Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Nov. 2006 - IX ZR 20/06

bei uns veröffentlicht am09.11.2006
vorgehend
Landgericht Oldenburg (Oldenburg), 16 O 1871/01, 30.10.2003
Oberlandesgericht Oldenburg, 6 U 250/03, 16.12.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZR 20/06
vom
9. November 2006
in dem Rechtsstreit
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Fischer und die Richter Dr. Ganter, Raebel, Dr. Kayser und Cierniak
am 9. November 2006

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 16. Dezember 2005, berichtigt mit Beschluss vom 16. Februar 2006, wird auf Kosten der Beklagten zu 1 bis 3 zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 215.031,47 €.

Gründe:


1
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig (§ 544 ZPO). Sie ist jedoch unbegründet; weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).
2
Das Berufungsgericht hat den Beklagten keinen Fehler des Gerichts zugerechnet. Vielmehr hat es eine Verletzung der durch die Übernahme des Mandats begründeten Vertragspflichten der Beklagten gegenüber dem Kläger angenommen (vgl. BGH, Urt. v. 29. Juni 2006 - IX ZR 76/04, DB 2006, 2116, 2117). Diese liegt darin, dass sie die Verjährung der Ansprüche aus dem Vergleich falsch eingeschätzt (vgl. dazu BGH, Urt. v. 13. Juli 2004 - X ZR 204/02, FamRZ 2004, 1783, 1784; OLG Köln VersR 1987, 461; Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 12 Rn. 10), jedenfalls aber die Gefahr einer dem Kläger insoweit ungünstigen Entscheidung nicht beachtet haben (vgl. dazu das Urteil des Senats vom 17. Juni 1993 - IX ZR 206/92, NJW 1993, 2797, 2798 ff).
3
Die rechtzeitige Einreichung des Mahnbescheids hätte trotz der Pfändung der Forderung die Verjährung unterbrochen, weil der Kläger als Prozessstandschafter des Gläubigers gehandelt hätte (BGHZ 78, 1, 3; BGH, Urt. v. 27. Juni 1985 - I ZR 136/83, NJW 1986, 423).
Fischer Ganter Raebel
Kayser Cierniak
Vorinstanzen:
LG Oldenburg, Entscheidung vom 30.10.2003 - 16 O 1871/01 -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 16.12.2005 - 6 U 250/03 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 544 Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde). (2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn1.der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Eur

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Bundesgerichtshof Urteil, 13. Juli 2004 - X ZR 204/02

bei uns veröffentlicht am 13.07.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL X ZR 204/02 Verkündet am: 13. Juli 2004 Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshof

Bundesgerichtshof Urteil, 29. Juni 2006 - IX ZR 76/04

bei uns veröffentlicht am 29.06.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 76/04 Verkündet am: 29. Juni 2006 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 326 G a.F. Hat ein Recht

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(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).

(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder
2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.

(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.

(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.

(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.

(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 76/04
Verkündet am:
29. Juni 2006
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 326 G a.F.
Hat ein Rechtsanwalt für seinen Mandanten einen Verzugsschadensersatzanspruch
geltend zu machen, stellt es eine Pflichtverletzung dar, wenn er es unterlässt, in dem
Mahnschreiben eine Ablehnungsandrohung auszusprechen. Er darf sich regelmäßig
nicht darauf verlassen, dass die Ablehnungsandrohung wegen Interessenwegfalls
entbehrlich ist.
BGH, Urteil vom 29. Juni 2006 - IX ZR 76/04 - OLG München
LG München I
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Juni 2006 durch die Richter Dr. Ganter, Vill, Cierniak, die Richterin
Lohmann und den Richter Dr. Fischer

