vorgehend
Amtsgericht Charlottenburg, 214 C 290/10, 17.02.2011
Landgericht Berlin, 65 S 145/11, 30.08.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 95/11
vom
15. November 2011
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. November 2011 durch
den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterin Dr. Hessel und die Richter
Dr. Achilles, Dr. Schneider und Dr. Bünger

beschlossen:
Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 17. Februar 2011 - 240 C 290/10 - wird einstweilen bis zur Entscheidung des Senats über die Rechtsbeschwerde des Beklagten eingestellt. Dem Beklagten wird für das Verfahren der Rechtsbeschwerde Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. Nassall bewilligt.

Gründe:


1
Das Rechtsbeschwerdegericht kann im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 570 Abs. 3, Halbs. 1 ZPO in Verbindung mit § 575 Abs. 5 ZPO auch die Vollziehung einer Entscheidung der ersten Instanz aussetzen, wenn durch die Vollziehung dem Rechtsbeschwerdeführer größere Nachteile drohen als dem Gegner, die Rechtsbeschwerde zulässig erscheint und die Rechtsmittel des Rechtsbeschwerdeführers nicht von vornherein ohne Erfolgsaussicht sind (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2002 - IX ZB 48/02, NJW 2002, 1658 unter II 1 und 2; Senatsbeschluss vom 6. August 2003 – VIII ZB 77/03, WuM 2003, 509). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
2
Durch die Vollstreckung des Räumungsurteils würde einerseits dem Beklagten ein unwiederbringlicher Nachteil entstehen; andererseits drohen der Klägerin durch einen Aufschub der Vollstreckung bis zu der Entscheidung des Senats über die bereits begründete Rechtsbeschwerde keine wesentlichen Nachteile.
3
Die nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde erscheint nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig und im Übrigen auch begründet. Die Rechtsbeschwerdebegründung zeigt auf, dass der Beklagte innerhalb der Frist zur Stellung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die versäumte Berufungsbegründung nachgeholt und das Berufungsgericht eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Unrecht abgelehnt hat, weil es die an den Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu stellenden Sorgfaltsanforderungen bezüglich der beantragten Akteneinsicht überspannt hat.
4
Die vom Beklagten eingelegte Berufung hat nach dem gegenwärtigen Stand schon deshalb weitgehende Aussicht auf Erfolg, weil die vom Amtsgericht angesetzte Mietminderung für die meterlangen breiten Risse in den De- cken der Wohnung des Beklagten mit monatlich 5,15 € deutlich zu gering be- messen erscheint und bei einer nur geringfügig höheren Mietminderung der zur fristlosen Kündigung erforderliche Mietrückstand von zwei Monatsmieten nicht erreicht ist. Im Übrigen liegt es nahe, dass in der ausdrücklichen Bezugnahme des Beklagten in der Berufungsbegründung auf seinen erstinstanzlichen Schriftsatz vom 10. Januar 2011, in dem er den Einbehalt der Miete mit der verweigerten Mängelbeseitigung begründet, die (erneute) Geltendmachung ei- nes Zurückbehaltungsrechts liegt, das der Annahme eines zur Kündigung berechtigenden Zahlungsverzugs ebenfalls entgegen stehen dürfte.
Ball Dr. Hessel Dr. Achilles
Dr. Schneider Dr. Bünger

Vorinstanzen:
AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 17.02.2011 - 214 C 290/10 -
LG Berlin, Entscheidung vom 30.08.2011 - 65 S 145/11 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss


(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Zivilprozessordnung - ZPO | § 575 Frist, Form und Begründung der Rechtsbeschwerde


(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der E

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(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.