Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Jan. 2012 - V ZB 284/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Das Amtsgericht Hamburg hat auf Antrag der Beteiligten zu 2 vom 21. November 2011 mit Beschluss vom 22. November 2011 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung längstens bis sechs Wochen nach Ende der gegen ihn vollstreckten Untersuchungshaft angeordnet. Auf die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht am 20. Dezember 2011 zwei Beschlüsse gefasst, mit denen das Rechtsmittel zurückgewiesen worden ist. Gegen beide Beschlüsse wendet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er vorab die einstweilige Aussetzung des Vollzugs der aufrechterhaltenen Haft im Wege der einstweiligen Anordnung erreichen will.
II.
- 2
- 1. Der Aussetzungsantrag ist in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG statthaft (st. Rspr., siehe nur Senat, Beschluss vom 14. April 2011 – V ZB 76/11 Rn. 5, juris; Beschluss vom 18. August 2010 - V ZB 211/10, InfAuslR 2010, 440) und auch im Übrigen zulässig.
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- 2. Er ist auch begründet. Bei der gebotenen summarischen Prüfung (Senat , Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 261/10, InfAuslR 2011, 26 Rn. 10; Beschluss vom 18. August 2010 - V ZB 211/10, InfAuslR 2010, 440) ist davon auszugehen, dass die Rechtsbeschwerde Erfolg haben wird.
- 4
- Es dürfte bereits an einem zulässigen Haftantrag fehlen, § 417 Abs. 2 FamFG. Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrages ist Verfahrensvoraussetzung und daher in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen; zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Fehlt es daran, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (siehe nur Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11 Rn. 8, juris).
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- a) Der Haftantrag vom 21. November 2011 genügt den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung nicht, weil nicht alle in § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG genannten Punkte in ihm behandelt werden (siehe eingehend Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11 Rn. 9, juris). Die Begründung des Haftantrags muss auf den konkreten Fall zugeschnitten sein; Leerformeln und Textbausteine genügen nicht (Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10 Rn. 13, juris). Inhalt und Umfang der notwendigen Darlegungen dürfen zwar knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falls ansprechen (vgl. Senat, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, Rn. 9, juris). Hinsichtlich der Durchführbarkeit der Abschiebung sind auf das Land bezogene Ausführungen erforderlich, in das der Betroffene abgeschoben werden soll. Anzugeben ist, ob und innerhalb welchen Zeitraums Abschiebungen in das betreffende Land üblicherweise möglich sind (Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10 Rn. 13, juris). Hieran fehlt es vorliegend.
- 6
- b) Angaben zu der erfahrungsgemäß notwendigen Vorbereitungsdauer für eine Abschiebung in die Türkei enthält der Antrag nicht. Die Begründung, die Haftdauer berücksichtige die üblichen Reisevorbereitungen, ist als universell einsetzbare Leerformel, die über die Durchführbarkeit der Abschiebung im konkreten Fall nichts aussagt, nicht ausreichend (Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2011 - V ZB 311/10 Rn. 14, juris). Vielmehr sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und eine Darstellung, in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können, not- wendig (Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - V ZB 193/09, InfAuslR 2010, 361, 362).
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 22.11.2011 - 219g XIV 389/11 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 20.12.2011 - 329 T 109/11 -
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(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird. Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde sind bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten werden soll.
(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt. Die Einlegung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle ist in Ehesachen und in Familienstreitsachen ausgeschlossen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen.
(3) Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, dass die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen ist.
(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.
(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:
- 1.
die Identität des Betroffenen, - 2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen, - 3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung, - 4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie - 5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.