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 2. März 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin schloss mit der S. GmbH (i.F.: S.) einen "Kaufvertrag mit Bauverpflichtung" über eine Eigentumswohnung. Da die S. den vereinbarten Fertigstellungstermin nicht einhielt, beauftragte die Klägerin die erstverklagte Partnerschaft mit ihrer anwaltlichen Vertretung ; der Auftrag wurde von den zu 2 und 3 verklagten Partnern bearbeitet. Diese wiesen die S. mit Schreiben vom 2. Dezember 1999 darauf hin, dass der Klägerin die gesamten Steuervorteile verloren gingen, wenn das Objekt nicht bis Ende 1999 fertig gestellt werde. Vorsorglich setzten sie Frist zur Fertigstellung bis zum 31. Dezember 1999; nach Ablauf dieser Frist behalte man sich wegen des Verzugs alle Rechte vor.
2
Nachdem auch dieser Termin verstrichen war, erhob die Klägerin, vertreten durch die Beklagte zu 1, eine Schadensersatzklage und eine gesonderte Klage auf Zahlungen aus einer Mietgarantie. Mit Vergleich vom 1. März 2001 wurden beide Verfahren erledigt.
3
Die Klägerin macht den Beklagten zum Vorwurf, sie hätten es unterlassen , die Voraussetzungen für die erfolgreiche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die S. zu schaffen. In dem Schreiben vom 2. Dezember 1999 habe die Ablehnungsandrohung gemäß § 326 Abs. 1 BGB a.F. gefehlt. Die Klage auf Schadensersatz für alle durch den Verzug der S. entstandenen Vermögensnachteile, soweit diese nach dem Vergleichsschluss noch verblieben, hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit ihrer - vom Senat zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


4
Revision Die hat Erfolg; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


5
Berufungsgericht Das hat gemeint, die von der Klägerin behauptete Pflichtverletzung der Beklagten liege nicht vor. Eine Ablehnungsandrohung sei nicht erforderlich gewesen, weil die Erfüllung des mit der S. geschlossenen Vertrages für die Klägerin nach dem 31. Dezember 1999 kein Interesse mehr gehabt habe (§ 326 Abs. 2 BGB a.F.). Nicht zu prüfen sei in diesem Verfahren, ob sich die Beklagten durch pflichtwidriges Verhalten nach dem 31. Dezember 1999 schadensersatzpflichtig gemacht hätten.

II.


