Bundesgerichtshof Beschluss, 19. März 2004 - IXa ZB 199/03

bei uns veröffentlicht am19.03.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IXa ZB 199/03
vom
19. März 2004
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Der IXa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Kreft, die Richter Raebel, Athing, Dr. Boetticher und Zoll
am 19. März 2004

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der Gläubigerin werden die Beschlüsse des Landgerichts Wuppertal vom 26. Mai 2003 und des Amtsgerichts Wuppertal vom 13. Februar 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zu erneuter Entscheidung, auch über die Kosten der Beschwerdeverfahren, an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Der Rechtspfleger darf den Erlaß des Pfändungsbeschlusses nicht aus den Gründen der aufgehobenen Beschlüsse ablehnen.

Gründe:


I.


Die Schuldnerinnen halten GmbH- und Kommanditanteil e an den Drittschuldnerinnen. Sie haben ihre Geschäftsanteile mit privatschriftlichen und notariellen Verträgen zur Sicherung von Forderungen der Gläubigerin verpfändet.
Die Gläubigerin hat gegen die Schuldnerinnen Klage erhoben, die Verwertung ihrer Geschäftsanteile an den Drittschuldnerinnen nach § 1277 BGB zu dulden. Das Landgericht Wuppertal und das Oberlandesgericht Düsseldorf haben die Schuldnerinnen (dort Beklagte zu 1 und 2) durch Urteile vom 20. März 2001 (Landgericht) und 26. April 2002 (Oberlandesgericht) verurteilt, "die Verwertung folgender Geschäftsanteile nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung zur Befriedigung der fälligen Forderungen der Klägerin gegenüber
a) der T. GmbH & Co., b) der R. GmbH & Co., c) der S. GmbH & Co. KG zu dulden :

a) Geschäftsanteil der Beklagten zu 1 an der im Handelregister des Amtsgerichts P. unter HRB 10183 eingetragenen TT. mbH im Nennwert von 49.000 DM;
b) Geschäftsanteil der Beklagten zu 1 an der im Handelregister des Amtsgerichts P. unter HRB 12256 eingetragenen Logistikzentrum M. GmbH im Nennwert von 49.500 DM;
c) Kommanditanteil der Beklagten zu 1 an der im Handelregister des Amtsgerichts P. unter HRA 1776 eingetragenen TT. GmbH & Co. KG im Nennwert von 11.000 DM;
d) Kommanditanteil der Beklagten zu 1 an der im Handelregister des Amtsgerichts P. unter HRA 2281 eingetragenen Tr. & Co. GmbH KG im Nennwert von 11.000 DM;
e) Kommanditanteil der Beklagten zu 2 an der im Handelregister des Amtsgerichts P. unter HRA 1776 eingetragenen TT. GmbH & Co. KG im Nennwert von 38.500 DM;
f) Kommanditanteil der Beklagten zu 2 an der im Handelregister des Amtsgerichts P. unter HRA 2281 eingetragenen Tr.
& Co. GmbH KG im Nennwert von 38.500 DM." Die Gläubigerin hat am 25. Juli 2002 beim Vollstreckun gsgericht einen Antrag auf Erlaß eines Pfändungsbeschlusses gestellt, weil ihr nach den vollstreckbaren Urteilen des Landgerichts Wuppertal und des Oberlandesgerichts Düsseldorf "ein Anspruch auf Verwertung der Gesellschaftsanteile nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung (zustehe), die mit diesem Pfändungsbeschluß gepfändet werden sollen". Das Amtsgericht hat den Antrag durch Beschluß abgewiesen. Das Landgericht hat die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Die Gläubigerin verfolgt mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde den Erlaß des Pfändungsbeschlusses weiter.

II.


Das gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO stattha fte und auch im übrigen zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Beschlüsse des Land- sowie des Amtsgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts sind die der Zwan gsvollstreckung zugrunde liegenden Titel des Landgerichts Wuppertal und des Oberlandesgerichts Düsseldorf zu unbestimmt, um eine Vollstreckung aus ihnen durchführen zu können. Die zu vollstreckenden Forderungen der Gläubigerin seien in dem Antrag und den vorgelegten Vollstreckungstiteln nicht ausreichend bezeichnet. Den beiden Urteilsformeln sei lediglich zu entnehmen, daß die Schuldnerinnen der Verwertung der Gesellschaftsanteile nach den Vor-
schriften der Zivilprozeßordnung zu dulden hätten, und zwar zur Befriedigung der fälligen Forderungen der Gläubigerin gegenüber den in den Urteilsformeln aufgeführten Firmen. Dabei würden weder die Forderungen der Gläubigerin nach Art und Betrag genannt, noch seien die weiteren Schuldner der Gläubigerin ausreichend bezeichnet, weil deren Adressen fehlten. Die Lücke in den Urteilsaussprüchen der beiden zugrundeliegenden Titel könne auch nicht durch Auslegung anhand der Entscheidungsgründe geschlossen werden. Zwar enthielten beide Urteile im Rahmen der Ausführungen zur Pfandreife auch Angaben zur Höhe der Forderungen bei Fälligstellung durch die Gläubigerin. Da diese Fälligstellung teilweise jedoch schon mehrere Jahre zum Zeitpunkt des Urteilserlasses zurückgelegen habe, gäben diese Beträge wenig Aufschluß über die aktuelle Höhe der Forderungen der Gläubigerin.
Demgegenüber macht die Rechtsbeschwerde geltend, der zu vollstrekkende Anspruch sei vorliegend derjenige auf Duldung der Verwertung der in den beiden Titeln genau bezeichneten Gesellschaftsanteile. Da diese Anteile ausweislich der Titel jeweils vollen Umfangs zu verwerten seien, stünden Inhalt und Umfang der zu duldenden Pfändung und des Pfandrechts ohne weiteres fest.
2. Die Rechtsbeschwerde hat Recht.

