vergabesenate der Oberlandesgerichte
über sofortige Beschwerden gegen Entscheidungen der Vergabekammern
abschließend. Wird die im Vergabenachprüfungsverfahren gegen eine
Entscheidung der Vergabekammer erhobene Beschwerde als unzulässig verworfen
oder als unbegründet zurückgewiesen, endet daher das Nachprüfungsverfahren
mit der Entscheidung des Vergabesenats.

b) Aus dem Umstand, daß nach § 124 Abs. 2 GWB die Sache im Falle der Divergenz
dem Bundesgerichtshof vorzulegen ist und dieser anstelle des Vergabesenats
entscheidet, kann nicht hergeleitet werden, daß den Parteien ein in den
Verfahrensvorschriften nicht vorgesehenes Rechtsmittel gegen Beschwerdeentscheidungen
der Vergabesenate einzuräumen ist; eine solche Auslegung der
Vorschrift verstößt gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete verfassungsrechtliche
Gebot der Rechtsmittelklarheit.

c) Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Beschwerdegericht
als im Vergabenachprüfungsverfahren letztinstanzlich entscheidendes Gericht
gehalten ist, auf eine Eingabe einer Partei der von ihr erhobenen Rüge der Verletzung
des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör nachzugehen, unterliegt
der Beurteilung durch das Beschwerdegericht. Eine Nachprüfung seiner Entscheidung
durch den Bundesgerichtshof findet nicht statt.
BGH, Beschl. v. 16. September 2003 - X ZB 12/03 - OLG Düsseldorf
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. September 2003 durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Scharen,
Keukenschrijver, Dr. Meier-Beck und Asendorf

beschlossen:
Die außerordentliche Beschwerde gegen den Beschluß des Vergabesenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20. März 2003 wird auf Kosten der Antragstellerin als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 73.701,74

Gründe:


I. Die Parteien haben im Vergabenachprüfungsverfahren über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung einer öffentlichen Ausschreibung gestritten. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist von der Vergabekammer zurückgewiesen worden. Der Beschluß wurde der Antragstellerin am Samstag, dem 21. Dezember 2002 zugestellt. Hiergegen hat die Antragstellerin am 6. Januar 2003 um 23.32 Uhr per Fax sofortige Beschwerde eingelegt, wobei die letzten
Seiten der Beschwerdeschrift mit der Unterschrift ihres Prozeßbevollmächtigen nicht übertragen wurden. Drei Minuten nach Mitternacht übermittelte der Prozeßbevollmächtigte der Antragstellerin die Beschwerdeschrift per Fax erneut einschließlich der Seite mit der Unterschrift. Das Beschwerdegericht hat die Antragstellerin auf diesen Umstand hingewiesen und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen gegeben. Am 31. Januar 2003 hat die Antragstellerin beantragt, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Mit Beschluß vom 20. März 2003 hat das Beschwerdegericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig verworfen und der Antragstellerin anheim gestellt, die Beschwerde zurückzunehmen. Hiergegen hat die Antragstellerin am 1. April 2003 weitere Beschwerde eingelegt, die gegebenenfalls als außerordentliche Beschwerde behandelt werden solle. Sie hat unter anderem geltend gemacht, ihr habe von Amts wegen Wiedereinsetzung gewährt werden müssen, und der Beschluß des Beschwerdegerichts beruhe auf der Verletzung des Gebots rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
Mit Beschluß vom 30. April 2003 hat das Beschwerdegericht die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs für unbegründet gehalten und die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung über die außerordentliche Beschwerde der Antragstellerin vom 1. April 2003 vorgelegt.
II. Das von der Antragstellerin als weitere oder außerordentliche Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel ist unzulässig.
1. Das im vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) geregelte Vergabenachprüfungsverfahren sieht vor, daß die Vergabesenate der Oberlandesgerichte über sofortige Beschwerden gegen die Entscheidungen der Vergabekammern abschließend entscheiden (§§ 116 f. GWB). Ein vom Bundesgerichtshof zu bescheidendes Rechtsmittel gegen die Entscheidungen der Vergabesenate ist im Gesetz nicht vorgesehen. Wird die im Vergabenachprüfungsverfahren gegen eine Entscheidung der Vergabekammer erhobene Beschwerde als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen , endet daher das Nachprüfungsverfahren mit der Entscheidung des Vergabesenats. Daraus folgt, daß eine nach § 238 Abs. 1 Satz 2 ZPO vorab getroffene Entscheidung des Beschwerdegerichts über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unanfechtbar ist (§ 120 Abs. 2 GWB i.V.m. § 73 Nr. 2 GWB, § 238 Abs. 2 Satz 2 ZPO; vgl. BGH Beschl. v. 14.2.2001 - XII ZB 168/00, BGHR ZPO § 238 Abs. 2 - Beschwerde, weitere 2; Beschl. v. 16.4.2002 - VI ZB 23/00, NJW 2002, 2397 m.w.N.).
2. Die Beschwerde der Antragstellerin ist auch nicht aus anderen Gründen zulässig.

a) Die Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof ist ausdrücklich zu der von der Antragstellerin beantragten Behandlung ihrer Eingabe als "weitere" und "gegebenenfalls außerordentliche" Beschwerde erfolgt. Der Beschluß des Beschwerdegerichts ist daher keine Vorlage aus Gründen der Divergenz (§ 124 Abs. 2 GWB); eine Divergenz ist auch in der Sache nicht erkennbar. Denn der Beschluß des Beschwerdegerichts vom 20. März 2002 steht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Fristversäumung
durch Übermittlung unvollständiger Schriftsätze im Wege der Faxversendung und zur Gewährung der Wiedereinsetzung ohne Antrag (vgl. BGH Beschl. v. 4.5.1994 - XII ZB 21/94, NJW 1994, 2097; Urt. v. 15.3.2000 - VIII ZR 217/99, NJW 2000, 1591).
Aus dem Umstand, daß nach § 124 Abs. 2 GWB im Falle der Divergenz die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen ist und dieser anstelle des Beschwerdegerichts entscheidet, kann nicht hergeleitet werden, daß den Parteien ein in den Verfahrensvorschriften nicht vorgesehenes Rechtsmittel gegen eine Beschwerdeentscheidung des Vergabesenats einzuräumen wäre. Eine solche Auslegung der Vorschrift würde gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtsmittelklarheit verstoßen (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 30. 4. 2003 - 1 PBvU 1/02, NJW 2003, 1924, 1928 unter C, IV).

b) Die von der Antragstellerin eingelegte Beschwerde ist schließlich auch als außerordentliche Beschwerde wegen Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unzulässig. Die Vorschriften des GWB zum Vergabenachprüfungsverfahren sehen einen derartigen außerordentlichen Rechtsbehelf nicht vor. Dessen Schaffung für das Vergabenachprüfungsverfahren im Wege der Rechtsfortbildung steht - wie bereits ausgeführt ist - das verfassungsrechtliche Gebot der Rechtsmittelklarheit entgegen. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen das Beschwerdegericht als im Vergabenachprüfungsverfahren letztinstanzlich entscheidendes Gericht gehalten ist, auf Gegenvorstellung einer Partei der von ihr erhobenen Rüge der Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör nachzugehen (vgl.
dazu BVerfG aaO unter C II; BGHZ 150, 133 f.), unterliegt der Beurteilung durch das Beschwerdegericht. Das Beschwerdegericht hat diese Prüfung ausweislich seines Beschlusses vorgenommen. Seine Entscheidung unterliegt nicht der Nachprüfung durch den Bundesgerichtshof, da ein Rechtsmittelverfahren , in dem diese Prüfung vorgenommen werden könnte, gesetzlich nicht vorgesehen ist.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Meier-Beck Asendorf

(1) Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in dem Urteil vorkommen, sind jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen.

(2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. Erfolgt der Berichtigungsbeschluss in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)