6
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
Nach dem Vortrag der Klägerin, der für die revisionsrechtliche Prüfung zugrunde zu legen ist, liegt eine Pflichtverletzung der Beklagten vor.
8
1. Zutreffend und unbeanstandet ist das Berufungsgericht davon ausgegangen , dass für eine Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages neben der beklagten Partnerschaft als Vertragspartnerin der Klägerin die Beklagten zu 2 und 3 als Gesamtschuldner haften (§ 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 PartGG).
9
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Rechtsanwalt kraft des Anwaltsvertrags verpflichtet, die Interessen seines Auftraggebers in den Grenzen des erteilten Mandats nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen. Er muss sein Verhalten so einrichten, dass er Schädigungen seines Auftraggebers, mag deren Möglichkeit auch nur von einem Rechtskundigen vorausgesehen werden können, vermeidet. Er hat, wenn mehrere Maßnahmen in Betracht kommen, diejenige zu treffen, welche die sicherste und gefahrloseste ist, und, wenn mehrere Wege möglich sind, um den erstrebten Erfolg zu erreichen, den zu wählen, auf dem dieser am sichersten erreichbar ist (BGH, Urt. v. 5. November 1992 - IX ZR 200/91, NJW 1993, 1320, 1322; v. 13. März 1997 - IX ZR 81/96, WM 1997, 1392, 1393 f; v. 29. April 2003 - IX ZR 54/02, WM 2003, 1628, 1630; v. 23. September 2004 - IX ZR 137/03, NJW-RR 2005, 494, 495). Gibt die rechtliche Beurteilung zu begründeten Zweifeln Anlass, so muss er auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass sich die zur Entscheidung berufene Stelle der seinem Auftraggeber ungünstigeren Beurteilung der Rechtslage anschließt. Im Prozess ist er verpflichtet, den Versuch zu unternehmen, das Gericht davon zu überzeugen, dass und warum seine Auffassung richtig ist (vgl. BGH, Urt. v. 17. Dezember 1987 - IX ZR 41/86, NJW 1988, 1079, 1080 f; v. 13. Februar 1992 - IX ZR 105/91, WM 1992, 701, 703; v. 21. September 1995 - IX ZR 228/94, WM 1996, 35, 40; v. 23. September 2004 aaO; zust. Henssler/Müller EWiR 2003, 165, 166; Jungk AnwBl. 2003, 104; kritisch BVerfG NJW 2002, 2937, 2938; Jaeger AnwBl. 2002, 655, 657). Gemäß § 1 Abs. 3 BORA hat der Rechtsanwalt seinen Mandanten vor voraussehbaren Fehlentscheidungen durch Gerichte und Behörden zu bewahren. Welche konkreten Pflichten aus diesen allgemeinen Grundsätzen abzuleiten sind, richtet sich nach dem erteilten Mandat und den Umständen des Falles.
10
Danach a) haben die Beklagten mit Recht bei der Abfassung ihres Schreibens vom 2. Dezember 1999 ein Schadensersatzbegehren der Klägerin ins Auge gefasst. Mit einem solchen konnten sämtliche in Betracht kommenden Vermögensverluste gegen die S. verfolgt werden (vgl. BGH, Urt. v. 20. Oktober 1994 - IX ZR 116/93, NJW 1995, 449, 450). Den Interessen der Klägerin, die sich - wie zwischen den Parteien im Ergebnis unstreitig ist - von dem Vertrag lösen wollte, war daher mit einem Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß § 326 BGB a.F. zweifelsfrei gedient. Hierauf haben die Beklagten ihre zum Landgericht München I erhobene Schadensersatzklage jedenfalls auch gestützt.
11
b) Ihre danach bestehende Pflicht, den sichersten Weg nicht nur zu empfehlen , sondern auch zu gehen, falls der Mandant keine andere Weisung erteilt (Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung Rn. 620), haben die Beklagten jedoch verletzt. Sie hätten in das Schreiben vom 2. Dezember 1999 die Erklärung aufnehmen müssen, dass die Klägerin die Annahme der Leistung nach dem Ablauf der bis zum 31. Dezember 1999 gesetzten Frist ablehne (§ 326 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.). Einem solchen Vorgehen standen keine Interessen der Klägerin entgegen. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist konnte sie Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen; der Wegfall des Anspruchs auf Erfüllung beeinträchtigte ihre Interessen nicht (§ 326 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.). Durch die unzutreffende Bemerkung der Beklagten im Schreiben vom 26. Januar 2000 an die S. und in der Klageschrift vom 12. September 2000, eine Ablehnungsandrohung erklärt zu haben, wurden die Voraussetzungen des § 326 Abs. 1 BGB a.F. nicht nachträglich herbeigeführt. Nachfristsetzung und Ablehnungsandrohung müssen in derselben Erklärung des Gläubigers enthalten sein (RGZ 120, 193, 195; BGHZ 74, 193, 203).
12
Der von den Beklagten - ausdrücklich erstmals im Regressprozess - erhobene Einwand, eine Ablehnungsandrohung sei gemäß § 326 Abs. 2 BGB a.F. wegen des Wegfalls des Interesses der Klägerin an der Erfüllung des Vertrages entbehrlich gewesen, vermag diese Pflichtverletzung nicht auszuräumen. Denn ein Vorgehen nach dieser Bestimmung vermochte hier nicht zu gewährleisten, dass der anzustrebende Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung in der Person der Klägerin auch durchsetzbar war. Für die Anwendung des § 326 Abs. 2 BGB a.F. kam es allein darauf an, ob die Vertragserfüllung für die Klägerin infolge des Verzuges der S. mit der Baufertigstellung kein Interesse mehr hatte (vgl. BGH, Urt. v. 7. November 1979 - VIII ZR 223/78, NJW 1980, 449; v. 10. März 1998 - X ZR 7/96, NJW-RR 1998, 1489, 1491; v. 25. Januar 2001 - I ZR 287/98, NJW 2001, 2878, 2879). Die Voraussetzungen dieses eng auszulegenden Ausnahmetatbestandes (so BGH, Urt. v. 17. Dezember 1996 - X ZR 74/95, NJW-RR 1997, 622, 623 f) hatte die Klägerin darzulegen und zu beweisen. Ob ihr dies gelingen würde, war zweifelhaft. Denn die Argumentation , das Interesse der Klägerin sei mit dem Ablauf des 31. Dezember 1999 weggefallen, baute darauf auf, dass bei einer nicht rechtzeitigen Bezugsfertigstellung die besonderen steuerlichen Vorteile, die mit dem Erwerb der Immobilie verbunden sein sollten, entfielen und dass die Klägerin sich zu dem Erwerb ausschließlich oder doch hauptsächlich wegen dieser steuerlichen Vorteile entschlossen hatte. Aber schon die Frage, welche steuerlichen Vergünstigungen die Klägerin würde beanspruchen können, war nicht klar zu beantworten; der Umfang der Baumaßnahme hielt sich nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien jedenfalls nicht eindeutig im Rahmen der besonders geförderten Altbausanierung. Außerdem haben die Parteien bereits in erster Instanz im Kern übereinstimmend vorgetragen, dass die Klägerin sich durch die am Vertragsschluss beteiligten Personen getäuscht - oder doch zumindest nicht zutreffend informiert - fühlte und "daher" die Rückgängigmachung des Kaufvertrages wünschte. Jedenfalls war die erforderliche gerichtliche Wertung, ob die Voraussetzungen des § 326 Abs. 2 BGB a.F. vorlagen, nicht sicher vorhersehbar. Demgegenüber wäre die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung problemlos zu bewerkstelligen gewesen. Das Vorgehen der Beklagten entsprach daher nicht dem Gebot des sichersten Weges.
13
Eine Pflichtverletzung entfällt auch nicht deswegen, weil die Beklagte sich darauf hätte verlassen dürfen, das Klagebegehren werde jedenfalls auf der Grundlage eines Verschuldens bei Vertragsschluss erfolgreich sein. Zwar beauftragte die S. einen Makler mit der Vermittlung der Immobilie; die Klägerin wirft deren Mitarbeitern Pflichtwidrigkeiten vor. Diese sind jedoch im Wesentli- chen bestritten. Die Beklagten haben demgemäß entgegen der Darstellung der Revisionserwiderung die erhobene Schadensersatzklage, soweit sie die S. betraf, keineswegs - schon gar nicht in erster Linie - auf eine Haftung aus Verschulden bei Vertragschluss gestützt.
14
c) Die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Beklagten die Vorschrift des § 326 Abs. 2 BGB a.F. in dem Vorprozess ohnehin nicht in ihre Überlegungen mit aufgenommen und in das Verfahren eingeführt hatten, belegt eine weitere Pflichtverletzung der Beklagten. Sie haben nicht, wie es geboten war, den Versuch unternommen, das Gericht davon zu überzeugen, dass und warum ihre jetzige Auffassung richtig war.

