vorgehend
Landgericht Regensburg, 7 T 363/11, 27.10.2011
Amtsgericht Regensburg, XIV 351/11, 24.10.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 255/11
vom
30. August 2012
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. August 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch,
die Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Czub und die Richterin Weinland

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg vom 27. Oktober 2011 wird auf Kosten der Betroffenen zurückgewiesen. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe:

I.

1
Die Betroffene, ein ugandische Staatsangehörige, reiste Ende Dezember 2009 in das Bundesgebiet ein. Ihr Asylantrag ist seit Ende 2010 bestandskräftig abgelehnt. Ende August 2011 wurde sie aufgrund einer vorläufigen Anordnung des Amtsgerichts Passau in Abschiebungshaft genommen. Am 19. September 2011 ordnete das Amtsgericht Sicherungshaft bis zum 24. Oktober 2011 an.
2
Mit Beschluss vom 24. Oktober 2011 hat das Amtsgericht die Sicherungshaft auf Antrag der beteiligten Behörde bis zum 23. Januar 2012 verlängert. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde möchte die - nach Rücknahme des Haftantrags am 30. November 2011 aus der Haft entlassene - Betroffene festgestellt wissen, dass die Anordnung der Haftverlängerung sie in ihren Rechten verletzt hat.

II.

3
Das Beschwerdegericht, das die Voraussetzungen für die Verlängerung der Abschiebungshaft für gegeben hält, ist davon ausgegangen, dass die Betroffene die verlängerte Abschiebungshaft voraussichtlich nicht antreten müsse. Die Betroffene verbüße in der Zeit vom 6. Oktober bis zum 13. Dezember 2011 nämlich eine Ersatzfreiheitsstrafe aufgrund eines Strafbefehls wegen Urkundenunterdrückung , und die Abschiebung sei für den 30. November 2011 geplant.

III.

4
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet, weil es der Betroffenen an dem notwendigen Interesse für den Antrag fehlt, die Rechtswidrigkeit der Haftverlängerung festzustellen.
5
In Freiheitsentziehungssachen besteht zwar auch nach einer Erledigung der Hauptsache grundsätzlich ein Rehabilitierungsinteresse und damit ein Rechtsschutzbedürfnis des Betroffenen für einen Antrag, mit dem die Rechtswidrigkeit der Inhaftierung festgestellt werden soll (§ 62 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 FamFG). An einem solchen Interesse fehlt es aber, wenn der Betroffene in dem von der Haftanordnung nach § 421 FamFG erfassten Zeitraum aus anderen Gründen inhaftiert war, etwa weil eine Freiheitsstrafe vollstreckt oder Untersuchungshaft vollzogen worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 211/10, Rn. 6, juris; Beschluss vom 2. Dezember 2010 - V ZB 162/10, juris).
6
So liegt es hier. Mit der Rechtsbeschwerde wird die Feststellung erstrebt, dass der Haftverlängerungsbeschluss vom 24. Oktober 2011 die Betroffene in ihren Rechten verletzt hat. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts hat die Betroffene ab dem 6. Oktober 2011 eine Ersatzfreiheitsstrafe aufgrund eines Strafbefehls des Amtsgerichts Passau vom 15. Februar 2011 verbüßt, die bis zum 13. Dezember 2011 andauern sollte. Demnach befand sich die Ende November 2011 aus der Haft entlassene Betroffene aufgrund der Anordnung vom 24. Oktober 2011 zu keiner Zeit in Sicherungshaft. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die Geldbuße, derentwegen die Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt worden ist, nicht erst im Zusammenhang mit der Freilassung der Betroffenen Ende November 2011, sondern bereits früher gezahlt worden ist. Dies zeigt die Rechtsbeschwerde indes nicht auf.

IV.

