Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Aug. 2011 - V ZB 178/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Betroffene, nach eigenen Angaben georgischer Staatsangehöriger ossetischer Volkszugehörigkeit, reiste mit Hilfe von Schleusern im Juni 2010 in das Bundesgebiet ein. Er ist seit der bestandskräftigen Ablehnung seines Asylantrages durch Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 30. Juli 2010 vollziehbar ausreisepflichtig.
- 2
- Im Rahmen einer Vorführung bei der Botschaft der Republik Georgien im September 2010 wurde seine Herkunft aus Georgien ausgeschlossen.
- 3
- Derzeit ist abermals eine Vorführung bei der georgischen Botschaft und bei der russischen Botschaft beabsichtigt, um sodann Passersatzpapiere für den Betroffenen zu beantragen.
- 4
- Auf Antrag der Beteiligten zu 2 vom 7. Juni 2011 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom selben Tag gegen den Betroffenen die Haft zur Sicherung der Abschiebung für die Dauer von drei Monaten und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet.
- 5
- Die Beschwerde des Betroffenen ist ohne Erfolg geblieben. Gegen die Entscheidung des Landgerichts richtet sich seine Rechtsbeschwerde. Im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt er die Aussetzung der Vollziehung der Haftentscheidung.
II.
- 6
- 1. Der Aussetzungsantrag ist in entsprechender Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG statthaft (st. Rspr., siehe nur Senat, Beschluss vom 14. April 2011 - V ZB 76/11, Rn. 5 juris; Beschluss vom 18. August 2010 - V ZB 211/10, InfAuslR 2010, 440).
- 7
- 2. Er ist auch begründet. Bei der gebotenen summarischen Prüfung ist davon auszugehen, dass die Rechtsbeschwerde Erfolg haben wird, weil die Haftanordnung auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung des § 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG beruhen dürfte. Daher ist die weitere Vollstreckung der Haftanordnung auszusetzen (vgl. Senat, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - V ZB 222/10, InfAuslR 2011, 25).
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- a) Die Haft ist unzulässig, wenn feststeht, dass die Abschiebung aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann (§ 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG). Die dazu erforderliche Prognose hat der Haftrichter grundsätzlich auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Gründe, die der Abschiebung entgegenstehen oder sie verzögern können, zu erstrecken (vgl. zu den Anforderungen Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27, 29 Rn. 22). Hierzu sind konkrete Angaben zum Ablauf des Verfahrens und zu dem Zeitraum, in welchem die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können, erforderlich. Diese Prognose muss auch dann erfolgen , wenn der Betroffene bei der Beschaffung von Passersatzpapieren nicht mitwirkt (vgl. Senat, Beschluss vom 30. Juni 2011 - V ZB 139/11, Rn. 6 juris; Beschluss vom 14. April 2011 - V ZB 76/11, Rn. 8 juris). Die Entscheidung des Beschwerdegerichts wird diesen Grundsätzen - bei summarischer Prüfung - nicht gerecht. Feststellungen zu der üblichen Dauer der Abschiebung eines russischen bzw. georgischen Staatsangehörigen fehlen. Substantiierte Angaben hierzu lassen sich auch nicht dem Antrag der Beteiligten zu 2 vom 7. Juni 2011 entnehmen, der lediglich die pauschale Angabe enthält, die beantragte Dauer der Abschiebungshaft sei zur Koordination der Abschiebung und Beschaffung eines Passersatzdokuments erforderlich.
- 9
- b) Es ist nach dem derzeitigen Stand aufgrund des bisherigen tatsächlichen Ablaufs auch nicht ersichtlich, dass sich die fehlende Prognose im Ergebnis nicht auswirken wird. Zwar kann aus den späteren Abläufen auf den mutmaßlichen Inhalt einer gebotenen, aber unterlassenen Prognose geschlossen werden (Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - V ZB 29/10 InfAuslR 2011, 27, 29 Rn. 24). Die Annahme, dass die Abschiebung des Betroffenen in der noch verbleibenden angeordneten Haftzeit möglich sein wird, drängt sich aber nicht auf. Es steht schon nicht fest, wann die Vorführung des Betroffenen bei der georgischen bzw. russischen Botschaft erfolgen wird. Zudem fehlt es an Feststellungen , welchen Zeitraum die nach einer möglichen erfolgreichen Vorführung erforderlichen weiteren Maßnahmen der Beteiligten zu 2 bis zur Abschiebung des Betroffenen (üblicherweise) in Anspruch nehmen werden. Krüger Czub Roth Brückner Weinland
AG Frankenthal (Pfalz), Entscheidung vom 07.06.2011 - 2 XIV 16/11 -
LG Frankenthal, Entscheidung vom 06.07.2011 - 1 T 164/11 -
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(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird. Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde sind bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten werden soll.
(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt. Die Einlegung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle ist in Ehesachen und in Familienstreitsachen ausgeschlossen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen.
(3) Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, dass die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen ist.
(1) Die Abschiebungshaft ist unzulässig, wenn der Zweck der Haft durch ein milderes Mittel erreicht werden kann. Die Inhaftnahme ist auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürfen nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.