III.


15
Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO); die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird nunmehr die weiteren Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs der Klägerin gegen die Beklagten wegen schuldhafter Verletzung des zwischen ihnen geschlossenen Anwaltsvertrages zu prüfen haben. Der Senat weist insoweit auf Folgendes hin:
16
Beklagten Die haben geltend gemacht, ein Schadensersatzanspruch nach § 326 BGB a.F. wäre wegen fehlender Solvenz der S. nicht durchsetzbar gewesen. Insbesondere deshalb habe sich die Klägerin auf den Vergleich eingelassen. Damit haben die Beklagten die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den Schaden bestritten. Dies steht zur Darlegungs- und Beweislast der Klägerin.
17
Die Beklagten sind ferner davon ausgegangen, die Frage, ob und welche steuerlichen Vorteile sich der Geschädigte anrechnen lassen müsse, gehöre zur schlüssigen - und damit hier der Klägerin obliegenden - Anspruchsbegründung. Dies trifft im Ausgangspunkt nicht zu, weil es sich um eine Frage des Vorteilsausgleichs handelt. Der Senat weist insoweit auf die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 17. Oktober 2003 (V ZR 84/02, NJW-RR 2004, 79, 81) und vom 17. November 2005 (III ZR 350/04, NJW 2006, 499, 501) hin.
18
Zu der Frage, ob der Abschluss eines Vergleichs die Zurechnung eines Schadens zu einer anwaltlichen Pflichtverletzung unterbricht, wird auf die Urteile des Senats vom 17. Juni 1993 (IX ZR 206/92, WM 1993, 1798, 1800 f), vom 11. Februar 1999 (IX ZR 14/98, NJW 1999, 1391, 1392) und vom 13. März 2003 (IX ZR 181/99, NJW-RR 2003, 850, 855 f) verwiesen.
19
Die neu eröffnete Berufungsinstanz gibt dem Oberlandesgericht schließlich Gelegenheit, in dem durch § 139 Abs. 1 und 3 ZPO gebotenen Umfang auf die Bedenken gegen die Zulässigkeit der von der Klägerin in der Berufungsinstanz gestellten Anträge zu Nr. II., III., V., VI. und IX. hinzuweisen (vgl. insbe- sondere BGH, Urt. v. 23. September 2004 - IX ZR 137/03, NJW-RR 2005, 494, 497 f).
Ganter Vill Cierniak
Fischer Lohmann
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 08.05.2003 - 3 O 19339/02 -
OLG München, Entscheidung vom 02.03.2004 - 18 U 3452/03 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
X ZR 204/02 Verkündet am:
13. Juli 2004
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Juli 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter
Scharen, Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und den Richter Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das am 18. Juli 2002 verkündete Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der nach Angaben der Beklagten während des Revisionsverfahrens verstorbene Kläger und seine im Jahr 2000 verstorbene Ehefrau hatten der Beklagten , ihrer Tochter, im Jahr 1993 u.a. ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück in W. unentgeltlich unter Anrechnung auf den Pflichtteil überlassen. Im Jahr 1999 hatten der Kläger und seine Ehefrau die Schen-
kung wegen groben Undanks widerrufen und Rückauflassung des übertragenen Grundbesitzes begehrt. Der darüber vor dem Landgericht München II geführte Rechtsstreit wurde durch einen Vergleich beendet, nach dem sich die Beklagte u.a. verpflichtete, eine weitere Eigentumswohnung in W. auf den Kläger und seine Ehefrau zu übertragen sowie einen Geldbetrag zu bezahlen. Nach dem Tod der Ehefrau des Klägers kam es erneut zu Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und der Beklagten. Der Kläger widerrief mit Schreiben vom 21. November 2000. Erneut die Schenkung des bebauten Grundstücks wegen groben Undanks, und verlangte Auflassung und Rückübertragung des Grundstücks. Das Landgericht hat die Klage unter Verneinung groben Undanks abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Übertragungsbegehren hinsichtlich eines hälftigen Miteigentumsanteils weiter. Die Beklagte ist nicht durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalt vertreten.

Entscheidungsgründe:


I. Über das Rechtsmittel ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden, weil die Beklagte im Revisionsverfahren nicht vertreten ist. Inhaltlich beruht die Entscheidung jedoch nicht auf der Säumnis (BGHZ 37, 79, 81).
II. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, auf die Begründetheit des Widerrufs der Schenkung komme es nicht an, weil durch den Vergleich eine Umschaffung des Rechtsverhältnisses stattgefunden habe. Damit liege ein neuer Rechtsgrund für das Behaltendürfen und keine Schenkung mehr vor und somit sei deren Widerruf nicht mehr möglich. Der Vergleich habe sowohl die Unbegründetheit wie die Begründetheit des (gemeint: früheren) Widerrufs abdecken
müssen. Im Fall der Begründetheit hätte er den Rechtsgrund der Zuwendung, also die Schenkung, beseitigt. Diese rechtsgestaltende Wirkung sei auch tatsächlich berücksichtigt worden. Daran zeige sich, daß ein Grundstück zurückgegeben worden sei. Für den Fall einer solchen Gestaltungswirkung habe aber für das Behaltendürfen des anderen Grundbesitzes durch den Vergleich ein neuer Rechtsgrund geschaffen werden müssen.
III. Die Revision verweist darauf, daß nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Vergleich in der Regel keine schuldumschaffende Wirkung habe. Einen Ausnahmetatbestand habe das Berufungsgericht nicht festgestellt.
IV. Der Rüge kann der Erfolg nicht versagt bleiben.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein Vergleich in der Regel keine umschaffende Wirkung (BGHZ 52, 39, 46 m.w.N.; BGH, Urt. v. 25.7.1987 - VII ZR 214/86, NJW-RR 1987, 1426 = BGHR BGB § 779 Abs. 1 - Novation 1). Die Feststellung eines abweichenden Parteiwillens bedarf besonderer Anhaltspunkte (BGH, Urt. v. 24.11.1988 - IX ZR 210/87, BGHR BGB § 779 Abs. 1 - Novation 2). Solche hat das Berufungsgericht nicht festgestellt; es hat sich vielmehr auf die formelhafte Annahme beschränkt, daß sich die Umschaffung aus den vorliegenden Umständen ergebe. Auch die weiteren Ausführungen im Berufungsurteil tragen dieses nicht. Für den Fall des Behaltendürfens konnte, nachdem der Vergleich die Rechtsfolgen des ausgesprochenen Widerrufs beseitigt hat, als Rechtsgrund weiterhin die Schenkung bestehen; warum hierfür ein neuer Rechtsgrund unabhängig von einer Schenkung geschaffen werden mußte, ist nicht nachvollziehbar.
V. Das Berufungsgericht wird im wiedereröffneten Berufungsrechtszug die Prüfung der Frage nachzuholen haben, ob ein Widerrufsgrund für die Schenkung bestand.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Asendorf