7
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.
Krüger Schmidt-Räntsch Stresemann Czub Weinland

Vorinstanz:
LG Regensburg, Entscheidung vom 27.10.2011 - 7 T 363/11 -
AG Regensburg, Entscheidung vom 24.10.2011 - XIV 351/11(B) -

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Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Aug. 2012 - V ZB 255/11 zitiert 3 §§.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 84 Rechtsmittelkosten


Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 62 Statthaftigkeit der Beschwerde nach Erledigung der Hauptsache


(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführ

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 421 Inhalt der Beschlussformel


Die Beschlussformel zur Anordnung einer Freiheitsentziehung enthält auch1.die nähere Bezeichnung der Freiheitsentziehung sowie2.den Zeitpunkt, zu dem die Freiheitsentziehung endet.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Apr. 2011 - V ZB 211/10

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bei uns veröffentlicht am 02.12.2010

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(1) Hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt, spricht das Beschwerdegericht auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

(2) Ein berechtigtes Interesse liegt in der Regel vor, wenn

1.
schwerwiegende Grundrechtseingriffe vorliegen oder
2.
eine Wiederholung konkret zu erwarten ist.

(3) Hat der Verfahrensbeistand oder der Verfahrenspfleger die Beschwerde eingelegt, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

Die Beschlussformel zur Anordnung einer Freiheitsentziehung enthält auch

1.
die nähere Bezeichnung der Freiheitsentziehung sowie
2.
den Zeitpunkt, zu dem die Freiheitsentziehung endet.

6
1. Mangels Feststellungsinteresses (§ 62 Abs. 1 FamG) bleibt sie allerdings ohne Erfolg, soweit der Zeitraum vom 18. Juni bis zum 1. August 2010 in Rede steht. In Freiheitsentziehungssachen besteht nach einer Erledigung der Hauptsache zwar grundsätzlich ein Rehabilitierungsinteresse und damit ein Rechtsschutzbedürfnis des Betroffenen für einen Antrag, mit dem die Rechtswidrigkeit der Inhaftierung festgestellt werden soll (vgl. § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG sowie BVerfGE 104, 220, 235). An einem Rehabilitierungsinteresse fehlt es aber, wenn der Betroffene in dem von der Anordnung der Sicherungshaft erfassten Zeitraum eine Freiheitsstrafe verbüßt oder sich - wie hier - in Untersuchungshaft befunden hat (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Dezember 2010 - V ZB 162/10, juris; BayObLG FGPrax 2004, 307, 308).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 162/10
vom
2. Dezember 2010
in der Abschiebungshaftsache
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Dezember 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch
, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:
Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Braunschweig vom 19. Mai 2010 wird zurückgewiesen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Für die Entscheidung über die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für ein Rechtsmittel kommt es nicht darauf an, ob die Vorinstanz richtig entschieden, sondern ob das Begehren des Antragstellers in der Sache Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 235/92, NJW 1994, 1160, 1161 und vom 27. Juni 2003 - IXa ZB 21/03, NJW-RR 2003, 1648). Das ist zu verneinen, weil der Feststellungsantrag in einem Rechtsbeschwerdeverfahren als unzulässig zurückzuweisen wäre. In Freiheitsentziehungssachen ist zwar grundsätzlich wegen des Rehabilitierungsinteresses des Betroffenen auch nach einer Erledigung der Hauptsache ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Feststellungsantrag nach § 62 Abs. 1 FamFG zu bejahen, durch die Inhaftierung in seinen Rechten verletzt worden zu sein (vgl. BVerGE 104, 220, 235 = NJW 2002, 2456, 2457 und Beschluss vom 25. Juli 2008 - 2 BvR 31/06, juris Rn. 23). An einem anerkennenswerten Rehabilitierungsinteresse des Betroffenen fehlt es aber, wenn dieser - wie hier - in dem von der Haftanordnung nach § 421 FamFG erfassten Zeitraum eine Freiheitsstrafe wegen einer von ihm begangenen Straftat verbüßte und der Eingriff in sein Freiheitsgrundrecht damit in der Sache gerechtfertigt war (vgl. BayObLG, FGPrax 2004, 307, 308 mwN).
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch Stresemann Czub
Vorinstanzen:
AG Wolfsburg, Entscheidung vom 04.09.2009 - 3a XIV 14 -
LG Braunschweig, Entscheidung vom 19.05.2010 - 3 T 1022/09 -

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.