(2) Ein Ausländer ist zur Vorbereitung der Ausweisung oder der Abschiebungsanordnung nach § 58a auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen, wenn über die Ausweisung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a nicht sofort entschieden werden kann und die Abschiebung ohne die Inhaftnahme wesentlich erschwert oder vereitelt würde (Vorbereitungshaft). Die Dauer der Vorbereitungshaft soll sechs Wochen nicht überschreiten. Im Falle der Ausweisung bedarf es für die Fortdauer der Haft bis zum Ablauf der angeordneten Haftdauer keiner erneuten richterlichen Anordnung.
(3) Ein Ausländer ist zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen (Sicherungshaft), wenn
- 1.
Fluchtgefahr besteht, - 2.
der Ausländer auf Grund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig ist oder - 3.
eine Abschiebungsanordnung nach § 58a ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann.
(3a) Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 wird widerleglich vermutet, wenn
- 1.
der Ausländer gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität täuscht oder in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise und in zeitlichem Zusammenhang mit der Abschiebung getäuscht hat und die Angabe nicht selbst berichtigt hat, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer unentschuldigt zur Durchführung einer Anhörung oder ärztlichen Untersuchung nach § 82 Absatz 4 Satz 1 nicht an dem von der Ausländerbehörde angegebenen Ort angetroffen wurde, sofern der Ausländer bei der Ankündigung des Termins auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle des Nichtantreffens hingewiesen wurde, - 3.
die Ausreisefrist abgelaufen ist und der Ausländer seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist, - 4.
der Ausländer sich entgegen § 11 Absatz 1 Satz 2 im Bundesgebiet aufhält und er keine Betretenserlaubnis nach § 11 Absatz 8 besitzt, - 5.
der Ausländer sich bereits in der Vergangenheit der Abschiebung entzogen hat oder - 6.
der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will.
(3b) Konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr im Sinne von Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 können sein:
- 1.
der Ausländer hat gegenüber den mit der Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden über seine Identität in einer für ein Abschiebungshindernis erheblichen Weise getäuscht und hat die Angabe nicht selbst berichtigt, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität, - 2.
der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge, insbesondere an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96, aufgewandt, die nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren, - 3.
von dem Ausländer geht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben Dritter oder bedeutende Rechtsgüter der inneren Sicherheit aus, - 4.
der Ausländer ist wiederholt wegen vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu mindestens einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, - 5.
der Ausländer hat die Passbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 nicht erfüllt oder der Ausländer hat andere als die in Absatz 3a Nummer 2 genannten gesetzlichen Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität, insbesondere die ihm nach § 48 Absatz 3 Satz 1 obliegenden Mitwirkungshandlungen, verweigert oder unterlassen und wurde vorher auf die Möglichkeit seiner Inhaftnahme im Falle der Nichterfüllung der Passersatzbeschaffungspflicht nach § 60b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 2 und 6 oder der Verweigerung oder Unterlassung der Mitwirkungshandlung hingewiesen, - 6.
der Ausländer hat nach Ablauf der Ausreisefrist wiederholt gegen eine Pflicht nach § 61 Absatz 1 Satz 1, Absatz 1a, 1c Satz 1 Nummer 3 oder Satz 2 verstoßen oder eine zur Sicherung und Durchsetzung der Ausreisepflicht verhängte Auflage nach § 61 Absatz 1e nicht erfüllt, - 7.
der Ausländer, der erlaubt eingereist und vollziehbar ausreisepflichtig geworden ist, ist dem behördlichen Zugriff entzogen, weil er keinen Aufenthaltsort hat, an dem er sich überwiegend aufhält.
(4) Die Sicherungshaft kann bis zu sechs Monaten angeordnet werden. Sie kann in Fällen, in denen die Abschiebung aus von dem Ausländer zu vertretenden Gründen nicht vollzogen werden kann, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Eine Verlängerung um höchstens zwölf Monate ist auch möglich, soweit die Haft auf der Grundlage des Absatzes 3 Satz 1 Nummer 3 angeordnet worden ist und sich die Übermittlung der für die Abschiebung erforderlichen Unterlagen oder Dokumente durch den zur Aufnahme verpflichteten oder bereiten Drittstaat verzögert. Die Gesamtdauer der Sicherungshaft darf 18 Monate nicht überschreiten. Eine Vorbereitungshaft ist auf die Gesamtdauer der Sicherungshaft anzurechnen.
(4a) Ist die Abschiebung gescheitert, bleibt die Anordnung bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, sofern die Voraussetzungen für die Haftanordnung unverändert fortbestehen.
(5) Die für den Haftantrag zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
- 1.
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 3 Satz 1 besteht, - 2.
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und - 3.
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will.
(6) Ein Ausländer kann auf richterliche Anordnung zum Zwecke der Abschiebung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen, oder eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung seiner Reisefähigkeit durchführen zu lassen, in Haft genommen werden, wenn er
- 1.
einer solchen erstmaligen Anordnung oder - 2.
einer Anordnung nach § 82 Absatz 4 Satz 1, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen,