Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Juli 2005 - X ZB 37/03
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Der Wert des Gegenstands der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
I. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist Inhaberin des am 19. August 1994 unter Prioritätsinanspruchnahme angemeldeten deutschen Patents 198 37 615, das eine Spritzgußvorrichtung betrifft. Der einzige Patentanspruch lautet wie folgt:
"Spritzgußvorrichtung, welche aufweist: eine Festmetallform, welche über einen Festmetallformhalter an einer Festformplatte befes-
tigt ist, eine bewegliche Metallform, welche über einen beweglichen Metallformhalter an einer beweglichen Formplatte befestigt ist, eine Metallform, welche in Verbindung mit der zuvor beschriebenen Festmetallform und beweglichen Metallform gebildet ist, ein Versorgungsmittel , welches in die zuvor beschriebene Metallform Schmelzmaterial auswirft, sowie ein Druckmittel, welches das Schmelzmetall in der Metallform unter Druck setzt, dadurch gekennzeichnet , dass das oben beschriebene Druckmittel vollkommen im Inneren des Festmetallformhalters und vollkommen außerhalb der Festformplatte angeordnet ist und damit von Seiten der Festmetallform aus in die Metallform Druck gegeben wird." Die Einsprechende hat mit ihrem Einspruch gegen das Patent geltend gemacht, der Gegenstand des Patents sei nicht patentfähig. Sie hat dazu auf die deutsche Patentschrift 39 23 760 und die französische Patentschrift 1 298 610 verwiesen. Das Bundespatentgericht, vor dem das Einspruchsverfahren nach § 147 Abs. 3 PatG durchgeführt wurde, hat das Patent widerrufen. Die Rechtsbeschwerde hat es nicht zugelassen. Die Rechtsbeschwerdeführerin macht geltend, der angefochtene Beschluß verletze ihr rechtliches Gehör und sei nicht im Sinn des Gesetzes mit Gründen versehen. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen.
II. Gegen den Beschluß des Bundespatentgerichts, mit dem über den Einspruch entschieden wurde, findet die Rechtsbeschwerde statt (§ 147 Abs. 3 Satz 5 PatG). Diese Regelung eröffnet die Rechtsbeschwerde allerdings nur bei Zulassung oder nach § 100 Abs. 3 PatG, wenn - wie hier - Gründe für die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde geltend gemacht werden. Die auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil mit ihr eine Verletzung der Bestimmungen des § 100 Abs. 3 Nr. 3, 6 PatG gerügt wird. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg, weil die gerügten Mängel nicht vorliegen.
1. Das Bundespatentgericht hat ausgeführt, der Gegenstand des Patents stelle eine patentfähige Erfindung nicht dar, denn die deutsche Patentschrift 39 23 760 zeige eine Verdichtervorrichtung, die die wesentlichen Merkmale des Patentanspruchs (des Patents) aufweise. Sie habe eine zweiteilige Metallform, bei der der eine Teil beweglich und der andere feststehend ausgebildet sei. Diese Teile beständen jeweils aus einer Formträgerplatte bzw. Unterlage und einer Formhälfte. Weiter weise die Verdichtervorrichtung ein Gießaggregat auf, um das flüssige Metall in die Metallform einzubringen, eine Zylinder-KolbenEinheit , um die in die Metallform eingebrachte Schmelze unter Druck zu setzen und einen Auswerfer, um das Gußteil aus der Form zu entfernen. Die KolbenZylinder -Einheit befinde sich innerhalb der Formhälfte und vollkommen außerhalb der Formträgerplatte. Die bekannte Vorrichtung unterscheide sich somit vom Gegenstand des Patentanspruchs lediglich dadurch, daß die Formhälften einstückig und nicht zweistückig, bestehend aus Metallformhalter und Metallform , ausgebildet seien. Ein derartiger Unterschied könne jedoch eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen. Dem hier einschlägigen Fachmann sei es geläufig , bei Druckgießmaschinen wegen der hohen thermischen Belastung der Gießform die Formhälften auch zweiteilig auszubilden. Eine derartige Gestaltung sei z.B. aus der deutschen Offenlegungsschrift 41 14 985 entnehmbar. In diesem Fall liege es auf der Hand, die Zylinder-Kolben-Einheit zum Verdichten der eingebrachten Metallschmelze in dem thermisch weniger belasteten Metallformhalter anzuordnen.
2. Die Rechtsbeschwerde macht demgegenüber geltend, der angefochtene Beschluß sei im Sinn des § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG nicht mit Gründen versehen. Dieser Verfahrensmangel liege auch vor, wenn sich die gegebene Begründung als inhaltslos darstelle. Die den Widerruf tragende Begründung beschränke sich auf die nicht näher belegte Behauptung, eine bestimmte Anord-
nung der Zylinder-Kolben-Einheit zum Verdichten der eingebrachten Metallschmelze liege auf der Hand. Dies genüge dem Begründungszwang nicht, den § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG sichern solle.
Die Rüge geht fehl. Sie läßt außer acht, daß das Bundespatentgericht eine Begründung für seine Annahme in der Weise gegeben hat, daß es auf die thermisch geringere Belastung des Metallformhalters abgestellt und die Anordnung der Zylinder-Kolben-Einheit in diesem Bereich daraus als nahegelegt angesehen hat. Dies ist eine verständliche Begründung; ob sie zutrifft, ist im Verfahren der nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde nicht zu überprüfen (st. Rspr., zuletzt Sen.Urt. v. 29.07.2003 - X ZB 29/01, GRUR 2004, 79 - Paroxetin
).