a) Das Beschwerdegericht hat zu hohe Anforderungen an d ie Bestimmtheit des Vollstreckungstitels und an den Antrag auf Erlaß eines Pfändungsbeschlusses gestellt. Ein Vollstreckungstitel muß den zu vollstreckenden Anspruch inhaltlich derart konkret bezeichnen, daß das Vollstreckungsorgan in die Lage versetzt wird, allein mit dem Titel die Vollstreckung durchzuführen
(Stöber, Forderungspfändung 13. Aufl. Rn. 485 f, 496, 498 f; 509 m.w.N.). Das Beschwerdegericht verkennt jedoch, daß es im vorliegenden Fall nicht um die Vollstreckung der durch die die Verpfändung der Geschäftsanteile gesicherten Forderung geht, sondern um die Vollstreckung des gegen die Schuldnerinnen erwirkten Duldungstitels. Bei dieser Sachlage reicht es aus, daß sich aus den Urteilsformeln der Urteile des Land- und Oberlandesgerichts die Geschäftsanteile ergeben, deren Verwertung die Schuldnerinnen zu dulden haben.
Soweit das Beschwerdegericht die Titel von Land- und Ob erlandesgericht für zu unbestimmt hält, weil darin weder die ursprünglichen Forderungen der Gläubigerin nach Art und Betrag genannt noch die Adressen der weiteren Schuldner der Gläubigerin angegeben seien, sind dies Umstände, die außerhalb des Vollstreckungstitels liegen und - wie das Beschwerdegericht selbst ausführt - ohnehin vom Vollstreckungsgericht nicht überprüft werden können.

b) Im übrigen hätte das Beschwerdegericht seine Zweifel an dem Bestehen der Forderungen der Gläubigerin dadurch überwinden können, daß es die Urteilsgründe zur Auslegung des Vollstreckungstitels und des Antrags herangezogen hätte. Sie ergeben sowohl die ursprüngliche Höhe der von der Gläubigerin am 4. September 1996 bzw. am 1. Februar 2000 fällig gestellten Kreditforderungen als auch die als unstreitig behandelte Feststellung, daß sich die Forderungen zum Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung aufgrund des Zeitablaufs seit Fälligstellung sogar erhöht haben und die Verwertung der vorhandenen Sicherheiten keine ausreichende Befriedigung der Forderungen erbracht hat (LGU S. 13, 14). Aus dem Urteil des Oberlandesgerichts ergibt sich, daß die Schuldnerinnen nicht in Abrede gestellt haben, "daß die bereits erzielten Erlöse aus der Verwertung weiterer Sicherheiten sich bis zum 6. Dezember 2001
auf lediglich 40.284.000 DM belaufen und nicht zum Erlöschen ihrer an diesem Stichtag
offenen Forderungen in Höhe von 80.991.000 DM und damit auch ihrer Pfandrechte geführt haben" (OLGU S. 17). Da das Oberlandesgericht auch eine Übersicherung ausgeschlossen hat, ist der Pfändungsantrag nicht aus den Gründen der angefochtenen Beschlüsse abzulehnen.
Kreft Raebel Athing Boetticher Zoll

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1277 Befriedigung durch Zwangsvollstreckung


Der Pfandgläubiger kann seine Befriedigung aus dem Recht nur auf Grund eines vollstreckbaren Titels nach den für die Zwangsvollstreckung geltenden Vorschriften suchen, sofern nicht ein anderes bestimmt ist. Die Vorschriften des § 1229 und des § 1245

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Der Pfandgläubiger kann seine Befriedigung aus dem Recht nur auf Grund eines vollstreckbaren Titels nach den für die Zwangsvollstreckung geltenden Vorschriften suchen, sofern nicht ein anderes bestimmt ist. Die Vorschriften des § 1229 und des § 1245 Abs. 2 bleiben unberührt.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.