3. Die Rechtsbeschwerde macht weiter geltend, es müsse davon ausgegangen werden, daß Vorbringen, mit dem sich das Gericht in seiner Entscheidung nicht auseinandergesetzt habe, auch nicht zur Kenntnis genommen oder berücksichtigt worden sei. Sei dieses Vorbringen erheblich, müsse es auch in der Entscheidung behandelt werden. Im Streitfall habe das Bundespatentgericht es als "auf der Hand liegend" angesehen, die Zylinder-Kolben-Einheit zum Verdichten der Metallschmelze in dem thermisch weniger belasteten Metallformhalter anzuordnen. Dabei sei das Vorbringen der Patentinhaberin unberücksichtigt gelassen worden, wonach bei der französischen Patentschrift 1 298 610 gerade eine andere Anordnung gewählt worden sei. Wenn sich das Bundespatentgericht - so die Rechtsbeschwerde - mit diesem Vorbringen befaßt hätte, wäre die Annahme, daß die Ausführung des Streitpatents "auf der Hand" gelegen habe, nicht in Betracht gekommen.
Auch dieser Rüge muß der Erfolg versagt bleiben. Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll sicherstellen, daß das Gericht Parteivorbringen zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (Sen.Beschl. v. 14.09.1999 - X ZB 23/98, GRUR 1999, 1300 - tragbarer Informationsträger, und öfter; BGH, Beschl. v. 03.07.2003 - I ZB 36/00, GRUR 2003, 901 - MAZ). Bei der Interpretation der Vorschrift sind die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze zu Inhalt und Ausbildung der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Anspruchs auf rechtliches Gehör heranzuziehen (vgl. Sen.Beschl. v. 11.06.2002 - X ZB 27/01, GRUR 2002, 957 - Zahnstruktur m.w.N.). Das Patentgericht muß sich in den Entscheidungsgründen jedoch nicht mit jedem Vorbringen ausdrücklich befassen; das Fehlen einer Auseinandersetzung erlaubt für sich nicht den Schluß auf eine Nichtberücksichtigung, denn grundsätzlich ist von einer Kenntnisnahme auszugehen (st. Rspr.; zuletzt Sen.Beschl. v. 30.03.2005 - X ZB 8/04, GRUR 2005, 573 - Vertikallibelle). Daß diese vorliegend unterblieben sein könnte, zeigt das Rechtsmittel nicht auf; es ergibt sich insbesondere nicht daraus, daß das Patentgericht die Lehre des Streitpatents als "auf der Hand liegend" angesehen hat.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht als erforderlich angesehen (§ 107 Abs. 1 PatG).
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Kirchhoff
Annotations
(1) Artikel 229 § 6 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass § 33 Abs. 3 und § 141 in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verjährung in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung gleichgestellt sind.
(2) Für Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats oder wegen Erteilung oder Rücknahme der Zwangslizenz oder wegen der Anpassung der durch Urteil festgesetzten Vergütung für eine Zwangslizenz, die vor dem 18. August 2021 durch Klage beim Bundespatentgericht eingeleitet wurden, sind die Vorschriften dieses Gesetzes in der bis zum 17. August 2021 geltenden Fassung weiter anzuwenden.
(3) Für Verfahren, in denen ein Antrag auf ein Zusatzpatent gestellt worden ist oder nach § 16 Absatz 1 Satz 2 dieses Gesetzes in der vor dem 1. April 2014 geltenden Fassung noch gestellt werden kann oder ein Zusatzpatent in Kraft ist, sind § 16 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2, § 17 Absatz 2, § 23 Absatz 1, § 42 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4, Satz 2 und Absatz 3 Satz 1 sowie § 43 Absatz 2 Satz 4 dieses Gesetzes in ihrer bis zum 1. April 2014 geltenden Fassung weiter anzuwenden.
(4) Für Anträge auf Verlängerung der Frist zur Benennung des Erfinders sind § 37 Absatz 2 Satz 2 bis 4 und § 20 Absatz 1 Nummer 2 dieses Gesetzes in der vor dem 1. April 2014 geltenden Fassung weiter anzuwenden, wenn die Anträge vor dem 1. April 2014 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen sind und das Patent bereits erteilt worden ist.
(5) Für Anträge auf Anhörung nach § 46 Absatz 1, die vor dem 1. April 2014 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen sind, ist § 46 dieses Gesetzes in der bis dahin geltenden Fassung weiter anzuwenden.
(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 73 oder über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents nach § 61 Abs. 2 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluß zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.
(3) Einer Zulassung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts bedarf es nicht, wenn einer der folgenden Mängel des Verfahrens vorliegt und gerügt wird:
- 1.
wenn das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, - 2.
wenn bei dem Beschluß ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, - 3.
wenn einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, - 4.
wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, - 5.
wenn der Beschluß auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder - 6.
wenn der Beschluß nicht mit Gründen versehen ist.
(1) Sind an dem Verfahren über die Rechtsbeschwerde mehrere Personen beteiligt, so kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. Wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen, so sind die durch die Rechtsbeschwerde veranlaßten Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. Hat ein Beteiligter durch grobes Verschulden Kosten veranlaßt, so sind ihm diese aufzuerlegen.
(2) Dem Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts können Kosten nur auferlegt werden, wenn er die Rechtsbeschwerde eingelegt oder in dem Verfahren Anträge gestellt hat.
(3) Im übrigen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen entsprechend.
(1) Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluß; sie kann ohne mündliche Verhandlung getroffen werden.
(2) Der Bundesgerichtshof ist bei seiner Entscheidung an die in dem angefochtenen Beschluß getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Rechtsbeschwerdegründe vorgebracht sind.
(3) Die Entscheidung ist zu begründen und den Beteiligten von Amts wegen zuzustellen.